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Die 15 Gebäude der Wilhelmstraße und Dechanei
sind erst von dem Fürsten von Oranien erbaut
worden.
Die Promenade setzt sich zum Schloßplätze
fort. Die Hauptwache ist unverändert geblieben.
Das jetzige Damenstift bestand ans drei getrennten
Häusern, das mittlere hieß die Kemnate, ein
Haus für die Frauen, weshalb die vor deni
Stift herunterziehende Straße Kemnatengasse hieß.
Hier und an dem Häuserkomplex nach der Ritter
gasse zu stand im Mittelalter die Burg des
Grasen von Ziegenhain, des Schirmvogtes der
Abtei. Der jetzige Bouifatiusplatz, an dessen
Standbild damals noch nicht gedacht wurde, hieß
der Dienstagsmarkt. Das jetzige Leihhaus war
die Münze, worin die trefflichen Fuldaer Münzen
und Medaillen geschlagen wurden, nachdem das
Metall vorher in der alten Krätzmühle oder
Kratzmühle, der jetzigen Filzfabrik, gereinigt worden
wär. Gegenüber der Münze liegt das dem
Geheimrath von Brack gehörige, jetzt Simon'sche
Haus. Die beiden vom Fürstabte von Buttlar
erbauten Häuser am Eingang der Hauptstraße,
jetzt Hôtel Kurfürst und alter Bürgerverein,
dienen den adeligen und Negierungsbeamten zur
Wohnung. Das jetzige Landrathsamt ist von
dem Freiherrn von Stein zu Altenstein erbaut;
in dem großen Sitzungssaale fanden damals
Tanzvergnügen der feineren Gesellschaft statt.
Ein solcher feiner Ball ist im siebenjährigen
Kriege einmal arg gestört worden. 12 000 Mann
Württemberger und 1500 Manu französische
Kavallerie, ein vom Herzog Karl von Württem
berg befehligtes französisches Hilfskorps, hatten ein
Lager unter dem Schulzenberge am Münsterfelde
aufgeschlagen. Es war damals wie jetzt, wenn
Manöver ist, die Offiziere suchten sich auch mit
der Damenwelt Fuldas zu amüsiren und hatten
am 30. November 1759 im Saale des Alten-
stein'schen Hauses einen Ball arrangirt. Die
Damen erschienen im festlichen Putze mit ge
puderten Haaren in der damaligen Rokoko-Mode;
da kam plötzlich die Nachricht, daß die preußischen
Husaren unter deni Erbprinzen Ferdinand von
Braunschweig das Lager angegriffen hätten. Sie
versprengten das ganze Korps, und mit dem
Balte war es aus. Es ist aber noch oft und
auch im Jahre 1793 daselbst getanzt worden.
Musik und Tanz war von jeher in Fulda zu
Hause. Weikard, der Eingangs meines Vortrags
zitirte Arzt, schreibt in seinen Fragmenten aus
dem Fuldaer Land: „Die Fuldaer haben Anlage,
Liebe und Gehör zur Musik. Dieses Musikgehör
hat auch seinen Einfluß auf das Tanzen. Es
sind vielleicht wenig Städte, wo ein Haufen
junger Leute von mittlerem Staude seine Menuets
und Englische so ordentlich wegtanzt, als es in
Fulda geschieht. Ebendies gilt auch von Offizianten,
Höfbedienten u. s. w. Hierin thun sie es dem
Adel zuvor." Der damals aufkommende Walzer
war noch nicht beliebt, er galt als aufregend
und anstrengend.
Im Schlosse selbst sah es zu jener Zeit ganz
anders ans wie jetzt. Im Mittelbau befand
sich ebenerdig rechts die fürstliche Hofkapelle. Das
zweite und dritte Stockwerk bestanden nur ans
großen Empfangs- und Speisesälen. Die beiden
oberen Geschosse der vorderen Seitenflügel wurden
vom Fürsten bewohnt. In den unteren Stock
werken und im zweiten Hofe wohnten die zahl
reichen adeligen Hofbeamten. Der schöne Marstall
enthielt viele edle Pferde; die jetzt leer stehenden
Remisen enthielten die Hof- und Staatskarossen,
Reisewagen u. s. w. Die jetzige Realschule war
das fürstliche Jagdzeughaus, zwischen diesem und
dem Hofküchengarten war das Heerthor. In dem
kleinen, im Garten stehenden Hause am Viehmarkt
war die fürstliche Porzellanfabrik, wo aus der
von der Abtsrodaer Kuppe im Rhöngebirge
bergmännisch gewonnenen Erde das feine Fuldaer
Porzellan geformt wurde, das gegenwärtig noch
ebenso hoch geschätzt wird wie das alte Meißener
und Sövres-Pvrzella». Die obersten großen
Gebäude, wo jetzt von den Herren Gebr. Seum
ein Leinengeschäst betrieben wird, bildeten die
Kaserne für das Fuldaer Militär. Der Hof-
küchengarten und die umfänglichen Stall- und
Oekvnomiegebäude gingen bis zum israelitischen
Friedhofe, der damals außer der Stadt lag, und
bis zur jetzigen Turnhalle. Das große Arnd'sche
Haus in der Schloßstraße war damals ein ein
stöckiger Stall für Esel und Maulthiere, welche
im Sommer die Lebensmittel und Bedürfnisse
der Badebesucher nach dem Kurorte Brückenau
zu bringen bestimmt waren.
Kehren wir zu unserer Hauptstraße zurück,
welche sich bei den Buttlar'schen Häusern in die
Friedrichstraße fortsetzt, die damals Schmiedgasse
hieß, vermuthlich von den Schmieden, die früher
daselbst wohnten. Schmiede, Schlosser und Wagner
waren in jener voreisenbahnlichen Zeit selbst
verständlich die besten bürgerlichen Geschäfte, zumal
in einer Residenzstadt mit prunkvoller Hof
haltung !
Von den Häusern, welche in der Schmiedgasse
und sonst in der Stadt jetzt stehen, sind wenige
in der ursprünglichen Gestalt erhalten. Das
Sippel'sche Hans neben dem alten Bürgerverein
war das Vizedomamt, das Berta'sche Wachs-
geschäft ein adeliges Haus, welches der Hofmarschall