Rall: Alle, was meine Grenadiers sein, marschieren
vorwärts! Alle Tambouren schlugen Marsch,
die Hornisten bliesen. Auf einmal rief Alles,
was noch Leben hatte, recht: Hurra; da war auch
gleich Alles untereinander; Amerikaner und Hessen
war eins; kein Sehnst fiel mehr, sondern Alles
lief vorwärts ans die Festung los. Wie wir
nun in die Höhe kamen, so hatten die Amerikaner
einen Laufgraben um die Festung rum. Weil
wir darin waren, so hieß es mit uns: Halt.
Da wollten die Amerikaner mang uns raus
laufen, nach der Festung; da hieß es aber: ihr
seid Kriegsgefangene. Die Festung wurde gleich
aufgefordert vom Hessen-General von Kniphausen.
Die Rebellen thaten auf zwei Stunden kapituliren.
Als die zwei Stunden um waren, wurde die Festung
Fort Washington übergeben an den Hessischen
General Kniphausen mit allen Vorrütheu re.
Das Rall'sche Grenadierregiment und das Alt-
Lostbergische Regiment mussten sodann zwei Linien
machen gegen einander, und da mußten sie durch
marschieren und Gewehre und Waffen ablegen,
und da kamen die Engländer und führten sie
nach New-Pork in Gefangenschaft."
Fort Washington erhielt fortan den Namen
Fort Kniphausen. Am 10. November erhielt
die Brigade Rall den Befehl nach Tre»ton
aufzubrechen, wo sie nachmals das Unglück hatte,
gefangen genommen zu werden. Sie sollte dort
die hessischen Jäger und die detachirteu Grenadiere
ablösen, welche den Delaware hinab gen Phila
delphia marschierten. Am 10. Dezember kam
sie nach einem äußerst anstrengenden Marsch dort
an. — Was auch die Ursache des Unglücks
war, die Hessen hatten es an der nöthigen Vor
sicht und Wachsamkeit nicht fehlen lassen. Da
der Kommandeur von den Landeseinwohnern
erfahren hatte, daß die Amerikaner einen Ueber-
fall beabsichtigten, so ließ er am 21. Lärmquartiere
beziehen. Die Soldaten mußten sich angezogen
schlafen legen, Vorposten und Piquets wurden
nach Kriegsgebrauch ausgestellt. Oberst Rall
! aber unternahm am 21. Dezember Rekognoszirung
am Delaware hinauf bis Ncu-Frankfurt, um zu
sehen, ob dieselben wirklich Anstalt machten, den
Delaware zu überschreiten, desgleichen am 24.,
wo die.Amerikaner die hessischen Posten benn-
ruhigten. Auch ließen es die Hessen nicht an
der gewohnten Tapferkeit bei dem unverhofften
Angriffe fehlen. Allein, was konnten 1700 Mann,
denn so stark war die Brigade blos noch, gegen
eine sie von allen Seiten umdrängende Ueber-
macht von 15000 Mann ausrichten? — Es war
am ersten Christfeiertag, den 25. Dezember 1770,
als die hessischen Vorposten von einer überlegenen
amerikanischen Streitmacht überfallen wurden. Bei
der ersten Salve stand die Mannschaft in den
Lärmhäusern schon in Reih und Glied, während
die Amerikaner mit Gewalt in das Städtchen
drangen. Vor dein Quartier des Obersten war
eine Dielenwaud errichtet, vor der die beiden
Regimentskanonen standen. Diese schossen sich
eine Zeit lang mit sieben amerikanischen Geschützen
herum, bis sie von den Amerikanern im
Sturm genommen wurden. Rall nahm sie dem
Feind zwar durch eine kräftige Attacke wieder
ab und zog sich mit ihnen auf's freie Feld.
Während er nun einen neuen Angriff auf die Stadt
machte und in dieselbe eindrang, kam den Hessen
eine starke Abtheilung Amerikaner in den Rücken.
Als Oberst Rall obendrein schwer verwundet vor
den Reihen seiner Grenadiere gefallen war, blieb
deshalb den tapferen Hessen nichts übrig, als vor
der Uebermacht das Gewehr zu strecke». Das
ist der Hergang der in den Geschichtsbüchern viel
besprochenen Gefangennahme der Hessen bei Tren-
ton, die als ein Meisterstück der Washington'schen
Kriegskunst bezeichnet wird, nach der schlichten
und wahrheitsgetreuen Darstellung des Grenadiers
Reuber. Von den tapferen Hessen konnte man
bei dieser Gelegenheit sagen: Sie hatten Alles
verloren, nur nicht die Ehre.
(Fortsetzung folgt.)
Hessisches Gewächs.
Von Ludwig Mohr.
jenseits der rothweißen Grenzpfählc des ehe-
!sljs maligen Kurhessens entfaltete sich im Spät
est herbste des Jahres 1850 ein reges und
buntes Leben. Dorf und Landstraße wimmelten
von bayerischen Blauröcken und Raupenhelmen,
oder, um mich des späteren Spitznamens zu
bedienen, von „Strafbahern", die mit einem
österreichischen Armeetheil jene Exekutionstruppe
ausmachten, welche der selige Bundestag sandte,
um die stenernverweigernden Hessen mürbe und
gefügig zu machen.
Als bekannt wird vorausgesetzt, daß Preußen