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Gläubigen auf. Viele Tausende unternahmen
ungeachtet der drohenden Schrecken und Gefahren
die unsäglich mühselige Reise, nicht etwa nur
geringere Leute, sondern auch Fürsten und Vor
nehme. Diese sogar in überwiegender Zahl, da
der weite Weg, welcher größtentheils zur See
zurückgelegt wurde, beträchtliche Mittel erforderte.
Aermere begnügten sich meist mit Wallfahrten,
zu den in allen christlichen Ländern mit Heilig
keit begabten, dafür bestimmten Orten.
Die Landessürsten von Hessen hatten mehrfach
mit ihren Rittern und Mannen in den Kreuzes
heeren gestritten. Der Bruder Landgraf Lud
wigs I. von Thüringen und Hessen, Udo, Bischof
von Naumburg, zog mit König Konrad III.
1147 in das gelobte Land, er wurde ein Opfer
dieses menschenwürgenden Kreuzzuges. Ludwigs
Enkel, Ludwig III., ein ritterlicher Fü'st, dem
Kaiser Friedrich Rothbart, seinem Oheim, treu
ergeben, führte ihm einen Hcerhaufen zu, als
er 1189 zu dem fast das ganze Abendland in
Bewegung setzenden Kreuzzuge die Heimath ver
ließ. Der tüchtige Landgraf leistete im Heere
große Dienste, vorzüglich bei der Belagerung
von Akkon; allein eine Krankheit raffte ihn 1190
hinweg. Sein Bruder und Nachfolger Hermann
nahm ebenfalls das Kreuz, als er nach Bedräng
nissen und Kämpfen einige Ruhe in seinem Lande
hergestellt hatte. Er führte seine Thüringer und
Hessen 1197 nach dem Morgenlande, wo Sultan
Saladins Tod der christlichen Herrschaft neuen
Aufschwung zu verheißen schien. Dennoch blieben
die ohne hinlängliche Kräfte und ohne Ueberein
stimmung unternommenen Angriffe resultatlos.
L- Hermann ging in die Heimath zurück. Als
Kaiser Friedrich II. dem Drängen des Papstes
auf einen Kre.uzzug sich nicht länger entziehen
konnte, bewog er auch den Landgrafen von
Thüringen und Hessen, Ludwig IV., zur Hceres-
folge. Der erst-'27jährige, doch kriegserfahrene,
tapfere und angesehene Fürst, einer der mächtigsten
des Reiches, wurde von seinem kaiserlichen Vetter
dazu ersehen, den Oberbefehl über alle deutschen
Krieger im Kreuzheere zu führen. Im Früh
jahre 1227 zog er aus, ergreifenden Abschied
von seiner Gemahlin Elisabeth nehmend, welche
einige Tagereisen mit ihm zog und sich gar nicht
von ihm trennen wollte. Ihre schlimme Ahnung
wurde Wahrheit. Noch in Süditalien, zu Otranto,
wo die außergewöhnliche Hitze dieses Sommers
seuchenartige Krankheiten unter den Kreuzfahrern
hervorrief, erkrankte auch Landgraf Ludwig und
starb nach kurzer Krankheit, tiefbektagt — ein
unersetzlicher Verlust für den Kaiser und das
Heer, wie für seine Lande.
So hatten vier der thüringisch-hessischen Fürsten
der Pflicht genügt, welche in jener Zeit frommer
Begeisterung der Glaube auferlegte, drei derselben
hatten ihre Treue mit dem Tode besiegelt. Dabei
fällt ins Gewicht, daß ihr Stamm meist nur auf
vier Auge» stand; in Ludwigs IV. des Heiligen
Bruder starb die männliche Linie aus. Die
immer trauriger sich gestaltenden Dinge im
deutschen Reiche, zugleich die Trennung Hessens
von Thüringen ließen eine Betheiligung hessischer
Fürsten an einer Kreuzfahrt nicht zu. Mit dem
Falle Akkons 1291 ging der letzte Posten ver
loren, welchen die Christenheit noch inne gehabt
hatte. Die Wiedereroberung überstieg die Kräfte,
welche etwa noch dazu aufzubringen waren, die
Begeisterung war bei der Mehrzahl geschwunden.
An die Stelle mächtiger Heereszüge treten die
Fahrten demüthiger Pilger, über drei Jahr
hunderte lang, bis in das siebzehnte währten
diese, dem frommen Bedürfnisse genügenden
Wanderungen. Doch war es nicht immer der
religiöse Drang allein, dem die Pilgrime folgten,
auch bloße Reiselust, der Trieb ferne Länder
kennen zu lernen, politische oder Handelsauf
träge u. A. bewogen jene. Bei vielen war es
der Wunsch, Ritter vom heiligen Grabe zu
werden, was nur in Jerusalem selbst möglich
war.
Sowie den Hessenfürsten in den nach Lüdwigs
des Heiligen Tode bis zum Ende der Kreuzzüge
vergangenen 64 Jahren, die Verhältnisse ihres
Landes nicht gestatteten, es zu verlassen, blieb
es auch fernerhin. Eine lange Zeit verging,
in welcher eine Reihe von Landgrafen aus bra-
bantischem Stamme fast unaufhörlich in Fehden
und Kriege verwickelt waren und mehrfach um
ihre Existenz zu kämpfen hatten. Erst dem Sohne
Hermanns des Gelehrten, Ludwig dem Fried
fertigen, war eine mehr gesicherte Herrschaft be
schicken. Er unternahm denn auch eine Fahrt
nach dem gelobten Lande, nachdem er den alten
Erbfeind Hessens, den Erzbischof von Mainz,
so schwer getroffen hatte, daß er Frieden gab
und fernerhin ernste Gefahr Hessen von dem
Mainzer nicht drohte. Der junge Fürst, welcher
bereits so manche Proben seiner Weisheit, Mäßigung
und Kraft abgelegt hatte, war von tiefer Frömmig
keit. Das Beispiel seiner Vorfahren, der thüringi
schen Landgrafen, welche gegen die Feinde Christi
gezogen, der Ruhm seiner frommen Aeltermutter
Elisabeth, leuchteten ihm voran, mahnten ihn
zur Nacheiferung. Da zog im Jahre 1429 der
Landgraf als Pilger aus, das heilige Grab zu
besuchen; ein Bericht über diese Reise ist nicht
vorhanden, sodaß nur das Allgemeine derselben