Hessenland (26.1912)

Bibliographic data

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Persistent identifier:
1289911336242
Title:
Hessenland
Shelf mark:
38 4° H.coll. 13
Date:
1.1887 -
Place of publication:
Kassel
Structure type:
Periodical
Collection:
Periodicals
Language:
German
Sub title:
Zeitschrift für hessische Geschichte und Literatur

Persistent identifier:
1289911336242_0026
Title:
Hessenland
Volume count:
26.1912
Place of publication:
Kassel
Publisher:
Scheel
Structure type:
Periodical volume
Collection:
Periodicals
Year of publication:
1912
Language:
German
Sub title:
hessisches Heimatblatt ; Zeitschrift für hessische Geschichte, Volks- und Heimatkunde, Literatur und Kunst

Contents

Digitisation date:
2012
Place of electronic origin:
Kassel
Electronic publisher:
Universitätsbibliothek Kassel, Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel
Physical location:
Universitätsbibliothek Kassel, Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel

Title:
Nr. 1, Erstes Januar-Heft 1912
Volume count:
1
Structure type:
Issue
Collection:
Periodicals

Table of contents

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  • Hessenland
  • Hessenland (26.1912)

Full text

-und ihre Hand erreichen konnte. Der schönste Tag 
ist für das Paar natürlich immer der Sonntag ge 
wesen mit seinen langen Stunden. An solchen Tagen 
war ich natürlich nie dabei, denn wer kann das 
aushalten, so ohne Bier, Zigarren und Witze an 
die sechs Stunden zu sitzen!" 
„Also bist Du doch noch nicht ganz so heilig 
wie sie? — Aber wie kann sich nur ein junges 
Mädchen an einen kranken Mann hängen, von dem 
es nicht das Geringste zu erwarten hat? Das be 
greife ich nicht recht. Hans ist ja ein Goldkerl, er 
verdient es ja, für ihn freut es mich; aber unbegreiflich 
bleibt es mir." 
„Und welche Innigkeit verbindet beide! Du machst 
Dir kaum einen Begriff davon. Mir scheint es, 
als ob sie Seelen hätten, wie die Menschen auf den 
Bildern von Schwind, Herzen wie zarte, seine Groß 
mütterchenherzen Beide sind ja nun freilich aus 
kleinen Landstädten. Sie sprachen auch viel von 
sonnig verträumten Stübchen mit alten Bildern und 
blumigen Kattunmöbeln, von nützlichen Gärten, ver 
steckten Waldwegen und geruhigem Leben, und sie 
sprachen davon, als ob sie alle beide schon zusammen 
die einfachen, tiefen Freuden des Landes genossen, 
schon Hand in Hand Blumen gepflückt, Schulter an 
Schulter vom Mühlenberg der Sonne Abschied zu 
gewinkt hätten. Wenn Du ihnen zugehört hättest, 
Du hättest gemeint, Flora habe schon durch Jahre 
hin in einer kleinen Küche für unsern Hans Grell 
gekocht, an dem lachenden Fenster hinter dem Linden 
baume für ihn geschafft, genäht und gesorgt mit 
ihm aus der grünen Bank vor dem Haus von der 
Schwere der Zeit geplaudert Alles das kam in 
einer Art über ihre Lippe, als sei nur ein widriges 
Geschick schuld daran, daß sie nun die meiste Zeit ge 
trennt leben müßten, als verlange nur die Härte ihres 
Tagwerks, sich nun allein durch das Leben zu schlagen. 
Zuweilen auch wurde die Wehmut dieser Erinnerungen 
durch ihr herzhaftes Lachen unterbrochen, das aber 
sofort wieder erstarb, wenn sie daran dachte, daß 
der Arzt ihm ja das Lachen verboten hatte. Die 
Tapferkeit, die er seinem Leiden gegenüber zeigte, 
erfüllte sie mit schwärmerischer Bewunderung. Sie 
wollte auch so unüberwindlich im Kampf mit dem 
Geschick sein und lernte so, sich im Zaume zu halten, 
sich in eine wunschlose Liebe zu finden. Hans ist 
allein nur durch sein Leiden geläutert. - Na 
sonst? - Er kann die Liebe einfach nicht mehr als 
Lebensrausch leben, und ich finde es begreiflich, daß 
er nun zu einer geschlossenen Lebensansicht und be 
stimmten Selbstgewißheit gekommen ist. Aber sie, 
sie, sie! So durchaus und ganz verständlich ist mir 
das nicht immer. Er ist allein schon glücklich, 
in der Seele eines Weibes gleich gestimmte Saiten 
erklingen zu hören, er sieht in der Liebe die Ge 
wißheit, mehr zu sein als ein bloßer Esser, er fühlt 
sich darin als Mitbesitzer des ganzen Lebens, als 
Sieger, der durch den Preis erhoben und gebessert 
wurde. Und die Erfahrungen, die er aus der Selbst 
beherrschung und der Genügsamkeit seines eigenen 
Ich gezogen hat, sind ihm nicht nur selbst eine 
Quelle reichen Genusses geweseu, sondern waren ihm 
auch stets ein Ansporn, ihre Persönlichkeit frei zu 
gestalten, frei und rein. Und sie ist das rechte Holz, 
sie muß es wohl sein. Alan sollte es so obenhin 
betrachtet gar nicht glauben' — — Jedesmal, wenn 
sie kam brachte sie Blumen mit, die er so liebt, 
und verteilte sie in den Gläsern und Vasen, die sie 
überall da hingestellt hatte, wo ihm die Blumen in 
wohltuender Harmonie mit der Umgebung erscheinen 
mußten. Er hat dafür einen guten Blick, und es 
freute sie, wenn er sie lobte, wie schön sie wieder 
alles gemacht habe. — — ,Du bist selbst so eine 
Blume, und Deine Seele atmet denselben Duft. 
Wenn ich in mein Zimmer trete und die Blüten 
rufen mein Auge, dann ist es mir, als riesest Du 
mich, Flora? — — Aber eines Abends sagten sie 
ihr, daß er so krank geworden sei, daß sie ihn in 
regelmäßige Pflege hätten bringen müssen. Nun 
zeigte sie sich erst in ihrer wunderbaren Seelengröße. 
Zunächst war sie zu mir gekommen, und wir hatten 
alles bis ins kleinste beraten und geordnet, alles, 
was seine Vertretung, die Miete, die Krankenkasse, 
nun, Du weißt gewiß, was ich alles meine, anging. 
In den ersten Tagen wurde niemand zu Hans ge 
lassen, erst als die Ärzte alle Hoffnung verloren 
hatten dursten wir ihn besuchen. Es war ein 
trauriges Wiedersehen. Bleich und abgemagert lag 
er in den Kissen. Seine Augen flackerten müde 
wie ein ersterbendes Flämmchen, die Worte, die er 
sprach, konnten wir kaum verstehen. Als wir ihn 
verlassen hatten, standen wir lange an einem Gang- 
senster des stillen Hauses mit bebenden Lippen und 
Tränen in den Augen. Von dem Tage an war 
Flora alle Abend bei ihm. Da aber nach sechs Uhr 
kein Krankenbesuch mehr erlaubt ist, hatte sie aus 
ihre Mittagspause verzichtet um wenigstens nach 
Ablauf ihrer Arbeitszeit noch ein halbes Stündchen 
an seinem Lager weilen zu können. Hans wußte 
selbst, daß sein Zustand hoffnungslos war. Der 
leitende Arzt hatte ihn ausgegeben und meinte nur, 
es müsse etwas ganz Außerordentliches geschehen, 
wenn seine glimmenden Lebensfunken noch einmal 
angeblasen werden sollten. Das Außerordentliche 
jedoch konnte er uns nicht sagen. Hans habe eine 
ungeheuere Lebenskraft, ein anderer hätte bis jetzt 
nicht ausgehalten, was er erlitten habe. Vielleicht, 
vielleicht. " 
„Und das Außerordentliche geschah aber? Was 
war es?" ries ich ungestüm.
        

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