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deS Professor- Caesar in Marburg über. welcher ihn
dem hiesigen Gymnasium krickerieiunum mit der Be
stimmung» ihn bei frohen Schulfesten zu benutzen,
geschenkt hat. Der unter uns weilende Direktor
dieses Gymnasiums, Dr. Bogt, glaubt nun, daß der
heutige Tag eine passende Gelegenheit biete, ihn zu
solchem Zwecke einzuweihen. So reiche ich ihn nun
Ihren, Herr Profeffor, mit der Bitte, «ns daraus
nunmehr Bescheid zu thun. Meine Herrn, unser ver
ehrter Lehrer, Herr Profeffor Dr. Flügel lebe Hoch,
— Hoch und nochmals Hoch!
Nachdem das ausgebrachte Hoch den lebhaftesten
Anklang bei den Festgenoffen gefunden hatte, sprach
der Gefeierte, sichtlich bewegt und ergriffen, in fol
gender Weise seinen Dank aus, für die ihm an diesem
Tage bezeigte Liebt und Anhänglichkeit seiner ehe
maligen Schüler:
Nehmen Sie vor allen Dingen meinen herzlichsten,
innigsten Dank für die Beweise von Liebe und An
hänglichkeit, mit denen Sie mich, wie schon früher
bei mehreren Gelegenheiten, so auch heute wieder in
so hohem Grade beehren. In dieser Ihrer Liebe
sind« ich, deffen seien Sie versichert, eines der köst
lichsten Güter, die mir zu Theil geworden sind, ein
Gut, dem ich kaum ein anderes zur Seite setzen
möchte, so sehr auch mein Leben von Glück reichlichst
begünstigt worden ist.
Als achtjähriger Knabe, ein Kind unbemittelter
Eltern, die ihre gesammte Habe in der Schlacht bei
t anau verloren hatten, als die Franzosen, um ihren
ückzug zu decken, die Borstadt in Brand schaffen,
trat ich in das sog. reformirte große Chor ein, als
Chorschüler, oder wie man in Thüringen sagte, als
Currendschüler oder um mit Luther zu sprechen» der
bekanntlich in Eisenach in gleicher Lage war, wie ich,
als Parthekenhengst. Im Sommer und Winter, bei
Hitze und Kälte, Wind und Wetter, bei Regen und
Schnee, im Winter nur durch ein kurzes Mäntelchen
nothdürftiq gegen die rauhe Witterung geschützt, zogen
wir Chorschüler durch die Straßen und sangen vor
einzelnen Häusern Choräle und geistliche Lieder und
ich als der Jüngste mußte nach vollendetem Gesang
in die Häuser, mit der Büchse in rer Hand gehen,
um dir paar Kreuzer einzusammeln, die wir am Ende
der Woche unter uns theilten. Wenn mir in dieser,
für daS zarte Knabenalter traurigen Stellung Jemand
gesagt hätte, „sei guten Muthes, mein Junge, es
wird dir später besser gehen, du wirst dereinst in
eine Lage kommen, die mir der jetzigen in stärkstem
Gegensatz steht," so würde er keinen Glauben ge
funden haben. Doch es kam so. In meinem 13te«
Lebensjahr — ich war Tertianer und noch Parthekenhengst
— wurde ich gewürdigt Unterricht zu ertheilen und
zwar im — Griechischen. Der damalige Lehrer am
Gymnasium, Profeffor Hupfeld, der nachmals be
rühmte Orientalist an der Universität Halle, rief
mich eines Tages zu sich und sagte: Da sitzen zwei
Jungen, die im Griechischen nicht mit fortkommen»
gib ihnen Privatstunden, damit sie nicht zurückbleiben.
Ich erschrak fast zu Tode und sagte weinend: ach
Herr Profeffor, ich kann ja selber noch Nichts. Er
aber sagte ermuthigend, so viel Du brauchst, kannst
Du." Ich folgte dem Befehl. WaS ich dem Herrn
Profeffor gesagt hatte, war vollständig richtig. Aber
Pflicht- und Ehrgefühl trieben mich zum angestreng
testen Fleiß an. Ich lernte tüchtig, was ich nach
einigen Stunden zu lehren hatte. Ich trieb cs also
noch ärger, als die Herren, welche Schiller so scharf
geißelt, wenn er in dem Reime in derber Weise sagt:
„was sie gestern gelernt, das wollen sie heute schon
lehren: Ach! was haben die Herrn doch für ein kurzes
Gedärm!" Ich hatte nun weniger Bergnügen am
Unterrichten, als an der Entgegennahme des Honorar-.
So schlecht auch mein Unterricht gewesen sein muß,
ich wurde bald für die sog. „Präparationsstunden"
ein — ich möchte fast sagen — begehrter Lehrer, so
daß ich im 15ten Lebensjahr die Kosten der Beklei
dung und des Schuhwerkes auS meinem Erwerb be
streiten konnte. Als ich in die Prima gekommen war,
mußte ich nicht selten schon als Gymnasiallehrer auf
treten. Wenn nämlich ei« Lehrer erkrankte, wurde
der Lehrer der Quarta — die Zahl der Lehrer war
eine sehr beschränkte — an Stelle des Erkrankten in
die oberen Klassen beordert und ich wurde nach
Quarta geschickt, wo ich Lateinisch lehrte. Zu Ostern
1826 verließ ich das Gymnasium, galt aber seltsamer
Weise immir noch als Schüler, und als im Herbst
1826 Dr. Münscher der Aeltere nach Hanau kam,
fand er mich zwar auf der Liste der Prima, mich
selbst aber nicht. Auf seine Frage nach mir, ant
worteten die Primaner: „der kommt nicht" und als
er verwundert den Direktor Dr. SchuppiuS darüber
fragte, erhielt er zur Antwort: der wendet feine Zeit
zu Hause gut an, kaffen Sie ihn in Ruhe! Nach
dem ich durch vermehrten Unterricht und erhöhtes
Honorar so viel erworben hatte» daß ich glaubte ein
Jahr auf der Universität aushalten zu können, machte
ich Ostern 1827 mein Maturitätsexamen, das ich
mit dem Prädikat: „vorzüglich" bestand und ging
nach Heidelberg. Auch hier begünstigte mich das
Glück. Es gelang mir, was nur Wenigen geglückt
sein mag. Ich erhielt keinen Zuschuß von Haus,
bezog kein Stipendium, weder vom Staat noch von
einer Behörde, erhielt vdn keinem Privatmann irgend
welche Unterstützung und trotzdem hatte ich nie emen
Heller Schulden, war nie ohne Geld, mußte meinen
Landsleuten nicht selten, wenn ihnen der Wechsel aus
geblieben war, pumpen und als ich Ostern 1830
Heidelberg verließ, geschah dies mit ziemlich gefüllter
Geldbörse. Doch ich merke, daß ich in's Schwatzen
gekommen bin und mancher von Ihnen mag schon
s tacht haben: der alte Cicero hat Recht, wenn er
agt: genectus est loquacior. Nach 2'/,jährigen sehr
angenehmen Aufenthalt in Frankfurt, ging ich mit
eimgem Widerstreben — ich hatte nicht die Aussicht
in hessischen Staatsdienst zu treten — nach Hanau,
wo ich an Stelle des als Direktor nach Hersfeld
versetzten Münscher deffen Unterrichtsstunden über
nehmen mußte. Ich bekam demnach in Prima mit
Ausnahme des Horaz den ganzen lateinische« und
S iechischen, in der Secunda den gesammten lateini»
en und griechischen Unterricht und in der Tertia