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haben sollte; Verachtung des Artikels vom
Sakrament; Verletzung der Hoheit des Kaisers
durch Zusendung eines Religionsbüchleins nach
Italien. Ueber diese Anklagepunkte rechtfertigte
sich Philipp auf das Beste. Den Evangelischen
wurde vom Kaiser die Annahme einer sogenannten
Widerlegung ohne weitere Antwort geboten und
eine Friedenskommission eingesetzt. Der Landgraf,
der den trostlosen Ausgang des Reichstages
voraussah, kam um seine Entlassung ein auf
Grund von Briefen, worin die Krankheit der
Landgräfin angezeigt uttb er deshalb zur Abreise
gedrängt wurde. Auch gab Philipp als Grund
seiner nachgesuchten Entlassung an, daß er, als
einer der Jüngsten und am Verstand der Geringste,
dem Kaiser doch nichts nützen könne. Auf dieses
Gesuch wurde keine Antwort und so zog der
Landgraf ohne Urlaub fort. Zurückgelassen wurden
mit Weisungen bezüglich ihres Verhaltens vom
Landgrafen Friedrich Trott von Sulz, Georg
Nußbicker, Nikolaus Mayer, Erhard Schnepf und
der Kanzler Johann Feige. Karl V. nahm die
Apologie der Evangelischen nicht an, verband sich
öffentlich mit den Anhängern des alten Glaubens,
legte einstweilen ein Interdikt auf die ganze
evangelische Sekte (wie sie genannt wurde) und
gab ihr eine Frist bis zum 15. April des folgenden
Jahres mit dem Bedeuten, daß, wenn sie diesen
Abschied nicht annehme, er seine weltliche Macht
gebrauchen werde.
Schon gelegentlich des Religionsgesprächs zu
Marburg war ein Bündniß des Landgrafen mit
den evangelischen Schweizern beschlossen worden.
Gegen die Anhänger des Evangeliums hatten
sich die fünf katholischen Orte Uri, Schwyz,
Unterwalden, Zug und Luzern mit Erzherzog
Ferdinand verbunden. Zürich, Bern, Basel,
Schaffhausen und Mülhausen im Elsaß standen
an der Spitze der Reformirten, ebenso Glarus,
Appenzell, St. Gallen. Zur Förderung göttlicher
freier Lehre und eines christlichen, einhelligen
Wesens, zum gegenseitigen Schutz der Unterthanen
gegen Gewalt oder Verführung wurde zu Basel
durch die Abgesandten Philipp's, Siegmund von
Boyneburg und Georg von Kollmatsch, mit
Zürich, Bern, Basel und Straßburg ein Religions-
bündniß verabredet und auf sechs Jahre geschlossen.
Vom Papst unterstützt, griffen die katholischen
Orte zu den Waffen (1531). In der Nähe von
Kappel stießen die Gegner auf einander. Zwingli,
der sich bei den Zürichern befand, wurde tödtlich
verwundet, sein Leichnam verstümmelt und ver
brannt. Luzern erfocht noch einmal einen Sieg
über die Verbündeten, da nahm Zürich den ge
botenen Frieden an, ihm folgte Bern. Beim
Friedensschluß wurden die alten Bünde der Eid
genossen erneuert, die Religionsfreiheit festgestellt,
die neuen Burgrechte und Einigungen mit aus
ländischen Städten und Herren abgethan, die Ur
kunden des Landgrafen nach abgerissenem Siegel
durchschnitten und überliefert. Auch Basel schloß
einen Frieden.
Im Dezember 1530 hielt der Landgraf mit
dem Kurfürsten und anderen evangelischen Stünden
eine Zusammenkunft zu S ch m a l k a l d e n. Hierzu
sandten Nürnberg, Reutlingen, Kempten, Heilbronn,
Windsheim und Weißenburg ihre Bevollmächtigten,
auch die von Straßburg, Konstanz, Lindau,
Memmingen, Ulm, Biberach, Magdeburg, Bremen
erschienen ans Bitten des Landgrafen. Hier
wurde beschlossen, dem Kaiser Vorstellung zu
machen wegen des auf dem letzten Reichstage
gegen die Evangelischen aufgebotenen Reichs
beschlusses. Sollten die Kammergerichts-Prozesse
in Religionssachen fortschreiten, dann wolle man
sich gegenseitige Hilfe leisten. Abgeordnete wurden
an den Kaiser gesandt, um demselben Vorstellung
zu machen gegen die Aufbietung des Reichsfiskals.
Karl V. entließ die Abgeordneten ohne Antwort,
begab sich nach Brabant und warb dort Truppen,
von denen man nicht wußte, ob sie gegen die
Evangelischen bestimmt waren.
(Fortsetzung folgt.»
Geschichte der Familie HiUe.
Von Dr. med. Fried r. Hille.
(Schluß.)
36. Auguste Karoline Wilhelmine
Emilie Hille, geb. den 1. April 1815 zu
Marburg. Pathen waren Frau Advokat Sippel,
die Ehegattin des Amtmanns Hille des Jüngern
Jungfrau Strack und Frau Referendar Ober-
gethmann. Vermählte sich 1845 mit dem Rentner