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auf die große Straße und bei Tagesanbruch auf
die Höhe von Krasnoi, konnte aber erst Abends
gegen 7 Uhr durch den vor dieser Stadt liegenden
Einschnitt hindurchkommen, in Krasnoi selbst
kam er erst Abends 9 Uhr an. General Allix
erstattete über das Ereigniß, noch zwei Kanonen
zu besitzen, sofort Meldung an beu zu Krasnoi
anwesenden Kaiser und befahl, daß der Kom
mandeur, Oberst von Pfuhl, und sämmtliche
Offiziere sich an Briede's Geschütze anzuschließen
hätten, wodurch Briede, besonders auch durch die
Thätigkeit des Premierlieutenants Schmidlin
von der Handwerker-Kompagnie, eine lebhafte
Unterstützung erhielt. Am 17. kam man nach Ljadu,
am 20. wurde bei Orscha der Dnieper über
schritten^ Zwei Stunden, bevor man den letzt
genannten Ort erreichte, kam auch für Briede die
Zeit, „wo ich", wie er selbst erzählt, „die letzten
westfälischen Geschütze stehen lassen sollte; alle
Versuche, dieselben den glatten, steilen Berg vor
Orscha hinaufzubringen, gelangen nicht, wonach
mir Allix durch ein Zeichen mit der Hand das
Unvermeidliche andeutete. — Beinahe möchte ich
glauben, daß, wären ipir bei Krasnoi die
Munitionswagen nicht genommen und hätte ich
solche nach meinem Dafürhalten stehen lassen
können, wodurch ich die besten Pferde zur Mit-
bespannnng der Geschütze zu verwenden gehabt
hätte, ich diese gleich meinen Wagen bis zur
Beresina gebracht haben würde."
Am 22. kam die einstmalige große Armee
nach Bvbr, es waren aber nur noch 8000 Mann
Garde unter dem Gewehr, aus den Westfalen
war ein Bataillon zu etwa 300 Mann unter
dem Befehl des Majors Rauschenblatt ge
bildet worden. Sv kam man an die Beresina
bei Studianka, welche am 27., 28. und 29. No
vember überschritten wurde; Briede überschritt
sie am 28. Nachmittags, halb bewußtlos vor
Krankheit, auf einem großen Pferde, das alles
ihm im Weg Stehende niedertrat. Am 29. bei
Tagesanbruch brannte die Brücke ab. Nun
wurde aus dem Bataillon Westfalen eine Kom
pagnie unter dem Befehl des Kapitäns von
Altenbockum gebildet. Von der Beresina
bis nach Wilna brauchten die Flüchtlinge eine
Zeit von vierzehn Tagen. Auf dem Weg dahin
verließ Napoleon am 5. Dezember das Heer
und übergab dem König von Neapel den Ober
befehl. Während dieser vierzehn Tage erduldete
man die größte Kälte, welche am 7. und 8.
Dezember — 26 bis — 27 0 R. betrug. In Wilna
stieß das nachgesandte 4. Linien-Jnfanterie-Regiment
zu den Trümmern der westfälischen Truppen,
um bald derselben Auflösung wie diese zu ver
fallen. Briede kam am 9. Dezember Nachts zu
Wilna an, am 10. griffen die Russen die Stadt
an und nahmen dort 30000 Mann gefangen.
Am 12. kam „die große Armee" nach Kownv,
am 13. überschritt sie den Niemen. Von hier
aus führten zwei Wege westlich, rechts nach
Tilsit, links nach Gumbinnen; Briede schloß sich
dem Zug über Gumbinnen an, inarschirte über
Elbing, Marienwerder und Marienburg und kam
am 4. Januar 1813 zu Thorn an. Von dort
ging der Marsch am 8. nach Posen und von da
weiter nach Kassel. Der Rest des 4. Regiments,
einige noch gesunde Offiziere und Soldaten, sowie
1500 Mann unter Oberst von Groeben
bildeten vier Bataillone und marschirten unter
General von F ü l l g r a f f nach Küstrin.
Briede's Gesundheit hatte furchtbar gelitten, ein
schweres Nervenfieber warf ihn auf das Kranken
lager, und sein Magen hat sich von den russischen
Hungerleiden nie wieder erholt.
Sein Verhalten im russischen Feldzug ver
schaffte ihm aber, nachdem er bereits im März 1813
nach Sachsen ausgerückt war, am 1. April 1813
durch einstimmige Wahl des Offizierkorps seines
Regiments den Orden der westfälischen Krone
und gleichzeitig die Ernennung zum Kapitän.
Auch wurde ihm sein heißer Wunsch, endlich von
den Kanonen zur eigentlichen Infanterie zu ge
langen, wenn auch nur nach sehr heftigem
Widerstreben von Allix, erfüllt. Es wurde ihm
sogar die Auszeichnung zu Theil, daß ihm, dein
noch nicht einundzwanzigjährigen Jüngling, eine
Elitekompagnie, die Voltigeur-Kompagnie des ersten
Bataillons seines Regiments, übertragen wurde.
An deren Spitze machte er den Feldzug in
Sachsen mit, gehörte Anfangs zur Garnison von
Torgau und später zu der Besatzung von Dresden
unter Gouvion St. Chr, ohne jedoch dabei
Gelegenheit zu irgend welcher Auszeichnung zu
finden. Seine Kompagnie bestand atu 10. Sep
tember aus 2 Offizieren, 14 Unteroffizieren,
2 Hornisten und 97 Voltigeurs, zusammen
113 Mann.
Als dann Dresden am 15. November über
geben war, kehrte Briede nach Hessen zurück, ein
befreundeter Offizier, ein geborener Preuße, be
mühte sich, ihn für den preußischen Dienst zu
gewinnen, und hatte ihm durch seinen Vater,
einen General, bereits die Aussicht ans eine
Kapitünsstelle verschafft. Briede wollte aber
lieber in Hessen dienen. Als aber Kurfürst
W i l h e l m I. ihn nur als Lieutenant anstellen
wollte, benutzte er die preußischen Aussichten,
uni sich als Kapitän in königlich preußischen
Diensten zn melden. Das war dem Kurfürsten