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für Kassel und alle Hessen, welche jemals ihre Residenz
stadt und deren Hoftheater besuchten, die beliebteste
Künstlerpersönlichkeit. Seine Darstellungskunst sprach
unmittelbar zum Herzen, weil sie sich nur an die
Narur anlehnte. Sein Humor war liebenswürdig
und herzlich, daher der Schwerpnnkt seines schau
spielerischen Talentes auch in komischen Rollen lag.
Namentlich waren es Benedix'sche Frguren, in deren
Verkörperung er unübertroffen sein dürfte. Spielte
er ernste Episoden, so war es vor Allen der herzlich
gewinnende Ton, mit dem er außerordentliche Wirkungen
erzielte. Seine weiche sympathische Baßstimme be
fähigte ihn auch zur Uebernahme kleinerer Baßpartien
in der Oper, in welcher er auch bis 1867 die Regie
führte. Im Ganzen hat Karl Häser dem hiesigen
Hoftheater 54 Jahre als Mitglied angehört. Die
großartigsten Orvanonen wurden ihm gelegentlich seines
50jährigen Bühnen-Jubiläums dargebracht. Damals
war es auch, wo die deutschen Gesang-Vereine zur
Gründung einer Häser-Stistung beitrugen, welche ihm
ernen sorgenfreien Lebensabend sichern sollte. Schon
als Kind kam Karl Häser mit seinen Eltern nach
Kassel. Frühzeitig zeigte der Knabe musikalische Be
gabung und wurde von Dr. Großheim unterrichtet.
Trotzdem scheint man ihn für einen prosaischen Beruf
berufener gehalten zu haben, indem man ihn bei Meister-
Henkel als Blechschmied in die Lehre gab. Nachdem
er aber ausgelernt, ließ er sich seine Vorliebe für die
Bühne nicht mehr zurückdrängen. Zuerst gehörte er
dem hiesigen Theater-Chor kurze Zeit an und begab sich
sodann nach Stralsund, von wo aus er das Elend des
Wanderbühnenlebcns kennen lernte. 1633 kam er
wieder nach Kaffel, wo seinem Talente endlich die ver
diente Anerkennung wurde. Wie allgemein die Liebe
und Verehrung für den Künstler und Sänger Häser in
der Bevölkerung Kassels, zu dessen populärsten
Persönlichkeiten er gehörte, Platz gegriffen, zeigte am
Besten die großartige Betheiligung an seinem Leichen-
begängniß. „Dem Mimen flicht die Nachwelt keine
Kränze", der treue Sänger aber wird mit seinen
Liedern fortleben im Herzen seines Volkes. Molliter
ossa cubeut!. M. M.
$ $
Bei der am 16. April stattgehabten Uhlandfeier
in Tübingen hielt unser Landsmann, Universitäts
professor Dr.-Sie Vers, die Festrede und feierte den
großen Dichter als Forscher und Gelehrten. Professor
Sievers ist der Sohn unseres Mitbürgers, des Herrn
Münzverwalter a. D. Sievers.
- * sfc
*
Kaiser Joseph II. berührt auf ein er Reise
hessisches Gebiet. Wer in den Dillenburgischen
Intelligenz-Nachrichten, einer Zeitung, welche vom
Jahre 1773 an bis in das zweite Jahrzehnt unseres
Jahrhunderts in Wochennummern zur Ausgabe ge
langte, wichtige politische Nachrichten sucht, wird sich
enttäuscht finden. Dagegen enthalten diese Blätter,
dem damaligen Zeitungsgeschmack entsprechend, zahl
reiche Lokal- und Personalnachrichten, die namentlich
für die Geschichte des l.assau-oranischen Lande eine
reiche Fundgrube bilden. Aber auch aus den an
grenzenden Gebietstheilen enthalten sie manche inter
essante Mittheilung, so z. B nachstehende, welche
das in der damals hessischen Riedergrafschaft Katzen-
ellnbogen gelegene Stäbchen Nastätten, als Quartier
des Kaisers Joseph II. in der Nacht vom 29/30 Mai
1781 bezeichnet:
Dillenburgische Intelligenz - Nachrichten. XXIV.
Stück. 16. Juni 1781. pag, 382. Dies ist der
Auszug eines Schreibens von Nassau den 1. dieses
Mon. Jun. „Vorgestern halten wir das Glück Jhro
Röm. Kayserl. Majestät bei uns zu sehen, welche
unter dem Namen eines Grafen von Fatkenstein, da
hier durchreisten und die Post wechselten, nachdem
Höchstdieselbe die Nacht zuvor zu Nastetten bei
dem Herrn Hofkammerrath Recken logiret
hatten.
Jhro Majestät kamen schon früh Morgens vor
7 Uhr in einer 6 spännigen Chaise, welcher noch 2
dergleichen jede mit 2 Herrn besezzet und ein Küchen
wagen folgeten. Der Kayser stunde in der Chaise und
der' General Graf Tercy säße zur linken Hand neben
ihm, er ließ sich vor und durch Nassau ganz sachte
fahren, er sahe sich überall um, er war mit einem
ganz simplen maußsarben tüchernen Rock und Weste,
gelb ledernen Beinkleidern, gewächsten Stiefeln und
silbernen Sporen, sodann einem rnnden schwarzen
Hüthgen und einem hellgrauen Rockelor begleidet.
In Nassau stieg er nicht' in dem Posthaus, sondern
mitten in der Straße, wo solche über das Brückelchen
nach Dammau zu gehet, aus der Chaise, und sein
Herr Begleiter mit ihm.
' Die Gesichtsbildrng des Kaisers ist länglich, und so
herablassend und huldreich er gegen die geringsten
Leute ist, so zeigt doch die Mine und der Blick die
Größe der Kaiserlich-Menschen-freundlichen Seele.
Sogar haben die Postillons, wo es Berg an gegangen,
ganz sachte fahren müssen, um bei der großen Hitze
der Pferde zu schonen.
Zu Ems ist rhm der Minister Herr Graf von
Metternich entgegen gekommen, mit dem er sich aus
der Chaise kurz unterredet hat. Zu Coblenz ist er
ohne daselbst zu verweilen durchgefahren." M.
* * *
In seiner „Chattischen Stammeskunde" theilt
Hermann von Pfister verschiedene Urtheile und
Aussprüche über die Chatten bezw. Hessen mit, von
Johannes von Müller, Friedrich dem Großen, Ernst
Moritz Arndt, W. H. Riehl. Ich möchte dieselben
durch einen Ausspruch des alten Jahn ergänzen,
der in seiner vorwortlichen „Erklärung" zum „Deut
schen Volksthum" die Bedeutung der einzelnen deut
schen Volksstämme erörtert und sagt: „Hessen, schon
gegen Römer das Deutsche Voland, wäre wahr
scheinlich auch in den Revolutionskriegsjahreu Deutsch
lands 'Rettungsvolk geworden, hätte es so viele
Millionen gezählt als Hunderttausende; oder nur
zwischen Main und dem Westerwald, am Rhein eine
feste Gränze gehabt." S.
Zu dem in der letzten Nummer des „Hessenland"
gebrachten Gedicht von Ernst Koch „das heimliche