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erfuhren sie von einem des Weges kommenden
Priester, daß die Hauptmasse des feindlichen
Heeres schon wieder über den Strom zurück sei,
die Herzöge selbst aber sich noch auf dem dies-
seitigen (rechten) Ufer des Rheines befänden.
Unverweilt brachen nun die beiden Grafen
Udo und Konrad mit einer kleinen Schaar auf.
Sie überraschten die Herzöge gerade, als sie
nach gehaltener Mahlzeit sich beim Brettspiel
unterhielten. Aufgeschreckt durch den unerwarteten
Angriff, entfloh Giselbert nach dem Rhein, sprang
in ein Boot, das aber von Flüchtlingen über-
füllt im Strome umschlug, und ertrank.
Eberhard dagegen setzte sich mannhaft zur
Wehre, bis er endlich, von vielen Streichen
getroffen, im ungleichen Kampfe erlag. Er
starb ungebeugt und unbesiegt. Mit ihm aber
brach auch die Vorherrschaft der Franken auf
lange Jahre hinaus zusammen.
Einen Herzog ernannte Otto, wenigstens für
den ganzen Umfang des Stammes nicht mehr.
Den fränkischen Heffengau erhielt Hermann
von Schwaben, den Oberlahngau Udo, der fäch-
sische scheint jetzt schon ganz losgetrennt worden
zu sein.
Muß man vom Standpunkte der allgemeinen
Reichsgeschichte aus es natürlich begrüßen, daß
Otto über die Herzöge triumphirte, so muß man
andererseits bod) belettnen, baß (Sberljarb in
feinem Kampfe gegen ben König den Stoben beS
Rechts unter ben Füßen hatte; das Eine fehlte
ihm, um in der Geschichte Recht zu behalten:
der Erfolg.
Dr. Hugo Brunner.
—
Wolnoth.
Ein Bild aus unseres Volkes Vorzeit.
von
Franz Treller.
Die Nacht war dunkel, Wolken zogen eilig
über die Sterne hin und in den Bäumen
sang der Wind sein eintönig Lieb.
Da, beim nackten Hügel, der aus dem Wald
hervorragte, beim schwachen Schimmer kaum er-
kennbar, erhebt sich eine Hütte, rauh aus
Blöcken aufgeführt.
Es ist die Behausung Merwig’s des Grenz-
wächters am Chattenlande, denn dicht bei dem
Hügel führt in der Schlucht der Pfad herauf
aus der Tenkterer Land, über den rauhen Wald
in die Thäler der Chatten.
Unruhig wars am Rhein und Main, denn
ber Römer war mit Gewalt ins Land der
Tankterer gefallen, hatte Männer erschlagen
Frauen entehrt, den rothen Brand in manches
Mannes heim geschleudert, und da wo der Main
in den Rhein ftießt, nach seines Volkes Weise
einen Steinwall gezogen, hinter dem geschützt,
er feste Häuser baute und ausfallend von Zeit
zu Zeit das Land schädigte.
Auch chattiache Männern, die am Walde
wohnten wo sich bie Länder scheiden, war Uebles
geschehen, und der Chatten gewaltiger Herting
hatte Boten an Roms Legaten gesandt, Sühne
zu heischen für Frevel.
Kluge Männer aber vom Rheine, wohl ge-
sinnt dem Chattenvolke, ließen in Mattium
künden, der Römer sammle die Legionen und
sinne Böses dem Chattenlande.
Wachsam mußten deßhalb die Wächter an der
Grenze sein, da wo die Pfade ins Land führten,
denn über Nacht konnte der Römer kommen.