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opferten, während die Herrn Verehrer sich ver
geblich nach einer solchen Gunst sehnten."
In Konstanzens Wangen, die heute blässer
waren als sonst, schoß dunkles Roth. „Aber ich
bitte Sie, Excellenz, der Vortheil ist ja ganz
auf meiner Seite!" sagte sie mit anmuthiger
Bescheidenheit, derweil die Generalin staunend
die eben entworfene Skizze betrachtete.
„Wundervoll! — Poetisch aufgefaßt und
natürlich wiedergegeben!" rief diese jetzt, derartig
von der Zeichnung gefesselt, daß sie gar nicht
daran dachte, Konstanzens höfliche Bemerkung
zurückzuweisen. „Wie Sie den duftigen Zauber
zu bannen wissen, der gegen Abend über eine
solche Landschaft gebreitet ist! Wie fein und
doch wie sicher die Luftlinien gezogen sind! Aus
dieser Skizze werden Sie sicher ein ebenso schönes
Bild schaffen, wie es jene italienische Landschaft
war, die auf der letzten Münchener Ausstellung
so großes Aufsehen erregte!"
„O, wenn ich Muße habe, hoffe ich bald etwas
Besseres zu leisten als jenes Bild, dem man
wirklich zu viel Ehre erwies."
„Nun, darüber wollen wir nicht streiten, liebes
Fräulein! Aber bleiben Sie nur bei Ihrem
Vorsätze! Wer sich nicht genug thut, ist auf
dem besten Wege, Großes zu erreichen. An
Muße wird es Ihnen hoffentlich nicht fehlen."
„Wer weiß, Excellenz?" gab Konstanze ernst
zurück und bedeckte einen Augenblick ihr feines
Gesicht mit der Rechten.
„Was geht nur in Ihnen vor, mein liebes
Fräulein?" fragte die Generalin betroffen. „Seit
etwa einer Woche sind Sie nicht mehr die Alte,
verloren Sie alle Heiterkeit und lassen sich von
elegischen Stimmungen beherrschen! Sie haben
vielleicht selbst keine Ahnung davon, welche Ver
änderung mit Ihnen vorgegangen ist."
„Allerdings nicht, Excellenz", versetzte Konstanze
verwirrt und wich den forschenden Blicken der
alten Dame aus.
„Dann ist es ja vielleicht gut, wenn ich Sie
darauf aufmerksam mache. Ein heiteres Wesen
steht Ihnen so schön, daß man es nur ungern
an Ihnen vermißt. Ach, und Sie haben doch
alle Ursache, froh und glücklich zu sein! Sie
leben in gesicherten Verhältnissen, sind eine ge
achtete Künstlerin —, ein gefeiertes junges
Mädchen! —"
„Excellenz wissen doch, daß ich im Frühjahr
dreißig werde", schaltete Konstanze anmuthig
lächelnd ein.
„Was will das heißen?" fuhr die Generalin
lebhaft fort. „Eine Dame von dreißig Jahren
und von Ihrer Bedeutung besitzt ganz andere
Vorzüge als ein junges unentwickeltes Wesen."
Gerne hätte die wohlmeinende Frau noch hinzu
gefügt, daß es ja in ihrer Macht stünde, das
ältere Mädchen baldigst in eine junge Frau
umzuwandeln. Allein sie hielt es für taktlos,
nochmals für Baron Firnstetten ein gutes Wort
einzulegen, weil die Künstlerin sich in diesem
Fall das letzte Mal vollständig unzugänglich zeigte.
Konstanze unterdrückte einen Seufzer, der ihrem
gepreßten Herzen entfliehen wollte, und sagte
heiter: „Excellenz mögen — ganz abgesehen von
mir — gewiß Recht haben. Jedoch meiner Ansicht
nach giebt es nun einmal nichts Schöneres als
die frische, unentweihte Jugend, die nicht lange
nach Vorzügen gefragt und um ihrer selbst
willen geliebt wird."
Kaum hatte Konstanze diese Aeußerung gethan,
da kam ein junges Mädchen in lichter Kleidung
eilig die Landstraße herab. Ein runder Sommer
hut mit einem Feldblumenkranz bedeckte ein wenig
das reizende madonnenhafte Antlitz, in dessen
Zügen der Ausdruck glückseliger Erwartung lag.
So sehr war das junge Mädchen in sich ver
sunken, daß es die beiden Damen im Garten gar
nicht bemerkte und fröhlich vor sich hinlachte, als
es mit heimlicher Wonne an die Freuden der
nächsten Stunden dachte. «Fortsetzung folgt.!
Todtsgruß.
Es überkommt im gold'nen Juli oft
Ein Herbstgefühl den Menschen, seine Seele,
Weiß, daß der glühend heiße Sonnenstrahl
Den Kuß der Reife auf die Frucht gedrückt,
Und bald ist eines Jahres That geschehn.
Nur eine Ahnung ist's von dem Vergehn,
Ein schauernd Zittern auf des Herzens Grund,
Ein Händefalten und ein Niederschauen,
Als ob Dein Fuß bewußtlos, ungefähr
Getreten hätt' aus ein verrastes Grab.
Es ist ein Lauschen auf den Schritt der Zeit,
Der unser Ohr mit eh'rnem Schalle mahnt.
M. Leröerl.