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riese Meinung konnte 1813 für ihn gefährlich
-werden. Sobald,die Franzosen abgezogen waren,
versammelte sich im Marburger Rathhaus unter
dem Präsidium eines Bäckers Schott, der der
Schwanapotheke etwa gegenüber wohnte, ein Volks
gericht, vor das Mildungen geholt werden sollte.
Er erhielt jedoch davon noch zeitig Nachricht,
And entfernte sich für einige Zeit von Marburg.
Mittlerweile hatten sich die Gemüther beruhigt.
Münscher erzählt nun weiter, daß Emmerich,
der Professor Stervberg und zwei althessische Sol
daten Muth aus Ockershausen und Günther aus
Sterzhansen zum Tode verurtheilt worden seien,
welche Strafe durch Erschießen vollzogen wnrde.
Münscher gibt dem Günther den Vornamen
Mentel, Lyncker itt seiner Schrift über die In
surrektionen im Königreich Westfalen nennt ihn
Mendel, der Mann hieß Wendel (nach dem heil.
Wendelin, dessen Tag der 20. Oktober). Mit
diesem Günther, der seine Theilnahme mit dem
Leben bezahlen mußte, kommen wir ans die Be
theiligung der Sterzhäuser überhaupt. Durch
Sterzhausen, nordwestlich von Marburg, geht
jetzt die Eisenbahn von Marburg nach Bieden
kopf und Laasphe. Fast alles, was ich über
diese Betheiligung erzählen werde, habe ich aus
dem Munde eines ganz unverwerflichen Autors,
der zum' Theil Augen- und Ohrenzeuge war,
grämlich des damaligen Pfarrers zu Goßfelden,
Heinrich Christian Ludwig Bang, dem der jetzt
in Darmstadt lebende vorhinnige Oberamtsrichter
zu Bergen, Karl Hille, in den konservativen
Monatsheften von Nathusius, jetzt von Oertzen
redigirt, unter der Ueberschrift „die letzte huma
nistische Lehranstalt" ein ebenso pietätsvolles wie
unmuthendes Denkmal gesetzt hat.
Die Sterzhäuser zogen also in der Johannis-
nacht 1809 heran, angeführt von ihrem Ge
meindeforstlauser Moog.. Zuzug aus anderen
Orten scheinen sie nach dem, was sich in Goß
felden ereignete, kaum gehabt zu haben. Emme
rich, der Leiter des Ganzen, scheint nur an
einzelne Vertraute die Aufforderung, sich an der
Wegnahme Marburg's zu betheiligen, gesandt und
darauf gerechnet zu haben, daß, wenn diese ge
lungen, der Zuzug nicht ausbleiben werde. Die
Goßfelder lagen, als die Sterzhäuser gegen
Mitternacht heranzogen, in tiefem Schlaf. Moog
ließ seinen Haufen an der Goßfelder Brücke Halt
machen, eilte von Einigen begleitet, zum Schul
haus, ließ sich den Schlüssel- zur Kirche geben
und läutete. Die Goßfelder eilten auf den hoch
gelegenen Kirchhof, und hier forderte sie Moog
Lur Betheiligung aus. Sie bezeigten dazu keine
besondere Lust, auch Moog's Drohung, wer nicht
mitziehe, werde sofort in seiner eigenen Haus
thüre aufgehängt, wollte nicht verfangen. Als
Moog wiederholte, sie müßten dem Kurfürst zu
Hülfe eilen, und die Goßfelder einwandten,
sie wüßten ja garnicht, wo der Kurfürst sei, rief
Moog: Was? da unten der an der Brücke auf
dem Schimmel, das ist er. Ja! sagten bie Goß
felder, wenn er selber da ist, dann ziehen wir
mit, und so geschah es. Der auf dem Schimmel
war ein ehemaliger Hessischer Leibdragoner, der
geglaubt hatte, die Sache nur zu Pferd mit
machen zu.dürfen.
.Der vergrößerte Haufe zog nun über den
Weißenstein Marburg zu. Als es den steilen
Weg an dem westlichen Abhang des Berges hinab
ging, sah einer auf dem rechtsgelegenen Wehrdaer
Felde einen Menschey laufen. Er. wurde als
eiy Exekutor aus Wetter erkannt, der sich durch
seine Härte, zu der er noch, Hohn gesellte, ver
haßt gemacht. Möglich, daß er nach Marburg
die Nachricht von dem bevorstehenden Ausstand
gebracht hatte. Einer aus dem Haufen erschoß
ihn. Dies hab ich nicht vom Pfarrer Bang,
wohl aber von Theilnehmern am Zuge gehört.
Sollte damit Günthers Verurtheilung zusammen
hängen? Die Bauern waren noch nicht bis an die
Deutschhausmühle gelangt, als sie Nachricht von
dem Mißlingen des Unternehmens erhielten, wo
rauf sie sich auf Moogs Befehl zerstreuten; und
durch den Wehrdaer und Michelbacher Wald nach
Haus eilten. Daß darauf zahlreiche Verhaft, ngen
erfolgten, versteht sich von selbst. Moog ließ
sich aber nicht so leicht fangen. Er trieb sich in
den Wäldern umher. Da es jedoch schwierig
war, ihm Nahrungsmittel zukommen zu lassen,
so verbarg er sich, als das Korn in Hügeln
stand, in einem dieser, und so mochte Ende August
oder Septemper herangekommen sein. Das Äora
bleibt dort, wenn die Witterung es gestattet,
ziemlich lange im Felde. Da geschah es denn,
daß eines Nachts ein Mann von Großfclden,
Namens Roth, bei dem auf der Großfelder
Pfingstweide zum Bleichen aufgelegte« Leinen
Wache hielt. Es gesellten sich ihm zwei west
fälische Gendarmen zu, und Roth verrieth diesen,
in welchem Kornhanfen Moog sich diese Nacht
aufhielt. Die Gendarmen schlichen sich heran
und fesselten den schlafenden Mann.' Ob Roth
den Verrath um Judaslohn verübt, oder als
einfältiger Schwätzer von den Gendarmen über
listet wurde, ist nicht ausgemacht. Die allgemeine
Meinung entschied für das-erstere. Moog wurde
nach Marburg geführt und hier vor das ordentliche
Gericht gestellt. Der Generalprokurator de»
Werradepartements, der spätere kurhessische Minister