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tage begleitete. — An demselben Tage verschied
zu Kassel im 83. Lebensjahre der Geheime Sanitäts
rath Dr. med. Ludwig Ulrich, geboren am
20. Mai 1812 zu Leipzig als der Sohn einer dorthin
allsgewanderten hessischell Familie, die bald darauf
nach Hessen (Marburg) zllrückkehrte. Seine Haupt-
wirksamkeit hatte der Verewigte zu Hersfeld, wo
er 1843—75 als geschätzter praktischer Arzt thätig
war. Seitdem lebte er im Ruhestand zu Kassel.
— In Chicago verschied am 4. November
Dr. Friedrich Koch, eine unter den dortigen
Deutschen wohlbekannte Persönlichkeit. Er war int
Jahre 1840 in der Nähe von Kassel als Sohn
eiiles wohlhabenden Glltsbesitzers geboren, studirte
ill Marburg Medizin und ging 1857 llach Mexiko,
woselbst er unter Indianern als weithin angesehener
„Medizinmann" lebte. Er siedelte dann nach
Texas über und ging beiln Ausbruch des Krieges
nach beut Norden, um dort als Artillerist ill die
Bundesarmee einzutreten. Als Mitglied der „Ger
mania" betheiligte er sich, da er ein ausgezeichneter
Bassist war, all den Opern-Aufführungen im alten
„Crosby Opera House“.
Hessische Bücherschau.
Kinder- ttnb Hausmärchen gesammelt durch
die Brüder Grimm. Mit Illustrationen
von P. Grot Johann und R. Leinweber.
Deutsche Verlagsanstalt. (Stuttgart, Leipzig,
Berlin, Wien.
Ein herrliches Weihnachtsgeschenk, wie es sich
Groß und Klein nicht schöner wüllschen können.
Der Preis dieser Prachtausgabe (25 Mark) ist gegen
das, was sie bietet, mäßig zu llennen. Ueber den
Text brauchen wir kein Wort zu verlieren, aber
die Illustratoren, insbesondere der früh verewigte
P. Grot Johann, sind verständnißvoll in die
Fußstapfen der Brüder Grimm getreten uub haben
die schönsten Märchen durch prächtige Zeichnungell
altch dem Allge nahe gerückt. —a.
Vom Stillen Ozean. Gedichte von Richard
Jordan. Verlag von O. Hendel, Halle
a. S.
Eine tiefangelegte, ernste, ja schwermüthige
Natur spricht alls diesem Bändchen Gedichte. Der
Verfasser betitelt sie „Vom Stillen Ozean". Er
ist ein Marburger Kind, durch das Schicksal ge
trennt von bett Liebelt in der Heimath, Hinaus
getrieben über ferne Meere und in entlegene
Länder. Trennungsweh und Sehnsucht klingen
durch die Mehrzahl der Lieder, eine schmerzvolle.
entsagende, oft allzuweiche Sehnsucht. Aber
Richard Jordan ist ein wirkliches Talent, eine
feingeartete, edelangelegte Dichternatur, eilt Poet,
an dessen Schmerzen wir innigen Antheil nehmen,
und betn wir es gern verzeihen, wenn er seine
Leiden wieder und wieder, freilich stets in andern
Farben, ausmalt.
Besonders hat mich angesprochen:
Das letzte M a l.
Ein Trunkener schwankt' ich durch die dunk'len Gassen.
— Wie klang das Echo meiner Schritte hohl! —
Nlln hatte ich, die ich geliebt, verlassen.
Und ohne Segen .... ohne Lebewohl!
Nicht spähte ich den Weg zum Thor zu suchen.
Was lag daran, wohin mein Fuß mich trug! —
Ein jeder Platz war ja gleich recht zum Fluchen,
Zum elend sein — ein jeder gut genug.
Mein Allg' sah nichts; und doch fühlt' ich die Wände
Der grauen Häuser nebelt mir hinziehn.
Sie standen nicht, sie trachteten behende
Vor dein Gezeichneten des Herrn 51t ftieh'n.
Und jeder Windstoß aus den Mauerlücken,
Schien seinen Ekel mir in's Aug' zu spei'n:
„Kain! Kain! Dein eigen Glück schlugst Du in Stücken!"
Hört' ich ihn ächzend um die Gipfel schrei'«.
Und plötzlich nun fühlt ich den Boden schwanken, .
Es rauscht', es brauste unter lneinem Fuß ....
Die Brücke war's: . . . Der Strom! — Rettnngs-
gedanken
Deucht' mir zu tragen sein Willkommengrilß.
„Hierher! —Zu mir!" So gurgelten die Wogen, —
Und mich, — mich zog's .... Ich schrie: „Gleich
komm' ich! Gleich!"
Und doch hielt ich mich fest am Mauerbogen
Und schrie: „Ich komm'!" Und blieb! . . . Ich
war zu feig!
Daß der Verfasser auch in der Ferne ein treu
hessisch Herz im Busen trägt, erzählt er llns in
dem Gedicht: „Mein Hessenland", das wie so manches
andere seiner Lieder in diesen Blättern veröffent
licht ward, und dessen letzte Strophe lautet:
„Ach, wie an Dir, hängt an der Heimath
Kein Volk der Welt so wunderbar.
Ich glaub' auch nicht, daß je ein Hesse
In fremdem Lande glücklich war."
Sehnsucht nach Ruhe" und Frieden klingt er
greifend in:
Mein Idyll.
Ein Fleckchen Erde möchte ich mein eigen
In einem stillen Thal der Heimath nennen,
Wo rings umher die Tannnenwälder schweigen
Und wie ein Eiland von der Welt es trennen.
Kein Schlot dürft' dorten seinen Rauch erheben,
Kein Dampfroß keuchend meinen Frieden stören.
Und keinen Laut, der an den Kampf um's Leben
Erinnern könnte, möcht' ich dorten hören.
Und ringsumher nur Flur und Wald und Wiesen
Und Vogelfang und wilder Blumen Düften
Und Sonnengold im Bache mir zu Füßen
Und Sonnenglitzern in den blauen Lüften.