131
Schlechte Zeiten! — Hei ein Drittes
Und zum Teufel schlechte Zeit!
Geh'n die Füße schwanken Sckrittes,
Schwebt der Kopf in Seligkeit.
Wenn ich stolp're, wenn ich wanke,
Ha, wer sagt, mein Weibchen zanke?
Lügner, platzt in eurem Neid!
Heben mich des Weines Flügel,
Glaub' ich fast, ein Gott zu sein.
Seid gesegnet, Rebenhügel!
Wirth, noch Eins, sie einzuweih'n!
Aber Liebster, laß Dir sagen:
Kommt mein Weibchen morgen fragen,
Sprich ihr nicht von mehr als Zwei'«.
Beide Lieder wurden hernach noch ein wenig
^kritisch benörgelt und als wir damit fertig waren,
faßten wir den Beschluß, daß das nächste mal
der Eine von uns ein Lied zu bringen habe mit
dem Anfangsverse: „Ein Schifslein ist das
Menschenherz": das des Anderen aber solle be
ginnen, „Ein G l ö ck l e i n ist das Menschenherz."
Es wurden Hölzchen gezogen; Hornfeck griff das
Schiffleinshölzchen und mir blieb also das Glöcklein.
Die Nacht des Vortrags kam und diesmal
chatte ich zu beginnen. Mein Lied aber lautete so:
Ein Glöcklein ist das Menschenherz,
Ein Meister hat's gegossen
Und in die Form ist mit dem Erz
Die heitere Lust geflossen.
Wie lieblich tönt das Glöcklein dann
In goldnen Maientagen,
Wenn es mit einem andern kann
In Lieb' zusammenschlagen.
Doch will zum hellen Glockenklang
Ihr Lied die Sorge singen,
Da hallt das Glöcklein schmerzlich-bang,
Als sollt' es gar zerspringen.
So wechseln allzeit Lust und Leid
In dieses Glöckleins Schlägen,
Wie Frühlingsglanz und Winterzeit,
Wie Sonnenschein und Regen.
Zu bald nur hält's zu läuten ein;
Dann tritt in schwarzer Hülle
Der Tod ins Glockenkämmerlein
Und bringt Charfreitagstille.
„Die Schlußstrvphe ist famos", sagte Hornfeck;
„die zweite freilich könnte besser sein; aber nun
höre mich!
Ein Schifflein ist das Menschenherz,
Fährt ohne Rast und Ruh
Mit seiner Lust und seinem Schmerz
Dem Land der Hoffnung zu.
Das Leben ist das weite Meer,
Das Schicksal ist der Wind,
Der treibt die finstren Wolken her
Darin die Thränen sind.
Das Segel ist die Phantasie,
Die Ehre heißt der Mast;
Wohl Schifflein dir, wenn du ihn nie
Im Sturm verloren hast.
Das Ruder führen Wunsch und Wahn,
Die Lieb' ist der Magnet;
Windrose Freundschaft zeigt dir an,
Wenn sich der Wind gedreht.
Und der Gedanke führt und lenkt
Vorbei an Fels und Riff,
Das Aug' auf den Magnet gesenkt.
Als Steuermann das Schiff.
Fahr zu, mein Schifflein, immer zu.
Getrost und wohlgemuth;
Den sichern Hafen findest du
Trotz Ebbe, Sturm und Fluth.
Ich rief mit Vergnügen Bravo und der Welt
kampf gefiel uns so sehr, daß wir sofort einen
dritten Gang beschlösse». Nur machten wir uns
die Sache für diesmal schwerer. Es wurde
nämlich genau das Metrum, die Strophenbildung
und die Reimverschlingung festgesetzt und weiter
zum Gesetz gemacht, daß das Gedicht, das Jeder
liefern habe, ein Liebeslied von nur zwei Strophen
sein müsse. „So ein kleine Probe", wie es
Hornfeck nannte.
Als die Nacht der Proben kam, sollte ich be
ginnen, protestirte aber, indem ich sagte: Die
Reihe ist an Dir! Und Hornfeck recitirte nun,
wie folgt:
Der Königin von Wald und Flur,
Der stolzen Rose gleichst Du nicht;
Du bist das stille Veilchen nur,
Aus dem die Anmuth der Natur
In Duft und Farbe lieblich spricht.
Und fiel ihm nicht das schönste Loos,
Dem ersten Kind der Wonnezeit?
Es ist so klein und doch so groß.
Drum wirft der Lenz ihm in den Schooß
Die Krone der Bescheidenheit.