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Präsidenten, Herrn von Veltheim; auch hat sie
Ehren- und ordentliche Kunstin itglieder und
ihre Fonds. Dessinateure lehren die Anfänger,
und jährlich werden Preise jeder Kunst ausgetheilt.
Ihren Sitz hat sie in der Bildergalerie. Jeder
Schüler kann auch von ihrem schönen, reichen
Vorrath durch Zeichnen Gebrauch machen. Der
Landgraf läßt einige für jede Kunst, auch für
andere damit verwandte Künste ihm als würdig
empfohlene Genies nach Frankreich und Italien
reisen. Der dadurch verbreitete schöne Geschmack
zeigt sich auch unter den Handwerkern Kassels,
von welchen Schreiner, Schlosser, Steinmetzen,
Weißbinder in ihrer Art Künstler sind, das heißt
hier Handwerker mit Künstlergeschmack, weil sie
zeichneten und zeichnen können. Den Gärtner von
Genie und Geschmack setze ich höher hinauf, wie
des Landgrafen vortrefflichen Schwarzkopf auf
dem Weißenstein. Er ist Baumeister einer schönen
Natur auf Bergen, in Thälern und Ebenen der
Vertraute des Baumeisters und Malers und
Nntnrkündigers.
(Schluß folgt.)
Aus dem Tagebuch eines hessischen Feldpredigers im
amerikanischen Krieg.
Von Otto Gerland.
^Wei dem Interesse, das die Thaten unserer
Jl) Vorfahren in Amerika jetzt finden, werden
Ost auch wohl den Lesern dieser Blätter die
nachfolgenden Mittheilungen nicht unwillkommen
sein, welche ich einer im Archiv des Vereins für
Hennebergische Geschichte und Landeskunde zu
Schmalkalden aufbewahrten und mir vorn Vor
stand dieses Vereins ans das Liebenswürdigste
zur Verfügung gestellten Handschrift entnehme.
Es ist dies ein Oktavbuch, in welchem ein hessischer
Feldprediger seine Erlebnisse gelegentlich des
amerikanischen Krieges theils in Form eines
Tagebuches, theils in Gestalt von Bemerkungen
über seine seelsorgerische Thätigkeit niedergelegt
hat, und welchem noch einige interessante Bei
lagen, wie Gehaltsquittungen, das Formular zum
Kirchengebet, die Verrechnung der Opfergelder
u. s. w., beigefügt sind. Es mögen alle diese
Niederschriften, welche einzeln, wie es der Augen
blick mit sich brachte, dem Buch einverleibt
wurden, hier, soweit es anging, in eine gewisse
Reihenfolge und Ordnung gebracht, folgen, und
wenn auch die Mittheilungen über den Marsch
von Hessen bis zum Meere fast vollständig wieder
gegeben werden, so geschieht dies, weil sie zum
Theil kulturgeschichtlich interessante Angaben ent
halten, zeigen, wie man damals marschirte,
und endlich, weil wir daraus ersehen, wie der
Marsch fast ausschließlich auf das hannoversche
Gebiet beschränkt und wie die Truppe überall
freundlich aufgenommen wurde. Eine systema
tische Darstellung des Krieges giebt uns der
Verfasser des Tagebuchs natürlich nicht.
„Quo me fata trahunt sequar u .
Zuerst einige Worte über den Verfasser selbst.
Es ist dies Heinrich Kümmell*), welcher in
der damals hessischen Stadt Vacha als Sohn des
dortigen zweiten Predigers Adam Friedrich
Kümmell am 6. Dezember 1753 geboren war
und zu Rinteln und Marburg studirt hatte.
„Im Jahr 1776 wurde ich", erzählt er in
seinem Tagebuch, „bei Ueberlassung der hessischen
Truppen in englischen Sold zum Feldprediger
bei den beiden Regimentern v. Huhne und
v. Bünau gnädigst ernannt und den 7. Februar
dazu nebst fünf meiner Kollegen ordinirt. Den
8. März bin ich von Singlis, wo ich mich vor
her aufgehalten, nach Ziegenhain zum Huyne'schen
Regiment gezogen und hielt mich daselbst auf,
bis den 5. Mai Ordre kam, den 7. zu marschiren."
Dies Regiment war vorzugsweise aus Oberhessen
rekrutirt. Kümmell erhielt nach den vor
handenen, in englischer Währung aufgestellten
Berechnungen seiner Gehaltsbezüge ein „monat
liches Traktament" von 6 — 120 Mark oder
jährlich 1440 Mark, 1 J? monatliche Fourage-
vergütnng — 240 Mark jährlich und eine
monatliche Menagevergütnng von 3 £* = 720
Mark jährlich, so daß er im Ganzen 2400 Mark
erhielt. Da er Fouragevergütung erhielt, so
müssen wir annehmen, daß er beritten war. In
Ziegenhain begannen bereits seine pfarramtlichen
Pflichten. Zahlreiche Soldaten ließen sich noch
fl Vergl. über ihn Hafner: Die Herrschaft Schmal-
kalden, Band IV, S. 186; Kümmell wurde nach dem
Krieg Diakonus und 1803 erster Prediger und Inspektor
an der reformirten Gemeinde in Schmalkalden.