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die Leibeigenschaft, die vor Jahrhunderten
diesen Stand von den Landtagsverhandlungen aus
schloß, in Hessen längst beseitigt und unbekannt sei.
Ss. Wr.
Ans meiner Zeit. Lebenserinnerungen von
F rieb ri ch P e ch t. München, 1894. 2 Bde.
Wir lesen auf S. 169 des ersten Bandes:
„Als ich (Pecht) die französische Grenze überschritt,
kam ich von Baden, das von Franzosen wimmelte,
die sich da als vollständige Herren gerirten, mit
jenem Uebermuth lind jener Verachtung der je
weiligen Lalldesart, die sie überall bald verhaßt
macht. . . Drinnen in den Spielsälen erfreute
lnich dann der Anblick jenes musterhaften
deutschen Land es Vaters, des fortgejagten
alten Kurfürsten von Hessen, der mitten unter den
Croupiers und Spielern sitzend, das Gold ver
spielte, was er seinen Unterthanen ab
gepreßt. Eine mächtige Gestalt mit schneeweißem
Bart, hatte er große Haufen Gold und Banknoten
vor sich, die er mit einer gewissen Wuth aus die
verschiedensten Kartell setzte. Bald hatte er Alles
verloren und lief nun brummend fort, llm nach
einiger Zeit mit frisch gefüllten Taschen wieder
anzukommell. Und dafür wurden die armen
hessischen Bauern bis auf's Blut aus
gesogen!"
Bon diesen Angaben ist zunächst die falsch,
daß Kurfürst Wilhelm IT. fortgejagt sei. Er hat
freiwillig seine Residenz verlassen, tief verletzt
durch das taktlose Benehmen der hauptstädtischen
Bevölkerung, nub keine Deputationen vermochten
den sonst so weichherzigen Mann, wieder zurück-
zukehren. Weiter ist unrichtig, daß Wilhelm II.
eine „mächtige" Gestalt gewesen sei. Er war
eher klein intb dick. Endlich vergleiche man obige
Darstellung mit derjenigen, welche Jakob Hoss-
m ei st er in den im Jahre 1882 erschienenen
„Hessischen Erinnerungen" auf S. 90 ff. voll
seinen Eindrücken in Baden-Baden giebt. Der
Kurfürst spielte diesem Beobachter zufolge durch
aus leidenschaftslos und gleichmüthig, auch im
Allgemeinen mit vielem Glück, indem er sogar
einige Male die Bank sprengte. Da er seine
Civilliste bezog nnb mit dieser ebenso wie mit
seinem Privatvermögen machen konnte, was er
wollte, und da er andererseits verfassungsmäßig
außer Stande war, den „armen" hessischen Baltern
aitrf) nur einen Pfennig mehr abzunehmen, als
was diese seine Civilliste betrug, so verdient Herr
Friedrich Pecht wegell derartiger falscher nnb
thörichter Behauptungen, wie er sie zilln besseren
Aufputz seines Werkes ohne jegliche Kenntniß der
einschlägigen Verhältnisse aufgestellt hat, von jedem
Hessen energisch zurechtgewiesen zu werden. Die
hessischen Bauern sind von keinem ihrer Fürsten
„bis auf's Blut ausgesogen worden", am wenigsten
voll Kurfürst Wilhelm II., nnb ganz so arm, wie
Herr Friedrich Pecht glaubt, sind sie auch nicht.
Wenll des Verfassers Lebenserinnerungen im
Uebrigell nicht zuverlässiger und genauer sind, als
die auf S. 169 s. produzirten, so ist die delltsche
Memoirenliteratur nicht sonderlich bereichert
worden. K. Mr.
Im 5. Jahrgang ist der Cotta'sche Musen
almanach wieder erschienen, herausgegeben von
unseren Landsmann Otto Braun. Diese fein
sinnige Auslese zeitgenössischer Lyrik, die auch
äußerlich in prächtigem Gewände erscheint, wird ein
willkommenes Festgeschenk sein. Von hessischen
Dichtern sind H. Keller-Jordan, Richard
Jordan, Julius Rodenberg und Daniel
Saul vertreten.
Richtigstellung. Von Herrn Dr. med.
Friedrich Hille in Straßburg i. E. erhalten
wir folgende Zuschrift:
„In meinen Artikel „Geschichte der Familie Hille"
haben sich in Nr. 19 einige Unrichtigkeiten ein
geschlichen, die ich in der nächsten Nummer gefälligst
zu berichtigen bitte:
1) S. 255. Auguste Karoline Wilhelmine Emilie
Hille war nicht verheirathet mit dem Rentner Wilhelm
Barkhausen in Detmold, sondern mit dem Architekten
Konrad Barkhausen daselbst;
2) a. Emilie Friederike Luise Barkhausen war
verheirathet mit dem Oberlehrer Dr. August Althaus
in Berlin und ist daselbst mit Hinterlassung von zwei
Kindern gestorben;
8) e. Theo Bertha Helene Mathilde Barkhausen ist
seit 1872 verheirathet mit dem Rechtsanwalt und Notar
Justizrath A l b r e ch t E a sp a r i in Kassel."
Briefkasten.
Alle Sendungen für die Redaktion sind zu richten
an die Buchdruckern von Friedr. Scheel, Kassel,
Schloßplatz 4.
ö. Th. I). in Marburg. Wir werden Ihnen aus
führlich schreiben.
Fräulein H. B. in R. bei Hanau; 6. B. in Wächters
bach; 0. GL in Hildesheim; Frau 8. I. in Gotha; Dr.
W. S. in Fulda; J. 8. in Frankfurt; L. M. in
Eschwege; Pfarrer J. in Preungesheim. Für die erhal
tenen Briefe und Beiträge sagen wir einstweilen unter
Empfangsbestätigung besten Dank.
n. R. in Frankfurt a. M. Aufsah über das von
Ihnen berührte Thema wird in Bälde im „Hessenland"
erscheinen. Nur ein wenig Geduld!
K. W. in Kassel. Der „Kinder-Reigen" Keitgedicht
in Nr. 20 des „Hessenland") rührt von unserm Lands
manne, dem Dichter Gustav Kastropp in Hannover
her; leider ist in Folge eines Versehens beim Abdruck der
Name des Autors ausgefallen.
Für die Redaktion verantwortlich: Dr. D. Saul in Stuttgart. Druck und Verlag von Friedr. Scheel in Kassel.