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So finden wir unser Brüderpaar, hoch oben
in Schottland wieder. Nicht gar zu weit von
der Stadt Perth sollten die Hessen die Pässe,
die in's Hochland führten, überwachen, um den
aufrührerischen Bergschotten ein Hervorbrechen
in's Niederland unmöglich zu machen.
Unweit des engen Passes Killikrankie lagen die
vorgeschobenen Truppen der Hessen, des Regiment
Maximilian und einige Compagnien von Mans
bach, während im Felde zwei englische Compag
nien den Eingang selbst besetzt hielten.
Es war ein unfreundlicher Abend im April
des Jahres 1746 und um die Beiwachtsfeuer
lagerten die Grenadiere und Musketiere und
unter ihnen, dort, bei den lodernden Scheiten,
der Hermes und der Barthel. Der Letztere lag
ausgestreckt aus einem Bund Haferstroh, neben
ihm saß der lange Bruder und im Kreise die
jungen aus dem fernen Hessenland, zwischen
ihnen der Sergeant, rauchend aus kurzen Kalk
pfeifen, plaudernd, und eine dickbauchige Kruke
Usquebaugh zwischen sich kreisen lassende
„Morgen giebts was", ließ sich während einer
Pause im Wechselgespräch, der Sergeant, ein narbiger
kriegserfahrener Mann, der sich bisher auffallend
schweigend verhalten hatte, plötzlich vernehmen.
„Und das weiß Er so gewiß Sergeant?"
fragte Barthel, sich von seinem Lager etwas
aufrichtend und ihn anstarrend.
„Wenn ich Alles so gewiß wüßte."
„Aber woher weiß Er's denn? bis jetzt hat
sich vom Feinde nichts spüren lassen."
„Seht Jungen, fuhr der Sergeant mit ge
dämpfter Stimme fort, wenn man so 21 Jahre
mitläuft wie ich, und in so viel blutigen Affairen
gewesen ist,-so hat man seine Zeichen, die Nie
mand versteht, als man ganz allein." Die Gre
nadiere horchten schweigend auf. „Ehe ich's
erste Mal in's Feuer kam, und mir ahnte es so
wenig, wie heute, da knackte mir Abends, leise
der Hahn an der Muskete, Obgleich er in Ruh
war, 's hörte es auch Niemand als ich. Ich
achtete nicht drauf, aber am anderen Tage waren
die Franzosen da. Seitdem, jedes Mal, wenn's
was Ernstliches am anderen Tage gab, hört ich
leise den Hahn knacken, — und heute —"
„Heute?" Die Grenadiere hingen athcmlos an
seinem Munde.
„Heute knackte er dreimal. Morgen gehts heiß
her, das ist so sicher, wie das Amen in der
Kirche. Denkt an mich."
„Na, meinetwegen", rief ein Grenadier, „immer
besser, als vor langer Weile in dem verwünsch
ten Lande umkommen."
„Das meine ich au!" ließ sich ein Anderer
vernehmen.
,,S' ist richtig," sprach ein alter Grenadier,
„'s hat jeder seine Zeichen, wann's was Ernstliches
giebt. Da war der Weiland aus Ziegenhain,
der Unteroffizier bei Donop, der voriges Jahr
bei Roeremonde in's Gras biß, der sah immer
vor der Schlacht 'n kleines, graues Männchen;
vor Roeremonde hatte er's auch gesehen, und da
winkte es ihm. als ob er zu ihm kommen sollte,
er erzählte es auch Abends am Feuer, und am
anderen Tage war er weg. Ja, ja, Ihr seid
noch jung, aber jeder Alte, der hat so seine
Zeichen."
„Morgen giebts was," wiederholte der Ser
geant nachdrücklich.
„Loßt se kummen — me wunn's ’n wiesen,
rief der Grenadier Grewe, der aus Kassel stammte,
vom Brinke. „Die Kerle midde ehren nackichden
Beinen, sunn schun laufen lernen."
Hast Du denn schon welche gesehn? fragte
ein Anderer neugierig.
„De Englänner hon jo zwei gefangen Heide
Morgen. — Die hon Uch so Kiddel ahne uß
gewirfelden Zigg — un nackichde Beine —
bloß Strimpe dröhne — un ne Schirze uß Fell.
Godd verbumm mich ich hon mich halb dod gelacht
— ewer de Kerle — un dann hon so se blaue
blaue Betzeln uff mit Federn drahne."
„Wie sind sie denn bewaffnet?"
„Jo was ich do gesehn hon, do hon se so 'en
breiden korzen Säbel — un dann so Ding wie
'n Deckel uff'n isernes Kochdibben, daß äß'n
Schild, un dodermidde wunn se de Bagonettstiche
ufffangen. Hahaha! "und derGrenadier lachte herzlich.
„Wo hast Du sie denn gesehen?"
„Bih den Englännern. ich sprochs jo schun,
Heide Morgen als ich midd n Prinz do ahn den
Bergen war. Se wurden gerahde ingebracht un
de Englänner wullden se glich kapenniren un daß se
noch lewen, honn se nurd den Prinz ß verdanken,
der sprach: Das ging net, das weren Kriegs
gefangene, un wo he wer, do wirden keine Ge
fangenen abgemurkst. Der englische Oberst, der
wullde noch was, aber der Prinz drehde emme
den Buckel zu un ging wecken. Do honn se se
dann lewen lassen. Se honn Üch ne hellische Wuth
uff de Schotten, de Rindfleischfresser, unse Prinz
«wer, das sprech ich Uch" und er neigte sich zu
den Anderen „der hodd de Englänner im Magen
— das kunnd de glauwen."
„Kerls was steckt Ihr die Köpfe zusammen?
ließ sich plötzlich eine jugendliche Stimme vernehmen.