Cvt soll die neue Universität ihre Stelle haben.
Es machten Kassel und Hersfeld Ansprüche ans
dieselbe. Marburg, eine lutherische Stadt, gab
für eine Universität, welche mehr den reformirten
Charakter tragen sollte, gerechtes Bedenken.
Eine dritte Schwierigkeit fand man in der
Wahl geeigneter Lehrer oder Professoren. Es
mochten solche nach der zerstörenden Herrschaft
des Kriegsgottes nicht im Ueberfluß vorhanden
sein.
Das erste Bedenken wegen der kaiserlichen Be
stätigung ließ man im Vertrauen auf die
frühere von Kaiser Karl V. 1541 gegebene
Bestätigung fallen.
Den Ort betreffend, so erkannte man die Vor
züge Marburgs, in welchem der Universität
seit 1527 schon eine Heimstätte in den alten
Klostergebäuden bereitet worden war. Die gesunde
lind reizende, schon viel besungene Lage der
Stadt fiel in das Gewicht, und für Marburg
ward sich entschieden.
Hier soll nun nicht vergessen werden, darauf
hinzuweisen, daß Landgraf Wilhelm VI. zwei
vortreffliche Räthe hatte, die ihm helfend bei
seinem Werke zur Seite standen, Reinhard
Scheffer und I. H. Dauber. Als dritten kann
ich noch den landesherrlichen Kommissar und
ersten Rektor der neuen Universität, den Professor
Cr o ei ns, zufügen, der bisher in Kassel an der
Universität eine Stelle hatte. Die gelehrten
Häupter, welche damals nach Marburg berufen
wurden und die Ehre hatten, Lehrstühle zu
besteigen, waren folgende:
Aus Kassel kamen nach Marburg mit
Joh. Croeius und Sebastian Curtius (Theologen)
Erich Grafs und Joh. Kleinschmidt (Juristen),
Gregor Stannarius und Werner Geise (Philosophen).
Von der früheren Darmstädter Universität ver
blieben die Juristen: Joh. Breidenbach (schon
1614 Professor zu Gießen) und Joh. Kornmann.
Dazu kommt Joh. Tilemann, ein Mann, der
zuletzt Jude geworden sein soll. Er hat einen Vor
gänger in dieser Wunderlichkeit in einem gewissen
Vietor, Sohn des Professors H. Viktor, im 16. Jahr- !
hundert. Dazu kommt ferner Chr. Fr. Croeius, Pro- '
fessor der Medizin, früher in Bremen, dann ein j
Sohn des Juristen Kornmann, Joh. Hartmann
Kornmann (Jurist) und schließlich Carolus j
Lombardus, früher katholisch, in Zürich evangelisch :
geworden, dann in Kassel gewesen. Somit
waren es 12 Professoren, während Gießen, 1650
wieder eröffnet, nur 11 Professoren hatte, zum
Theil solche, die bisher in Marburg gelehrt
hatten, wie namentlich Menzer und Feuer-
born.
Ein Uebel, welches bisher die Universitäten
geschädigt hatte, sollte fortan durch die an
gestellten Professoren aus der Welt geschafft
werden, das war der Pennalismus, eine kann»
zu beschreibende Rohheit, welche, gefördert durch
das frühere wilde Kriegsleben, endlich einmal
ausgerottet werden sollte. Solange Unkraut und
Gestrüpp nicht ausgerottet wird, ist eine Besamung
und Bepflanzung des Erdbodens ganz unmöglich.
Einige der Rohheiten sollen hier nur namhaft
gemacht werden. Namentlich die sogenannten
Füchse wurden derart von alten Studenten
mißhandelt, daß ihnen die edle Zeit ganz und
gar verloren ging. Sie hatten ihre sogenannten
Schönsten sklavisch zu bedienen, mußten wie Thiere
umherkriechen und bellen, Salz, Scherben, Kvth
gemengt verschlingen, Unzucht treiben, Kleider
verpfänden, Schulden machen, alles auf Befehl
der sie Beherrschenden, und sonst noch unter deren
Tyrannei leiden und verderben. — Comessatum
et scortatum — adducti sunt.
Nicht erst in neuerer Zeit sind Stiftungstage,
Jubiläen und sonstige Feierlichkeiten in Schwang
gekommen. Wie feierlich, ja üppig es schon
damals bei der Neubegründung der Universität
Marburg herging, das ausführlicher zu berichten soll
jetzt meine Aufgabe sein. Das Bild ist nach alten
Aufzeichnungen in getreuen Züge» von Professor
Henke entworfen worden in einer Rede am
Geburtstag des Kurfürsten, am 20. August 1861,
gehalten, die mir hier den Stoff darbieten soll.
Der gütige Fürst ivvllte nickst allein der
Universität, er wollte der lieben Stadt Marburg,
ja seinem ganzen Lande eine große Freude
bereiten.
Den 15. Juni, an einem Mittwoch, war der
Einzug des Landgrafen, den folgenden Tag war
die Hauptfeier, dann folgten Disputationen, und
Examina und am Sonntag den 19. Juni Gottes
dienst, Montag de» 20. Promotionen in der
Aula, am 21. Fest auf dem Kämpfrasen und
theologischer Redeakt, am 22. wieder Redeakt,
diesmal juristischer, und Komödie auf dem
Schloß, am 23. medizinische Rede und dann
noch Dankrede und Schlußrede der Philosophen.
Wie passend war doch die z» der neuen
Universitätsweihe gewählte Zeit!
Seit unvordenklichen Tagen war die Sonnen
wende im Juni bei den Deutschen eine hohe
Zeit, eine festlidi gefeierte. Die Freude über
den vollendeten Sieg der Segen bringenden
Sonne erreichte in diesen Tagen ihren Höhepunkt.
Es sind jetzt alle Schätze der Natur wie durch
einen Zauber aus der Tiefe gehoben, aller Segen
hat sich in Fülle über die Erde ergossen. Darum