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die Schiffsleute den Muth verloren und der
Patron dem Fürsten bat, zu ihrer Rettung eine
Wallfahrt nach Loretto zu geloben. Der sagte
es zu und „also bald! stiuidt uns ein gutt windt
auff, daß .wir aller sorgen» frei wahre««."
Sonntags den 20. November landete Landgraf
Wilhelm in Bründiß (Brindisi), einer großen
blühenden Stadt. Man zeigte dem Landgrafen
das Gtab seines Vorfahren, Ludwig des Heiligen;
doch irrthümlich, denn Ludwig starb zu Otranto
und war nur vorübergehend beigesetzt. Die Be
sichtigung der Stadt, die Beschaffung von Reit
pferden hielt den Fürsten drei Tage in Brindisi,
dann ritt er längs der Küste bis Bari, von da
durch die Apenninen gen Neapel, in Tagemärschen
von drei bis sechs Meilen, nur Nachtquartiere
haltend. Vom Grabe des heiligen Nikolaus zu
Bari mit zwanzig silbernen Ampeln, aus welchem
beständig Ocl schwitzt, werden einige Gläser des
selben mitgenommen. Die Befestigungen, welche
der König an vielen Orten anlegen läßt, manches
Andere, werden bemerkt. - Tagesanger Ritt durch
Kastanienwälder, der Anblick von dreißig Städten
und Schlössern, alle auf Bergen, von einer Höhe
aus, erkegen das Interesse. Das herrliche Land
wirkte dvch auf die. Reisenden. die schon so Vieles
sahen. Bor Neapel'zogen sie durch Kastanien-
und Haselnußwälder, welche dem Könige 16000
Gulden eintragen sollten, dann eine Meile lang
durch einen Wald „Da iglicher bäum eine Wein
rebe hatt, ist' m'äncher, der ein Harb fuder weins
trägtt, wilches lustig zu sehenn ist." Abends
des 4, Dezember, Sonntags, ritt der Landgraf
in Neapel ein; er hatte das Pilgerkleid abgelegt
und sich für den Besuch der Königsstadt nebst
fernem Gefolge „in schwarzen Schamelott hübsch
nndt woll bekleide«." Unter seine Diener hatte
er noch Albert von Mugk, Komthur der Jo
hanniter, sowie Daniel Kaufmann, Bürger von
St. Gallen, einen vielgereisten Mann und Ritter
deS heiligen Grabes, aufgenommen. Die ersten
Tage hielt sich der Fürst in seiner Herberge,
am Mittwoch Morgen zog er mit dein König
zur Jagd, von diesein mit Auszeichnung be
handelt. Der Weg führte durch den Tunnel im
Posilippo, welcher denen, die in ihm ein Ver
brechen begehen, die Flucht unmöglich machen
sollte.' Auf dem Jagdplatze ordnete der König
selbst Alles an, vertheilte die Hunde und speiste
dann allein in einem kleinen Thäte. nach alt
spanischer Sitte. Die Königin erschien mit ihrer
Tochter, der Landgraf küßte ihnen die Hand,
während er anderen Fürstinnen die Hand reichte.
Deß Königs Söhne, der Herzog von Kalabrien
und Herzog Friedrich, sowie des Ersteren Sohn,
Fürst von Kapria, waren zugegen, dem Land-
grafen ein alter vornehmer Ritter beigegeben.
Ein köstliches Mahl auf Silber erfrischte die
Jagdgenossen, darauf begann zu Pferde die Hetze
des Wildes, welches mit Spießen erlegt wurde.
Hervor that sich der Enkel des Königs in dieser
mannhaften, nicht ungefährlichen Jagd. Einmal
wurden sechs Hirsche, dann vier gleichzeitig ab
gethan und als man hier der Lust genug hatte,
zog die Kavalkade heimwärts. Noch eine Jagd auf
Wildschweine erwartete sie; auch diese wurden
zu Rosse angegriffen, mit dem Spieße, Schwertern,
Degen und anderen Messern, ein männliches
aufregendes Schauspiel. Vor dem Könige wurden
allein zehn Wildschweine.abgefangen. Den Herzog
von Kalabrien rannte ein Reiter, welcher hinter
einem Keiler hersetzte, über den Haufen, sodaß
man für den schweren Mann Schlimmes be
sorgte. Seine Eltern eilten herbei, doch erhob
er sich wieder und ritt zur Stadt.
Landgraf Wilhelm war täglich bei Hofe. Das
Königspaar machte mit ihm einen Ritt durch
die Stadt, diese zu zeigen, und zum Schlosse des
Herzogs, der von seinem Sturze niederlag. Der
dem Landgrafen beigegebene Kavalier führte ihn
zu des Königs Garten, der „Pforte des Meer's"
um die Ringmauer mit 28 je 200 Fuß von
einander entfernten Thürmen, ein Werk des
Königs. Die neue Stadtpforte von Marmel
stein erregt Bewunderung. Des Herzogs Mar-
stall enthielt 150 Pferde und solcher Ställe sollte
er noch drei bis vier besitzen; sein Garten war
„überaus schön und lustig" und hatte 60000
Dukaten gekl stet. Abends wurde Landgraf Wilhelm
zum Schlosse abgeholt, die königliche Familie
und Herren des Hofes verbrachten einige Stunden
mit „viel kurtzweill nndt siengenn." Bei jedem
Abschiede küßte der Landgraf den königlichen
Damen die Hand, zwei „Landsherren" holten
und geleiteten ihn zurück. Einige feste Schlösser
der Umgegung besuchte der Fürst mit seinem
Gefolge. Der ihm sehr gewogene König ließ
ihn wissen, daß er in den Orden des Königs
aufgenommen werden solle. Am Sonntage nach
Anhörung der heiligen Messe im Schlosse em
pfingen Landgraf Wilhelm und seine Begleiter
knieend die goldene Ordenskette; König und
Königin hingen Jedem den weißen Ordensmantel
um. Schachten, Hanstein, Kaufmann wurden so
ausgezeichnet, Stein lag krank. Der Landgraf
verabschiedete sich hiernach, küßte dem Könige und
der Königin die Hand, die Begleiter aber nur
dem Könige. Dieser sandte später seinem Gaste
zwei große schöne, aufgeschirrte Pferde, davon
ins für Wilhelm selbst gesattelt und gezäumt