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Geld/' — Aber es half ihm nun nichts mehr,
daß er ihr ermunternd und beruhigend zusprach,
und daß er sich gelabte, freundlicher mit ihr zu
sein, wenn Gott sie wieder gesund mache, mit
einem letzten angstvollen Aufschrei: „Fort aus der
schwarzen Mühle!" schied sie für immer von ihm
und hinterließ ihm,, wenn auch kein Herzeleid,
doch ein leises beständiges Nagen im Gewissen:
„Auch Du hast ihr nicht recht gehalten, was Du
ihr vor dem Altar doch nun einmal versprochen
hattest." Aber jenes leise Nagen ging bald in
Sorgen und Schmerzen von viel schlimmerer
Art unter. Mit seines Vaters und seinem Be
sitzthum eilte es zu Ende. Fast so schnell wie
mit dem wenigen Korn, welches sie noch zu
mahlen hatten. Die vielen Unglücksfälle in ihrer
schon auf wankenden Füßen stehenden Wirthschaft
hatten ihr die ersten lebensgefährlichen Streiche
versetzt, den Todesstoß gab ihr ein anderes: der
alte Müller stand auf einmal in dem Verdachte
zu betrügen. Wer ihn zuerst ausgesprochen hatte?
Aus alter und neuer Irrt.
Zu den weniger bekannten Zeugnissen über die
Kriegstüchtigkeit der Hessen dürfte eine
Mittheilung in Girtanners „Politischen Annalen"
Band III. gehören, die wir einem Aussatze „Die
Frankreicher in Deutschland" entnehmen. Es handelt
sich um die Leistungen des hessischen Korps im
Feldzuge von 1792 und der Korrespondent, nachdem
er vorher Oesterreicher unb Preußen einer ein
gehenden Schilderung gewürdigt hat, schreibt:
„Dem hessischen Korps, welches mit den beiden
Armeen vereinigt, iiüs Feld rückte, kam (selbst nach
dem einstimmigen Zeugnisse der Frankreicher, welche
dasselbe ausmarschiren sahen) nichts all Schönheit
gleich. Nachdem die unglücklichen Emigranten schon
aufgehört hatten, ein Ganzes auszumachen, hörte ich
mehrere unter ihnen in einer Art von Begeisterung
von den Hessen sprechen und ausrufen: „Ah si
nous avions eu, nous seuls, douze mille de ces
braves Hessois, et qu'on nous eut laissé faire, il
y a long-temps que nous sérions à Paris!“
Ausgemacht ist, daß man keine fürchterlicheren
Feinde für die Frankreicher hätte finden können als
die Hessen. Die Bäter der jetzt lebenden Gene
ration haben, wie bekannt, sieben ganze Jahre
lang mit Muth und Tapferkeit und beinahe immer
siegreich gegen sie gefochten. Ein großer Theil des
jetzigen hessischen Korps hat abermals Jahre lang
diesen Kampf in Amerika gegen sie fortgesetzt. Man
kann also beinahe mit Gewißheit behaupten, daß es
Ja, wer wußte das noch, als Julian zuerst davoll
erfuhr? Jedenfalls war er auf günstigen Bodell
gefallen, das merkte er bei derselben Gelegenheit,
als er nämlich einige Wochen nach dem Tode
seiner Frau zürn erstenmal wieder das Dors-
wirthshaus betrat. Merkte es an dem mehr
oder weniger geschickt ausgeführten Manöver der
Bauern, dem Zusammensitzen mit ihm auszuweichen,
an den mehr oder weniger schonungslosen Be-
merkungen über seinen Vater, die er zu hören
bekam. Und aus eilte Abwehr dieser Bemerkungen
konnte er sich nur dieses eine Mal einlassen; er
brachte es nicht mehr fertig, mit Mund und
Faust zugleich für die Ehre seines Vaters eut=
zutreten, nachdem er btefett irrt halben Rausch
über einen Vertrag mit dem Handelsmann Markus,
seinen Hauptgläubiger, hatte plaudern hören,
einen Vertrag, welcher darauf hinaus lief, biefett
und sich selbst durch einen falschen Bankerott
herauszureißen.
(Fortsetzung folgt.)
nicht Eillell geborenen Hessen gebe, welcher nicht vor
Begierde den Verlust eines Vaters, eines Bruders
oder doch wenigstens eines Waffenbrilders an diesen
seinen alten Feinden zu rächen brenllen sollte. Ein
solcher Haß wird in diesem, von Natur so muthigen
und kriegerischen Volke dadurch noch mehr genährt,
weil das Land noch bis jetzt die Folgen des sieben
jährigen Krieges schmerzhaft fühlt, zu welcher Zeit
die Frankreicher dasselbe hart bedrückten. Auch mag
es zu dieser Erbitterung beitragen, daß unter der
vorigen Regierung verschiedene Frankreicher, ans Un
kosten manches Eingeborenen, der ihrentwegen zurück
gesetzt wurde, ein ebenso glänzendes als wenig dauer
haftes Glück machten. Schon bei den Spielen der
Kinder wird Derjenige, welcher den Feind vorstellt,
bloß mit dem Namen Franzos bezeichnet. Der
Tag der Eroberung von Frankfurt hat bewiesen,
wie wenig schonend die Hessen mit diesen ihren
Feinden umgehen.
Die beinahe Spartanische Denkungsart der Hessen
mag Folgendes beweisen. Als, im vorigen Frühjahr,
das Leibdragoner-Regiment mit demjenigen Theile
der Hessischen Truppen marschirte, die zu Hülfs-
völkern der beiden vereinigten Armeen bestimmt
waren: da fanden sich verschiedene Leute, deren
häusliche Umstände sie in die Nothwendigkeit setzten,
ihren Abschied fordern zu müssen. Die hierzu
nöthigen Beweise konnten nicht sogleich herbeigeschafft
werden: diese Leute mußten also weiter dienen.
Gleich nach der Rückkehr des Korps ans Frankreich
befahl das Kriegsgericht, die zu Hause höchst un-