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Im Frühjahr siedelte dann die jüngere Linie
Münikerode nach dem gleichnamigen Gute über.
Jlsabe, welche sich vom ersten Augenblick an der
Kinder angenommen hatte und die das Gedeihen
der Kleinen mit freudigem Stolz erfüllte, zog
mit den jungen Herrschaften, denen sie sich als
treue Dienerin mit Leib und Seele verpflichtet
fühlte.
In Welsen grünte und blühte alles der neuen
Herrin entgegen. Jni Mai holte sich Tankmar
sein Glück. Aber er wollte es zunächst ganz für
sich allein besitzen. Das junge Paar reiste mit
eigenen Pferden und Wage» in die Schweiz, sie
hatten ja Beide noch gar wenig von der Herrlich
keit der Gvtteswelt gesehen. Einer sah mit des
Anderen Auge» voll Entzücken die großartigen
Schönheiten dieser Gebirgswelt. — Schließlich
überkam die Reisenden aber doch die Sehnsucht
nach dem eigenen Dach, unter welchem Großmutter
Münikerode die jungen Eheleute voll Ungeduld
erwartete.
Während in Welsen die Schwiegertochter der
alten Frau alle mühselige Arbeit aus der Hand
nahm und dem Hauswesen neues förderliches
Gedeihen verlieh, lebten die Münikeroder, ohne
irgend welche Rücksicht auf die Wirthschaft, nur
ihrem Vergnügen. Im Sommer in der schönen
Wald- und Berggegend herumzukutschiren, Besuche
zu machen und zu empfangen, das söhnte selbst
Alice mit dem unvermeidlichen Landleben aus.
Tankmar schüttelte den Kopf, und der alte In
spektor rang die Hände, aber Niemand hatte den
Muth, einzugreifen.
Die Zwillinge, welche Edith und Elisabeth
getauft waren, zählten zwei Jahre und babbelten
schon allerliebst deutsch und englisch durcheinander,
als sie für einige Zeit nach Welsen in Tante
Agnesens Obhut gegeben wurden. Sie fühlten sich
dort sehr wohl, denn Großmama und Tante
beschäftigten sich den ganzen Tag mit ihnen,
während sie zu Hause meist auf Jlsabe's Gesell
schaft angewiesen waren. Eben trippelteil die
kleinen Dinger, immerfort plaudernd, an der
Muhme Hand über den Hof, um den Tauben
Futter zu streuen, als Eckebrecht auf schaum
bedeckten Rosse in das Thor gesprengt kam.
Schon von Weitem schwenkte er seine Mütze und
rief der ihm entgegen Eilenden vom Pferde
herab zu: „Hurrah, ein Knabe, ein Erbherr
von Münikerode." Thränen liefen ihm über die
gebräunten Wangen, als er seine Kinder aufhob
und küßte und ihnen in jenem unwiederholbarem
Gekose von dem neuen Brüderchen erzählte.
Dann ging's ' in's Haus, der Mutter und
dem Bruder die Freudenbotschaft zu verkünden.
Tankmar ließ eine Flasche alten Weines herauf
holen. „Komm, Bruder," sagte er, „wir wollen
ans das Wohl des kleinen Stammhalters trinken,
es wird Dir wohlthun nach dem angestrengten
Ritt. Wenn ich Anlage zum Neid hätte, wahrlich,
heute könnte ich ihm Raum geben."
Agnese war herangetreten, sie legte ihren Arm
um des Gatten Schulter und sagte leise, zu ihni
geneigt: „Ich dächte, Du beschiedest Dich mit
dem Glück, das uns zu Theil geworden ist."
„Du hast Recht, ein Kind inüßte mir einen
Theil dessen nehmen, was jetzt ganz und aus
schließlich mein Eigen ist."
Sie sprachen Dies und Jenes. Eckebrecht
äußerte die besten Vorsätze. Er wollte seine Ver
hältnisse ordnen.und sein Leben der Nothwendig
keit anpassen. Daß es so nicht weiter gehen
konnte, hatte er längst eingesehen, aber es fehlte
ihni die Energie, gründlich dnrchzugreisen. Jetzt
sollte das anders werden.
„Ich glaube, daß es Dir rechter Ernst ist,"
erwiderte Tankmar, „aber Deine Frau wird
Dir das Gegenspiel halten, und Du ihr wie stets
um des lieben Friedens willen nachgeben, auch
wenn Du mit offenen Augen dem Ruin entgegen
gehst."
„Nun, so schlimm ist es doch noch nicht,"
unterbrach ihn Eckebrecht. „Schmähe Alice nicht,
heute nicht, wo sie ein so großes Glück in mein
Haus gebracht hat. Sie wird es einsehen, daß
sie für unseren Sohn sparen muß. Lieber
Tankmar, wir wollten Dich bitten, dem kleinen
Mann Deinen Namen zu geben. Der älteste in
der Familie hat ihn allemal getragen, und wenn
die dritte Ader, wie man sagt, nach dem Gevatter
schlügt, ist das eine gute Aussicht für unser Kind,
ein Gegengewicht gegen das, was es von Vater
und Mutter erbt."
„Halt!" rief Agnese lachend, „Du wirst Tankmar
mit Deinen Schmeichelreden noch ganz eitel machen.
Da wir nun aber als Mann und Frau eins
sind, nehmen wir mit einander die Pathenstelle an."
lFortsetzung folgt.)