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trinkeil, Herr Rose?" — „Ich danke, meine Herrn.
Guten Abend." — „Gute Nacht, Herr Rose, an
genehme Ruh!" Und nun wurde ich verschiedene
Mal durch deu Universitätssyndikus K. unter
Vorsitz des Prorektors einem peinlichen Verhör
unterworfen und mir meine Missethat eindringlich
vorgehalten. Ich stellte aber alle Schuld an B.'s
Verwundung in Abrede, obwohl mir das Ver
gebliche meines Verhaltens bei ben direkt gegen
mich aussagendell und mich als Missethäter be
zeichnenden vielen Zeugen vorgehalten wurde.
Diese würden mir ihre Aussagen schon iu's Gesicht
sagen, lind dadurch würde ich zu spät erkennen,
wie ich durch mein Jnabredestellen meine Sache
nur verschlechtere, nnb eine härtere Strafe erhalten.
Aber was geschah bei der Konfrontation, die tu
einem besonders angesetzten Ternlin vorgegangen
war? Sämmtliche Zeugen, auch der mit ver
bundenem Kopf erschieneiw Verletzte, erklärten,
nachdem sic mich von alleil Seiten betrachtet
hatten: das sei der Student nicht, welcher den
B. vor dem Barfüßer-Thor an jenem Sonntag
Abend verwundet habe. Besonders die mit er
schienenen weiblichen Zeugen und damaligen
Begleiterinnen der Angreifer zeigten sich sehr
entschieden bei ihren Aussagen.
Mit kaum zu unterdrückendem Lächeln nahm
der Prorektor, mit offenbarem Erstaunen und
Mißfallen der Syndikus diese Erklärungen eiltgcgeu.
Nach einigen Tagcil wurde mir das Urtheil ver
kündet : „Wegen des Verbrechens der Körper
verletzung von der Instanz entbunden!"
Diesen Erfolg hatte ich den Bemühungen und
Ueberredllugen meiner Freunde nnb Landsleute
(ben Studiosen Karl Merz [vulgo BoromaeusP
Philipp Schultheis [vulgo Laster, der damals
bekannteste Student auf den deutschen Universitäten^
und Joseph von Boxberger [vulgo Papchenj) zil
verdanken. Hatten doch diese alle Mittel und Wege
benutzt, um die (nicht beeidigten) Zeugen und den
Verletzten zu bestimmen, bei der Gegenüberstellung
lliit mir zu erklären: sie kennten mich nicht und
könnten mich als Urheber der Verletzung des B.
nicht erkennen. Freilich war diesen ihre Aussage
wesentlich dadurch erleichtert, daß ich bei der
Gegenüberstellung mit geschorenem Haar, abrasirtem
Bart und ohne Brille erschienen war. An B.
zahlte ich ein ansehnliches Schmerzensgeld und die
Kurtosten, den Zeugeil durch meine Freunde an-
gemesseue Versäumniß- Gebühren, wie es allen
versprochen war. B. bedankte sich anch noch
persönlich bei mir auf meinem Zimmer für die
Zahlung. Am andern Tag bemerkte ich aber,
daß mir von den an der Wand ausgehängten
Pfeifen der Kopf mit dem von Blumenstein'schen
Familienwappen, auf welchem auf der Rückseite
die Worte: „A. von Blumenstein sm. I. Schwank
z. fr. Er. Marburg 1841" standen, fehlte. —
Diese Wahrnehmung theilte ich dem Polizei
wachtmeister Schmidt, dem sogenannten Eisenschmidt,
mit und brachte das Verschwinden des Pfeisenkopfs
mit B.'s Anwesenheit in Verbindung. Der Wacht
meister Schmidt entdeckte denn auch meinen
Pfeifeukvpf in B.'s Besitz, als dieser bei Bäcker
Runkel am Markt mit seineil Kumpaneil —
einer sogenannten „Verbindung" — beim Bier
saß und aus einer Pfeife rauchte, an der mein
Pfeifenkopf steckte. Seine Behauptung, der Kopf
gehöre ihm, nützte ihm nichts und hinderte dessen
Wegnahine durch deu Wachtmeister nicht, denn
ailf der Rückseite war zwar der Nanle „von
Blumenstein" weggekratzt, aber die Worte „seinem
Schwank" waren noch deutlich zu lesen. Der
Pfeifenkopf wurde mir wieder zugestellt, und damit
war die Sache erledigt. Er befindet sich aber
jetzt sammt meinen 48 anderen Pfeifen im Besitz
der Hasso-Nassovia auf deren Kneipe in Marburg.
B. wollte sich durch Wegnahme des Wappenkopfs
vielleicht wegen seiner Verletzung entschädigen,
sonnte übrigens froh sein, daß ich ihn nicht zur
förmlichen Anzeige brachte.
Die vorerwähnte Sentenz „von der Instanz ent=
bunden wegen des Verbrechens der Körperverletzung"
wurde in meinAbgangszeugniß eingetragen und wäre
mir bei meinem späteren Fortkommen beinahe ver-
hüngnißvoll geworden. Denn als ich nach abgeleg-
tein Staatsexamen, das ich mit dem Kandidaten
Heinrich Heise zusammen bestanden hatte, mit
diesem beim Staatsrath Bickell, dem Vorstand des
Justizministeriums, zum Eintritt in den Staats
dienst meldete, erwiderte mir dieser ziemlich ernst,
die Zulassung könne wohl nicht so ohne Weiteres
gewährt werden, sei ich doch wegen eines Ver
brechens in Untersuchung gewesen. Erst nachdem
ich dem Staatsrath den wirklichen Sachverhalt
auseinandergesetzt und Kandidat Heise dies als
wahr bezeugt hatte, wurde Herr Bickell beruhigt
und sagte, offenbar befriedigt, dann stände meiner
Zulassung nichts im Weg; hätte ich doch als
Student keinerlei Strafen erlitten und liege auch
sonst nichts Nachtheiliges gegen mich vor. Zu
Kandidat Heise sagte aber der Staatsrath, bei ihm
lügen die Verhältnisse anders als bei mir: denn
ihm könne er die Zulassung nicht ertheilen. —
Heise hatte nämlich in seiner Rede am Grabe
des Professor Endemann gesagt: „Endemann
werde im Andenken der Nachwelt fortleben, und
dieses sei ja die einzige und wahre Unsterblichkeit."
Dies griff der Staatsrath auf, um dem H. Heise
die vorstehende Eröffnung wegen seiner ungläubigen