Der Karneval nahm die Fremden vor Allen
in Anspruch; „in köstlichenn Kleidern lauffen die
Venediger in der Fastnacht umb, etliche von gold
und sielber gestickett, etliche von Perlenn hosenn
gesticket auf den Ermelln. . . undt währet
durch denn ganzenn Winter undt wann sie sich
ann aller scheußlichsten vermachen» und verstellenn
wöllenn, so ziehen sie wie Deutsche tragen, kurhe
kleider und Caplein mit tradeln. . Bon
einem sonderbaren Gebrauche hören wir; während
des Karnevals dienten die jungen Männer ihren
„bulen," wenn sie diesen große Ehre thun wollten,
kauften mehrere einen Ochsen, führten ihn an
Stricken dahin, wo ihre Geliebten sich befanden.
Große böse Hunde mußten das Thier beißen
und hetzen, um einige Aufregung in dem Opfer
hervorzubringen. Unter den Fenstern ihrer Damen
hieb als Krönung dieser „Verehrung" einer der
Helden dem Ochsen den Kops herunter, wobei
die Uebrigen das Thier festhielten, damit „er
ihnen nichts thunn möge, undt wilcher dem ochsen
das Haupt abgehawenn, vermeinett, Er habe
ein großes erjagtt." Das widerliche Schauspiel,
eine Fratze des spanischen doch wenigstens ge
fahrbietenden Stierkampfes, deutet das Sinken
des venetianischen Geistes an. welches in den
folgenden Jahrhunderten in erschreckender Weise
zum Niedergänge des Staates führte.
Der Landgraf war noch immer so wohl mit
Geldmitteln versehen, daß er beträchtliche Ein
käufe machen konnte; so kaufte er „viel sammt
undt seidenstucke, 16 Ellen golden stücke zu einem
Rocke, davon die Elle 25 Ducaten kostete." Er
ließ einen Orden fertigen, vermuthlich den des
heiligen Grabes, wofür er 1000 Ducaten und
drei goldne Ketten, wofür er 1000 Gulden zu
zahlen hatte, letztere vermuthlich für seine treuen
Genossen. Ueber Wilhelms Theilnahme an den
sinnberückenden Freuden der geheimnißvollen
Stadt ist keine Andeutung gegeben; doch ist wohl
aus Schachtens wenig glimpflichem Urtheile über
die Venetianerinnen vielleicht zu entnehmen, daß
sein junger Herr sich von ihnen nicht fern hielt.
Auch diese heitere Zeit ging zu Ende. In
schmeichelhafter Weise von der Regierung be
handelt, reich von ihr beschenkt, darunter mit
erlesenen Speisen, und den schon damals in ganz
Italien sehr gebräuchlichen Süßigkeiten, durfte
der Landgraf auch hier im Vollgefühle der Be
friedigung scheiden. Die ihm gewordene auf
merksame Behandlung ist um so bemerkenswerther,
als diese Aristokratenregierung im Verkehr mit
Fürsten einen mitunter verletzenden, später bei
ihrer Schwäche lächerlichen, Hochmuth darlegte.
Gegen den 20. Februar trennte Wilhelm sich von
der schönen Stadt. In Treviso fand er seine
Diener mit den Pferden und nun ging es durch
die im Frühlingsglanze prangenden Gefilde der
Terrafirma, dann durch die noch schneebedeckten
Alpen. Sieben Tage währte die Reise von
Venedig bis Innsbruck, im letzten Nachtquartier
zu Matrey empfing der von Wilhelm dem Mittlern
dem Bruder entgegengesandte Curt von Walden
stein seinen Fürsten. Bereits eine Meile vor
Innsbruck holten Wilhelm der Mittlere, die
Herzöge Hans von-Sachsen (der spätere Kurfürst),
Erich von Braunschweig und eine große Zahl
Edelleute, die weitgereisten Pilger in glänzendem
Zuge ein, empfingen sie mit großer Freude und
geleiteten den Landgrafen zu seiner Herberge.
Diele Fürsten und Edle waren Gäste des Erz
herzogs Sigismund und feierten die Fastnachten.
Der römische König Max war gleichfalls an
wesend. Täglich brachen die Ritter Lanzen, des
Abends sammelte der erlesene Kreis sich am Hofe
Sigismunds und seiner jungen schönen Gemahlin.
König Max stach noch am Abende der Ankunft
des Landgrafen mit einem Grafen Salm, wobei
jeder den anderen einmal aus dem Sattel hob.
Der König lud Wilhelm, welcher wie sein Bruder
demselben treuergeben war, zu Gaste und „hattenn
da viel kurtzweill." In der Turnierbahn suchten
die Ritter durch Kraft und Gewandtheit vor den
Damen zu glänzen. So sprang ein großer
Herr aus Welschland in voller Rüstung zwei
mal „ohne einigen stegreif" in den Sattel,
„wilches doch eine große geradheit ist," auch stach
derselbe auf welsche Weise. Hierbei ist die
Rüstung der deutschen ähnlich, der Sattel aber
mit hohen Pauschen, die Lanze nur hinten dick,
vorn aber schmal, so daß sie brechen mußte,
wenn einer dem anderen traf, „daß doch nicht
viel geschah" setzt Schachten hinzu. Zu mehrerer
Sicherheit wurde ein starkes Tuch manneshoch
durch die Länge der Bahn gespannt und befestigt,
welches die beiden Ritter von einander trennte.
Die rennenden Rofie konnten hierbei sich nicht
treffen, die Ritter „treffen» ubell undt ob sie
sich woll zu zeitenn troffenn, so mochte doch kei
ner nichtt fallen»." Diese Abschwächung des
ritterlichen Turniers behagte den Deutschen nicht
recht.
Maximilian, damals zweiunddreißigjährig, be
zauberte Alle; Schachten rühmt ihn als „einen
so züchtigen feinen fürsten, wie er sein tage ei
nenn gesehenn habe, mit allen seinen geberdtenn,
sönderlichenn an dem tantze." Der König stach
täglich mit, selbst in einem Gesellenstechen, d. h.
einem solchen, bei dem ein Trupp gegen eine
leich große Anzahl ansprengte. Der jüngere
essische Landgraf, der in der Wiffenschaft da
maliger Zeit, wie in Ritterlichkeit gleich vollendet
galt, rannte mit einem Ritter Wickert, beide
küßten den Sand; als er sich mit seinem Lieb-