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gütig gewesen waren, die sachkundige Führung zu über
nehmen, hielt aus dem Baustil und namentlich aus
dem eigenthümlichen bei dem Bau verwendeten sog.
römischen (mit Ziegelmehl vermischten) Mörtel, die
Annahme, auf deren nähere Begründung hier nicht
eingegangen werden kann, für gerechtfertigt, daß der
Bau schon aus der Zeit der Karolinger herrühre.
Wenn nun auch der Beweis, daß diese Kirche be
reits zu einem dort befindlichen Kloster gehört habe,
nicht zu erbringen steht, so ist doch aus dem Vor
handensein einer solchen Kirche zu folgern, daß Kau
fungen schon zu dieser Zeit ein bedeutenderer Ort
gewesen sein muß. Diese Annahme findet auch da
rin Bestätigung, daß Major v. Roques eine von
dem Sohne Karls des Großen, Ludwig dem Frommen,
in Kaufungen aufgestellte Urkunde aufgefunden hat.
Von dieser Kirche begab man sich alsdann nach etwa
300 Schritt davon entfernt auf gleicher Höhe, aber
durch eine Thalschicht getrennt liegenden Mauerresten,
welche deutlich erkennen lassen, daß hier einst ein
stattliches burgähnliches Gebäude gestanden hatte.
Am Ende des sehr steil zur Höhe führenden Weges
befindet sich nämlich rechts desselben der Rest einer-
festen, noch jetzt der Zerstörung trotzenden Mauer
und dieser entsprechend auf der anderen Seite eine
als Grundmauer zn einem dort später aufgeführten
Gebäude benutzte mehrere Fuß hohe Mauerwand.
An dieser Stelle ist unzweifelhaft der Eingang zu
dem Gebäude zu finden, dessen Größe sich nach den
auf den gegenüberstehenden Seiten in einer Höhe von
15 und 20 Fuß noch wohlerhaltenen festen, zu Rück
wänden dort später aufgebauten Häusern verwendeten
Mauern genau bestimmen läßt.
Das in einem regelmäßigen Viereck erbaut gewesene
Haus hatte nach vorgenommener Messung eine Länge
und Breite von 150 Fuß. Da sonstige Ueberreste
eines größeren so alten Baues am Orte nicht zu
finden find, so hielt man, wenn auch der Beweis aus
der Bauart selbst nicht entnommen werden kann, doch
die Annahme für begründet, daß an diesem Platze
das Gebäude gestanden habe, welches einst Ludwig dem
Fromme« und Heinrich II. mit seiner Gemahlin vor
Gründung des Klosters zum Aufenthalt gedient hat.
Nachdem der Vorsitzende des Vereins Major a. D.
v. Stamford den Führern für ihre sachkundige vor
treffliche Leitung den Dank ausgesprochen hatte, wurden
noch einige Stunden in der recht guten in der Nähe des
Bahnhofs gelegenen Riemannschen Restauration in ge
müthlichem Zusammensein verbracht, worauf die Theil-
nehmer in hohem Grade von dem in jeder Beziehung sehr-
gelungenen Ausflug befriedigt den Rückweg in die
Heimath antraten. * § R.-F.
*
Kassel. Die Wittwe des Altmeisters Louis
Spohr's, Marianne, geb. Pfeiffer (Tochter des
am 4. Octbr. 1852 verstorbenen Oberappellations-
gerichtsraths Dr. Burchard Wilhelm Pfeiffer),
beging am 17. Juni in vollcr Rüstigkeit ihren
achtzigsten Geburtstag. Schon am frühen
Morgen dieses Tages fanden sich zahlreiche Gratulanten
in ihrer Billa ein, um die Matrone zu beglückwünschen,
darunter eine Deputation der Mitglieder des königl.
Theaterorchesters, welche eine schön ausgestattete Adresse
überreichte. Unser Theaterorchester verdankt Louis Spohr
bekanntlich in's Besondere die Begründung seines
Pensionsfonds. Bemerkenswerth ist. daß die Frau
General-Musikdirektor noch heute in ihrem hohen
Alter alle Kunstangelegenheiten mit dem lebhaftesten
Interesse verfolgt, ja auch den Erzeugnissen der
modernen Musikrichtnng freundliche Beachtung schenkt.
* . *
*
Kassel. Unser „K önigliche s Th eater" be
schloß mit der am 27. Juni erfolgten Aufführung
des Bauerfeld'schen Charaktergemäldes „Krisen" die
Saison. Diese Vorstellung bildete einen bedeutsamen
Moment in der Geschichte des Kasseler Theaters,
schied doch hierin ein Künstler aus seinem Mitglieder
verband, der dreißig Jahre hindurch ihm als besondere
Zierde angehörte. War Friedrich Hesse auch
kein Kind unserer engeren Heimath, so verdient er
dennoch in dieser, hessischen Interessen gewidmeten
Zeitschrift eine Würdigung zn erfahren, weil er in
einer solchen langen Zeit seine Künstlerkraft in den
Dienst eines der vornehmsten Institute Hessens stellte.
Er gehört zu jenen Darstellern, welchen die Kunst
allein Endzweck, nicht wie es jetzt leider so häufig
geschieht, Mittel zu Selbstgefälligkeitszwecken ist.
Selten dürften Künstler anzutreffen sein, die durch
solch' liebenswürdigen Humor ausgezeichnet sind, wie
gerade „unser alter Hesse", wie- er allgemein genannt
wird. Voller Lebenswahrheit waren alle Schöpfungen,
welche er vor uns erstehen ließ, und sein Talent über
haupt von einer außerordentlichen Vielseitigkeit.
Meister war er aber vor allen Dingen in der originellen
Wiedergabe älterer humoristischer Charakterrollen.
Und in diesem Fache gerade wird er in unserem En
semble eine schwer auszufüllende Lücke hinterlassen.
Wer ihn nur einmal in einer Shakespeare'schen Auf
gabe, beispielsweise als „Ambrosius", „Zettel" rc.
gesehen, oder als „Piepenbrink" (Journalisten),
„Adam" (Zerbrochene Krug), „Griesinger" , (Dr.
Klaus), der wird jo leicht die Erinnerung daran
nicht verlieren. Im Schau- und Lustspiel, wie in
der Posse gleich groß, hat Hesse in der langen
Spanne Zeit Tausende von Menschen durch seine
Kunst entzückt. Jetzt, obgleich schon achtund siebzig
Jahre alt, ist er noch im Vollbesitz der Frische
des Körpers und des Geistes. Als „Lämmchen" in
„Krisen-, ebenfalls eine seiner Glanzleistungen, hat er uns
das Scheiden nur noch schwerer gemacht, denn noch um
nichts von der Last der Jahre beeinträchtigt, erschien diese
Darstellung des Künstlers. Das in allen seinen Räumen
dicht besetzte Haus überschüttete den greisen Kunst
veteranen bei jeder nur schicklichen Gelegenheit mit
Applaus, Blumen- und Kranzspenden. Kurz und
herzlich, wie sein ganzes Wesen, waren die Worte
des Dankes und des Abschiedes, welche er an das
Publikum richtete, als es ihn am Ende der Auf
führung immer wieder stürmisch herausrief. Mit
Recht hob der Intendant Herr Baron v. Gilsa bei
der internen Feier auf der Bühne hervor, daß Herr
Hesse nie zu denjenigen Künstlern gehört habe, welche