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Dienstwohnung des Strommeisters die Menge
und besonders die Beschaffenheit der Fnndstttcke
hinweist, so sprechen die Militärziegel dafür, daß
wir eine Militärstation zum Schutze der doch
wohl in erster Linie militärischen Zwecken dienenden
Brücke anzunehmen haben. Dieselbe deckte zu-
gleich den Uebergang der rechtsmainischen Ufer
straße über den dem heutigen Mainkanal ent
sprechenden Kinzigarm, mag derselbe nun in
einer Jochbrücke oder in einer Furt bestanden
haben. Daß die Insassen der Station sich mit
dem iu und neben den Grenzkastellen üblichen
bescheidenen Komfort eingerichtet hatten, wird
durch die zahlreichen Reste von Gebrauchsgegen-
ständen, besonders Küchengerätheil, sowie durch
die Dachziegel bewiesen. Auf Große und Form
der Anlage gestatten eben diese Reste keinen
Schluß.
Zu unterscheiden von der Hinterlassenschaft der
Station ist diejenige der Brücke. Dazu gehören,
abgesehen von - den konstruktiven Theilen, wie
Pfähle mit Eisenschuhen, Schwellen und Zapfen re.,
besonders die meisten Beile und Münzen. Es
drängt sich die Frage ans, wie es zu erklären
ist, daß auf einem Hemm Raume am Ende der
Brücke so zahlreiche Münzen aus verhältnißmäßig
kurzer Zeit im Strombette versuilken sind. Die
oben beschriebene Art der Abnutzung gerade der
neben den Pfeilerresten ausgebaggerten Exemplare
könnte zu betn Schlüsse veranlassen, daß sie zu
einer Kasse gehörten, die in Antvninus' Zeit
hier auf irgend eine Weise in's Wasser kam.
Aber der Umstand, daß die Münzen, wenn auch
auf beschränktem Raume, so doch an verschiedenen
Stellen neben dem Pfeiler und an dem alten
Ilser zerstreut ausgebaggert wurden, legt die
Vermuthung nahe, daß wir es hier mit einem
dem Quellenkultus analogen Gebrauche zu thun
haben, nach dem beim Uebergang über den Strom
dem Flußgotte ein Münzopser dargebracht wurde.
Man braucht nicht an Xerxes' Trankopfer für
den Meergott beim Uebergang über die Hellespont-
brücke, ebensowenig an den Obolus, der von den
Schatten dem Charon für die Ucberfahrt über den
Fluß der Unterwelt entrichtet wurde, zu denken,
um einen solchen Brauch wahrscheinlich zu finden,
zumal wenn es sich um militärische Expeditionen
an der Reichsgrenze oder Handelsreisen über
dieselbe hinaus handelte, bei welchen, sei es beim
Auszug oder bei der Rückkehr, die Ueberschreitung
des Stromes einen besonders merkbaren Moment
bildete.
Mag sich dies nun verhalten wie es will, unter
allen Umständen ist der Hanauer Münzfund einer
der interessantesten, die in den letzten Jahren
auf dem ehemals römischen Gebiete unseres Vater
landes gemacht worden sind. Durch den, wenn
auch indirekten, Nachweis einer römischen Nieder
lassung auf dem Boden der Stadt Hanau selbst
aber eröffnet sich dem Hanauer Bezirksverein
gerade in diesen Tagen, in welchen er auf eine
halbhundertjührige Thätigkeit, die in der zweiten
Hälfte dieser Zeit mit dein größten Erfolge der
Erforschung der römischen Vorgeschichte unseres
Heimathlandes gewidmet war, zurückblicken darf,
eine hoffnungsvolle Aussicht, diese Forschungen,
die sich seither mehr an der Peripherie des Stadt
gebiets und jenseits derselben bewegten, durch
Ausdehnung ans das erstere zu einem alle seitherigen
Erwartungen übertreffenden Abschluß zu bringen.
Anhaltspunkte für die Richtung und die Ziele
dieser Nachforschungen, welche ehedem so gut wie
ganz fehlten, sind nun in genügender Weise ge
geben. Es ist bereits an anderer Stelle darauf
hingewiesen worden, daß die früher als grundlos
betrachtete Ueberlieferung, daß an der Stelle des
alten Grasenschlosses, also des ältesten Theils der
Altstadt Hanau, ein römisches Kastell gestanden
habe, wenn auch in anderer Form, eine gewisse
Bedeutung erhält, seitdem es durch Auffindung
der römischen Brücke wahrscheinlich geworden ist,
daß die vom Rückinger Kastell nach Südwesten
führende Straße das Stadtgebiet von Hanau
geradlinig durchzog. Dann würde auch die
Existenz der im Jahre 1880 neben der Junghenn'-
schen Militäreffektenfabrik gefundenen römischen
Wasserleitung und ihre Richtung auf das Alt
städter Schloß*) erklärlicher sein, als es bei
dem seitherigen Stande der Forschung der
Fall war. Voraussetzung wäre, daß die jetzige
krumme Kinzig damals gar nicht oder nur als
Nebenarm bestand. Das ist aber auch aus
anderen Gründen wahrscheinlich. Gegenüber
unserer römischen Brückenstation, auf der anderen
Seite des Mainkanals, beginnt das Kinzdorfer
Feld, auf welchem das bereits vor der Gründung
Hanaus bestehende Kinzdorf lag, dessen Kirche
und Friedhof noch in historischer Zeit von den
Bewohnern Althanaus mit benutzt wurden. Es
ist durch die aufblühende Stadt absorbirt worden,
die sich erst in neuerer Zeit wieder bis in sein
Gebiet erweitert hat. Dabei ist in der Nähe
der Akademie ein prähistorisches Grab gefunden
worden**), welches beweist, daß das Kinzdorfer
*) Vergl. Mittheilungen des Hanauer Bezirksvereins,
1880, Nr. 6, S. 198 ff.
**) „Bei der Anlage eines Kanals aus der Bebraer
Bahnhofsstraße nach dem Stadtgraben". Bergl. Suchier
in den Mittheilungen des Hanauer Bezirksvereins, 1880,
Nr. 6, S. 214.