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war. Mit schönen und freundlichen Eindrücken
verließ der Landgraf da- bevorzugte Land, ohne.
zu ahnen, daß wenige Jahre später die Dynastie :
seiner Gastfreunde hinweggefegt sein würde.
Ein vornehmer Ritter geleitete den Landgrafen
am 13. Dezember hinweg. Die Reisenden
passirten einen „lustigen Wald," in welchem nach
Versicherung des Ritters 10000 Hirsche sein
sollten, ohne anderes Wild. Unterwegs blieb der
Koch krank zurück, ein unersetzlicher Verlust und
in Fondi wurde Wilhelm der aus Cypern mit
gebrachte Hund gestohlen. Der geleitende Ritter
trat jedoch derartig auf, daß daS Thier wieder
zum Vorschein kam. Am vierten Tage wurde
die Grenze deS päpstlichen Gebietes überschritten,
hier verabschiedete sich der Neapolitaner mit
seinem Gefolge. Nach weiteren drei Tagemärschen
durch übel berüchtigtes Gebiet näherten die
Wanderer am 19. Dezember sich der ewigen
Stadt. Da empfinge» hessische Landcskinder,
Herr Nagel und Meister Konrad Thone aus
Grebenstein herzlich ihren Fürsten, welchem sie
mit vielen Anderen entgegen geritten waren. In
stattlicher Kavalkade zog Wilhelm zu Rom ein.
Die gewaltige Stadt wurde unausgesetzt durch
wandert, die Hauptkirchen und vieles Andere,
auch die Umgegend wurde besucht. DaS Tage
buch sagt „item Rom begreifst umb sich, wa
rmer ziemlichenn eines tages reittenn magk zu
Rieng umb." Der jetzige Dom zu St. Peter
bestand noch nicht, Museen und andere Kunst
sammlungen schuf erst eine spätere Zeit, so mußte
ein Fremder großes Interesse und viel Zeit haben,
um das Vereinzelte zu sehen. Der Landgraf
ritt mit Gefolge zum Palaste de- Papste-, dieser
empfing ihn in Audienz und der Fürst küßte
ihm die Füße, ebenso die Diener. Am Weih
nachtsabende wohnte Wilhelm der vom Papste
Jnnocentiu- VIII., in der Kirche zu St. Peter,
gelesenen Messe bei uud nach beendigtem Gottes
dienste empfing er knirend vor dem Altare von
dem heiligen Vater ein geweihtes Barett und
ein Schwert mit Wrhrgehänge, ein Meisterwerk
edler Renaiffance. Diese- sollten ihn für die
über sich genommenen Beschwerden der Pilger
fahrt belohnen, für die Zukunft im Eifer für
den Glauben und zum Kampfe gegen dessen
Feinde stärken. y Die Botschafter der Könige von
Frankreich 7 und von Schottland weilten schon
langt zu Rom und halten gehofft, daß Einem von
ihnen das Schwert zn Theil werde; sie wurden
enttäuscht und empfanden „großen verdrieß."
Dem Landgrafen gaben fünf Bischöfe, viele andere
Prälaten, her Margraf von Baden und sonstige
vornehme Herren ein feierliches Geleite zu seiner
Herberge, wo zahlreiche Pilger Wilhelm sehen
wollten. Der ihm so gütige ehrwürdige Jnnocentiu-
starb nach nur wenigen Monaten, ihm folgte
Alexander VI., Borgia.
Noch auf der Reise traf den Landgrafen die
Nachricht vom Tode seiner Koch-, zu Rom brachte
ihm ein Pfeifer de- König- von Neapel Bot
schaft, daß auch Arend von Stein verschieden
'sei, so lichtete sich der kleine Kreis seiner Ge
treuen rasch, nach den Mühsalen der Fahrt.
Stein scheint mit Stammen ein und dieselbe
Person zu sein, es ist die- nicht aufzuklären ge
wesen. (Schluß folgt.)
■M—
Beiträge zur Geschichte der kurhesstfchen ArtiUerie.*)
Von August v. Gaumbach.
2. Die Artillerie unter dem Landgrafen Wilhelm IV.
1567—1592.
ei der unglückseligen Theilung Hessens im
Jahre 1567 unter die vier Söhne des
Landgrafen Philipp, bestimmt durch den
letzten Willen dieses sonst so klugen und
einsichtigen Fürsten, erhielt Wilhelm IV., .ge
gönnt der „Weise", als der älteste der Söhne,
nebst der Hälfte des Landes mit der Haupt- upd
Residenzstadt Kassel, auch die Hälfte der vor
handenen Bewaffnung. An Geschützen erhielt er
4 Doppelkarthaunen, 4 große Schlangen, 2 Mörser,
8 achtpfkindige Falkaunen, 5 sechspfündige Fal-
kaunen, 2 dreipfündige Quartierschlangen, 30
Apostel, 10 .einpfündige Falkonete und 15 halb-
pfündige scharfe Tintlein; also im Ganzen 80 Ge
schütze. Äußer diesen besaß er noch die im Jahre
1552 erbeuteten Stücke, »und erhält auch im
Jahre 1588 von der Königin Elisabeth von Eng
land die aus Hessen stammenden und von Alba
weggeschleppten Geschütze wieder, welche zur Aus
rüstung der.Armada gehört hatten und von den
Engländern erobert waren.
Landgraf Wilhelm IV. hielt es nicht für zweck
mäßig, schwerere Geschütze mit in- Feld zu
*) Siehe „Heffeuland" Nr. 3,