„Und hat man keine Ahnung von dem Inhalt
dieses Schreibens?" forschte gespannt der Andere.
Der Kammerherr zuckte die Achseln: „Ein
Geheimniß der Diplomatie." Damit eilte er
geschäftig weiter.
Doch war seine Vermuthung richtig gewesen, j
Am Morgen hatte ein Courier einen großen
Staatsbrief abgegeben an den hochwürdigsten
Fürsten und Herrn, Herrn Amandus, Bischof
und Abtcn zu Fulda, des heil. Röm. Reichs
Fürste», Ihrer Majestät der Röm. Kaiserin Erz
kanzler, durch Germanien und Gallien Primaten;
und als den der hohe Adressat mit erregter
Miene durchgelesen, da war er sich mehrmals
mit einem energischen Strich durch die mächtige
Perrücke gefahren, so daß der Puder m einer
Wolke davon gewirbelt war und die Haare sich
kerzengerade in die Höhe gesträubt hatten. Dieses
Zeichen aber kannte Jeder bei Hofe: es war der
erklärte Ausdruck einer allerhöchsten Mißlaune
und Verstimmung.
Nachdem der Fürst einige Male hastig im
Gemache auf- und abgeschritten, hatte er befoh
len: „Eine Stasfette eile sogleich auf die Feste
Bieberstein und entbiete den Hauptmann
Lindenau zu Uns."
Der Hauptmann und in Kriegssachen bestellte
Rath — wie sein voller Titel lautete — war
der Mann, der im höchsten Grade das fürstliche
Vertrauen genoß, vorab seitdem ihm die bedeut
same Aufgabe zugefallen war, das hochgelegene
Jagdschloß Bieberstein kriegerisch zu befesti
gen, denn Am and von Buseck wollte auch in
seinem Ländchen eine Festung haben. Er hatte
es erlangt, daß die reichsunmittclbare gefürstete
Abtei Fulda von Papst Benedict XIV. zum
Bisthum erhoben worden war, nun galt es
natürlich, die erhöhte Machistellung auch nach
Außen zu repräsentiren; — dazu aber war ein
bischen kriegerische Ausrüstung unerläßlich. Bei
den geistlichen und weltlichen Reichsfürsten des
18. Jahrhunderts waren ja solche harmlose mili
tärische Spielereien Mode, sie gehörten zum
Glanze eines Hofes, und wenn der Markgraf
von Bayreuth zu der bizarren Grille sich ver
stieg, Kriegsschiffe en miniature auf einem
kleinen See, nächst seiner Residenz zu halten,
— warum sollte da der Fürstbischof von Fulda
sich mcht den Luxus einer Festung gestatten?
Ani Mittag sprengte der Hauptmann Linken-
au auf schaumbedecktem Rosse durch das Peters
thor und ließ sich, nackdem er am Schlosse ab
gestiegen, sogleich anmelden.
Es war ein Männchen wie ein Nußknacker,
das da in eigenthümlich strammer Haltung in's
Cabinet des Fürsten trat. Die gewaltige, bc-
puderte Perrücke und der lange, pechschwarz ge
wichste Schnurrbart kontrastirten so auffallend
mit der zierlichen Gestalt in Galauniform, daß
l man sich kauin eine Figur von mehr komisch-
| groteskem Aussehen denken konnte.
„Mein lieber Lindenau, wie steht es mit den
Festungswerken?" fragte der Fürst lebhaft.
„Vortrefflich, hochfürstliche Gnaden", rappor-
tirte der Hauptmann. „Die erbauten Kasse
matten sind fest wie Ziegenhain und die schweren
Geschütze sind nun aufgestellt. Auch haben wir
bereits mit den Erdarbciten am Kuhlberg be
gonnen, die Sternschanze soll ein Meisterwerk,
der Glanzpunkt der Fortifikation, werden und
für einen Kriegsfall" —
„Triumphiren Sie nicht zu sehr," unterbrach
ihn der Fürst wehmüthig. „Wir müssen unsere
Feste schleifen."
„Schleifen?" rief der Hauptmann aus, indem
er unwillkürlich an seinen Degen faßte. „Nimmer
mehr, sie wird in Kriegsgefahr jedem Angriffe
siegreich widerstehen." Und seine kleinen schwarzen
Augen leuchteten ordentlich vor Heldenmuth bei
diesen Worten.
Der Fürst wandte sich jetzt schweigend zu
seinem, auf vergoldeten Löwenklauen ruhenden
Schreibtische und ergriff einen großen Brief, den
er dem Kriegshelden überreichte. „Mein lieber
Lindenau, ich eröffne Ihnen hiermit ein Staats
geheimniß — Sie müssen schweigen gegen Jeder
mann.
Der Hauptmann legte feierlich betheuernd die
Hand auf die Brust und verneigte sich tief.
„Vom Reichshofrath zu Wien?" entfuhr es
ihm staunend, als er das große Siegel ange
blickt, dann entfaltete er das Schreiben, um es
mit hochaufgezogcnen Brauen zu durchlesen.
Ja, es war eine Ordre vom Reichshofrathe,
die den Fürsten von Fulda zwar vertraulich,
aber immerhin sehr nachdrucksvoll bedeutete,
seinen Festungsbau einzustellen, da die angrenzen
den Reichsfürsten, der Landgraf von Hessen und
der Fürstbischof von Würzburg, entschieden da
gegen protestirt hätten.
„Unerhört!" stieß der Hauptmann zwischen
den Zähnen hervor, als er den verhängnißvollen
Brief zu Ende gelesen.
„Jawohl, unerhört", wiederholte Amandus in
dem er sich wieder heftig durch die Perrücke
fuhr.
„Diese anmaßenden Nachbarn, die doch selbst
so stolze Festungen besitzen und stets mit scheelen
Blicken nach Uns sehen, wagen es, gegen die
Ausführung unserer Lieblingsidce Einsprache zu