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das gute und schöne Pflaster, welches sie vor
mancher selbst größeren deutschen Stadt auszeichnet.
„Die Nachtlaternen aus deu Straßen, deren
gegen tausend sind, werden unter Direktion der
Kriegs- und Domänenkammer gegen die dazu
eingeführte Bezahlung eines Hellers vom Pfund
Rindfleisch durch die nöthigen Unterbedienten
bestritten. Die Verpachtung des Fleischhellers
sowie des Laternenbrennens hat gezeigt, daß beide
Einrichtungen sehr darunter leiden. Kassel hat
seit 172 l Laternen, eckig gestaltet, auf Pfählen.
Daß die Laternen in drei Sommermonaten nicht
brennen, wenngleich die Nächte dunkel sind, das
ist ein Vorwurf, deu sie mit weit größeren Städten
sich kann und muß mache» lassen.
„Ein neuerrichtetes Oberforstamt unter dem
Oberjägermeister, der zugleich geheimer Stnats-
minister ist, das bisher in Hanau war, ist nun
mehr in Kassel, breitet sich aber über das Land-,
Forst- und Jägerwesen aller fürstlich hessischen
Lande durch die ihm untergebenen Hofjäger,
Oberforst- und Forstmeister ans, deren nach den
verschiedenen Forstmeistereien sieben sind. Bei
den ersteren sind Forsträthe, auch Forstmeister
und Jagdjunker. Damit ist eine jenem auch
untergebene Holzkommission verbunden.
„Die Münze ist auch in Kassel, unter den deut
schen Fürstenmünzen eine der vollständigsten, und
hat ein aus dem Vizepräsidenten der Kammer
und dem Kriegszahlmeister bestehendes Direktorium.
Man münzt hier goldene und silberne und Scheide
münze von Kupfer ununterbrochen fort und zwar
in deu Gewölben des Renthofes.
(Schluß folgt.)
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Ohm und Onkel.
Erzählung von C. von Dincklage-Campe.
lFortsetzuug.)
VIII.
Es gewann in der That den Anschein, als ob Ecke
brecht seinen Vorsatz ausführen würde, er war häus
licher und bekümmerte sich persönlich um seine
Landwirthschast, welcher er bald ein reges Interesse
abgewann. Seiner Frau gegenüber schlug er da
gegen den möglichst verkehrten Weg zur Besserung
ein, indem er ihr die wirthschaftlichen Tugenden
seiner Mutter und Schwägerin anpries.
„Sieh einmal," sagte er unter Anderem einmal
in schroffem To» zu ihr, „wie Deine Mägde meine
Wäsche hergerichtet haben. Aber das kommt da
von, daß Du Dich garnicht um dergleichen be
kümmerst. Zu Haus, in Welsen, leitet Agnese
die Mägde selbst in solchen Arbeiten an."
Statt aller Antwort streckte Alice ihre zarten
rosigen Händchen dem Gatten entgegen. „Do
you like more Arbeitsfäuste?" lächelte sie.
Er konnte nicht umhin, die rosigen Finger an
seine Lippen ,;u ziehen, und nach wie vor ging
alles den alten Gang bergab.
War des Obersten Stimmung weniger galant
und verwies er Alice mit dürren Worten ihre
Nachlässigkeit und Verschwendung, dann gab es
eine Scene, und die Baronin „boudirte", zu
deutsch maulte, bis Eckebrecht klein beigab.
Die Münikerodes von Welsen durften sich einen
Winterausflug »ach Kassel gestatten. Es war
ein längst gehegter Wunsch Tankmar's, sich dort
mit seiner Frau malen zu lassen, um diese Bilder
der langen Reihe ritterlicher Ahnen anzufügen.
Sie kamen, um für die kurze Zeit Abschied von
den Geschwistern zu nehmen.
„Dir wird alles gewährt, mir alles ab
geschlagen," grollte Frau Alice.
Agnese hob den kleinen derben Tankmar vom
Boden aus, indem sie entgeguete: „O wie gern
bliebe ich zu Haus, wenn ich solch' süßes Kind
mein Eigen nennen dürfte."
Dergleichen Mahnungen fruchteten indessen bei
der Lady nicht, Einschränkungen hielt sie für
Launen ihres Gatten. Die Verhältnisse spitzten
sich mehr und mehr zum Ruine zu, für die noth
wendigsten landwirthschaftlichen Verbesserungen
fehlte das Geld, und sie unterblieben. Nach Art
schwacher Charaktere versagte Eckebrecht zwar Alicens
überflüssige Wünsche, um dann aber doch schließ
lich ohne Dank doppelt zu geben. —
Alle berechtigten und unbegründeten Klagen
verstummten plötzlich vor einem großen, un
erwarteten Glücksfall. Die Baronin Alice erbte
ein Vermögen von einem unbekannten Oheim,
gleichviel ob er es als Nnbob in Indien erwarb
oder als Peer in irgend einer englischen Graf
schaft. Die großen Summen waren nicht
illusorisch, sondern wurden ihr in klingender
Münze zahlbar angewiesen.
Einen Tag lang herrschte ungeheure Freude
auf Münikerode, es war wie die Erlösung von
einem schweren Banne, der auch die Herzen ge-