44
und ebensoviel Assessoren mit und ohne Stimme
machen die eigentliche Regierung ans. Sie ist
in drei Senate getheilt; der erste hat die Hoheits-,
Kirchen-, Lehen-, peinliche und Vormundschasts-
sachen, die beiden anderen theilen sich in alle
Justiz und Prozesse betreffenden Sachen. Da
das Konsistorium mit ihr verbunden ist, so ist
jeder Regierungsrath auch Konsistorialrath, doch
sitzen noch dabei drei geistliche Konsistorialräthe
und ein Syndikus. Wenn die Regierung Lehen
sachen besorgt, die ihr alle aufgetragen sind, so
ist sie der eigentliche Lehenhof, und an einem der
Verhandlung vormundschaftlicher Sachen gewid
meten Tage in eben benfetben Mitgliedern das
Pupillenkollegium. Die Anzahl der in Kassel
sich aufhaltenden Sachwalter, die an diesem
Kollegia Regierungsadvokaten und Prokuratoren
und nach einem alten Herkommen, ohne daß sie
nothwendig graduirt sein müssen, im gemeinen
Leben Licentiaten genannt werden, ist nach dem
Verhältniß der Geschäfte und dieser Pflanzschule
künftiger Jnstizbeamten nicht so stark wie ander
wärts, doch haben noch die Untergerichte ihre
eigenen Advokaten.
„Seit dem Jahre 1760 hat Kassel ein aus
Generalspersonen und Räthen bestehendes Kriegs
kollegium, welches die Besorgung des Militär
wesens und die Gerichtsbarkeit über alle Per
sonen hat, die dazu gehören, doch so, daß seine
Aussprüche dem Oberappellationsgerichte unter
worfen sind. Das, was Militärökonomie im
Großen und Kleinen betrifft, so ist dasselbe unter
einem Generalkriegskommisiare, der ein General
lieutenant und geheimer Staatsminister ist, einem
Generalkriegskommissariat, sogenanntem Kriegs
pfennigamt, und einer Kommission untergeben,
welche letztere die Rekrutirung, Remontirnng und
Montirnng durch jenen, einen General von dem
Fußvolk und einen von der Reiterei besorgt.
Dieses provisorische Kriegsdepartement hat jetzt
auf der Oberneustadt das Gebäude, in welchem
sonst sich das nunmehr zum Wohle des Staats
abgeschaffte Lotto befand.
„Ein besonderes Kommerzkollegium sorgt in
Kassel für alles, was dem Handel in Stadt und
Land, dessen Beförderung, auch Manufakturen
und Fabriken betrifft, entscheidet alle dahin ein
schlagenden Streitigkeiten und spricht nach dem
Frankfurter Wechselrecht; doch wird in Sachen,
die 200 Thaler übersteigen, an das Ober
appellationsgericht gegangen. Es besteht seit
1763, hat einen Präsidenten und außer gelehrten
Räthen von anderen Kollegien Kaufleute als
eigentliche Kommerzräthe, Assessoren und Kom
missarien. Gegenwärtig beschäftigt es sich unter
anderem mit Beförderung des Seidenbaues durch
das ganze Land hin. Der Absicht dieses Kom
merzkollegiums entspricht es sehr, daß sogenannte
Kommerzdeputationen in anderen beträchtlichen
Städten Hessens als solche mit ihm in Verbin
dung stehen; die Mitglieder derselben haben im
Kasselffchen Kollegium Sitz und Stimme, sobald
sie in die Hauptstadt kommen. Nach dem weisen
Grundsätze der jetzigen Negierung, nach welchem
der Landgraf Manufakturen und Fabriken lieber
anderen überläßt als selbst betreibt und durch
Aufhebung manches schädlichen Licents seinem
bisherigen doch nur vermeintlichen Interesse
entsagt, läßt sich von dergleichen Anstalten etwas
versprechen. In ben beiden seit 1763 angelegten
Messen der Oberneustadt hält dieses Kollegium
zur Entscheidung laufender Händel täglich
Sitzungen; der künftige Flor beider hängt nun
freilich noch vom Landeskommerz selbst ab; gegen
die Einrichtung, auch die Lage der Stadt in
Rücksicht auf Messen läßt sich übrigens nichts
sagen. Die Anstalten für die Kaufleute beson
ders, wozu noch ein wohleingerichtetes Meßhaus
gehört, sind sehr zweckmäßig.
(Fortsetzung folgt.)
Vas hessische Postwesen unter Landgraf Wilhelm IX.,
nachherigem Kurfürsten Wilhelm I.
Von Schwalm in Marburg.
'Wie Kaiser des heiligen römischen Reiches
Wf deutscher Nation hatten anfänglich einen
Botendienst eingerichtet, um ihre Briefe und
Befehle nach den entfernt gelegenen Provinzen
tragen zu lassen und Nachrichten von dort her
zu empfangen. Von Kaiser Friedrich III.
(1440—1493) wurden diese Botenposten erweitert,
und tritt hierbei zuerst ein italienischer Edel
mann: Roger von Tassis, als Vermittler
ein, indem der Kaiser mit ihm, wahrscheinlich
im Jahr 1451, einen Vertrag abschließt. Dann
war es Maximilian I. (1493—1519), der
einst in verzweifelte Klagen ausbrach, daß er
nicht an allen Orten seines Reiches zugleich