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Im März 1871 überraschte er mich mit
einem Besuch in Berlin; er war auf Wunsch
des Fürsten Bismarck gekommen, um aus dessen
Händen den Degen Napoleons zurück zu empfangen.
Castelnau wohnte im Hotel royal unter einem
angenommenen Namen, damit Niemand seine
Anwesenheit erfuhr. Später erst brachte die
Kreuzzeitung eine Notiz darüber.
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aus dem Jahre 1832.
as von Kurfürst Wilhelm II. gleich nach
seinem Regierungsantritte im Jahre 1821
errichtete und zu einer der ersten Bühnen
Deutschlands erhobene Kasseler Hoftheater hatte
«tuen ebenso kurzen Bestand, als die Regierung
dieses kunstsinnigen Fürsten. Wenige Tage,
nachdem er am 10. März 1831 seine Residenz
auf immer verlassen hatte, erging von Wilhelms
bad die Verfügung, das Hoftheater in ein Natio
naltheater umzuwandeln. Ueber diese, in der
Zeit der großen politischen Aufregung getroffene
Maßregel hatte sich der allgemeine Unwillen so
laut kund gegeben, daß man eine Beruhigung
-er Gemüther für uöthig hielt. Das Ministerium
machte bekannt, daß das Hofthcater, zu welchem
die Landstände einen jährlichen Zuschuß von
21,000 Thaler bewilligten, nicht aufhören, sondern
nur reducirt werden solle.
Diese Lage der Sache änderte sich aber wieder
vollständig, nachdem Wilhelm II. am 30. Sep
tember 1831 seinem Sohne die Regierung des
Landes übertragen hatte. Der Kurprinz war
ein großer Freund des Theaters und forderte
den Generaldirektor Feige und den Kapellmeister
Spohr zunächst zu Vorschlägen auf. wie das
Theater erhalten werden könne, da die seinem
Vater zur Unterhaltung desselben zu Gebot ge
standenen Mittel jetzt gänzlich fehlten. Spohr
und Feige erklärten einen jährlichen Zuschuß des
Hofes von 15 bis 18,000 Thaler für erforder
lich, und damit war das Schicksal des Theaters
entschieden. Der Kurprinz erließ die Verfügung,
daß das Hoftheater mit dem 15. April 1832 zu
schließen und das Theater von da an zur Ver
pachtung auszuschreiben sei.
Das war ein harter Schlag für die Kasseler,
welche jetzt schon die reiche Hofhaltung Wilhelm
II. schwer vermißten und zu allen Zeiten beson
dere Vorliebe für das Theater gezeigt haben.
Zunächst zeigte sich große Theilnahme an dem
traurigen Schicksal der Vielen, welche durch die
Aufhebung des Theaters brodlos geworden waren.
Das besonders schwer betroffene Chorpersonal
veranstaltete im Stadtbausaale eine Reihe von
Vorstellungen, in welchen sie kleine Lustspiele
zur Darstellung brachten. Diese wurden anfangs
zahlreich besucht, konnten aber im Laufe des
Sommers keinen langen Bestand haben.
Den bedeutenderen Mitgliedern des früheren
Hoftheaters fiel es nicht schwer, an anderen
Bühnen vortheilhafte Engagements zu finden,
erfolglos blieben aber alle Bemühungen anderer,
früher angesehener und beliebter, jetzt aber zu
alt gewordener Künstler. Zu ihnen gehörte ein
Schauspieler aus der alten Jffland'schen Schule,
Carl Schmidt, welcher im Anfang der 20er
Jahre noch die ersten Rollen in den Jffland-
schen Stücken mit Erfolg dargestellt, zuletzt aber
nur in kleineren Rollen als Bösewicht zweiten
Grades Verwendung gefunden hatte. —
In seiner Noth wendete er sich an seinen
früheren Kollegen Carl Seydelmann mit der
Bitte, ihm ein Engagement zu verschaffen. Dieser
war von dem Generaldirektor des Hoftheaters
Feige, im Jahre 1822 mit lebenslänglichem En
gagement für die Kasseler Bühne gewonnen
worden, hatte aber im Jahre 1828 seinen Kon
trakt gebrochen und hat dann nach kurzem En
gagement in Darmstadt und später in Stuttgart
das Ziel seines Strebens in Berlin erreicht.
Seine frühere Kasseler Kollegin, Henriette
Schmidt, läßt ihm als Künstler in ihren hinter
lassenen Aufzeichnungen über das Kasseler Theater
alle Gerechtigkeit widerfahren, entwirft aber sonst
von ihm ein weniger günstiges Bild. Sie
schreibt:
„Noch glaube ich ihn zu sehen, als er das
erste Mal unser Versammlungszimmer im Theater
betrat. In einer damals modernen erbsengelben
Chenille, die goldblonden, etwas röthlichen Haare
künstlich zu einem Lockenkopf geordnet, lenkte er
seine großen blauen Augen, welche Schüchtern
heit und Mißtrauen zeigten, prüfend bald rechts,
bald links auf die versammelten Kollegen, um
zu prüfen, welchen Eindruck er machtz. Miß
trauen war überhaupt drr hervorstechende Zug
seines Charakters. In steter Unruhe, unzugäng
lich, ungenügsain, unzufrieden, und dabei im