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den Ovid. Ostern 1833 wurde ich an das neuzu
gründende Gymnasium in Marburg versetzt und Ostern
1835 an das neuzugründende Gymnasium in Kassel.
Sie sehen aus diesem kurzen Abriß meines Lebens,
daß mich das Glück in seltener Weise begünstigt
hat, aber ich wiederhole: von allen Geschenken des
Glücks ist mir keins werthvoller, als daß es mir
gelungen ist, bk Achtung, das Vertrauen, die Liebe
und dankbare Anhänglichkeit meiner Schüler zu er
werben. Und wenn ich sehe und höre, wie diese zu
hohen Würd.m und einflußreichen Stellungen empor
gestiegen sind, so erfüllt dies mich mit Frende und
'wohl anch mit — einigem Stolze, weil ich, vielleicht
unberechtigter Weise, mir schmeicheln zu dürfen glaube,
daß ich ein ganz klein wenig dazu beigetragen haben
könnte. Auf das fernere Wohlergehen meiner Schüler,
aus deren Kreise leider schon vrele, recht viele vor
mir dahin gegangen sind, erlaube ich mir ein Glas
zu leeren.
Alle Anwesenden dankten, von dieser Rede tief be
wegt, dem Geburtstagskind durch Anstoßen mit
ihren Gläsern, worauf Reg.-Rath Dr. Falckenheiner
in einer häufig durch Beifall unterbrochenen Rede
die Verdienste des sich ewiger Jugend erfreuenden
Gefeierten als Lehrer hervorhob.
Groß war die Anzahl der an dem Abend noch
eingehenden telegraphischen Glückwünsche, es waren
deren den Tag über mehr als 100 eingegangen, darunter
einige in Versen, so ein Gedicht von dem Landgerichts
rath Reul in Hanau in dithyrambischer Form,
welches von dessen erfolgreichen klassischen Studien
Kunde gab, und folgendes, mit großem Beifall auf
genommenes Gedicht des Chef-Redakteurs der
Münchener „Allgemeinen Zeitung", Otto Braun:
eißen Glückwunsch Dir zu Füßen,
litz ich, theurer Flügelmann,
Daß ich Dich nur s o begrüßen,
Dir die Hand nicht drücken kann!
Fehl ich auch beim Liebesmahle,
Das die Freunde Dir gedeckt,
Denk ich Dein bei einer Schale
Doch vom allerbesten Sect!
Hessen- Dankbarkeit und Treue
Löscht nicht ans der Jahre Schwamm,
Dies bekunde Dir auf's Neue
Eines Schülers Telegramm.
Zuletzt kam auch noch der Humor zur Geltung,
indem Amtsrichter Büff in einer mit wahrem und
ächtem Humor gewürzten Rede die Leiden und Freuden
eines Gymnasiasten schilderte.
Nicht wenig trug es zum Gelingen des Festes bei,
daß es dem 80jährigen Geburtstagskinde vergömit
war, demselben trotz aller Aufregungen, welche der
Tag für ihn gebracht hatte, in voller geistigen und
körperlichen Frische bis zu ziemlich später Stunde
beizuwohnen. Daß ihm diese seltene Rüstügkeit noch
lange erhalten bleiben möge, ist nicht nur der Wunsch
seiner ehemaligen ihm so "dankbaren Schüler, sondern
Aller, welche dem hochverdienten Manne je im Leben
mähe getreten sind. R.^L.
Ka u fun gen. Zwei von dem Herrn Major a. D.
v. Roques in dem Verein für hessische Ge
schichte undLandeskunde zu Kassel gehaltene,
auf den gründlichsten und umfassendsten Studien be^
ruhende Borträge über die heilige Kunigunde,
Gemahlin Kaiser Heinrich II., und das von ihr im
Jahre 1019 zu Kaufungen gestiftete Klo ster,
hatte Veranlassung gegeben, daß eine größere Anzahl
der Mitglieder dieses Vereins auf Einladung des
Vorstandes desselben, am 18. Juni d. I. einen Aus
flug nach Kaufungeu zur Besichtigung und Erforschung
der dort aus jener Zeit noch vorhandenen und für
die Geschichte dieses Ortes großes Interesse bietenden
Gebäudereste unternahm. Zunächst galt es am Morgen
dieses Tages der Aufsuchung und Besichtigung einiger
nach Angabe des leider an der Theilnahme verhinderten
Herrn Vortragenden im Kaufunger Stiftswald noch
auffindbaren Mauerreste von drei zum Kloster ge
hörig gewesenen Klosterkapellen. Solche waren aber
nur noch von der bei dem Dorfe St. Ottilien gelegen
gewesenen Kapelle St. Juliane in einem den Namen
„Stadtkirche," führenden Tannendickicht aufzufinden
und an sieben Meter langen und' 1V 2 Meter breiten
Mauerresten, als von einer Kapelle herrührend erkenn
bar. Für den geringen Erfolg der Aufsuchung, welche
mehrere Stunden in Anspruch genommen hatte, wurden
die Theilnehmer dadurch entschädigt, daß der Weg
bei dem herrlichsten Wetter durch den prächtigen, oft
die wundervollste Aussicht nach Kassel und Umgegend
bietenden Wald führte, dessen Besuch nicht genug
empfohlen werden kann. Da ferner in den Borträgen
die Vermuthung ausgesprochen war, daß schon vor
der Klostergründung durch die heilige Kunigunde
in Kaufungen ein Kloster bestanden habe, jeden
falls aber die Annahme gerechtfertigt sei, daß schon
vorher in dem schon bedeutenderen Ort ein Gebäude
vorhanden gewesen sei, welches dem Kaiserpaare bei
seinem mehrmaligen urkundlich nachweisbaren Besuche
dieses Ortes vor der Klostergründung zum geeigneten
Aufenthalt habe dienen können, so wurden diese beiden
Fragen neben eingehender Besichtigung der in ihrem
Äußern und Innern im Laufe der Jahre durch Brand
und dergleichen vollständig veränderten und daher
weniger historisches Interesse bietenden Stiftskirche,
hauptsächlich einer näheren Prüfung unterworfen.
In erster Beziehung gründet sich die Annahme von
dem früheren Vorhandensein eines Klosters oder einer
klosterähnlichen Stiftung zumeist auf die neben der
Stiftskirche noch vorfindlichen Ueberreste einer einst
bedeutend gewesenen Kirche, von welcher aber nur noch
der nach Osten gelegene, für Chor und Altar bestimmt
gewesene Rundbau (die Aspis), gut crhaltcn, den Baustil
und die einstige Bedeutung erkennen läßt, während
dies bei dem übrigen, später zur Brauerei und jetzt
zum Speicher dienenden Theile derselben nicht der
Fall ist.
Herr Professor Schneider, Lehrer der Architektur
an der Kasseler Akademie, welcher nebst dem
Herrn Stiftssyndikus Wiskemann und dem mehrere
Jahre in Oberkaufungen als Amtsrichter in Thätig
keit gewesenen Herrn Amtsgerichtsrath Knatz, die so