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Orten vertheilte Nahrungskvmmerz dadurch gewinnt
oder verliert, auch welches von beiden in Rücksicht
auf Familien stattfinde, will ich nicht entscheiden.
Manchen Klubs Oekonomie ist gut. Die Be
satzung in Kassel, besonders der Offizier, verdirbt
Kassels Sittlichkeit nicht, sehr viele wissen sich
nützlich und angenehm zu beschästigeu. Der
gemeine Soldat ist dienstwillig für jeden Ein
wohner. Oeffentliche Religionsspötterei ist bei
dem guten Exempel, das der Hof im äußeren
Gottesdienste giebt, in Kassel nicht zu Hause.
Einige vortreffliche Kanzelredner haben seit Jahr
und Tag das außer den Gang gebracht, was
man Gleichgiltigkeit in der Religion nennt.
Liebhaberei am Lesen besteht in allen Ständen
und bei beiden Geschlechtern, wie dies mehrere
Lesegesellschaften beweisen. Vielleicht ist man in
Kassel weniger empfindsam und süß und tändelnd,
als in seiner Nachbarschaft. Man liest viel
Französisch, doch immer mehr Deutsch. Die
jungen Frauenzimmer lesen nur zwischendurch
deutsche Romane. Sie lieben Moden und öffent
liche Spaziergänge, wie überall in ähnlichen
Städten. Die beträchtliche Anzahl musikalischer
Liebhaber in Kassel hat bis jetzt ein öffentliches
und schönes Konzert für sich und auch für den
besuchenden Fremden unterhalten. In Hessen,
selbst in ganzen Dörfern herrscht viel Talent für
Musik. Liebhaberei für Zeichnen ist allgemein
und bildet die Jugend sehr; daher mag es auch
kommen, daß man es sich angelegen sein läßt,
eine schöne Hand zu schreiben. Daß der Kasselaner
gern in seinen Lustgefilden von mannigfaltiger
Schönheit sich zu Pferde, im Wagen und zu
Fuße bewegt, ist begreiflich.
Geschichte der Familie Dithmar.
Ein Beitrag zur hessischen Familiengeschichte von Otto Gerland.
^Mll elche Bedeutung die Familiengeschichte, auch
tf J die der bürgerlichen Familien erlangt hat, be
st darf hier nicht der Auseinandersetzung. Giebt
es doch mehrere Werke, welche sich nur mit darauf
bezüglichen Veröffentlichungen beschäftigen. Ueber
die Geschichte hessischerFamilien ist bislang
wenig veröffentlicht; ich selbst habe in diesen
Blättern (Hessenland 1893, Nr. 13—15) die
Geschichte der Familie Ko pp zum Abdruck gebracht
und gebe im Folgenden die der weit verzweigten
Familie Dithmar, soweit diese bereits als zur
Geschichte gehörig angesehen werden kann, d. h.
bis ans drei Generationen nach der um die Mitte
des vorigen Jahrhunderts eingetretenen Theilung
der Familie in zwei Linien.
Möchten doch auch bald für andere Familien
die Verfasser von Familiengeschichten sich finden!
A. Quellen.
Die Akten des Königlichen Staatsarchivs zu
Marburg betr. der Beamtenstelle zu Wolshagen 1781.
Die Kirchenbücher von Rotenburg a. F., Homberg
in Niederhessen, Wolfhagen und Frankfurt an der
Oder.
Die in den Händen des Verfassers dieses Aufsatzes
befindlichen Familienpapiere.
Dankenswerthe Mittheilungen des Herrn Ober
lehrers a. D. Pfarrer G. Th. Dithmar zu Marburg.
Strieder: Grundlage zu einer hessischen
Gelehrten-Geschichte, Bd. VII. S. 356 ff.
Kleinschmidt: Geschichte des Königreichs West
falen, Gotha 1893.
Ledderhose: Kleine Schriften, Bd. I. S. 113.
Hessen-Kassel'sche Staats- und Adreß-Kalender,
Stamm- und Rangliste des kurhessischen Truppen
korps von 1809. Man. Hass. der ständischen
Landesbibliothek zu Kassel, 4" 181.
B. Allgemeines über die Familie.
Die Familie gehört dem hessischen Bürgerstand
an, ein Wappen hat sie nie geführt. Urkundlich
nachweisbar ist sie erst zur Zeit des dreißigjährigen
Krieges in Rotenburg a. F., von da hat sie sich
Anfangs des 18. Jahrhunderts über Hessen und
über Hessen hinaus ausgebreitet. Sie selbst schreibt
den Namen immer Dithmar, in den von dritter
Hand herrührenden Urkunden wird der Name
häufig auch Dittmar, Dietmar u. s. w. geschrieben,
und es ist deshalb nicht ausgeschlossen, daß Familien
mit dem in dieser Weist geschriebenen Namen
niit der hier besprochenen Familie zusammen
hängen, da die Nachkommenschaft einzelner Familien
glieder unbekannt ist.