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schuftigen, so stehen sie überhaupt genommen in
ihrem rauhen Lande besser als die Würzburgischen
Bauern in ihren paradiesischen Gegenden."
Wie Weikard, der öfter genannte Leibarzt des
Fürsten Heinrich, die Gegend von Fulda Preist,
habe ich in meinen: Buche über Fulda angeführt.
Er war in Römershag, dem damals noch
Fuldaischen Dorfe bei Brückenau in der Rhön
geboren und verkannte auch die Schönheiten des
Gebirges nicht. Er schreibt von seinem Geburtsort
(Denkwürdigkeiten aus der Lebensgeschichte des
Kaiserlich Russischen Etatsraths Weikard, S. 27):
„Römershag liegt in einer rauhen Gegend in
einem schmale!: Thale zwischen großen Bergen
und schönen Waldungen, worunter sich eine
Buchenwaldung vorzüglich auszeichnet. Gegen
Osten grenzt es an Würzburgische Dörfer und die
von Naturforschern und Landschaftsmalern ver
kannten und vernachlässigten interessanten und
schöne::, vielleicht den Schweizerbergen noch vor
zuziehenden Rhönberge."
Nun noch eine Stimme über das Fuldaer Land
volk: Heinrich Koenig, wohl der bedeutendste
belletristische Schriftsteller, der in Fulda geboren
ist, sagt in seinem merkwürdigen Buche: „Auch
eine Jugend" von demselben: „Der Menschenschlag,
der diesen Boden anbaut, ist derb, kräftig und
breitstämmig; das gefurchte Antlitz spiegelt de::
tief gepflügten Boden ab. Die weibliche Tracht
ist den unschönen Gestalten sehr unvorteilhaft.
Der vielfältige Rock, der die bunten Zwickel
strümpfe sehen läßt, wird hoch unter de:: Armen
gebunden und überhängt den Hüstenbau, das
kattunene Leibchen spannt über der Brust, und
der Kopf wird mit einem in drei Zipfel gelegten,
bunt und hell gewürfelten Tuche Überbunden.
Die nüchterne Fröhlichkeit des Fuldensers läßt
sich gern in trockene Spaßhaftigkeit aus, in eine
Laune, der es nicht an bildlicher Fantasie fehlt
und die durch gutmüthige Unbeholfenheit des
Ausdrucks in das Drollige fällt." Hierdurch
komme ich noch auf den Fuldischen Dialekt, der
so arg verkannt und geschmäht worden ist und
von der feineren Gesellschaft für gemein gehalten
wird. Allerdings war die Sprache der städtischer:
Fuldaer Proletarier damals wie jetzt gemein,
weil sie das Schriftdeutsche und den eigentlichen
Dialekt untermischen. Ein ursprünglicher Dialekt
aber ist nie gemein. Die eigenthümlich breiten,
den: Englischen ähnlichen Mischlaute setzen aller
dings jeden Fremden in Erstaunen. Unsere
heutige Schriftsprache ist ja auch aus dem nieder-
sächsischen Dialekt entstanden; wenn Luther ein
Fuldaer Mönch gewesen wäre, hätten wir durch
seine Bibelübersetzung vielleicht unseren Dialekt
als Schriftsprache bekommen, und wenn wir hier
einen Reuter gehabt hätten, so würden dessen
Dichtungen und Erzählungen in Fuldaer statt
in plattdeutscher Mundart vielleicht ebenso wirksam
geworden sein. Wir haben nun leider wenig
Dichtungen in Fuldaer Mundart, aber eine ist
doch so vortrefflich, daß ich mir nicht versagen
kann, dieselbe aus den: Staube zu ziehen, da sie
jetzt nur noch wenigen bekannt ist. Das Gedicht
rührt von dem Präfekturrath Welle her und ist
die Erzählung einer Bauersfrau, welche gerade
in unserem Jahre 1793 einen feierlichen Aufzug
der Universität gesehen hat, die philosophische
Doktor-Promotion einer Anzahl vol: Studenten.
Dieselben waren nach der damaligen Sitte mit
einem Barette und einem großen seidenen, mit
Pelz verbrämten Kragen, dem Doktormantel
bekleidet und zogen mit den Professoren unter
militärischen: Gefolge mit Pankenwirbel und
Musik von der Propste: Michaelsberg, der
Wohnung des Universitätskanzlers, in deren heute
noch in der alten Gestalt mit reichen: Bilderschmuck
erhaltenem Saale die Promotionen stattfanden, nach
der Universität, dem jetzigen Gymnasium.
Die Dichtung, welche die heimgekehrte Bauers
frau in Fuldaer Mundart vorträgt, bringen wir
in der nächsten Nummer.
Zur Terterklärung des Volksliedes: „Drei Lilien,
drei Lilien".
"L. Von Dr. Äugn st Ro eschen.
fsn seiner verdienstvollen Liedersammlung bringt
j Johann LewalterinHestchNr. 2«; ff. *)
das weitverbreitete Bvlkslied:
y Deutsche Volkslieder. In Niederhessen gesammelt
von Johann Lewalter. Hamburg, bei G. Fritzsche,
1890 —1892. — Vgl. F. Seelig, Hessenland, 1890,
S. 274 ff., und H. Brunner, ib. 1892, S. 131 ff. —
„Drei Lilien, drei Lilien, die pflanzt' ich auf mein Grab
Da kam ein stolzer Neitersmann und brach sie ab.
Ach Neitersmann, ach Neitersmann, laß nur die Lili
stehn,
Die soll ja mein Feinsliebchen noch einmal sehn.
Und st erb' ich noch heute, dann bin ich morgen tot,
Dann begraben mich die Leute um's Morgenrot." -