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Die Frau war glücklich, sobald sie den leichten
Schritt ihrer Wohlthäterin vernahm.
Eines Morgens fand Nona Frau Elsbeth
angekleidet auf einen Stuhle vor ihrem Lager-
sitzen. Freudestrahlend berichtete Marga, ihre
Mutter fühle sich heute so gestärkt, daß sie es
mit dem Gehen versuchen wolle.
Nona freute sich von Herzen, trug einen alten
Armstuhl in das kleine Gärtchen, belegte ihn mit
weichen Kissen und half nun Marga, die Genesende
hinaus zu führen. Es ging sehr langsam, und
die bethen Mädchen mußten viel Kraft anwenden,
um die Frau zu stützen, aber endlich kam man
doch glücklich bei dem Sitze an. Frau Elsbeth
ließ sich daraus sinken, Freudenthränen weinend,
daß sie endlich wieder Blättergrün, Himmelsblau
und Blüthenduft schauen und genießen konnte.
Plötzlich aber ergriff sie Rona's weiße Hündchen,
dankte ihr für jede Wohlthat und rief begeistert:
„Ihr seid ein Engel der Barmherzigkeit!"
In diesem Augenblicke trat aus dem Schatten
einer uralten, neben der Hütte stehenden Linde
die hohe Gestalt — — des Ritters von Edelheim.
Das Burgfräulein erröthete gleich einer Pfirsich
blüthe. Der Ritter verneigte sich tief. -- — —
Bald darauf wandelten das Fräulein und der
Ritter den Burgweg hinan. — Otto von Edel
heim berichtete seiner Begleiterin, daß er im
nächsten Dorfe eine Bestellung gehabt habe und
auf den Gedanken gekommen sei, die nahe Ronne
burg aufzusuchen. Er habe sein Pferd eingestellt,
um zil Fuß den kleinen Weg zurückzulegen. „Als
ich an dem kleinen Häuschen Eures Schützlings
vorüberkam, hörte ich Eure Stimme", erzählte der
Ritter, „und konnte der Versuchung nicht wider
stehen, Euch zu belauschen —; es war gut, daß
ich es that, denn so habe ich erfahren, daß Ihr
ein Herz habt."
Rona lächelte befangen. „Habt Ihr denn das
nicht geglaubt?"
„Nein!" gestand der Ritter freimüthig, „die
Kunde ging, Ihr wäret ein kaltes, herzloses
Wesen. — Darum konnte ich Euch auch nicht
freundlich begegnen, als Ihr mit Eurem Vater
bei mir weiltet. Eure Schönheit drohte, mich zu
besiegen, aber ich wollte stark sein."
Das Burgfräulein sah mit feuchten Augen zu
Otto auf. „Ihr hattet recht gehört," sagte sie
leise und sanft, „ich war sehr böse, aber ich hoffe,
daß ich nun ein wenig bester bin."
Das junge Paar stand vor dem hohen Thore.
Bei beit leisen Worten der Jungfrau sing im
Herzen des Ritters eine Saite all zu klingen —,
er fiel vor Rona nieder, und bat sie, sein und
seilles Hauses Engel zu werden. — Bevor Rona
ihre Antwort gab, beichtete sie dem Geliebten,
wie er unbewußt die Veranlassung zu ihrer Um-
wandlullg gewesen. Lächelnd drohte ihr der
Ritter mit dem Finger —, alte Kräuterfrauen
hatten nie zu seinen Schwärmereien gehört. —
Bald aber führte Otto von Edelheim strahlenden
Angesichtes seine liebliche Braut in die Burg
ihrer Väter.
Als die alte Sanlla von der neuen Verlobung
erfuhr, wiegte sie bedeutsam ihren grauen Kopf
hin und her, schaute zu den Baumwipfeln empor
und murmelte:
„Du weiße Lilie, Du weiße Taube,
Ich hör' es flüstern im grünen Laube:
Ein Herze gefunden —, ein Herze verloren;
Was sind doch die Menschen für Thoren!"
Aus dsr
„Es ist ja nur ein Gasthausleben,
Das wir hier führen" — also steht
Am Bauernhäuschen — und daneben
Ein Himmelswuusch und ein Gebet.
Es ist so alt und so alltäglich,
So oft gesagt, — originell
Ist's nicht und dennoch so unsäglich
Voll tiefer Wahrheit, mein Gesell,
Und für uns Beide, die wir treiben
Auf Lebens Hochfluth, wie gemacht.
Laß uns ein Stüudlein ruhig bleiben
Und Gott aufsuchen! Gute Nacht!
M. Aervert.
Pros».
Aufgeregt von frohem Feste
Kam mein Liebling jüngst nach Haus,
Und man zog ihm gleich das beste
Kleidchen unbarmherzig aus.
Wie das Kind auch prvtestirte
Und die alte Dien'riu schalt,
Ach, die Alte refüsirte,
Und sie brauchte gar Gewalt.
Und dabei sprach sie so nüchtern,
Daß das Zucht und Ordnung hieß',
Bis mein armes Kind sich schüchtern
Seines Schmucks berauben ließ.