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überliefert ist. Landgraf Ludwig zog mit Ge
folge von Kassel ab, ihm schloß sich der Graf
Johann der Starke von Zicgenhain an, Venedig
war das nächste Ziel. Graf Johann fiel einem
venet. Kaufmann in die Hände, welcher früher
auf des Grafen Gebiete .von ihm beraubt worden
war; Landgraf Ludwig erlöste Johann durch
eine große Geldsumme und bereitete damit den
Anfall des schönen Ziegenhainer Landes an
Hessen vor. In Venedig erlangten die Pilger
dle zu jeder Pilgerfahrt nach dein heiligen Grabe
erforderliche päpstliche Erlaubniß und bestiegen
ein Schiff. Fromme Weisen singend, knieten
die Pilger auf dem Verdecke, die Messe wurde
gelesen und der Segen Gottes ersteht, als das
Schiff in See ging. Nach einer sechs
Wochen währenden Fahrt mit vielen Aufenthalten
in den von der Route berührten Orten landete
das Schiff an der Küste Palästina's zu Jaffa.
Die Seefahrt brachte Ludwig in höchste Lebens
gefahr, ein Sturm wühlte das Meer auf, legte
das Schiff auf die Seite, vier Stunden brausten
die Wellen über das erkrachende Fahrzeug. Alle
gaben sich verloren, doch legte sich der Sturm
und die Pilger schrieben ihre Rettung ihrem
frommen Vorhaben zu. Vielleicht besuchte Lud
wig zunächst Aegypten, welches viele heilige
Stätten einschloß, und den Berg Sinai. Dies
war um jene Zeit eine von Vielen eingeschlagene
Route, welche durch die Niederlassung der
Venetianer in Aegypten begünstigt wurde. In
Jaffa erwarben die Pilger Reitthiere, gewöhn
lich Esel, und zogen unter dem Schutze der
ägyptischen Befehlshaber von Jaffa, Rainla und
Jerusalem nach der heiligen Stadt. Waffenlos,
überall mit Zöllen, Schutzgeldern, vielerlei kaum
glaublichen Ansprüchen ausgeplündert, auf er
bärmliche Kost angewiesen, beständig an Gesund
heit und Leben trotz der Escorte von der fanatischen
muselmännischen Bevölkerung bedroht, erreichte
der Zug das Ziel. Hier warteten allerorten
neue Gefahren der Pilger, denen sie nur durch
höchste Vorsicht, Geduld bei allem Schimpfe und
vieles Geld entgehen konnten. Die sehr große
Anzahl der heiligen Stätten in der Stadt und
Umgegend erforderte zu ihrem Besuche einige
Zeit, in der Regel 14 Tage. Die heiligste war
natürlich das Grab Christi, über welchem sich
ein Tempel erhob. In diesem brachten die Pilger
mindestens eine Nacht im Gebete zu, meist noch
eine. Sehr viele erlangten hier die Aufnahme
als Ritter vom heiligen Grabe; nach der Prüfungs
nacht ertheilte der in Vollmacht des Papstes
handelnde Geistliche einem der Pilger, gewöhnlich
dem Vornehmsten, den Ritterschlag. Dieser war
damit befähigt, ihn allen Uebrigen zu ertheilen,
wobei adelige Geburt durchaus nicht erforderlich
war. Die Ritter übernahmen hierbei die Ver
pflichtung, mit allen Kräften für die christliche
Kirche einzutreten, wo es nöthig sei, gegen die
Ungläubigen zu kämpfen. Der Landgraf wird
nicht unterlassen haben, diese Würde zu erlangen.
Von dem Kreuze, welches in derselben Kirche als
das gezeigt wurde, an welchem der Heiland den
Tod erlitt, erwarb Ludwig um eine bedeutende
Geldsumme einen Splitter. Wohlverwahrt be
festigte er diese hochheilige Reliquie auf seiner
Achsel, daß sie nur mit seinem Leben verloren
werden könne. Die Rückfahrt ging wie die Hin
fahrt über Cypern und Rhodus, beide unter
christlicher Herrschaft. Ueber Cypern herrschte
noch das Haus Lusignan, nur einen kleinen
Theil im Osten der schönen fruchtbaren Insel,
hatten die Genuesen erobert. Schon streckte das
eifersüchtige Venedig die Nimmersatte Hand nach
dem wertbvollen Besitze aus, welcher ihm etwa
40 Jahre später auch zu Theil wurde. Rhodus
war Hauptsitz des Johannitervrdens, dessen Groß
meister Fulko von Villaret. im Jahre 1310, die
in schwachem Lehnsverhältnisse zum griechischen
Kaiser stehende Insel erobert hatte. Noch stand
der Orden in hoher Blüthe, glänzende Waffen-
thaten gegen die Sultane der Türken und von
Egypten mehrten seinen Ruhm, erhielten seine
Macht. In Italien angelangt, zog Landgraf
Ludwig nach Rom, stellte sich dem heiligen Vater,
Martin V., vor und empfing von ihm zum
Lohne für die Pilgerung und die Erwerbung des
Splitters vom heiligen Kreuze einen Ablaß seiner
Sünden auf 10 Jahre. Bei einem Fürsten wie
Ludwig mochte eine so ausgedehnte Jndulgenz
nicht bedenklich erscheinen. Nach einer langen
Abwesenheit sah er sein Land wieder, 1.430, auf
das Freudigste empfangen, da seine Klu gheit und
milde Kraft doch recht gefehlt hatten. Ein silberner
Schrein wurde gefertigt, in welchem der Splitter
des Kreuzes, in der Kirche von St. Martin an
gebracht, zum Troste der Gläubigen wirkte.
Zwanzig Jahre nach dieser Zeit, als schon
der größere Theil einer weisen und glücklichen
Regierung hinter diesem ausgezeichneten Fürsten
lag, als er die höchste Stellung dieser Welt, mit
der deutschen Kaiserkrone, bescheiden abgelehnt
hatte, pilgerte er noch einmal gen Rom, zu dem
großen Gnaden- und Jubeljahre. Papst Nico
laus V., nach langem Schisma als alle niges
Oberhaupt der Kirche anerkannt, setzte zur Feier
der wieder hergestellten Einheit der Kirche, dieses
Jubeljahr für 1450 an, eine sehr große Zahl
Fürsten, große Mengen des Volkes waren aus