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sah so würdig, beinahe gelehrt aus; daß Georg
das gar nicht begreifen wollte! Dann liebäugelte
sie aber doch, — es war heute Sonntag und so
schönes Wetter —, mit dem Cremekleid —, es
hatte so kleidsame himmelblaue Sammtaufschläge.
Sollte sie es nicht heute doch anziehen, an
dem Ehrentage, an welchen sie ihreni Manne
triumphirend ihr erstes opu8 überreichen sollte?
Er war so gescheit, so furchtbar gescheit, ihr
guter Mann; mit dieser Arbeit würde sie sich
ebenbürtig machen, — er würde dann nicht mehr
auf sie herabsehn — so gnädig —, beinahe mit
leidig —, nein, das konnte sie nicht ertragen...
Ja, wenn Georg wäre wie Mister Bride, der
ihrer Freundin Ellen Vorzüge so zu schätzen
wußte, ihr Klavierspiel bewunderte, ihre drolligen,
naiven Einfälle entzückend fand —, ja, sie sogar
über sich selbst stellte. Mein Gott, wir Frauen
sind nun einmal anders, dachte sie, aus ihrer
Rolle fallend, man hat uns nicht so logisch denken
gelehrt, keine solchen Anforderungen an unser
Urtheil gestellt, aber dafür sind wir wieder rasch
inl Auffassen, frisch im Aneignen, originell im
Fühlen, das —
„Ach was, ich ziehe heute einmal mein Helles
Kleid an —, nur heute —, Georg wird sich dann
doppelt über meine Kritik freuen —, und das
ist die Hauptsache. Es ist doch wundervoll, zu
den Frauen gezählt zu werden, die etwas leisten,
— ehrlich gestanden habe ich Fräulein Kunze
immer darum beneidet; sie schreibt wie ein Mann
und urtheilt wie ein Mann —, Georg braucht
dann nicht mehr so überlegen zu lächeln."
(Fortsetzung folgt.)
Ver UliiversM Halle ein Ikstgrulj ans Hessen.
Vom strahlenden, vom lichtumfloss'nen Balle
Der Sonne, die jetzt hohe Kreise zieht,
Strömt Segen auf die Erdbewohner alle,
Die sie auf Feld und Wiese schaffen sieht.
Doch deine Stirn, du festgeschmücktes Halle,
Ziert grün ein Reis, dir tönt ein Jubellied
Von Allen, die zum Saalestrand jetzt wallen
Und zieheil ein in deine hohen Hallen.
Wir altern rasch, es bleichen uns die Haare,
Weim fünfzigmal uns naht des Jahres Lauf,
Doch dli im Kranze der zweihundert Jahre
Blühst wie der Lenz, noch brechen Knospen auf,
Dein Flügelschwung ist gleich dem Königsaare,
Der aufwärts steigt ob allem niedern Haus,
Der schärfste Blick ist seinem Aug' gegeben
Zu dein Entferntesten im Erdenleben.
Von, Halle, dir hab' ich den Spruch gelesen:
Es kommt aus dir nie einer ohne Weib.
Ist Wahrheit nicht das alte Wort gewesen?
Denn nicht gemeint ist eitler Zeitvertreib.
Der Jüngling hat als Braut in dir erlesen
Sich eine Jungfrau, rein an Geist und Leib.
Deiin dort ist eigen ihm die Muse worden,
Die ihn geleitet von der Saale Borden.
Schnell schwinden Jahre, fliehen Perioden,
Und Menschenwerke seh'n wir untergeh'n,
Es können aufgedrung'ue neue Moden
Vor raschem Wechsel kurze Zeit nur steh'n.
Die Muse spricht: Was wird von mir geboten
Dein Geiste, wirst du nie verschwinden seh'n.
Was eine Gottheit Göttliches geschaffen,
Kann nie die Zeit in ihrem Sturm entraffen.
Das ew'ge Gut, das Erde nicht kann geben,
Ist ein Geschenk der reichen Wissenschaft,
Und das ist Freude, das ist wahres Leben,
Wenn wächst beflügelt uns'res Geistes Kraft.
Es sieht der Geist die Engel niederschweben,
Zu retten uns aus trostlos enger Hast.
Und solche Freiheit gibst auch du, v Halle,
Die sie gekostet, bringen Dank dir alle!
Der deutsche Laut klang nirgends vom Katheder,
Die Sprache Romas hat auf ihm gethront,
Sie war Gebieterin für Wort lind Feder,
Hat als die Herrin in dem Haus gewohnt.
Ihr huldigte von den Genossen Jeder,
Ob solcher Dienst auch wahrlich schlecht gelohnt.
Da warst du's, Halle, das den Bann gebrochen,
Hier siel das Wort: „Es werde deutsch
gesprochen!"
Wie Vielen, Halle, wardst du alma mater,
Die süße Milch und erste Nahrung bot.
So sorgt für Kinder nur ein treuer Vater,
Der Leib und Seele fernhält schlimme Noth.
Den Suchenden warst allzeit du Berather,
Du zeigtest ihnen fern das Morgenroth;
Das leuchtete aus seiner öden Wüste
Hin in das Land, da uns ein Engel grüßte.
Kein Wunder ist's, wenn wie zu guten Ahnen
Der Enkel pilgert heut' zum Jubelfest.
Sie eilen hin zu dir auf raschen Bahnen,
Du siehst sie kommen so von Ost wie West.
Sie sehen weh'n der Burschen stolze Fahnen
llnd grünen Schmuck und schlingendes Geäst.
Der Geist verilimmt ein hohes Lied in Halle
lind Gottes Lob bei hellem Glockenschalle.
H. Tb.