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Züge aus hessischem Volksthume.- Das
Feuer. Noch immer behauptet das Feuer seine be
deutsame Würde; auch in unserer Zeit, wo doch die
Begründung so mancher Verrichtung in gewerkischem
Leben auf „Feuer" und „Dampf" gestiftet ward,
überhaupt unser gesammtes alltägliches Treiben jenem
göttlichen Funken an alter geheimnisvoller Hoheit und
Weihe einigen Abbruch gethan hat.
Der Bauer, ob er sonst auch nie eine Dankes-
Sagnng unterlaße, darfnr daß man ihnt etwa Feuer
zur Pfeife geschlagen habe, danket er nicht. Doch
ebenwohl in umgekehrter Lage, wo er als freundlicher
Geber erschien, wehrt er unbedingt allem Danke; so
gar entschiedenes Wortes: „d a r f ü r aber n i t!"
Ja, er läßt sich die Belehrung nicht verdrießen: „für
Feuer danket man nit!"
Ungerne gibt auch die gefälligste Hausfrau von
heimischem Herde doch Feuer für irgend ein anderes
Haus. Hierbei vielleicht dann Worte des Dankes
finden, ruft wohl gar ihren Unmuth wach, also daß
sie die unhold gewährte Gabe vollends zurück sich
nehme.
Ueber Grund solcher Feuers-Verehrung aus Furcht
ist man nicht einig. Eines sagt: Feuer sei eine
furchtbare zerstörende Kraft; man müße nicht danken
für Empfang des Bösen. Anderes vermeint: sein
Vieh werde behegset, wenn Man von eigenem Herde
fremden Häusern nun Feuer mittheile; zumal jedoch
falls hierfür Dankes-Sagung erfolget und ange
nommen sei. Wann aber eine Knh etwa gerade
kalbt, gibt man mindest geneigt vom Feuer ab; dar-
mit zu solcher Frist ein Nutze, den das Vieh bringen
solle, nicht mitsamt hinweg getragen werde.
Aehnlicher Vorstellung über geheimnisvolle Be
ziehungen entspricht der Wahn, das Bich der Heim
stätte bekomme „wildes Feuer", falls Bosheit auf
erborgte Feuers-Spende —- als bösen, übelen Dank
für widerwillige Gewähr — hinter drein Hare, Wolle,
Horn und derlei streue.
Alte Heiligung wichtigster Urstoffe — die ja auch
zu gerichtlicher Feuers- und Waßers-Probe einst
führte — bricht also immer noch hindurch. — So
galt früher im Hessen-Lande als sicherstes Mittel,
ansteckende Krankheit nicht zu verschleppen, daß ein
Gast zwischen zwei Feuern hindurch gegangen sei,
bevor er ein freundliches Haus betrete. —
Aerrnerrrrr *r<m Pststev.
Atts Heimath und Fremde.
Kassel. Oberst Friedrich Boedicker f.
Am 3 ds. Mts. starb zu Kassel im 84. Lebensjahr
der Oberst a. D. Friedrich Boedicker, ein Offizier,
welcher durch seine hervorragenden militärischen Eigen
schaften einen Ehrenplatz in der Geschichte der kurhessi
schen Armee verdient hat, wenn cs ihm auch nicht be-
schieden war, jene in der langen Friedensperiode, in
welche seine Dienstzeit fiel, auch auf dem Schlacht
felde zu bethätigen.
Er stammte aus einer alten hessischen Soldatcn-
familie, welcher Männer entsprossen sind, die sich in dem
Kriege gegen die französische Republik am Ende des
vorigen Jahrhunderts, dann als königl. westfälische
Offiziere, in den napoleonischen Kriegen und bis in
die neueste Zeit hinein in den Kriegen gegen den
französischen Erbfeind großen Kriegsruhm erworben
haben Friedrich Boedicker's, in Marburg als pen-
sionirter kurhessischer Major, verstorbener Vater hatte
sich namentlich als königlich westfälischer Hufaren-
Rittmeister in dem Feldzunge gegen Rußland aus
gezeichnet und war für seine im Jahre 1812 in den
Kämpfen bdi Smolensk bewiesene Tapferkeit mit. dem
Orden der Ehrenlegion und der westfälischen Krone
dekorirt worden. Durch seine glänzenden Waffen-
thaten hat sich der Bruder seines Vaters, der im
Jahre 1843 als Kommandant von Kassel verstorbene
Generaelientenant Boedicker ein unvergeßliches An
denken in der Kriegsgeschichte gestiftet. Nachdem er
in frühester Jugend in hessischen Diensten als Fahnen
junker im Jahre 1792 an det Erstürmung von
von Frankfurt theilgenommen und im darauffolgenden
Jahre in Flandern als Fähnrich sich durch eine be
sonders kühne That hervorgethan hatte, war er in den
, Jahren 1809 und 1819 als Kapitän in dem west
fälischen leichten Jnfanteriebataillon in Spanier, und
dann im Jahre 1812 als Kommandeur des zweiten
leichten westfälischen Bataillons im russischen Feld
zuge mit der größten Auszeichnung und von seltenem
Glück begünstigt, an den vielen* blutigen und für
die deutschen Truppen so verhängnißvollcn Kämpfen
in diesen Kriegen betheiligt. In den Feldzügen
; der Jahre 1814 und 1815 hat seine vortreffliche
Führung der kurhessischen Häger die größte Aner
kennung gesunden. Auch der einzige Sohn des jetzt Ver
blichenen, sein Trost nnd seine Freude an seinem
durch körperliche Leiden schwer getrübten Lebensabend,
hat sich dem militärischen Beruf gewidmet; er steht
als Premierlieutenant im 7. Jägerbataillon.
Es war daher erklärlich, daß der eb-m verstorbene Oberst
Friedrich Boedicker von früher Jugend an kein anderes
Streben kannte, als dereinst als Offizier sich des Namens
seiner Vorfahren würdig zu zeigen. Dieses Ziel hat er
denn auch vollständig erreicht. Er wurde im Jahre 1821,
in seinem 18. Lebensjahre, zum Sekondelieutenant
im 1. hessischen Husaren Regiment ernannt, diente
immer 'n einem der beiden leichten Kavallerieregimenter,
in welchen er im Jahre 1831 zum Premierlieütenant,
1839 zum Rittmeister und im Jahre 1848 zum
Major befördert wurde, obgleich für diese Stelle noch
keine Vakanz war. Die Veranlassung zu dieser ausnahms
weisen Ernennung lag darin, daß man ihm das
Kommando über eine aus drei verstärkten Eskadrons
und einer reitenden Batterie gebildeten mobilen Kolonne
anvertrauen wollte, welche zum Abrücken in die
Provinz Hanau zur Bekämpfung der dort im März
1848 ausgcbrochenen Unruhen bestimmt war. Bei
dieser Gelegenheit zeigte er ein so taktvolles, kluges
und umsichtiges Benehmen, daß wohl hierin der Grund
zu finden ist, daß er, der nicht lange vorher erst
zum Major ernannt war, im März des folgenden
Jahres mit der Stelle des Vorstandes im Kriegs
ministeriums betraut wurde. Diese in der politisch