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Da er Holz gefällt im Walde; Erde hat sein
Blut getrunken —,
Ob der dichte Kirchhofsrasen seines Dörfchens
deckt mit Frieden
Einen treuen Mann der Arbeit, namenlos dahin
geschieden,
Ob Du mit der Mutter wanderst, die ihr Kind,
in Schmerz geboren,
Meilenweit zum Arzte hinträgt, daß er sagt:
„Es ist verloren!" —,
Ob das Stundenglas in Händen Du am Bette
weilst des Kranken,
Der die Seinen läßt im Elend und sich martert
in Gedanken,
Oder ob mit leichten Schritten froh Du wanderst
durch die Auen,
Weil Dir wohl wird in der Freiheit, nnter'm
Himmelsdom, dem blauen,
Weil für Dich die wilden Blumen drohen wachsen
auf der Halde,
Weil für Dich die wilden Wasser rauschend
singen tief im Walde,
Weil für Dich den sel'gen Glauben, abgetrag'nes
Kleid der Reichen,
Gottes Liebe aufbehalten, als sein bestes Gnaden
zeichen.
In den Kirchen, wo die Mutter lächelt mit dem
süßen Kinde,
Lächeln heut' noch Deine Greise, wohnt Dein
großes Zugesinde,
Das Dich liebt und ehrt im Geiste. Um das
Kreuz des ewig Einen
Drängen sie sich noch in Schnüren, um zu beten
und zu weinen.
Was der Welt ein Traum geworden, ist Dir
noch die sel'ge Wahrheit,
Was wir nur durch Nebel sehen, liegt für Dich
in sonn'ger Klarheit.
M. Kervert.
Märchen.
Es war die stumme Sommernacht
So mondenhell und lau,
Jni Schilfe sang ihr schönstes Lied
Die schönste Wasserfrau.
Fortuna stand arn Uferrand
Und lauschte — wie im Traum;
Der kühle Thau benetzte sanft
Des Duftgewandes Saum.
Es sang die junge Wasserfrau
So wundersam und weich —,
Die Göttin schaute weltentrückt
Wohl in den grünen Teich.
Da schmolz ihr Herz, da schmolz ihr Sinn,
Sic weinte tiefgerührt:
„Auf welche Bahnen hast Du mich,
O Zauberhild, geführt!
Viel' armen Wesen hab' ich heut'
Den höchsten Wunsch versagt:
Ich weiß, daß manches schlaflos liegt
Und heimlich um mich klagt." —
Sie hob ihr goldnes Flügelpaar,
Das schimmernde, ganz sacht. — — —
Am Morgen hat sie reiches Glück
Den Sehnenden gebracht.
Sascha tz-sfa.
Wärest An die blnne Fulde!
Wärest Du die blaue Fnlde
Und der Werrastrom wär' ich,
Strömt' ich zu Dir, meine Hulde,
Und nühm' in die Arme Dich.
Brust zu Brüsten dann jetzunder
Und im Vollgenuß des Seins
Schwämmen wir zum Meer hinunter,
Als die Weser — eins in eins.
Ludwig Mokr.
Aus alter und neuer Iert.
Heute Landgraf oder keiner mehr. Es
war am 23. Juli 1427, da war der vierundzwanzig-
jährige Ludwig I. Landgraf des Hessenlandcs.
Damals hatte der Erzbischof Konrad, ein Wild
graf bei Rhein, den erzbischöflichen Stuhl in Mainz
inne. Konrad hatte zu Fritzlar bedeutenden Land
besitz und suchte auf Kosten des Landgrafen diesen
noch mehr auszudehnen. Dieser aber dachte nicht
daran, sich seine Rechte im Geringsten schmälern zu
lassen, sondern bot alle waffenfähigen hessischen Männer
aus, um die unbilligen Forderungen des streitbaren
Erzbischofs mit Waffengewalt zurückzuweisen. Ob
wohl nun die Mainzischen den Hessen au Zahl
weit überlegen waren, so vertraute der Landgraf
doch auf die Tapferkeit und Treue seiner Hessen
und sprach, im festen Vertrauen aus sein gutes