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und Zünfte handelt, wvhnt der Oberschultheiß den
Sitzungen bei. Sonst war dieser auch Richter
des peinlichen Gerichts, jetzt nicht mehr; es hat
seinen besonderen Richter, drei Beisitzer und einen
Aktuarius. — Ihre Einkünfte bezieht die Stadt
ans dem Geschoß von Häusern, dann von Personen,
die keine Bürger sind nnd doch bürgerliche Nahrungs
zweige betreiben; vom Vieh, welches dergleichen
Leute halten, denn der Bürger ist hierin frei;
außerdem vom dritten Theile eines gewissen Licents,
der auf dem Verkaufe von Waaren der Kassel'schen
Kaufleute an auswärtige sonst lag, Zins genannt;
er ist aufgehoben und wird durch eine nach einem
gewissen Durchschnitte von mehreren Jahren be
stimmte Summe ihr von der Kammer bezahlt;
endlich bezieht die Stadt Einkünfte von zwei
Dritteln der Zapfengelder von Rhein- und Franz
wein, vom Branntweinschenken und einem so
genannten Druselgelde für die Wasserleitungen,
endlich vom Vermiethen der der Stadt zugehörigen
Gebäude. Diese Einkünfte sollen aber in neuerer'
Zeit nach und nach mehr ab- als zugenommen
haben. Von Kassels Konsumtion kann aus
Ursachen, die im Verpachten des sogenannten
Fleischhellers liegen, sowie aus anderen Gründen,
keine bestimmte Nachricht gegeben werden.
„Ein Landgericht, das aus dem Oberschultheiß,
dem Oberrentmeister, einigen Beisitzern und einem
Aktuarius besteht, nimmt nebst dem Bürgermeister
in der Altstadt und der Oberneustadt Bürger auf
und übt Gerichtsbarkeit über die in der Stadt
befindlichen Fremden, über die Juden und die
Dörfer der sogenannten drei Kassel'schen Aemter
aus, sie heißen das Amt Baun«, das Amt Ahna,
das Amt Neustadt und begreifen noch andere Ab
theilungen in sich und erstrecken sich auf die nächste
Umgegend der Hauptstadt. Vorzüglich gehört dazu
der Weißenstein mit seinem Kirchspiel.
„Die Besatzung in Kassel besteht gegenwärtig
aus dem Regiment der Garde du Corps, aus
dem Stabe und einer Wache der Gensd'armes,
aus den drei Regimentern Garde, von welchen
das zweite aus Grenadieren besteht, aus dem Leib
füsilierregiment, dem Regiment Landgraf und
dem Regiment Artillerie. Diese haben alle ihre
Kasernen. Noch gehört zu dem Kriegswesen ein
vom Landgrafen Karl im Anfang des Jahr
hunderts erbautes Gießhaus für schweres Ge
schütz.
„Was die Art zu leben und die Sittlichkeit
der hessischen Hauptstadt betrifft, so ist Folgendes
zu bemerken. Was zunächst den Preis von Haus
miethe und Lebensmittel angeht, so hängt solcher
freilich in einer Residenz vom Hose und dem
größeren oder geringeren Aufwande desselben ab,
denn nach ihm als der tonangebenden Stimme
richtet sich alles das, was jeder in seiner Art zu
leben thun oder lassen soll. Hiernach schränkt
man unter der jetzt herrschenden ökonomischen
Hofhaltung, welche einigen Luxus der vorigen
Zeit verbannte, int Grunde sich jetzt mehr ein
als sonst. Darnach stieg oder fiel die Hausmiethe,
welche in Vergleichung mit anderen Städten, auch
z. B. jetzt mit Marburg, mäßig ist, da zumal
unter der vorigen Regierung die Anzahl größerer
nnd weiterer Häuser sich ansehnlich vermehrt hat.
An der Zufuhr von Lebensmitteln fehlt's nicht,
es scheint, daß die Bäcker, noch mehr aber die
Metzger in großen Vortheilen stehen. Diese
letztern sind größtenteils beritten. Ob nun gleich
eine Zunft zu Pferde Beweis für den Wohlstand
einer Stadt ist, so kvmmt's doch immer aus das
Verhältniß an, nach welchem der fleischessende
Einwohner seinen Antheil Hafer für diese Reiterei
bezahlen muß. — Kassel ist nach Niedersachsen zu
die letzte Stadt, wo Rheinwein der gewöhnliche
Wein ist, und wo Franzwein anfängt. Alan
trinkt beide, und eine Familie von Mannheim,
die seit etwa 30 Jahren hier besseres Bier braute
und gar wenig mitbrachte, hat in der Zeit für mehr
als 30 000 Thaler an Häuser angekauft. Der
Soldat, ohne welchen der kriegerische Hesse sich so
wenig denken läßt als Holland ohne Matrosen,
und das Bauen der Fürsten verbessert Kassels
Nahrungsstand. — Jeder Fremde und Einheimische
von einigem, auch ziemlich hohem Range, kann
hier ungetadelt und frei, so zurückgezogen und
wohlfeil leben, auch von Kassels Vortheilen
Gebrauch machen, als er will. Kassels Lebensart
ist ungehinderter, freier und natürlicher als die
in den nördlicher gelegenen Residenzen Deutschlands.
Sie hat nicht manches Steife, das sonst den
Deutschen eigen ist, und manches Französische,
das unlächerlich ist. Gegen Kassels Sittlichkeit
läßt sich nichts sagen. Der Bürger arbeitet gerne,
will dann freilich auch seines Lebens mehr genießen
als die Bürger anderer Städte. Doch zeichnet
er sich in einem gewissen guten Leben mehr aus
als der Civilbeamte von: Mittelrang. Die Ein
gezogenheit, auch Haushaltigkeit, mit welchen der
Beamte von höherem Range lebt, wird allmälig
Regel für jenen. Ueber Ahnenstolz in Kassel
kann man nicht klagen; der Adel ist gefällig und
höflich. Ueberhaupt hat die Hofetikette keinen
Einfluß auf die Gesellschaft in der Stadt. Die
Stände unter einander verlieren sich allmälig in
mehreren sogenannten Klubs. Ob das sonst be
sonders unter mehreren Abendmahlzeiten von
Familieil, Freunden und Bekannten, auch in
mehreren Weinhüusern und einigen öffentlichen