94
Georg Ferdinand Freiherr n. Kepel.
(1779—1873.)
(Schluß).
Anhang.
II.
Meine KeKamtschalt und Nkrhandlungru mit dem
Minister Freiherr« non «nd M Stein.
ls nach dem Allianzvertrag von Kalisch
die vereinigte russische und preußische
Heeresmacht nach dem Königreich Sachsen
vorrückte, verfügte sich auch der Freiherr von
Stein, welcher an die Spitze des Verwaltungs
Departements der besetzten Länder gestellt worden
war, nach Dresden. Von dort ließ er durch den
eben dahin gekommenen nassauischen Minister
Freiherrn v. Gagern, meinem Herrn, dem Kur
fürsten, schreiben beziehungsweise fragen: ob er
denn ganz unthätig bleiben und abwarten werde,
daß ihm die Alliirten sein verlorenes Land wieder
eroberten?
Dieser hatte kurz zuvor in Breslau den alliir
ten Monarchen aufgewartet und seine Interesse
empfohlen; der Gagernsche Brief setzte ihn jetzt
in Verlegenheit, denn was konnte er von Prag
aus, wo er seit 1808 unter österreichischem
Schutz lebte, thun? Er schickte mich also am
21. April 1813 nach Dresden, um direkt oder
indirekt zu erfahren, welche Thätigkeit man denn
von ihm begehre? und diese Mission brachte
mich dann in Bekanntschaft mit dem berühmten
Mann. Durch Gagern vom Zweck meiner
Mission unterrichtet, ging er sogleich auf die
Sache ein. Der Kurfürst solle Truppen an
werben, Waffen anschaffen und vor Allem Geld
zur gemeinschaftlichen Kriegs-Kasse zahlen, das
war sein Begehren. Auf meine Vorstellung von
der Unmöglichkeit der Truppenwerbung, so lange
Oesterreich noch nicht der Allianz beigetreten
sey, abstrahirte er davon, desto mehr aber be
stand er auf den Geldleistungen, und ohnge-
achtet der Remonstration, daß meinem Herrn,
der seit länger als sechs Jahren von dem Wenigen,
was er gerettet, sich und seine ganze Familie
unterhalten müsse, keine bedeutenden Mittel zu
Gebote ständen, fertigte er mich mit einer Ant
wort zurück, worin er begehrte, der Kurfürst
solle unter der Hand Gewehre und sonstige Ar
matur anzukaufen suchen und bis zur Wieder
besetzung von Hessen monatlich 50,000 Thaler
zu den Kriegskosten beitragen.
Nicht gering war der Schrecken meines Herrn
über diese Anforderung, indessen auf mein dringen
des Zureden, wobei mich seine Suite unterstützte,
wurde ich schon in den letzten Tagen des Aprils
mit der Erklärung wieder nach Dresden geschickt,
daß er zwar nicht versprechen könne, auf längere
Dauer so ansehnliche Beiträge aufzubringen, daß
er aber innerhalb sechs Wochen 200,000 Thaler
in die Kriegs-Kasse einzahlen wolle. Höchlich
erfreut war Stein über diese Botschaft. Wie
haben Sie es nur angefangen, den geizigen Herrn
so schnell zu einer solchen Verwilligung zu
bringen? rief er; nimmermehr hätte ich das er
wartet, es ist mehr als ich erwarten konnte,
denn offen gestanden, ich hatte etwas viel be
gehrt, um nicht zu wenig zu erlangen, denn
Geld ist uns vor Allem nöthig. In 4 Monaten
sind wir hoffentlich in Kassel und dann kann er
mehr thun; danken Sie ihm aber recht sehr in
meinem Namen.
Ich war angewiesen, im Hauptquartier zu
bleiben, als aber nach der Schlacht bei Lützen
die Armee genöthigt wurde, die Elbe zu ver
lassen, ließ mich Stein rufen. Die Schlacht ist
zwar nicht eigentlich verloren, sprach er, allein
so viel hat sich doch ergeben, daß die französi
schen Streitkräfte den unsrigen, namentlich an
Infanterie, überlegen sind; die russische Armee
ist viel schwächer, als man vermuthete, freilich
sind bedeutende Verstärkungen unterwegs, sowie
auch die Truppen aus Preußen anrücken, vor
der Hand aber fühlt matt sich nicht stark genug
zu einer zweiten Schlacht und geht zurück, wie
weit? weiß man noch nicht, das hängt von Um
ständen ab; was wollen Sie im Hauptquartier
machen ? Kehren Sie lieber nach Prag zurück,
trösten und beruhigen Sie Ihren alten Herrn,