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Mem ganzer Reichthum, den ich zu retten gedachte,
waren 5 Oberhemden auf der Hanl und mein bestes
Kleid, welches ich über die Hemden göpreßet hatte,
nebst 6 Schild-Louisd'or in den Stiefeln unter den
Füßen. Ich nahm meine Frau wie ein Pilgrim in
Gottes Namen an die Hand, ließ Alles im Stich,
auch die besten Effekten, welche eingemauert waren.
Meine Lebensart wurde täglich wunderlicher. Ich
kochte selbst. Das Töpfen stellte ich' mitten unter
meine Gäste und der eiserne Kessel war unser Teller
und Schüffel zugleich. Wer mir noch ein Kompliment
machen wollte, bekam zur Strafe nichts. Der Förster,
mein Nachbar und die zwei Feldprediger waren meine
Gäste. Commisbrod und Wasser war unsere beste
Nahrung, zuweilen auch ein Huhn, welches von denen
guten Domestiken auswärts erbeutet und mir zum
Kochen für uns allgemein geschenkt wurde. Ich kochte
Reis und Huhn so lange, bis kein Theil mehr konnte
erkannt werden. Mein Lager war Stroh und eine
schwere Bauerndecke zum Oberbett, welches ich in
Verwahrung genommen hatte und so schwer war, daß
man darunter ersticken sollte. Der Herr Förster war
mein getreuer Schlaskamerad. Unser'Schlafhabit war
lächerlich. In Pistolen und alten zerrissenen Kami-
sölern, woran mehr weiße als schwarze Lappen hingen,
legten wir uns in die furchtbare Ruhe. Ein blauer
alter Rockärmel war die Mütze, welche einem Husaren
habit ähnlich sehe, für den Herrn Förster. Ein jeder
Trommelschlag däuchte uns Generalmarsch zu sein,
wobei der Förster stets zuerst hervorsprang und ge
meiniglich dreimal über das große Loch im Fußboden
meiner Kammer hinstolperte, ehe er zu stehen kam
und allemal fragte: „Schildwacht! war das General
marsch zur Bataille?" „Ntin!" So legten wir uns
wieder zur Ruhe. In dieser Stallung brachten wir
4 Tage zu und meine reisefertige Rüstung in fünf
Hemden und Zubehör blieb Tag und Nacht an mir.
A. D.
Aus Vermuth und Fremde.
Kassel, am 27. Juli 1879, am Todestage
Albert Dunckers.- Am heutigen Tage ist ein
Jahr verflossen, seitdem nicht allein unser engeres
Vaterland den Tod eines Mannes in der Blüthe seiner
Jahre zu beklagen hat, von dem auf dem Gebiete
der Geschichtsforschung bei seinen umfassenden Kennt
nissen und seinem rastlosen Fleiß noch reiche Ergeb
nisse zu erwarten waren. So groß der Verlust für
die Wissenschaft war, so war die Trauer seiner vielen
Freunde und Aller, die je im Leben in Beziehung zu
ihm gestanden, noch größer und schmerzlicher, als die
Nachricht an sie gelangte, daß dieser vortreffliche
Münn, der Oberbibliothekar Dr. Albert Düncker in
seinem 43. Lebensjahre, nach kurzer Krankheit, zum
unbesiegbaren Schmerze seiner geliebten Gattin und
seiner fünf nun verwaisten, des zärtlichsten Vaters
noch so bedürftigen Kinder vom unerbittlichen Tode
dahingerafft sei. Indem wir bezüglich des Lebens
gangs des theuren Heimgegangenen, auf den Werth
der bei seinem kurzen Lebensgang schon so zahlreich
erschienenen Schriften, seine Bedeutung als Geschichts
forscher und seine Verdienst^ als Bibliothekar- der
Landesbibliothek auf den in den Mittheilungen des
Vereins für hessische Geschichte und' Landeskunde,
Jahrgang 1886, enthaltenen vortrefflichen Nachruf
von der Hand seines Amtsnachfolgers Dr. Lohmeyer
hinweisen, wollen wir hier nur noch besonders des
S rßen Verlustes gedenken, welchen der hessische Ge-
ichtsverein durch seinen frühen Tod erlitten hat,
da Er wie kein Anderer es verstanden hat, durch seine
gediegenen, dem Kreis..der Zuhörer in vortrefflicher
Weise angepaßten Vorträge, das Interesse für die
Geschichte des Hessenlandes zu wecken und sich dadurch
das größte Verdienst um das jetzige Blühen und Ge
deihen dieses Vereins zu erwerben.
Aber auch unsere Zeitschrift „Hessenland", welche sich
die Aufgabe gestellt hat, mit den Bestrebungen dieses Ver
eines Hand in Hand zu gehen, hat ebenwohl Grund, den
Verlust dieses Mannes, welcher gleich seinem Vor
gänger Schnbart nach Einverleibung Kurhessens in
den preußischen Staat den Gedanken, „die hessische
Fahne kann jetzt nicht hoch genug gehalten werden"
mit unausgesetztem Eifer verfolgte, aufs Tiefste zu
beklagen und kann seine voraussichtliche Mitwirkung an
Erreichung des angestrebten Zieles nrr schwer vermissen.
Nun ruht er in der Erde seines von ihm so treu
geliebten Heimathlandes; ein ehrenvolles Andenken
wird ihm immerdar bewahrt bleiben. l£.-g.
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» 4-
— Die Herzogin Auguste Wilhelmine Louise von
Cambridge, Tochter des Landgrafen Friedrich von
Hessen, vollendete am 25. Juli ihr 90tes Lebensjahr;
sie ist die älteste der jetzt lebenden Fürstinnen. Sie
vermählte sich am 7. Mai 1818 mit dem Herzog
Adolf von Cambridge (geb 25. Februar 1774. gest.
8. Juli 1850), welcher vom 24. Oktober 1816 bis
1831 Generalstatthalter, von da bis 1837 Vicekönig
von Hannover war. Ungeachtet ihres hohen Alters
und . einer Lähmung, die ihr die Bewegung erschwert,
ist die Herzogin von Cambridge geistig noch vollstän
dig frisch und widmet immer noch das größte Inter
esse der Kunst, Literatur, Politik, vorzugsweise aber
der Musik. * * *
— Am 18. Juli starb zu Rothenbach H Ahrens-
hausen nach kurzem Kranksein in seinem 79ten Lebens
jahre der Generallicutenant z. D. Freiherr von
Hanstein, ein Sohn des vorhinnigen kurhessischen
Staatsministers v. Hanstein, welcher letztere als Nach
folger Hassenpflugs, nach dessen erstem Ministerium, von
1837 bis 1841 den Vorsitz im kurhessischen Staats-
ministerium führte. Der eben verstorbene General
lieutenant von Hanstein war nach Vereinigung Kur
hessens mit der preußischen Monarchie im Fahre 1866
kurze Zeit hier in Kassel Kommandeur der 44ten
Infanterie-Brigade und galt für einen durch vortreff
liche militärische Eigenschaften ausgezeichneten Offizier.
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— Der seitherige Direktor der hiesigen Kunstge
werbeschule, Herr Prof, von Kramer ist zum Direktor