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aber in Paris und Versailles gewesen wäre und
daß also das Schloß des Erzbischofs, so schön es
sei, nichts böte, was mich hätte überraschen können
als der Umstand, daß es zu Auch erbaut sei.
Der Advokat lachte, und Herr von Uzes schwieg.
Dennoch ist es wahr, daß man nichts Freund
licheres und Angenehmeres sehen kann, als das
Schloß von der Seite der Landschaft aus."
Sehr bald ging die Reise nach Montauban zurück,
bei welcher Gelegenheit die Reisenden einen Wald
durchfuhren, der von Wölfen unsicher gemacht
wurde, von denen aber keiner zum Vorschein kam.
Hören wir nun die Beschreibung der Stadt Mon
tauban und der dort herrschenden Sitten. „Es ist
eine verräucherte Stadt, erbaut aus Backsteinen,
die sich zwar durch ihre Dauerhaftigkeit auszeich
nen, aber, wenn sie nicht von Zeit zu Zeit roth
gemalt werden, allmälig eine schwarze Farbe an
nehmen. Außer den neueren sind wenige Häuser
getüncht oder geweißt. Die Erdgeschosse sind un
bewohnt und dienen zu Läden oder Küchen; ge
wöhnlich enthalten die Häuser nur zwei Wohnungen.
Die Straßen sind meist eng und von einer Gosse
durchschnitten, die alle Ausflüsse aus den Häusern
aufnimmt, die man nie ausfegt und in die man
mit Behagen das Geflügel rupfen und die Abfälle
von Kohl, Salat, Lauch, Sellerie u. dgl. werfen sieht.
Umsonst ist der mit Trompetengeschmetter und
lauter Stimme ausgerufene Befehl, die Gosse
täglich zu fegen, er läßt sich jeden Morgen von
Neuem vernehmen, ohne daß man sich über die
Polizei lustig macht. Man thut nichts, oder,
wenn mau durch de» Unrathhaufen vor der Thür
zu sehr belästigt wird, daun legt mau Hand au
den Besen, d. h. an einen der hier üblichen
Schilfbesen, der weiter nichts leistet, als sanft
über die spitzen Kieselsteine, mit denen die Straßen
gepflastert sind, Hinzugleiten, ohne aber je den
Schmutz vom Grund der Gossen zu beseitigen.
Es sicht aus, als wenn die Gossen nie gefegt
wären, wodurch das Wasser schwarz und faulig
wird; man wirft auch den Kehricht aus den
Häusern in diese Gossen. Ist es da erstaunlich,
daß die Stadt übel riecht, und daß man dort so
viel Knoblauch ißt, namentlich während einer an
steckenden Krankheit und während der Weinlese?
Ich möchte glauben, alle Wohlgerüche Europas
könnten diesen Übeln Geruch nicht beseitige». Das
Innere der Häuser ist chesenreinh und das ist
Alles; sämmtliche Zimmer sind mit großen Ziegel
steinen belegt, die man täglich vor dem Auskehren
anfeuchtet. Sie bilden einen lächerlichen Gegen
satz zu dem Grün, mit dem alle Wände tapezirt
sind, und den Spiegeln mit vergoldeten Rahmen.
Die Tisch-, Bett- und Leibwäsche ist sehr rein
und weiß. Wer ein Landhaus hat, zieht sich
einen guten Theil des Sommers dahin zurück
und kommt erst nach Martini oder selbst nach
Weihnachten in die Stadt zurück. Ich halte es
für sehr vernünftig wegzugehen, um reine Luft
zu athmen. Die Landhäuser liegen so nahe bei
einander, daß man Gesellschaft haben kann, so oft
man will."
(Fortsetzung folgt.)
o-
Eine alte Schrift aus westfälischer Jeit.
Von G. Th. D.
(Fortsetzung.)
er Verfasser prophezeit noch gewaltigere
Im Stürme, nach denen „der höchste und hohe
Os Adel, dem wir allein die jetzige Katastrophe
verdanken, kraftvolleren und edleren Stämmen
das Feld, das er nicht mehr behaupten kaun,
räumen muß". (Es ist zu bezweifeln, daß Martin
so geschrieben hätte.)
Landgraf Friedrich II. wird beschuldigt, eine
asiatische Ueppigkeit und eine Sittenverderbniß
wie zu Sodom und Gomorrha verursacht zu
haben. Armuth des Landes war die Folge des
siebenjährigen Kriegs. Aus dem Seelenverkauf (!)
für Englands amerikanischen Krieg flössen uner
meßliche Summen in den Säckel des Fürsten.
Aber nichts davon ward für das Wohl der Unter
thanen verwendet, kein Ackerbau befördert, keinen
Fabriken aufgeholfen, keine Schulden der Ge
meinden bezahlt. Unter seinem Sohn und Nach
folger folgte Sparsamkeit und Zusammenscharren!
Ueberall Plusmacherei für den Landesherrn, der
gewiß über 50 Millionen Thaler gebot. — Diese
Behauptung möchte doch übertrieben sein. 40
Millionen gab man als seinen Schatz um das
Jahr 1820 an.
Auch Kritik anderer Art übt der Verfasser.
Es gab Husaren zu Fuß, die Pferde kamen erst
lange nachher, Landregimenter wurden zu Garni
sonsregimentern gemacht, die Offiziere erhielten ein
geringes Traktament. Man hing gleichsam einem
Buckligen einen schönen Mantel um.