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Eintracht mahnen konnte. Er hat das Blatt,
das bei der Gründung einem wirklichen Bedürfniß
entgegenkam, mit Liebe und Hingebung sieben
Jahre lang gepflegt. Und wenn diese sieben
Jahre auch hinsichtlich ihres materiellen Erfolges
weniger den sieben ersten Kühen des Pharaonischen
Traumes als den sieben der zweiten Art ent
sprachen, so hat doch Zwenger sich selbst ein
unleugbares und dauerndes Verdienst um unsere
hessische Geschichtsschreibung erworben. Er hat
gezeigt, wie die Vergangenheit unseres Volkes,
seine schöne und stolze Geschichte auch im vvlks-
thümlichen Gewände sich wohl sehen lassen kann.
Er hat gerade dadurch, daß er der in Hyper
kritik und Kleinigkeitskrämerei vielfach jetzt aus
artenden Forschung einen Damm entgegensetzte,
das Interesse an der Geschichte erhalten und in
weiten Kreisen belebt und wieder wach gerufen.
Wenn sein „Hessenland" nicht den Erfolg hatte,
den es verdient, so ist die Schuld nicht sein; sie
ist eher in der Engherzigkeit derer zu suchen,
welche sich an Äußerlichkeiten stoßen, — voraus
gesetzt, daß ihnen nicht selbst der geringe Kosten
preis für die Zeitschrift noch zu hoch erscheint.
Wenn Zwenger als Leiter dieses Blattes einen
Fehler hatte, so war dies der Fehler eines guten
und liebenswürdigen Menschen, der, daß er nie
manden etwas abzuschlagen vermochte. Größere
Strenge dem eingesandten Stoffe gegenüber wäre
vielleicht hier und da am Platze gewesen. Dvch
die jetzt vollendeten sieben Jahrgänge des „Hessen
landes" werden ihm ein dauerndes Ehrenmal in
unserer hessischen Geschichte sein!
Wem Gott rechte Gunst erweisen will, den
führt er am Abend seines Lebens wieder in die
Heimath zurück. So war es auch Zwenger be
schicken. Am 1. Januar 1890 wurde er zum
Gehülfen des dienstunfähig gewordenen Biblio
thekars v. Keitz bei der ständischen Landes
bibliothek in Fulda bestellt, nach dessen Tode
aber, der im vergangenen Winter erfolgte, mit
dem 1. Januar 1894 zu dessen Nachfolger er
nannt. Daß er dies Ziel erreichte, war nicht
zum wenigsten das Verdienst seines alten Jugend
freundes und Fuldaer Landsmannes Schwank,
der die Bibliothek seiner Vaterstadt bekanntlich
durch große uud werthvvlle Schenkungen in den
letzten Jahren in hochherziger Weise bereichert hat.
Leider hat Zwenger das Amt, das seinen
Wünschen und Fähigkeiten so sehr entsprach, nicht
lange verwaltet. Er starb am 6. Äpril d. I.,
um Uhr Morgens, nach kurzem Kranken
lager an der Lungenentzündung, nachdem er
— bereits von Unwohlsein ergriffen — am
27. März seine Dienstwohnung im Bibliotheks-
gebäude bezogen hatte. Er war unverheirathet
und hinterläßt keine näheren Verwandten. Aber
alle, die ihm nahe gestanden haben, werden sein
Andenken in Ehren halten. Er war ein durch
aus makelloser und reiner Charakter, und so
selbstlos, daß er an seine Person im Leben viel
zu wenig gedacht hat. Sein Wesen war von
einer sympathisch berührenden Ursprünglichkeit,
wie seine Zeit und das Fuldaer Land überhaupt
zahlreiche Originale aufzuweisen haben. Und in
der Heimath wurzelte er mit allen Fasern seines
Lebens, so niöge er in ihrem Schooße in Frieden
ruhen! Das Distychon, das der große Herder
„die Guten" betitelt hat, findet auch auf ihn
seine Anwendung:
Suchst du Timarchus uuter deu Todten? Wo immer er sein mag,
Unter den Glücklichen dort ist der Rechtschaffene gewiß.
Sfiufto Mri nner.
Hessische Städte und hessisches Land vor hundert Jahren.
ii.
Die Haupt- uud Residenzstadt Kaffel.
Von F. Zwenger.
(Schluß.)
^ffachdem der Verfasser die reichen Stiftungen
und Anstalten für Arme und Nothleidende
' in Kassel im Einzelnen geschildert, wendet
er sich wieder zu den politischen Verhältnissen.
„Aus hessichen Landtagen, wenn solche in Nieder
hessen gehalten werden," heißt es daselbst, „ist
Kassel die ausschreibende Stadt des Diemelstroms,
weil sie diesseits der Fulda liegt, und ihr jedes
maliger amtsführender Bürgermeister ist der
Direktor der sämmtlichen Abgeordneten aus den
Städten im Lande. Der Stadtrath besteht aus
ihm und 24 Rathsmitgliedern, Senatoren genannt.
Von ihnen ist der Konsul mit 5 Skabinen, von
welchen einer Stadtsekretär ist, der gelehrte Theil
des Magistrats, und macht dies Skabinat den
Schöppenstuhl aus. Wenn es sich um Gilden