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Die Herren fürchteten trotz des Passes, daß meiner
Weiterreise Schwierigkeiten in den Weg gelegt
werden könnten, und von Eschwege schlug mir
vor, unter der Maske einer Augenkranken angeblich
nach Berlin zu reisen, was ich den andern Morgen,
nachdem ich wenige Stunden bei Elisabeth*),
die ich sehr krank fand, geruht hatte, glücklich
durchführte. Mit Hofrath vr. Schotten**)
hatte ich Verabredung genommen, daß er mich
den 27. Morgens in seinem Wagen abholen und
zur Eisenbahn geleiten sollte; um 6 Uhr sollte
der Zug nach Berlin abgehen, und ich erwartete
Hofrath Schotten im Tuch und Kapothut mit
dichtem blauen Schleier von Fräulein Weever ***),
welchem Kostüm er noch eine blaae Brille zufügte.
Meine Kammerfrau war allein mit einem kleinen
Koffer zur Bahn gegangen, ebenso der Laquai
mit dem Reisesack, jedes selbstständig für sich.
Ayi Bahnhof angekommen, erfuhr ich zu meinem
Schrecken, daß cs noch unsicher sei, ob der Zug
abgehen würde, und ich blieb deshalb, in die
Ecke meines Wagens gedrückt, sitzen, bis sich
die Sache günstig entschieden hatte. Hofrath
Schotten löste mein Billet, und an seinem
Arm durchschritt ich den Wartesaal. Er erkannte
in einem der Waggons die Familie Thüngenff)
und den Grafen Paarfifi), und nachdem er mich
ihnen genannt hatte, fand ich einen Platz bei
ihnen. Sie waren auf der Reise nach Frankfurt
begriffen, und so konnte ich durch sie Nachrichten
an die Meinigen gelangen lassen. Bis kurz vor
Holzminden blieben wir zusammen, dann setzte
ich meinen Weg allein fort, und nach verschiedenen
Aufenthalten kam ich um 3 /+10 Uhr in Berlin
an. Mit einen: Briefe des Grafen Bondy fuhr
ich direkt vor das Hotel des französischen Gesandten
Mr. Benedetti und bat ihn, mir mit Rath
schlägen behilflich zu sein, wie ich mich nach meiner
Ankunft in Stettin zu verhalten habe, um zu
Papa zu gelangen, denn ich hatte keine Vorstellung,
in welcher Weise seine Gefangenschaft gehalten
würde. —
Mr. Benedetti erbot sich zu Bismarck zu
fahren und versprach mir, noch denselben Abend
Nachricht in das Gasthaus zu bringen, in dem
ich absteigen würde. Ich nannte Hotel du Nord,
und nach einer halben Stunde erschien dort der
Gesandte mit verzweifelnden Nachrichten. Graf
Bismarck hatte erklärt, daß er mich unter keiner
Bedingung zu Papa lassen würde, denn der
*) Prinzessin Wilhelm von Hanau.
**) Hofmedikus.
***) Gesellschaftsdame der Prinzessin Elisabeth,
f) Bayerischer Gesandter in Kassel,
ff) Oestereichischer Gesandter.
antipreußische Einfluß, den ich auf ihn ausübe,
sei so bekannt, — daß er von meiner Ankunft
benachrichtigt sei und Befehl gegeben habe, mich
in Stettin zu arretiren. Mr. Benedetti rieth,
daß ich meine Absicht aufgeben möchte, denn der
Willen Bismarck's sei eisern, aber hierzu wollte
ich mich nicht verstehen, sondern Alles daran setzen,
um mein Ziel zu erreichen. Als es am nächsten
Morgen, den 28., endlich 9 Uhr war, schrieb ich
an die Gräfin Oriola, setzte ihr mit kurzen
Worten den Grund meiner Anwesenheit auseinander
und bat sie, mich um 11 Uhr zu empfangen, um
ihr das Nähere mitzutheilen. Anstatt dessen kain
sie selbst um diese Stunde zu mir, hatte aber
keinen Trost für mich, indem sie versicherte, die
Königin, um deren Vermittlung ich bat, bliebe
allem Politischen fern. So beschloß ich denn, an
den König zu schreiben, und bat die Gräfin, den
Grafen Perponcher zu bitten, mich aufzusuchen.
Nach kurzer Zeit kamen Beide zusammen, und zu
meiner Freude und meiner Verwunderung zeigte
Perponcher mir mein Telegramm an den König,
unter das er mit eigener Hand folgende Worte
geschrieben hatte:
„Da der Kurfürst sich, durch die politischen
Verhältnisse veranlaßt, seit gestern in Stettin
in meinen Staaten residirt, so steht nichts
entgegen, daß die Frau Fürstin sich dorthin
begibt, was ich sogar sehr gern sehe, damit
Ihrem Herrn Vater jede Annehmlichkeit wider
fahre. Wilhelm Rex."
Ich theilte Perponcher den Ausspruch Bis-
marck's mit, den er nicht glauben wollte,
aber ich bat ihn dennoch, sich nach der Sachlage
vor meiner Abreise zu erkundigen. Der nächste
Zug ging um s lil Uhr, ich hoffte denselben
benutzen z» können, aber eine halbe Stunde vorher
fuhr Perponcher wieder vor und ließ mir
sagen, ich möchte meine Abreise bis Abends
7 Uhr verschieben. Endlich nach Stunden, die
nicht enden wollten, erschien er und hatte meinen
französischen Paß von dem Oberhofmarschall
Grafen Pückler visiren lassen. Es stand ans dem
Paß, daß ich die Erlaubniß habe, mich für einige
Tage nach Stettin zu begeben.*) Perponcher,
*) Der Paß hat folgenden Wortlaut: „Au nom de
S. M. Napoleon III empereur des français. Nous,
Ministre plénipotentiaire de France près S. A. R.
l’électeur de Hesse prions les autorités civiles et
militaires chargées de maintenir l’ordre public dans
l’intérieur de l’empire et dans les pays amis ou
alliés de la France de laisser librement passer et
circuler Son Altesse la Princesse Ysenburg-Wächters
bach allant à Stettin. Cassel, le 26 Juin 1866. Le
Ministe de France. Comte de Bondy.“ Der Zusatz