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Schüler wären, das findet auch hier statt. Die
reformirte Kirche ist die herrschende in Kassel,
allein die lutherischen Klassen werden von refor-
mirten Lehrern in ihrem lutherischen Katechismus
unterrichtet, und die oberen Klassen lernen die
Religion nach Dieterich's.Weg zur Glückseligkeit',
und dieser ist lutherischer Hofprediger in Berlin.
Mit diesem Lyceum verband Friedrich II. ein
Schulmeisterseminarium, das sicherste Mittel zur
allmaligen Aufklärung des Volkes. Es hat sein
eigenes Gebäude, einen Maulbeergarten, des von
ihnen zu lernenden Seidenbaues wegen, seine Ein
künfte zur Erhaltung einer gewissen Zahl von
Schülern, einen Spezialanfseher neben dem Rektor,
beide unter dem Direktorium, und Lehrer sür
Musik, Rechenkunst und die übrigen Wissenszweige.
Die Seminaristen ziehen Nutzen von dem Unterricht,
der in den unteren Klassen gegeben wird und
haben eine eigene Schule, in welcher sie selbst
Gelegenheit zum Lehren erhalten. Sie machen,
mehrerer Unterstützung halber und zur Uebung
im Singen, ein sogenanntes Stadtsingechor an
gewissen Tagen aus, ohne daß es die übele Folge
hätte, durch welche man dergleichen als schädlich
zu bezeichnen Pflegt. Das gute Zeugniß des
Direktoriums, einem Seminaristen gegeben, der
solches vor anderen verdient, versichert ihm eine
gute Schulmeisterstelle. — Das Collegium illustre
Carolinum hat unter der jetzigen Regierung
größtenthcils seine erstere, auf blos vorbereitende
Wissenschaften eingeschränkte Gestalt erhalten;
seine akademische hat es also verloren. Näher an
das Lyceum gerückt, würden vielleicht beide eine
der besten Mittelschulen in Deutschland ausmachen.
„Von gelehrten Anstalten hat Kassel außerdem
die Gesellschaft der Alterthümer, welche Friedrich II.
stiftete. Sie hatte durch einen französischen be
ständigen Sekretär von außen und innen die
Gestalt einer Landsmannschaft gewonnen, denn
Friedrich II. hatte auch durchaus eine französische
Erziehung gehabt. Der jetzt regierende Landgraf,
stolz darauf, der delltsche Fürst deutscher Hessen
zu sein, hat ihr die deutsche und hessiche Geschichte
der Mittelzeit nebst dem Studium der im Museum
befindlichen Alterthümer, auch einen Deutschen
zum beständigen Sekretär gegeben. Meistcntheils
bei Anwesenheit des Landgrafen hält die Gesellschaft
vierteljährlich ihre Sitzungen im Museum ab, und
ihre neueste Preisschrist ist der erste bekannt ge
wordene öffentliche Beweis ihrer Deutschheit.
„Die Gesellschaft des Ackerbaues und der Künste,
gleichfalls eine Stiftung Friedrich's II., ist mit
fortgesetzter fürstlicher Unterstützung von ihrem
Beschützer, dem Landgrafen Wilhelm IX., zweck
mäßig bestätigt worden. Im Grunde ist sie
keine gelehrte Gesellschaft, sie will nicht durch
theoretische Beiträge ihrer Mitglieder die neue
Landwirthschaftslehre erweitern, sondern läßt es
blos bei spekulativen Preisfragen für den Künstler
und Landmann bewenden. Ihre Preisausgaben
kündigt sie auf ein Jahr an, ertheilt die Preise
am Geburtstage ihres Beschützers und nimmt in
allem hauptsächlich auf den hessischen Landbau
Rücksicht. Sie hat ihre Zimmer im Meßhause
auf der Oberneustadt.
„Da der Krieg auch Wissenschaft ist, so gehört
die Kriegsschule hierher, welche durch 40 junge
Edelleute und aus den hinzugekommenen Edel
knaben Offiziere für das hessische Korps erzieht.
Ein Obrist von den nöthigen Kenntnissen und
von Erfahrung ist Oberaufseher des Kadettenkorps,
einige Professoren, Ingenieure unb andere sind
Lehrer und Meister an dieser durch den jetzigen
Landgrafen noch mehr vervollkommneten Anstalt.
Eine andere durch ihn gestiftete Kriegsschule ist
die für die Artilleristen.
„Kassel hat deutsche und französische Buch
handlungen und Buchdruckereien, es wird aber
hier mehr geschrieben als verlegt.
„Was die schönen und insbesondere die bildenden
Künste betrifft, so hat Kassel darin seine Vorzüge.
Entweder scheint Deutschland noch keine rechte
Vorstellung von einer Kunstakademie zu haben,
wie Rom und Paris sie hat, oder, was freilich
wohl der Fall ist, die Hauptstädte von deutschen
Provinzen sind dazu mcistentheils nicht reich genug
an Kunstsachen; auch kann nicht jedes Genie,
ob es gleich deren zu Dutzenden nicht giebt,
genug von manchem deutschen Fürsten belohnt
werden, weil er es nicht genug beschäftigen kann.
Kassel hat indessen durch eine vom Landgrafen
Friedrich II. 1775 gestiftete Maler-, Bildhauer
und Baukunst-Akademie in Rücksicht auf eine
Bildergalerie, auf Modelle von Gebäuden und
wirkliche Gebäude und Anlagen selbst einen großen
Vorzug vor anderen deutschen Fürstenstädten, die
sich an blasen Zeichenschulen sollten genügen lassen!
Auch ist Tischbein der Vater, der Meister und
Lehrer einer Tischbeinischen Schule, die anderen
Akademicen Lehrer, mehreren Fürsten tüchtige Hof
maler und selbst Italien bewunderte Meister
seines Namens gab, Deutschlands wirklicher und
wahrer Apelles; Nahl den Vater, dessen Sohn
jetzt lehrt, kannte die Kunstwelt, und daß Dil
Ny, ein Enkel der Baumeisterfamilie, die fast
alles Große und Schöne in der Hauptstadt seit
Karl's Zeit baute, ein Baumeister ist, zeigen seine
ireuesten Gebäude. Diese Meister in ihrer Art
sind Direktoren und Professoren der Akademie
unter der Protektion des Landgrafen und dem