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1945
Chronik der Familie Rosclius,
*‘Johl dem, der seiner Väter gern gedenkt,
Der ‚roh von ihren Taten, ihrer Grüsse
Den Hörer unterhält und, still sich freuend,
Ang Ende dieser schönen Reihe sich ze=
schlossen nicht."
(Goethe)
Vorwort.
Eine Familicngeschichte hat nur dann vert für die
Nachkommen, wenn sie nicht nur trockene Daten und Notizen anein-
anderreiht, sondern ihre Begebenheiten in einen historischen Rah-
nen fasst, Es ist also cin Erfordernis, dic Erlebnisse dor enge=
ron Familie in einen gewissen Zusammenhang mit den Zeitereignissen
zu bringen, sofern dies nicht schon durch den Stoff solbest go-
schicht, Jodes Familiengzlicd muss möglichst aus seiner 2Z2o1%t her=
aus erklärt und verstanden werden, wenn ihre Schilderung Anspruch
auf allgemeines Interesse erheben will. Um cin wahrheitsgetreues
und charakteristisches Bild entstehen zu lassen, habe ich mich
eigener Kombinationen und Darstellungen, wozu der Fanmilienforscher
par zu leicht verführt wird, möglichst cntha lton und es vorgco—«
zoren, die Persönlichkeiten an der Hand von Originalbriefen uder
jurch wörtliche Wiedergabe ültoeorer Autoren den Leser lebendig
zu gestalten, wobei ich allerJings die Schwierigkeit nicht ver=
kenne, welche die schwülstige unübersichtliche Schreibweise
früherer Jahrhunderte den Neuling bereitet. Sie erfordert eine
tüchtige Portion Geduld und Ausdauer, hat van sich aber erst en
aäcn schwierigen Stil gewühnt, der in seinen endloson Perioden die
Abhängigkeit der früheren Jahrhunderte von den lzsteinischen Satz.
bau unschwer erkennen lässt, so bereitet die alterfüunliche, blumen«-
und phrasenreiche Sprache einen besonderen Genuss und gibt uns
zugleich ein anschauliches Bild von der Denkart jener Zeit.
Bei den vorläufigen Ceilen haudelt es sich um
einen vorläufigen Entwurf, der in mancher iüinsicht dor Verhe:
and Ergänzung bedarf.
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( Landesamtes iür ie ann)
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“ienname war ursprünglich "Räsel". ein Name,
der, wie mir Yerr ©. rehenra% LL.’’or aus Bayreuht mitteilt, noch
heute in der Obervfalg häufig vorkommt. Über die Änderung des
Namens in "Raselius" und "Rosel£&üus3" siehe unter "Thomas Rasel®z3
gpäter finden sich noch die Bezeichnungen "Rosselius” und
'Rosselius" sowie "Rasseliusy den Ausdruck "Rosilius" habe ich nur
eginnal in einem Eremer Bürgerbricf gefunden; im Schwarner Kirchen«
buch lautet die Beraichnrung meistens "Roselius","Roseli1j" oder
”Roseliy”.
Das Sierclwapren der Familie fand ich erhalten auf
ainem Briefe, den der Studiosus der Theologie Adolf Roselius im
Jahre 1642 von Rostock aus nach Lübeck gerichtet hatz derselbe wird
1m dortigen Staatsarchiv aufbewahrt. Das Wappen besteht aus einen
viereckigen Schild in Barockform, in welchem sich drei langstenge=
lixe stilisierte Rosen befinden; darüber der von der Seite gesehene
Helm mit der lelmdecke, aus welchem abermals drei Rosen ent-
Bpriessen. Ein älteres Wappen mi%t drei Heckenrosen findet sich in
einem Siegel des Johann Thomas Roselius vom Jahre 16233 der Stech-
helm träg% eine Figur mit einem Roenzweig in der rechten Hand.
Ein drittes, diesem ähnliches Wappen, drei rote
Heckenrosen im blau@n Feld enthält das Siebmacher'sche Wappenbuch
unter den alten Regensburger Geschlechtern. Die HNelmfigur ist eine
S5eejungfrau mit Rosen im Haar und einer Rose 1n der Hand.
Die in der Vaitfunger Linie Roselius bestehende
Eberlieferung, mit dem Namen seien früher Adelsrechte verbunden
gewesen, die durch einen verschwenderischen Vorfahren veräussert
sorden seien, ist wahrscheinlich auf das Vorhandensein eines Wap-
pens zurückzuführen, im übrigen ist sie eine fromne Legende, da
auch in bürgerlichen Familien die Führung eines Wappens üblich war.
Für das Vorhandensein einer französischen Linie
Roselius haben sich in den letzten 400 Jahren nicht die gerinz=-
sten Anzeichen ergebene
Thomaı_
an ‘
Der älteste Vorfahr der Familie Roselius, von dem
wir bisland Eenninis haben, war Thomas R£sel. Ich glaube,nicht
fehlzugehen, wenn ich sein Geburtajahr in die Zeit zwischen 1520
und 1530 verlege, sodass die Familie auf das ehrwürüäige Alter von
400 Jahren zurückblicken kann. Wo Thomas RÄsel geboren ist, ist
noch nicht bekannt, lässt sich aber vielleicht aus der Wittenberger
Universitätsmatrikel feststellen. Wir wissen von ihm bislang nur,
üass er von 1552 als lutherischer Pfarrer in Hahnbach bei Amberg
in der Pfalz amtierte und 1531 die Concordienformel unterschrieben
hat. (Da die Unterschriften unter die Concorädienformel in den
Jahren 1577 = 1580 erfolgt sind, so muss er also erst nach 1577
gestorben sein.). Über Thomas Räsel und seine Söhne sollen in einer
Abhandlung von J,. Auer über Andreas Raselius (Monatshefte für
Nusikgeschichte, Jahrgang 24. Beilage) nähere Angaben enthalten
sein, doch ist es mir noch nicht gelungen, dieser EBeilsze habhaft
zu werden).
Tas die Beudeutung des ursprünzlichen Namens "RÄsel"
betrifft, so muss man ihn früher wohl von "Rasen" hergeleitet haben,
denn sein Enkel Christoph Roselius übersetzt ihn durch "Cespes", wa:
auf lateinisch "Rascn”" oder "Rasenfläche" bedeutet. Die in damaliger
Leit in Gelehrtenkreisen allgemein übliche Latinisierung der
Familiennskhen fand auch bei Thomas RÄsel statt und zwar wandelte
kein geringerer als Philipp Melanchthon den Namen in "Raselius" um,
als Thomas in Wittenberg als Student der Theologie zu Melanchthons
Füssen sass. Eine weitere Änderung des Namens erfolgte durch die
Familie selbst. Als Wappen trug sie bekanntlich drei Rus en in
Petschaft und nannte eich danach auch wohl "Roselius", eine Bew
zeichnung, die allmählich immer mehr Überwog und heute nur noch
Allein üblich 1st, Von 1550 bis 1650 finden wir dageren alle drei
Namen regellos nebeneinander vertreten.
Einige genauere Nachrichten über Thomas RAsel sind
in Briefen seines Enkels Christoph enthalten. Er schreibt an einer
Stelle:
"7ie mein Seel, Grossvater Thomas Roselius die Formulaur
Concordiae mi% unterschrieben, als damahliger Pfarr Herr in der
ber Pfaltz"
und an anderer Stelle desselben Sricfes, wo er sich gegen Ver rohruge
seines Namens verteidirpt:
"Leide Inh doch mit Geduld / dass man mich immer Pam /
Fasande Larve / und Rasenden Umbl“=1? * ava meir- ı Seeligen
Yot*or- Iynahnen heisst / dessen ich mich doch darum nicht
schäme weil Dn. (Dominus) ”hilin. Melanchthon meinem Gross
Vatter , Thoma Raslio dens- \ben sıso verändert gegeben / als
er demals zu Wittenberg tun Äöölcher doch zuvor Raesel
(Latine Cesepes) in Hochdeutsch reheissen / wie unsere Genealo-
gia bezeuget: Andere nenue” und schreibenr uns auch Roselios,
wie solcher Nahme in "em m F orylar“‘ 6er Formulae
Concordiae zu finden 41m‘ und weil wir auch in un-
serem Pitschier drey Ros: tra wir auch offt selber
nach Belieben",
(In diesem Brief ist die Schreibweise 217 1", doch halte
ich es für einen zufälligen Schreibfehler. da 4”: c4talı gonst niemals
wieder findet.)
Einize der wenigen Nachrichten, 41a ir über Thomas
Rasel besitzen, ist die Anerkennung der Concord.enformel, und sa ist
es wohl angebracht, sich etwas näher mit diesem bedeutsamen Dokument
zu beschäftirene
x g
Schon bei Lebzeiten Luthers waren innere Gegensätze
im protestantischen Lager zu Tare getreten, welche den vollen Sieg
des Protestantismus verkümnmerten« Selbet das Verhältnis zu Kelanch«-
thon war in den letzten Lebsnsijahren zetrübt,; obwohl dieser jede
Rücksicht auf den in solchen Dinzen em-findlich en Freund nahm.
Nach Luthers Tode fehlte die kraftvolle Persönlichkeit, welche bis
dahin vernmöre ihrer allseitig anerkannten Autorität die Kluft zu
überbrücken vermochte hatte, und es kam zu offener Feindschaft
zwischen den extremen streuggläubigen Lutheranern und den Anhängern
Melsnchthons, den "Philippisteun”", welche einen nilderen Standpunkt
vertraten und in uachen Fragen der Lchre Calvins zuneigten. Es waren
hauptsächlich drei Punkte, in denen sie von der ursprünglichen
lutherischen Lehre abwächent
1) die Lehre vom Synergismus d.h. &4e vom lirwirken
des menschlichen Willens beim Erlangen der gött«
lichen Gande.
2) die Leure von der Notwendigkeit guter Werke,
3) die Abendmahlslehre.
Gezen diese Lehrabweichungzen Melanchthons und seiner Anhänger
kämpften mit unbändiger massloser Streitsucht die orthodoxen
Lutheräner, an ihrer Spitze lathias Flavius, einst ein Lieblinz
Luthers, und je mehr dor Calvinismus in Deutschland Boden fasste,
desto schroffer und gereizter wurden ihre Angriffe gegen die
"Philippisten”", die sie des geheimen Inverständnisses m1* den
Jalvinisten beschuldigten« .
Es war ein Verhängnis für die protestantische Kirche
Aass die evangelische Bewegung von nun in zwei getremäten Strümen
verlief, wührend ihr in der katholischen Kirche eine imuser stiraffer
zusamzengefasste Einheit gegenüberstand. Jene Irennung war eine
elle fortwährenden HNaders, in dem sich ein gut Teil der ehrlichen
und kraftvollen Begeisterung für die Sache des Evangeliums ohne
Yutzon für die evangelische kirche verzehrte, Die Folgen dieses
endlosen Theologengezänkes, das seine Kräfte in fruchtlosen dogma«-
tischen Streitirkelten vergeudete, machten sich bald bemerkbar und
las ganze grosse Reformationswerk schien gefährdet, Auf den Rea=-
Ligionsgespräch zu Worms im Jahre 1557 wurde der innerprotestan«
tische Zwist derart offenbar, dass jeder einsah, Abhilfe tmat drin-
send notfz es wurde höchste Zeit, alle Lekenner der augsburgischen
Konfession zu vereinigen, um den Angriffen von Rom her und dem
Fortschreiten des Calvinismus einen entschiedenen Widerstand ent«
yegensetzen zu künnen.
Der Versuch, durch eine Vereinigung aller Richtun«-
ren unter eine gemeinsame anerkannte Formel allen religiösen Strei«=
ticgkeiten Innerhalb der protestanfiischen Kirche ein Ende zu be=-
reiten, ging von dem württenmbergischen Theologen Jacob Andrae aus.
Nach mannigfachen schwierigen Vorarbeiten, die im er wieder an der
Inversöhnlichkeit der Parteien zu scheitern drohten, kam endlich
im Jahre 1577 unter litwirkung von den verschiedensten Richtungen
angehörenden Ü“heologen, vor allem Württembergs, Braunschweigs und
Badens, im Kloster Kergen bei üjagdeburg eine Vereiniguugsfornel
zustande, welche xan das "Bergische Euch” , späterhin "Formula
Soncordiae" nannte.
Damit war zwar die Einigus; auf dem Yapier glück-
Lich zustande gebracht, und sie wurde in dieser Form allen evan-
veelischen Reichsständen zur Annahme angeboten, aber es war von
vornherein klar, dass der allgemeinen Anerkennuug unüberwindliche
Schwierigkeiten entgegenstanden. Fehlte es schon im eimgenen
Lager nicht an Gernern, so war ecerst recht zu befürchten, dass die
susgesprochenen Philipzisten und Calvinisten ihre Venehmigunz voll
ständig versagen würden, denn es war unverkennbar, dass in diesem
dogmatischen Werk alle schwebenden Streitifragen zu Ungunsten des
Philippismus entschlieüen waren, üie Formula Concordiae vielmehr
die Grundlage der lutherischen Orthodoxie geworden ware
Diese Befürchtung sollte gich bald bewahrheiten,
Die ursprüngliche Absicht, die evangelischen Keichsstäinde zusammen-
zurufen und ihnen das neue Sekenntinis zur Annahne vorzulegen, wurde
fallen gelassen, da won mir Recht annahm, durch eine Beratung in
orösgserem Kr ise wurde nur von neuem Zank und Streit gestiftet
werden. 50 unternahmen es demn die Kurfürsten, die Stände zur An=
nahe zu bewegen. Absesandte der Obrigkeit zogen umher, um die
Unterschriften der Geistlichen einzuholen. Dass dabei oftmals ein
unwürdiger Zwang ausgeübt wurde, steht fest. wor nicıt unterzeich«
nen wollie, wurde des Antes entsetzt,und manclıer Philippist, dem
sein Gewissen verbot, sich gefügig zu zeigen, hat rohliesslich
doca nachgegeben, weil er an das Schicksal von Weib und Kind
dachte, Damals erschien ein satirisches Fluzblatt, auf dem ein
arner /forrer abrebildet war, vor ihm das aufgeschlepene Konkor-
älenbuch, hinter ihm Frau und Kinder mit flehend erhobenen Hünden,
durunter ie Unterrchri1ft:
" Schreib' , Vater, schreib’,
Dass du bei der Pfarre bleib‘ ":
Dasr andererseits auch gahlreiche “eistl iche sus warer Überzeu=s
gung unterzeichneten, geht darsus hervor, dass sich bei vielen
Untsrechriften der Zusatz findet ı " com ore et corde " (mit
und und Hergs)., Insgesamt cnthielt Jas 1530 erschienene Konkoräien-
buch die Unterschriften von 86 vrotestantischen Reichsständen und
B = 9900 Theologen. Von ciner ganzen Reihe evangelischer Stände wur
de die Formel zber abgelehnt, durunter auch von Bremen und Braun-
schweig, andere z.B. Kurpfalz und Erandenburg traten beld wieder
surilal,
Thomas Rasel hat seine Unterrchrift freiwillig aus
Innerer Überzeugurg geleistet, trotz seiner persönlichen Beziehun-
gen zu Nelsnchthon war er überzeupgter Lutheraner, denn von seinen
Enkel Christoph wird mehrfach ausdrücklich hervorzehoben, dass er
sowohl wie sein Vater im wahren lutherischen Glauben erzogen seien.
(Bs ist dies wıso merkwürdiser, als Kurpfalz unter dem Kurfürsten
Friedrich III, durch ALevinnus, dan berühnten Vorfasser des leidel-
berrer Katechiemmes Teforniert wor-den ware Allerdings wur gerade
im Jahre 1576 secin luthr “" sc "glın Ludrix VI. zur Regile-
rung gekommen. Oleviasnus war wert£ichen worden und hatte bei einem
geiner Vorfahren, dem Crossen Ludwig von Vittgenstein, auf dessen
Schlössern zu Laasphe und Berleberg Zuflucht gefunden. Vielleicht
hat eich dausls Thomas Rasel dem Struch gefügt ı "Cujus reg10,
ejus © >4%n " (wer regiert, dessen Religion ist massgebend).
Bemerkenswert ist noch bel der Unterschrift der
Formulen Concardise, dass der Name bereits "Roselius" geschrie boz
mirde
Persönliche Nachforschungen in der Oberpfal®, der
aiyonilichen Heimat der Familie Roselius, haben nachträglich
zanche Einzelheiten über die Lebensschicksale des ältesten Ahn-
herrn ans Tageslicht gebracht, welche unser Interesse für ihn 1n
star’ m Masse wachrufen und geeimnet sind, uns ein klares B114
aieren starksinnigen charaktervollen Nanncs zu geben.
Über zeine Ceburt ist zwar nichts Küherus bekannt
Feworden, doch ist sie in die Zeit zwischen 1520 und 1520 zu vor-
legen. Als Geburtsort hatte ich zunächst Regensburg ins Auge ge«
fasst, du das 1605 erschiehene Siebmacher‘sche Wappenbuch die
Aoselius unter Cie "Erbaren Negensburger Geschlochter" rechnet. Die
Äsgeuforschungen in Regensburger Bürgerbueh und In den dortigen
Kirchenbüchern haben Jedoch ergeben, dass erst der Sohn Thomas
Rasels, Andreas, in Regensburg ansäs ig gewor den 1s%, Wahrschein«-
licher ist es mir, dass die leinat Thomas Rasels in der Amberger
Gerend zu suchen ist. Kach den Angaben des Kyrehenrats Lipper in
Rayreuth und des Pfarrers Knerr in Hahnbach komu% der Kame "REsel"
(geeprochen "NRasel”, nicht "Raesel") noch keute in zahlreichen
zahlreichen Familien in Amberg selbst und in dem benachbarten
Schnaittenbach vor. Es wire also nachzuforschen, ob der Kame dort
schon vor 1550 nachweisbar iste
Sehen wir von der Wittenberger Studienzeit, welche
in die 40er Jahre des 165. Jahrhunderts fällt und sich aus der
Universitätsmatrikel nachweisen lassen muss, ab, so findet sich
das erste Lebenszeichen, das uns Thomas Räsel hinterlassen hat,
in einer Urkunde aus dem Jahre 1552, welche sich heute Im Bayeri1«=
schen Staatsarchiv zu Amberg befindet. Dieselbe ist ein Hewerbungs-
schreiben an den Kurfürsten Friedrich II. von der Pfalz um die
Yerlieihung der Pfarre in iHahnbach.
Sa
rn Verständnis ist es uotwendig, sich dis po=
Litischen und kor e*?an Verhältnisse °--= Oberfpalz zu vor-
gegenwärtigen, da sie auf dass Leben Thomar ” 168 bestimnend ein-
„1rken sollten.
Schon seit dem Mittelalter (1329) gehörte die an
der böhnischen Grenze gelegene Überpfalz zu der rheinischen Kur«-
pfalz, obwohl sie räumlich weit von ihr getrennt war. Ihre Haupt«-
stadt war das wehrhafte Amberg, dessen altersgraue Mauern mi% den
37 trotzigen Wehrtürmnen heuts noch ein Bild mittielalterlicher
“rösse und Macht geben, sagte man doch, Leipzig sei die reichste,
Zünchen die schönste, Amberg aber die festete Fürstenstudt.
Yon den mit der Refornation einsetzenden Wirrnissen
yurde die Oberpfalz in besonderem Messe betroffen. Nach dem Grund-
satz ı "Cujus rezio, ejus religio”" (die Glaubensrichtung des Mir-
sten ist auch für die Untertanen massgebend) wurden die Völker wie
Schach?iguren hin- und hergeworfdan, je nach Laune und Temperament
des jeweiligen Landesherrn ohnsa Rücksicht auf? die Gefühle ihrer Lan-
Jeskinder, und wir werden sehen, dass auch dem Staumvater der Fa=
nilie Roselius eine aktive Rolls in dienem Kampf zugedacht ware
Ende der dreigsiger Jahre des 16, Jahrhunderts hielt
iie “eformation ihren Einzug in die Oberpfalz und wurda von dem
Kurfürsten Ludwig (1503 = 1544) wohlwollend geduldet, troatzdem er
selbst aus politischen Gründen katholisch blieb. Sein Bruder und
Jachfolzer Friedrich II. 1544 = 1555 förderte ebenfallg nach Kräf=-
ten die Ausbreitung der Reformation in seinen Janden, trotzdem er
aus Rücksicht auf den Kaiser 1543 das "Augsburger Interin" ange
nommen hatte, welches Zwar eine gerechte Regelung der konfessi0=
nellen Streitfragen versprach, in Wirklichkeit aber gegen die Pro=
bestanten gerichtet war, sodass diese nicht uit$ Unrecht den Spott
vers dicehtetene
Das Augsburger Interim
Nat den Schak hinter ihm."
In üioese bewezte Zeit TAEllt das erste Dokument
Thomas Räsels, dessen Faksimile (9/10 der normalen Grösse) uns
gine klare,feine, charakteristische Handschrift zeigt. Dieselbe
1naute*:
"Dülirchleüchtiyer hochpeboreuner Furst Gnediger ilerr / Weniger
verruckter Zevyt. hab ich in abweren E.P.O0. bev den Edlen
hochgelerten ung irmnnecten 7,6. zugeordneten Churf., 15d
lichen Reihen, umb die Possession der Pfarr Jenbach, unter
theniglich angegücht , Damal mir gnedivyer Abschid wordenn /
wo ich die Drdination des Priesterambts der gleychen die
belehüng der pharhe erlange, / als dan möge ich weyther
angüchen / sol mir gnediger bescheyd werden / Solchs
ich mich unterthenig bedanck und inb die Zvengelisch ordent«
lich Ordination wie em izt im gebräuch gehalten / laütt
beylig der urkünten zu wegen bracht / dar zu ist mir von
dem Leheuhern gelihen worden / Demech bitt ich unterthenig
E,.P.G, die wellen zlr die Possessiocn ermeltier “farr gne«—
ligst mitzutheylen verschaäffen/
Und nachden das Pfarhals durch entstantne Brünst zu
Nanbach zu unseren theyl verJorben und abgebrünnen / und
3ie Pfarr ein gering einkomuen / davon sich hie voriger
pfürher / der dam die Acoidentalie des opffers Legencknüss
und anders auch gehabt / welches bey mir fellig / und abze=
Echnitten one addition und besgserüng, einer vacirenden
Jess einkomuen / mit enthalten können / zu gesechreygen /
las ich davon das Pfarhaüs erbawen soltt / So ist mein un*
henigst bitten, Z.F.G.die wellen / als ein Liebhaber und
furder benant heüs wie Liliig on mein kosten / furderlich
erbaltt / und mir / allıin zur zierlichen unte haltung
meins leybs noftürfft einer vacirenten Less gefelle / zugs-
legt / und ein unbesetzt Pfründhals big zur auffbawing
Gcg Ffarhoffs eingeräumbt werde / Dageren wyl ich mich mit
christlicher lelr und versehüng der Pfarhn neben fürung
priesterlichs wendels/ deruasen erzeyzen und halten / da-
dürch Gottes ehr und lob gefurdert, und Z.F.G. und das
Pfarvolok darob ein gütt gefallen haben sollen / Das umb
E.F.G. und derrelben zugeordneten Rethe, untertheniglich
üienstlich und wyllich zuverdienen / bin ich bereytt,/
Gnediger antwortt gewertene
E.F.G.
anterthenirer Capplan
Thoman Risel.
’Rückaufschrift)
Thomas R£sel vittevt Im der yravs Hannbach possogsion zugeben.
Ist Ima vannaot * Yon Yan e-+ hal der belehnun” hleiben /
10
ne
_
sowill aber die erbawung des Pfarrhofs und Cdirung der
Frue Xeas beiriffif, konn man seinen angsuchen nit stat
thuen / dann es in Meiner G. Herron der Ret*ha mochten
nit stehe / Actum 2. Sentembris Anno 1552.
Praesentatun den 2. Septembris Anno 1552,
"adernes Deutsch übertragen:
Durchlauchtigsteor nochgeborener Fürst, gnädiger Herr!
veren Yorgsrückter Zeit aabe ich in Abwesenheit Euer
Fürstlichen Gnaden bei den endlen hochgelehrten und
ehrenfosten Z(uer) F(ürstlichen) G(naden) zugeordneten
kurfürstlichen 1üblichen Räten um den Besitz der Ffarre
Yalhnbach untertänigst nachgesucht. Daraufhin ict mir der
gnüdise SLescheid geworüen, sofern ich die Ordination des
Priesteramtes desgleichen üle Lelehnung der Pfarre erlange,
alsdann möge ich cin zweites Gesuch ei nreichen, worauf
air ein mäüdigur Bescheid würdes Ich bedanke mich dafür
untertinigst und have üie ordnungswässige evangelische
Örüinstion, so wie sie jetzt Zrauch ist, Leigebracht laut
teiliecgender Urkunde; dazu iat mir von dem Lehnsherrn die
Balchuung verlichen worden, und ich Litte dewnach unter
tünigsi, E.7.G. wolle den Besitz genannter Pfarre nunuehr
gnüdigst verschaffene
Ferus ist das Zierrhaus durch eine Feuersbrunst in
UNahnbüch zuw grüssten “eil verüorben und abzebrannt. Die
Pfarre hat aber nur ein gerinzes Einkommen, von dem sich
der vorige <farrer nicht erhalten konute, troizdem or die
Zinkünfte ccs Opfers, der Leichenbegäüngnisse und auch
noch anderes gehab% hat, welches bei mir hinfüllig pe=
worden und abgeschnitten ist. Ohne Hinzufügung und Auf«
besserung meiner Einnähne durch die Einkünfte einer frei
gewordenen Messe kann ich unmöglich leben geschweige denn
das Pfarrhaus davon erbauen. So seht also meine untertä—
nige Zitte dahin, E.F.,G,. wolle als ein Liebhaber und För«
GeB RcffBazen wortes Gottes einsehen und verordnen, dass
genänntes Haus wie billig ohne Unkosten für mich förderlich
erbaut, mir allein zur gewinnenden Erhaltung meines Leibes
Notdurft die Einkünfte ciner frei gewordenen Le588 ZUge=
16g% und ein unbesetzties FIründhuus bis zur Aufbauung des
Pfayrrhofs singeräumt werde, Dagegen will icu mieh
.
ehristlicher Lehre und Verrehung der Pfarre neben Führung
aines priesterlichen Wandels dormassen erzeigen und halten,
wodurch Gott Ehr und Lob geförderet und Z.F.G, und das
Pfarrvolk darob ein Wohlizgefallen haben wollen. Das um
E,F.G. und dero zugeordneten Räte untertänigst, dienstlich
und wiliizs zu verdienen, bin ich bereit, einer rnädigen
Aniwort Sowulrtigf oc... 40
Der Sinn dieser Urkunde ist Gocg dass Thomas Räsel
unter Vorlegung der evangelischen Ordination und der Lelehnung
wa Übertragung der Pfarre bittet. Lemach war er noch junger Kaplan
und noch nicht in Besitz der Ordination als protestentischer Pfarrer.
Um die Pfarrctelle zu erlangen, zusstie er ferner die "Belehnunz" er-
Wirzen, welche von dem jeweiligen ifarrer von Schlicht erteilt
wurde. Schlicht ist ein kleines, 9 km nürdlich von NMahnbach im
Isle der Vils gelegenes Örtchen, dessen Pfarrırn heute nach 40)
Jahren imuer noch das Praesentuationsrccht für ie “ahnbacher Pfarre
zusteht.
Aus dem ergten Abschnitt der Urkunde geht hervor,
Czss RÄsel ein Ähnliches Cesuch schon vor kurzez an die kurfürst-
lichen Räte gerichtet hat, worauf Ihn der Eeschaid ycworden ist,
BE zürg zunächst die erwühntın Vorbedinzunzen erfüllen.
Der zwelte Teil des Geruches bezicht sich auf den
Pfarrhof., Am Pfingstuontatry desselben Jahres 1552 war nämlich der
zrüecte Tell des Varktes HNahnbach durch eine gewaltire Feuersbrunst
In Asche gelegt worädenz 453 Häuser, darunter der Pfarrhof, waren ein
Xaub der Fak,TMlanuen geworden. Thouas RÄsel weist nun darauf hin,
lass die jetzirum Einkünfie der Dfarrei bei walten nicht ausreichen,
um Ihn wieder aufzubauen, da die Zinkünfte gageni.ber den früheren
katholischen Zeiten ohlnshin zeschnmüälert uıd manche Gebeneinkünfte
vexzzefallen seien. Är stellt deshalb die weitera Bitte, es müge
üsr Üfarrnof ohne Unkosten für ihn wieder erbaut werden und man
20ye ihn einstweilen ein unbasetztes Pfründtnerhaus zur Johnung
jberlassen, ausserdem aber zu persönlichen Gebrauch die Gefälle
einer "vaclırendan Messe". Darunter verstand uan die Zinsen einer
St1ftung zur Alhaltung einer SJeolenmesse, die uber in Wirklichkeit
gicht mehr gehälfon wurdae
“is sich ausder offenbar vom Kurfürsten Prieürich
selbst herrühranden Rückauschrift erzibt, erhiolt Thomas RÄser in
19
der Tat die Posregsion der Pfarre, jedoch wurde die Erbauung des
Pfarrhofs sowie die iülinzufügung der Eiukünfte der Frühmesse abge
lehnt.
Vor der endgültigen Übernahme musste er gedoch noch
einen Verpflichtungsschein unterschreiben, in welchen er feierlich
verspricht, dem kurfürstlichen Hause allezeit ergeben zu sein, die
Pfarre ohne Erlaubnis des vabdesfürsten nicht zu verlassen, das
Yor%t Gottes christlich zu lehren und dem ihn anvertrauten Volk mit
gutem Beispiel voranzugehen. Er versichert darin ferner, sich mit
den Zinsen und der Nutzniessung der Pfarrgüter begnügen zu wollen,
las Pfarrgeld getreulich zu verwalten, keine Pension und ähnliche
Belastungen zu verteilen oder für sich in Anspruch zu nehaen und für
den Fall, dass sein Lebenswandel zur Absetzung nütige, aufk alle ihm
dann zustehenden geistlichen und weltlichen Rechte Verzicht zu
leisten. =
Diese von ihm unterschriebene Obligation trägt
dar-elbe Datum vom 2. September 1552 und lautet in der Urschrift:
"Ich Thoman R£sel Priester bekhenn mi% dieser meyner handt—-
schrifft / das ich hiermit gelobt und geschworen dem durch-
leuchtigisten hochgebornen fursten und hern hern Friderichen
Pfaltzgrafen bey Rein Nertzogen in Beyern des heyligen
Romischen Reychs Ertzdruchsers und Chürfurst etc. Meynem
Gnedigisten herren / durch sein Churfurstlichen GCnaden ich zu
der Possession der Pfarh Hanbach kommen / und mir von dem
ürd1igen und Ersanen hern Jaocoben Pöllenreutter Pfarhn zu Schlüecht
geliehen worden / seinem Churf. Gnaden derselben Erben getreu,
und holdt / zu sein Auch Gren Churf. Gnaden gebürliche Re—
nerenz und ehre zuerzeygen /
Zum andern das ich selbs Personlich obbestimpte Pfarh
besizen wille one geüerde / es were dan / das ich etwan /
auff ein bestimpte Zeytt als vernünfftigen ßüetten ekehafften
ursachen / und erlaubüng hochgedachtes meins gnedigisten
hern als Lanätsfursten / so ich deswegen alüsdrücklich er—
langen solle / und wyll / danon wurde sein /
Züm dritten / das ich alle Bürde / und arbeitt / so
mit von wegen / solcher Pfarh / zu geburen / tragen und dem
Volck / so mir befolhen wirdt mit dem Wortt Gottes und Christ-
licher leer, und guetten exempeln getreulich vorzurehn / una
13
A
nützlich vor zu sein / mich befleissen ”"LL«
Zum riardten, das ich genuegig Br an den Zinsen und
nutzür berurter Pfarh und üie Güetter derselbigen In güseten
sesen ,/ Yirden / und Penlich erhalten / und ob etwas dersel-
bigen Pfarh / an kirchen güeten entwendt / oder verloren /
nach pestem meynem vermögen / wider darzu bringen und die—
gelbigen fur mich selbs such nicht anders / dan wie von
alter herkommen halten und beschweren wyll /
Zum funfften / so yemandts obgenante Pfarhkirchen oder
ire guetter wolh antasten beschweren oder anfechten / und ich
selbs möcht das nit fürkommen / das ich solchs zum aller-
furderlichst:n an hochermeltfen meynen Gnedigisten hern und
Landsfursten oder Irer Chruf, Gnaden Regirung zu Amberg
gelansen lassen wi1ll«
Zum sechsten, das ich von solcher Pfarh / kein Pension,
Absent Resernat noch Incorporation yemants Reychen / oder
geben / auch solchs auff die Pfarh zu legen / sie damit
zubeschweren / durch mich selbs nit thun, noch durch andere
gestatten / solle / one sonder vorwissen / und verwilligung /
meins Gnedigisten hern.
Zum letzten verheyss und schwere ich / das ich mich in
solcher Pfarh will halten / Priesterlich ehrlich / eines
guetten Rueffs und lebens , &ls einen geystlichen fromien
Priester geburtt / oder zu der gedachten Pfarhkirchen / und
derselben zugehörunge einen andern geistlichen tüglichen
Priester zu Presentiren / und dami$ zunersehen / zu begeren /
und anzusuchen / nach iren wolgefallen, one alles mein Wider-
sprechen / und zauszüeg / mit verzigck derhalben aller behelff
beder geistlichen / und weltlichen Recht / und aller sonder
orcnung statuten und satzung so mir hie wider zu statten
komen mochten / Actum den anderen Septembris anno etc.
L43 do
(Rückvermerk)
Herrn Thoman Rasels priesters obligation uber di
possession der pfarh Hanbach.
Actum den andern Septembris anno 1352.
in modernem Deutsch:
Ich, der Priester Thomas RÄsel bekenne
nit diser
meiner
Yandschrift, dass ich hieruit gelobt und geschworen habe dem
Aurchlauchtigsten hochgeborenen Fürsten und Herrn, Herrn
Frieärich Pfalzgraf bei Rhein, Herzog in Bayern, dem heiligen
römischen Reiches Erztruchsess und Kurfürst eto, meinem gnä-
üigsten Herrn, durch dessen kurfürstliche Gnade ich zum
besitz der "farre Hahnbach gelangt, nachdem wir von dem wür«-
üigen und ehrsamen Herrn Jacob Pollenreutter, Pfarrer zu
Schilicht, die Belehnung verliehen war, den kurfütstlichen
Erben getreu und hold wu sein, auch seiner kurf. Cnaden
gebürliche Reverenz und Ehre zu e rzeigen.
Zum andern, dass lch selbst persönlich genannte Pfarre
besitzen will ohne "geügrde”(7), es sei denn, dass ich etwa
auf eine bestimmte Zeit aus vernünftigen guten ekehafften
(Stichhaltivyen) Ursachen und nit der ausdrücklichen Erlaubnis
neines gnädigen Herrn als Landesfürsten mich auf und davon
machen würde.
Zum üritten, dass ich alle Bürde und Arbeit, die mir
Negen solcher Pfarre gebühren tragen und mich befleissig.n
#111, dem Volk, das wir anbefohlen wird, mit dem Wort Gottes
and christlicher Lehre und gutem Beispiele voranzugehen und
nützlich vorzustehen.«
Zum vierten, dass ich mich begnügen will mit den Zinsen
und der Nutzniessung genannter Pfarre und die Güter derselben
in gutem Wesen, Würden und getreulich erhalten will. Und wenn
ierzelben £farre en Kirchengütern e twas entwendet wird oder
verloren göht, so will ich es nach bestem Vermüxen wieder
hinzuvringen und üleselben für mich selbst auch nicht anders
in Anspruch nehmen und belasten denn wie es von alters her
Brauch iste
Zum fünften, wenn gemand genannte Pfarrkirche oder ihre
güter antasten, belasten oder anfechten will umd ich selbst
vermöüchte das nicht zu verhindern, dass ich seolches am
Zweckmässigsten an meinen gnädigen Herrn und Landesfürsten
dder ihrer kurfürstlichen Gnaden Regierung zu Amberg fpe=
langen lassen will.
Zum sechsten, dass ich von üleser Pfarre keine Pension,
Absent, Reservat oder Incorporation irgend jemand reichen
der geben, ebensowenig aber derartiges auf die Pfarre lexen
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15
ZZ X
und sie damit zu belasten, w:der d urch mich selbst tun
noch durch andere gestatten will ohne Wissen und willen
meines gnädigen Herrn.
Zum letzten verheisse und schwöre ich, dass ich mich
in dieser Pfarre priestferlich ehrlich, in gutem Ruf und
Lebenswandel halten will wie es einem geistlichen fromaen
Priester gebührt, Sollte ich das aber nicht tun, so möge
mein gnädigster lNerr solches meinem Lehensherrn (dem Pfarrer
von Schlicht), durch die ich mit dieser Pfarre belehnt worden
bin, anzeigen, damit er mich strafe, wie sich gebührt. Soll-
te aber der Fürst begehren, gedachte Pfarrkirche mit Zubehör
8inem anderen tzxuglichen geistlichen Priester anzubieten
und damit zu versehen und nach seinem Wohlgefallen auszu-
Suchen, so kann das alles geschehen ohne meinen Widerspruch
und Winkelizüge, mit Verzicht auf das mir zustchende geist
liche und weltliche Recht und aller Statuten und Satzungen,
die mir gierfür zu statten komnen."
So war Thomas RÄsel also Pfarrherr zu HNahnbach,
doch hatte man einstweilen die Äechnung ohne die Uahnbacuer
Gemeinde gemacht, welche sich unverzürlich zu einen eBßergischen
Protest gegen den neuen Pfarrer aufraffte, Diese schon am 10. Sept-
tember dem Kurfürsten in Amberg überreichte Beschwerde ist eben-
falls erhalten geblieben und lautet in der schwierig zu entr-1P"- ry.-
den Urschrift:
"Durchleuchtiger hochgeborner Furst etc. gnediger her.
Nachdem 8, £ g gnedigs wissen haben, was gestaldt unser
alter pfharer von uns abzeschiden ist, Derhalben auch wir
zu gleich e f g underthenig schreiben und bitten, unsArmen
leuten, ein andern pfharer gnedig verordnen lassen, Doch
einer ganzen pfharmeing. gmut und meynuny anderst$ nit ge
west und noch. das uns wider ein prister, so der alten
Cerimonien anhengig verordnet wurde. So werden wir doch be«
richt, wie morgen Sontsg. uns armen leuten. ein pfharer,
off die 1zige neue religion . sol einsesezt werden. Des«-
halben haubtleut vierer und ganze gemeinde beisammen ge—
wesen, und von mundt zu mundt yeder gefragt, was lust oder
lieb sein pewissen zu solcher religion habe, und ist da
einhelliglichen beschlossen. e.f.g. umb gottes willen
zubitten. salahes,. des neuen Ddfharera einsezens und für
LG
necmens gnedig abschaffen, und uns armen ein pfharer, 650
ans die alten bisher gelerte Religion, Lere und predige, bis
zu einer entlichen Uristlichen vergleichung, wie wir dan
izundt ein alten prister bei uns haben, mit dem wir uns wol
vergleichen wollen, bis uns Gautt der almechtig ein
verpesserung eines Anglichen gselerien mans Zuschickt, dabei
wollen e.f.g. uns hallaben, wie zu e.f.g. wir uns genglich
vertrosten und solchs umb e.f.g., seindt wir mit le1ib und
zu% zuverdienen schuldig, gewarten. zz. abschldits,.
e.,f.z. gehorssme under tane
Ganze gemein des pfharvolcks zu Hanbach.”
(Rückaufschrift)
"gantze gmain zu Hanbsch bitten Sie mit den Evangelischen
Priester unbeschwert zu lassen.
Zantner 011 sich erkundigen, ob üle gachen laut der
Supplicanten anitzaigen reschaffen, und dortten also befunden
nit gebung der Possession Innenhaltzn. Decrectum in consil10.
10, Septembris Anno 1552,
Prsesentatum den 10. Septembris Anno 1552,*
In modernem Deutsch:
"Purchlauchtigster hochgeborener Fürst etc. gnädiger lNerr!
Sachdem e(ucr) f(ürsiliche) g(naden) gnädigst erfahren haben,
lass unser alter Üfarrer von uns geschieden ist, dieserhalb
schreiben wir gleich unterfänizst e.f.,g. und bitten, uns
armen Leuten einen andsren Ü“farrır gnädigst zu verordnen,
Judoch ist eiger ganzen Pfarrgeueinde Gemüt und Mel nung
aiemals anders gewesen und auch j.tzt noch, dass uns wieder
ain Priester, der der alten Zeremonien kundig, verordnet
verden solle. Nun wird uns aber doch berichtet, dass morgen
am Sonntag uns arnen Leuten ei n ?farrer der jetzigen neuen
Religion einzesetzt werden soll. Darum sind die Nauptleute,
die Tührer und die ganze Gemeinde zusamsengefreten und ist
von Mund zu Mund jeder befragt worden, inwieweit sein Ge=
vissen Lust und Liebe zu golcher Religion habe und da ist
einhellig beschloszen worden, e.Z.g. um Gottes Willen zu
bitten, von dem Zinsetzen des ueuen Ffarrers gnüidigst abzu-
sehen und uns arızen Leuten einen “farrer zu bewilligen,
Zer uns die alte bisher gelehrte Religion, Sehre und Predigt
&
weiter verkündire bis zu einer endlichen christlichen Ver=
gleichung. S0 haben wir zurzeit el nen alten Priester bei
uns, mit dem wollen wir uns wohl begnügen, bis uns Gott der
Allmichtige eine Verbesserung in Gestalt eines tauglichen
gelehrten WJannes zuschickt. Im Vertrauen auf 8.1.70 USW. saw‘
Demnach scheint der Vorgänger Räsels, ein gewisser Pfarrer Georg
Popp, noch katholisch gewesen zu sein und die Gemei nde wünscht
das alte Bekenntnis beizubehalten, da sie von den neuen Ceremo=
alien offenbar nicht sehr erbaut ist, Sie ist sogar erbötig, sich
einstweilen mit einem alten katholischen Priester, der gerade in
Hahnbach weilt, zu behelfen, wenn man sie nur mit dem neuen Herrn
ungeschoren lassen wolle.
Nach dem ebenfalls von des Kurfürsten Hand stamnen«
den Rückvermerk zu schliessen, scheint der Kurfürst selb:-t Bedenken
bekomnen zu haben, denn er beauftragt einen seiner Räte, den Nerrn
von Zant, Ermittlungen darüber anzustellen, ob die Sachlapre den
Anga ben der Mittsteller entspricht.
Das Ergebnis dieser Nachforschungen ist im Am-
berger Archiv nicht zu ermitteln, doch verrät uns eine Urkunde
aus dem Jahre 1557, dass Kurfürst Friedrich die Gründe der Gema2inde
Hahnbach nicht als stichhaltig angesehen und die Belehnung Thomas
Räsels mit der Pfarre aufrecht erhalten hat, ein Beweis dafür,
dass er in Wirklichkeit die Ausbreitunz der Reformation zu för-
dern trachtete, selbst gegen den ausgesprochenen Willen der
Bevölkerung.
Dieses letzte ebenfalls sehr interessante Dokunent
befindet sich in einem Visitationsprotokoll vom 22. Februar 1557.
An Stelle des kinderlosen Kurfürsten Friedrich II. war 1556 sein
Neffe Ottheinrich (1556-1559) zur Regierung gelangt, der seinen
Namen als kunstliebenuer Fürst durch den prächtigen Ottheinrichs-
bau am Neidelberrer Schloss unvergänglich gemacht hat, dem Aka=-
demiker aber durch Scheffels scherzhaftes Kommerslied:
“Ottheinrich der Pfalzzaf bei Rheine,
Der sprach eines Norgens:; Remblem,
Ich pfeif' auf die saueren Weine,
Ich fahr nach Jerusalem...
bekannt ist.
17°
+4
Ottheinrich war 1542 zum Luthertum übergetreten
hm m At Krt main alilpgent1iichau Pop?
A
a
1
Pfalz = Neuburg verloren. Als er nun im Jahre 1556 die Regent-
schaft der Oberpfalz übernahm, da hatte er den Wunsch, sich über
de konfessionellen Verhältnisse seines Landes zu orientieren und
verordnete zu diesem Zweck eine Visitation sämtlicher Pfarrgemein«-
den, deren Ergebnis in einen Protokoll niedergeleg$% wurde:
"Yisitationum Protocollum Anno Dui. 1557.
Hannwage.
Auf heut Cafto den 22. February seindt erschinen die ver.
orcneten von wegen einen Erbarn Raths aus den Marck HNanbach,
sampt Ihren pfarhern Thomas Raeselius, und Caplan Johensen
Seipern.
Ist herr Pfarher Erstlich von den vornembsten
artickeln der Christlichen religion befragt worden, hat er
Wol, recht, geschicklich und christlich off solche vorgehal-
tene puncten götlichen schrift geantwortet,
Ist hernach noch weiter besprecht wordenn, wie sich
8in Erbar Burgermeister und Rath hilte, darauff er sein Ant-
wor% geben, Ehr hab kein gressern meanfell, dan das viel
Bebatischer (Päpstliche) unter Ihnen befunden werden, die
zu dem hochwirdiren Sacrament nicht gehenn.
Beclagt sich such das allerlei chanberey (Zauberei)
bey Ihnen im schranck sindt, Sonderlich wan er Ellererst von
Einem krencken wegkginge, 80 schicke nan flucks zu den war—-
sagernn, wie wol ers offt von dich off der Cantzel meldet
und straffer seindt.
So wehren Ihr auch viel zu Hanwach die von 100 fl
(Gulden) 20 Kehuen, auch woll 20 viertell korns aber doch
dieselbigen Jerlicien abzulösen.
Verueldt auch das der pfarhoff sey &bgebrunnen
und wohne Itzt In des Caplans behausung.
Letzlich ist sein höchste clag, des nechtlichen
ubernschwencklichen eitzens (im Wirtshaus) welcks bey dem
Burgernmeister eben so bald geschicht le bey 8uderenn. =
Die Veraüneten von wegen eines Raths HNanwachs gindt
gefragt worden, wie sich der pfarher, Caplen und schul«
meister hilt.
Haben geantwort, Sie habenn keinen neNgel &n Ihnen,
Lheren das wort Gottes rain und clear, Sindt eines untade—
1iren Lebens und wandels aerwiser hYelner Pattarar ada«
Secten beschrait (beschuldigt) worden, hesuchet die brauchen
vleisig, edministrit auch die Sacrament, In Summa das sie
Far kein mengel in In wüsten,
Is wehre der pfarhoff mit dem eirkomzen, das sich
in die 63 fl, strecket bei denen von Nanpach, hetten sonst
Funff vacirende pfrunden, daven die dem pfarher geben,
das cr hatt 100 f1., dem Caplın 50 fl1., dem schulmaister
54 fl., die pfar geht zu Lehonn vom pfarher zu ÄLeTECKLW,
lie Beneficid sein der vonn HÜannwsch Lehenn.”
Aus diesem Protokoll geht hervor, dass sich die
*emeinde mit ihrem neuen Pfarrer inzwischen sehr gut abgefunden hat
und dass sie hincrichtlich selner Lehre und seines Privatlebons
des Lobes voll ist, wenn wäuch immer noch einige Pfarrkinder dem
päpstlichen Clauben anhängen und das Sakranmtent keiden, Wir er=
fahren ferner, dass sich das Kinkomsen des Pfarrers einschliesslich
der besonderen Zuwendungen (Benefiegia) auf 100 Culden belief und
dass die gute Sitte des Eusgedehnten Abezndschopypens schon dazals
bei einen "Zrbarn Burgermeister und Rath" üblich wer trotz Em
bührenäder geistlicher Verwarnung. lass als Lechnsherr der Pfarrer
von Hirschau bezeichnet, 1st offenbar ein Irrtum.
Weitere Urkunden übur das Leben und Wirken Thomas
Räsels in Uahnbach lassen sich im Amberger Archiv nicht ermitteln,
auch die Kirchenbücher in üsahnbach, welche nur bis zum Jahre 1572
zurückgehen, weisen keine Eintragungen von seiner Hand auf, nennen
vielmehrkah seinen Kachfolzer schon im Jahre 1573 den Ffarer
VOlf Tod,
Blicb ein Zeruch In Kaknbsch, den meine Frau und
ich im Oktober 1921 unternahmen, in dieser Ninsicht auch ergebnis.
los, so förderte er doch sonst mancherlei Intsressandtes zu Tage.
Ein 2/2 stündiger Weg durch das liebliche Wiesental
der Vils führte uns zu dem 12 km entfernten Xarkt Äuhnbach, der an
einer Kreuzung der alten Neerstrasse Anuberg — Bayreuth gelsgen ist
und seinen “anen von den früher dort schr zehlreichen Auerhähnen
orhalten haben 8011. Von weltem schon yrüsst der Zwiebellkmauf
des mächtigen Lirchturms, der ebenso wie die noch erhaltenen
befestigunzsanlagen, die beiden wuchtigen Tore wit Mauer und
öraben von der einst rrüösserın Bedeutung Nahntbachs erzählt. Unser
mr
U
Ziel war zunächst das Pfarrhaus, das, gleich neben der Yirche Ho
legen, mit diesem durch ein Mauerpförtlein verbunden war. Mit dem
liecbenswürdigen Pfarrherrn Maximilian Enerr hatte ich schon
schriftlich in Verbindung gestanden und die Arfahnme, die wir bei
dem geistlichen Herrn fanden, war so reizend, dass wir jetzt noch
oft an die schönen Stunden in Nahnbach zurückdenken. it grösster
Beroitiwilligkeit borantwortoie er unsere zahlreichen Fragen und
st1llie unsere Wisnbogier, 50 gut er es vermochte,
505 erfuhren wir denn, dass Thomas Räsel bei seinem
Amtsantritt im Johre 1552 zunächst ein Nuus am unteren Markt,
ebenfalls in der Nähe dor Kirche, bewohnt hatte, das, wie er uns
später zeigte, hıute nach crhält:n ist (eilete Ansichtekarte von
Hahnbach)., Er wor, wie sich aus der Urkunde des Jahres 1557 ergibt,
eigentlich die Wohnung dos Kaplans., Die Erbauung des neuen Pfarr«
hofs liess aus Geldmangel noch lange auf sich wurten. Wie eine
Inschrift des Gicbelbalkens besagt, ist sie erst im Jahre 1562
erfolgt. Da die Veburt des Sohnes Andreas in die Jahre 1562 = 1564
zu verlegen ist, ro kann der jetzige Pfarrhof mit Recht als das
älteste Stamchaus der Familic Roselius Letrachtet werden. (siehe
Ansichtskarte Nr, II). Durch ein kleines Pförtchen tritt man in
den von hoher Mauer umgebenen Hofraumzg die UÜaustür fürrt in einen
breiten Flur, der zus meterüicken Mauern borenförnig gewälbt ist,
Die unseheuzr masrige Dauart des Unterstooks lässt erkennen, dass
derselbe wei% älter ist und dass im Jahre 1552 nur ein Auf« und
Umbau des Obereticoks stattgefunden hat. Pfarrer KXnerr, der sich
dieser Ansicht ans£hloss, führte uns durch siutliche Räume des
Hauses vom Keller bis zum Boden; ait besonderem Stolz zeigte er
das Stauatsziumer, in welchen seine Nochwürden der Bischof bei
Inspektionsn zu hausen pflegt und soagaz der kommandierende General
einmal geschlafen habe, Das reizeaud intime Gärtchen hinter dem
Hause wurde besichtigt und danı führte er uns zur Kirche (Karte
I., III., IV.), deren auffallonde Grüsse und ilassigkeit in dem
sonst so unscheinburen Flecken und schoum von weiten aufgefallen
war. Pfarrer Knerr orklürte uns dieses ‚iissverhältnis dadurch,
dass der im 15. Jahrhundert begonnene mächtige gotische Bau
ursprünzlich eine w7z. Kollegilatskirche sewesen ist d.h. eine
Kirche, an der eine grüssere Anzahl von Geistlichen (meist ein
Pfarrer uud mehere Benefiocianten) tätig waren. Diesem Erossartigen
Zuschnitt‘ eutecprach zuch dus Innere. ein prächtiger Hochaltar mit
21
einer Kopie Kcmbrandts, den hl. Jakobus, den Schutzpatron der Kirche
durstellend, und eine reich geschmnückte Rokokokanzel (Karto III).
Beide sind allerdings erst in der II.Hälfte des 18. Jahrhunderts
bei der Renovierung der Zirche ontstandenz aus der älteren Zeit
des Thomas RÄsel stamıt dageren noch der steinerne Sockel der
Kanzel und der alte vzotischeo Laufstein., Seine Inschrift 1556
(renovlert 18358) lässt erkennen, dass Thomas Räsel den Taufstein
selbst gesetzl hat und zwar brachte er ilm nicht, wie einst üblich,
in einer Selteneocke an, sondern er stellte ihn mit voller Absicht
im Nittolgang der Kirche genau gegenüber dem Chor auf, um durch
die Gepenüberstellung der beiden Sakramente, Taufe und Abendmahl,
deren besondere Bedeutung recht augenflääig zu machen. Die Fanilie
Roselius wird besonders Interessieren, dass ihr Alın Andreas Roselius
über diesen Stzin die christliche “aufe empfanpen hat.
Ein Besuch des Zaplaneihauses und ein Abendschoppen
im "goldenen Löwen", wo da® "nesechtliche überschwenckliche sitzen
eines Erbarn Raths" vermutlich heute noch vor sich geht, beschloss
den Nachmittag in HNahnbsch, und der gustliche Pfarrer liess 68
sich nicht nchmen, uns noch ein gut Stück Weres zu begleiten,
worauf wir nach mehreren unprogramässigen Zwischenfällen nachts
um 11 Uhr müde sber hochbefriedigt im Casthof "zum Hechten” An
Amberg lsndeien,
Nach aiesem Ausflug in die Gegenwart wenden wir
uns von neuen der Vergangenheit zu, denn von Thomas Rase1{G8 2or
noch mehr zu berichten, wobei wir uns leidur nur auf spärliche
Urkunden stützen können und statt desuen der“ 7. 7) Tm-fionsgabe
einen weilteron Svielrzum gubillisen müssen.
Wie lange Chomas Raselius fm "
wiesen wir nichts ädic einzige Notiz, üie
eYThalten 1eset, findet sich In Rats=Proto)-”
vom 30, 12. 1606.
"An 30. Dezember 1606. Mehrere Zausen dem eheliren Geburt des
Yans Yinkler: Dossen Vater Georg inkler und yarpgareih,
Tochter des Nans Dotzler, haben vor 45 Jahren Hochzeit
yahnabt. Der danalidre Pfarrer Noselius (daneben die Korrek=
tur) Roselius."
59 si‘ht aber fest, dass or in Jahre 1551 noch Pfarrer in “ahnbach
Warı Zvsilellos war er Aus auch noch Lei der Geburt seines Sohnes
„Be
A
Andreas, denn dieser . -eichnet sich in seinen Werken stets als
"Ambergensis", also in Amberg bezw. in der Nähe Ambergs geboren.
Mit Sicherheit lässt sich ferner nachweisen, dass
er im Jahre 1574 Kaplan in der Stadt Neuenburg vorm Walde war,
denn im Amberesur Archiv befindet sich im
"Heuburzer Jose = Caslensa — Revister üinnemens und Usgebens
von allerlel Getreidt von vatheädra Z2etri des 74, bis wider
daruffen de anno 75 * unter der
"Ausgab = Khorn von wegen des Vacelirenden Zfrunder-.-
üie Zintramuagt:
“7 Viertl 121 Xotzen ilerrn Thomen Aogelidus Caplan zu
Neuenburg. Petri den 75. fellig.”"
Thomas Roselius, wie er hier zum ersten „ul geschrieben wird, war
a1s0 &m Tage von St. Petri Stuhlfeier d.h, am 22. Februar 1574 schon
Kaplan in Neucnburg.
4äs ihn bewogen hat, ale eintirigliche selbständige
Pfarrstelle in Maähnbach ult dem untergeordneten Aut eines Kaplans
(II, Yfarrer) zu vertauschen, darüber sagen uns die Archive nichts,
loch lassen seine wüiteren Schicksale erkennen, dass unzweifelhaft
religiöse Gewissenskonflikte die Ursache des Wechsels gewesen sind.
Uns ist cs heufe unverständlich, wie an Jie Unterschiede zwischen
dem lutherischen und reformierten Bekenutnis zu Lebensfragen machen
konnte, bai denen nicht nur die berufsstellung, sondern auch Kopf
und Eragen riskiert wurde, aber wir müssen bedenken, dass die Re=
formation damals genau üleselben unseleuren Lrsgchütterungen der
Volksseele hervorrief, wie wir es haute selbst in der sozialen
Frage erleben.
Thomas Koselius war irotz seiner persönlichen Bas
Ziehungen zu Zelanchthon im Innersten ein unbediungter Anhänger des
lutherischen Bekenntnisses und jeden Kompromiss zit der calvini«-
schen Lehre abhold.
Unter dem Kurfürsten Friedrich II, und Ottheinrich
fühlte er sich in seiner Religionsausübung nicht gehindert, doch
wurde das Verhältnis zum handesherrn anders, als Äriedrich III.
ECHh. der Fromme von der Linie Pfalz-Siauern, den Ihron bestieg.
Der reformierten Auffassung sich zuneigend, trut cr bei der seit
1560 Amer schruffer werdenden Spaltung zwischen Lutheranern und
reformierten Anzer entschiedener für die Sasha lem Onlvinismue adn
A
X
und liess durch seine Vertrauten, die Heidelberger YTheoloren O0le=
vyianus und Ursinus sen sof. "Heidelberger Katechismus" aufstellen.
Auch in seinen Erbluden machte er seinen landesherrlichen Ein«-
fluss geltend, und so setzte er auch in der ÜOberpfalg die Anerken«-
nung der calvinischen Lehre durch.
Dass Chomwas Rosellus üieser Reiurmierung zum Opfer
£161, dose cr soinc Cberzeugung nicht Zreigab und austatt den Man-
tel nach dem Winde zu hängen, lieber wuäicrlelle Entbehrungen und
Sorgen in Kauf nahm, kunn &18 sicher gelten, ob er aber seines
Amtes fürmlich entsetzt wurde oder ob er freiwillig seine gute
Pfründe mit der minderwertigen Laplisnei vertauscht, ist nicht
mehr zu ormittelne
= Jedenfalls wandte er sich nach den 29 ka östlich
Von Amberg gelegenen Städtchen Neuenlurg vorn Yalde, wo er hoffen
konnte, in seiner Religioansausübung nicht Lehindert zu werden,
da die Bewohner Äoucnburgs in besonders ausgeprügtem hasse der
lutherischen Richtung anhingen. Uragischer Teise war ihm auch hier
das Schicksal nicht günstig, denn nach dem Tode Jriedrichs IIL.
im Jahre 1576 gelungta die Merrschaft über ouenburg in die Hände
seines unduldsamen Sohnes Johann Casinir, dor als cifriger An-
hünger dag Calvinismus vofort ait der Ausrottung des ihn verhassten
Luthertums begann.
Yie eines unzedruckte Chronik ae Suandt Neuenburg
erzählt, setzte die Verfolguug der lutherischen Prediger gleich
nach Johann Casinirs Regicruursaentritt ein, Die Lewohner von Neu
enburg wollten sich jedoch keinen andern Glauben aufdränzen Lang
son und ihre bisherigen Prediger behalten. Da sandte Ahnen der
Pfalzgraf calvinische Coistliche, die nuch seinem Sinn waren,
aber "der Landrichter muscte diezclben vor dem Zorn des Yolkes
Schützen" und der cifrig lutherische Dicskon (= II, Pfarrer) Roselius
wurde sogar ins Gefängnis zeworfen, weil er dis Lehre Luthers
heftig verteidigte und sich den fürstlichen Ansrünungen widersetzte.
Dios erzeugte dann unter der Levölkeruns yrossen Unwillen und Kla=
gen über Beeinträchtigung der ihnen von den Ffalzerafen früher
Sewihrten Freiheiten, Lürgernelst:r ung Rat wendeten sich um Ab
hilfe ihrur Lesouwerden an Johann Casinir, worsuf am 13. Septem-
ber 1579 bei der Regierung in Amberg folgende Antwort zur Mittel
Lug &2n den Lsnerichter zu Nceyenburr erfolcter
A
"Es hat ein Rath zu Neuenburg bei uns um Entschliessung
wegen Anstellung eines anderen Predigers an Heinrich
Holzgarts statt und um Arrestaufhebung des Diakon Thomas
Rosellus ...., schriftlich engemahnt. (Thomae Roselii
Diaconi arrests relaxations” halber).
as nun die Entsetzung Neinrich Nolzgarts anlangt, halten
wir dafür, dass sie in dieser Zeit mit Predigen, da 4m sie
(dieselben) nur hören und gebrauchen wollten, genug die
Notdurft haben. "So khann es auch Raseliy arrestes halben bey
beschechener anorüdnung noch zur Zeit und bis uff weitern
beschaidt woll bleiben."
Der Zorn des Pfalzgraßen über den aufsässigen Prediger war also
noch nicht verraucht und er verfügte, dass der Unbotmäüssige bis auf
weitern Bescheid im Gefängnis zu halten sei.
Dass Thomas Roselius die Sympathien der ganzen Stadt
auf seiner Seite hatte, kann man daraus entnehmen, dass alle Bemlis
hungen Johann Casimirs, den Gottesdienst nach calvinistischem Zere=
moniell einzuführen, verglich blieben, trotzdem er in der Wahl
seiner Uittel durchaus nicht wählerisch war. Die Kirchen wurden ZWEar
den calvinistischen Predigern zwangsweise übergeben, aber nicht be—-
Sucht, und ndach dem Vorbilde Neuenburgs richteten sich auch die
umliegenden Städte, sodass der kandrichter und sein Anhang dem
Pfalzgrafen klagten, solange die Stadt nicht reformiert sei, würden
auch die anderen widerstreben.
wie lange Thomas Roselius im Kerker pgeschnmachtet hat,
darüber berichten die Akten nichts. Wahrscheinlich hat er im Jahre
1550 seine Freiheit wiedererlangt, als Johenn Casimir, der frucht.
losen Bemühungen überdrüssig, das widerspenstige Neuenburg gegen
das seinem lutherisch gesinnten Bruder Ludwig zuzefallene Keumarkt
vertauschtee.
So sah sich Thomas Roselius schliesslich doch für
sein Opfer belohnt, aber durch die Tücke des Schicksals war auch
üiese Freude nur von kurzer Dauer, denn schon 1583 starb der
lutherische Ludwig VI. und als Kurverweser seines unmündigen Sohnes
Friedrich IV. gelangte abermals Johann Casimir ans Ruder. Wiederum
se$zte der alte UÜperzeugungskampf ein, Um die Bürgerrchaft allmähe
lich zu gewinnen, fand der Gottesdienst nunnehr abwechselnd noch
Lutherischem und calvinischem Ritus statt. Die fürstlichen Beamten
CD
rieten selbst dazu, die Regierung mörye die Sache nicht bis zum
Kussersten treiben, man solle den lutherischen Predigern wenigstens
gine Kirche lassen. Das geschah, aber die den calvinischen Geist«
lichen eingeräumten Kirchen blieben leer. 50 blicb es denn auch
unter Friedrich IV., l1utherische und calvinische Prediger wirk-
ten lange dahre in Neuenburg nebeneinander, diese von der Regierung,
jene von der Stadt unterhalten, bis der 30 Jährige Ärieg mit
allem aufräumte und die im Jahre 1626 unter Max von Bayern ein«=
setzende Gegenreformation, die nach der Schlacht am weissen Berge
wieder mit Bayern vereinigte Oberpfalz endgültig zum Katholizis-
mus zurückführte., Wer sich für diese Epoche interessiert, der lese
Sperles historischen Roman "Mans Georg Portner", der in ausgezeich-
netter Weise die damaligen Nöte der Oberpfalz schildert.
Ob Thomas Roselius die se zweite Äegierung Johann
Casimirs noch durchkosten musste, wissen wir nicht. Das letzte
Lebenszeichen von ihm 1st eine Unterschrift unter die Concordien-
formel, die er im Jahre 15831 vollzog, wobei er die Schreibweise
"Roselius" gebrauchte.
Yann und wo dieser aufrechte charakterfeste äcnn
gestorben ist, der seiner heiligen Über;eugung trotz aller Fähr«-
nisse und Anfechtungen, trotz Amtsentsetzung und Kerkerhaft, trotz
Ausweisung und fürstlicher Ungande treu blieb, wissen wir nicht,
aus den Aufzeichnungen seiner Gattin geht jedoch hervor, dass er
1596 nicht mehr unter den Lebenden weilte.
Von seiner Gattin 1st bekannt, dass sie Anna hiess
und eine Amberger Bürgerstochter war. Ihr Familienname war bisher
nicht festzustellen, doch ergibt sich aus ihrem Testament, in
welchem Sie "an der kindlein Bag des 96. iars"(29, Dez. 1596)
ihr "Hasab und guedter”" zusammenstellt, dass ihre Eltern zu Amberg
ansässig waren,
"erstlich das Haus darinnen ich bin, das von weinen eldern
herkumbt.”
Schlecht zu vereinigen mit den bisherigen Daten ist eine Eintragung
les Amberger Bürgerbuchs:
“Anna weyland herren Thomasen Rasel11i pfrrrers zu HNannbach
seligen wittiben, hat fur sich und 1re Kinder das burger" ht
kauft u. geschworen-= den 21. Avrilis.
1569 dat 3 fl.
Demach müsste Thomas Roselius aber sehon vor
A
sein, was nicht zutrifft. Ich vermute deshalb, dass entweder das
Datum im Bürgerbuch unrichtig ist, was nicht selten vorkommt, oder
von Prof. Neidhardt in Amberg, dem ich die Abschrift verdankevy,
falsch gelesen ist und 1589 heissen 8011.
Später verehelichte sie sich zum zweiten Male mit
"MNanss Waldhausser, des äusseren Rats Burger in Amberg",
von dem das Bürgerbuch berichtet:
"Hanns Waldhauser, sonst Press genannt, vom Nag, schroter,
hats burgerrecht kauft us geschworen den 14. Oktobris 1555. 52
doch war nach Annas eigenen Aufzeichnungen die Zhe nicht glücklich.
Aus ihrer Verbindung mit Thomas Roselius lassen sich
zwei Söhne und eine Tochter nachweisen.
1. Andreas Roselius, der epitereNagister, Kantor und Nofkapell«-
meister (1562 . 1602), von dem noch ü ie Rede seon wird,
Georg Roselius, von dem Amberger Bürgerbuch schreibt:
"Georg Roselius v« Hannbach purtig, schneider, hat ds burger=
recht geschworn erchtags den 27 octobris anno 1590”
Barbara oder "warbl", an welche sie unter dem "Letzten
Januaris 1601 " einen zütterlichen Brief? richtet, der sich
im Besitz des historischen Vereins zu Regensburg befinüe%.
Auch nach ihrer Wiederverheiratung hat sie sich in rührender weise
um Andress und dessen früh verwalste Kinder bemüht. Dass ihr auch
höhere reistiire Interessen nicht fern lagen, zeigt ihr Testament,
in welchen sie in Bezuz auf die Bücherc1 ihres Gatten dem Andreas
achreibt:
%
#aie behalt deinen Kindern.... sint fein und woll zu lesen,
lasse sie ni% kinder dir, die kinder kinnen sie einmal
auch nüzen".
Nach Andreas Roselius frühem Tode stiftete gie zunächst 50 Gulden
zur Übersiedelunz der Familie von Heidelberg nach Regensburg und
hinterliess ihnen bei ihrem im Jahre 16083 erfolgten Tode das für
aamalire Zeit recht stattliche Erbe von 866 Gulden.
27
7 ö--g Revelius.
& 2 A
a“
Zinn
Sn
m Raselius, einer der Sühne von Thomas Rasel,
yurde zwischen 1562 und 1564 in ishnbach in der Oberpfalz geboren.
Hahnbach ist ein zwischen Amberg und Sulzbach gelegener Markt.
flecken, der heute etwa 800 Einwohner zählt. Die Nähe des nur 17/2
Stunden entfernten Auberg 1st wohl der Grund gewesen, weshalb
gich A.,R. in seinen Werken mehrfach als "Ambergensis" bezeichnet.
Vermutlich hat er auch in Amberg das Gymnasium besucht, denn eins
seiner ersten Werke, das "Nexachordnus" hat er im Jahre 1589
iem Rektor des Jartinsgymasiuns Älchscel,Sonleitner dediziert,
woraus man auf intime Beziehungen zu dieser Schule schliessen kann.
Nach Beendigung der Gymnasiumsstiudien bezog er die Universität
Jeidelberg, wo cr am 23. November 1581 immatrikuliert wurde. A.,R.
scheint cin frühreifer “ensch pewesen Ex sein und über ganz AuSsser-
gewöhnliche Eenntnisse und Fähigkeiten verfügt zu haben, denn
schon am 11. Juni 1532 wurde er baocalaurus articum (Bakkalaurus
3er schönen Künste), Das Bakkalaurat war im Mittelalter der nie-
irigste akademische Grad, die Vorsufe zum Nagister und Doktor und
wurde im allgemeinen nach 3 jährigen Studium verliehen. Bereits
1583 wurde A.R. als Lehrmeister ans kurfürstlichen Pädagogium zu
Heidelberg angestellt und im darauffolrsenden Jahre, am 18, Feiruar
1534, also mit 20 bezw. 22 Jahren erlangte er die Nagisterwürde
der philosophischen Fakultät.
Trotz dieser ungemein schnellen Karriere schied
A.R. noch in demselben Jahre von äeidelberg , wie Rob. Ei1tner
ennimnt, aus konfessionellen Gründen. Ich kann mich dieser Auf«s
fassung nicht anschliessen. A.R. stamste aus lutherischem iülause und
ist, wie wir von seinem Sohn Christoph wissen, sein Leben lang die=—-
sem Bekenntnis treu reblieben, was auch daraus hervorgeht, dass er
1590 freiwillig die Formulae Concordiae unterschrieben hat, Nun
War zwar in Kurpfalg unter Kurfürst Friedrich 1IIl. durch 0le-
Yianus und Ursinus die reformierte Lehre eingebürger% worden,
aber sein Sohn Ludwig VI« hatte nach 1576 das Volk wieder ins
lutherische Lager zurückgeführt. Es licgt also kein Grund zu der
Annahme vor, dass A.,R. aus dieser Ursache üe1idelberg verlassen hat,
es sei denn, dass er trotz der offiziellen Rückkehr zum Luther tum
Fü
Calvinismus und 20” rm! rte Lehre in der Schule insgeheim noch die
Obürhand hatte, was ihn, dem wr strenggläubigen Lutheraner, un-
leidlich war. Für einc derart waitgehende Schlussfolgerung haben
wir durchaus keine Anhaltspunkte, vielmehr hat er später gezeigt,
dass er an der reformierten Lehre nicht den geringsten Anstoss
nahme
Yahrscheinlich ist cs nur, dass rein Häussere Gründe
den Anstoss zu seinen Fortgang von Heidelberg gaben, denn zleich
nach seiner Promovierung zum Magister erhielt er einen Ruf nach
Regensburg. Zr leistete demselben Folge und wurde am 19. April
1534 als Kantor und Kollaborator ans Gymnasium poeticum, der
"poedenschul" 1n Regensburg angestellt. Zs scheint fast, als ob
zarte Bande ihn nach Kercnsburg gezogen hätten, denn knapp 5
Monate später fand seine Trauung mit einen Regensburger Kind, der
Junzgfer Maria Ermälein statt. Das Traubuch der Protestantischen
Pfarrei von Regensburg untere Stadt enthält darüber folyende Zin—
trasung:
"Bingelcit (= geiraut) den 7. September 1584 der wohlgelehrte
Nagister Andreas Roselius, Cantor auf der poedenschuld
alıhlier von Haßsbach mit Jungfor Maria, des Ehrbaren Mathes
Ernüdlein, Apothekers allhier eheliche Tochter.”
Semerkenswert in dieser Notiz ist die Schreibweise des Namens. Zs
ist das einzigste Wal, dass sich A.R. "Roselius" nennt, während
sich sons% bei ihm stets die Eezeichnung "Raselius" findet. Spätere
Autoren führen ihn auch noch mehrfach unter dem älteren Namen
"Rasel".
Die Angabe des Geburtsortes als "HNanbach” gab zu
langwierigen fruchtlosen Nachforschungen Veranlassung, da sich
im deutschen Reich nicht weniger als 6 Orte namens "HNambach" befin«
den, darunter 2 in der Pfalz. Auch die Nachfrage beim Pfarramt
in Amberg blieb vergeblich, Obwohl sich A.R. mehrfach als "Am-
bergensis” bezeichnet. Diese Widersprüche fanden dır chhinen
glücklichen Zufall ihre Lösung, Kirchenrat Lippert aus Bayreuth
tailta mir m1%, dass in der oberpfälzischen Mundart "Hanbach" die
Aussprache für "Hahnbach" sel und dass in der Nähe von Amberg
ein Marktflecken Hahnbuch liege, Dadurch golangte ich endlich
euf die richtize Spur, und es gelang mir, darsufhin festzustellen,
dass A.Rı weder aus einem der vielen Hambach noch aus Amberg selbst,
NE
A
sondern aus HNahnbach bei Amberg stammt. AR, hat eben durch seine
pfälzische Aussprache düle irrtümliche Eintragung des Regensburger
Pfarrers verschuldet.
Die Ehe blieb zunächst kinderlos, als aber erst mal
der Anfang gemacht war, da liess der Kindersegen nichts zu wünschen
übrig. Innerhalb der 12 Jahre von 1587 = 1599 zählt das KRercnsbur«-
ger Taufbuch 9 Einder auf, 5 läüdchen und 6 Knaben:
1, Barbara Roselius er*-sn 210. Mali 21537
2. Arend 25. Juni 15863
3. Tobias 10, Juli 1539
4. Christophorus 2e Juli 1590
5. Wolfgang "3. Auzust 1592
6, Georgius Secundu: Se Januar 1595
7. Joannes Jonas 250 ilai 1596
8. Johannes Thomas 19. April 1593
9. Wolfurg 25. Oktober 1599
Ob späterhin aus der Zhe noch Kinder hervorgegangen sind, ist
bisher nicht festgestellt, doch dürfie es wohl wahrscheinlich sein,
da sich A.,R. bei seinen Fortganze von Regens hure 1600 noch in
äen dreissiger Yahren befand.
CARE
Raselius an der üegensburger Lateinschule wissen wir nicats, Ga—
gegen ha%t er sich als lusiker einen unvergüänglichın Nauen zoschafe
fon, Ist auch im Laufe der Jahrhunderte sein Ruhm verblasst, sein
Name für die Litwelt fast verschollen, so unterlässt cs doch kein
älteres lusikwerk von Ruf, seine Werke mit Achtung zu nennen und
ihn als weister der klassischen Kirchenmusik zu preisen, um deren
Einführung er sich hervorragende Veräüienste erworben hat.
Dass er trotz seiner enuinenten Zegabung für the-
oretische und praktische Jusik keineswegs einseitig war, sondern
als Jann von umfassendem Wissen sich auch auf anderen Y“ebieten
der Wissenschaft betüiigte, zeixg$® eine interessante historische
Abhandlung, die er zu Rexensburg verfasste, Zr nannte sie;
"Annales Ratisbonenses Oder historische Zeschreibung der
Stadt Aegensburg, was durinnen merkwürdigus Zu sehen, auch
was sich darinnen von Anfang der Erbauung bis aufs Jar 1545
notables eräuget."
dattheson (Hauburg 1746) schreibt darüber: "Dieses
Bu
mahls gedruckt worden, ist in lateinischer und deufscher Sprache
in Regensburg vorhanden, doch dan ersiere scheinet in einigen
Stücken unvollkommen zu seyn. Bahingegen die deutsche Ausarbeitung
auch mannigmahl in verschiedenen Stollen die lateinische Übor«
iri7 tt."
Dass A.R, sich in Regensburg einer ungewöhnlichen
allseitigen Hochachtung und Verehrung erfreut hat, geht aus einer
Charakterisierung desselben EBiographen hervor: "Ist übrigens ein
ungemein gelehrter, in vielen schönen Wissenschaften vornehnlich
in der Zusik gpeübter und berühmter Mann gewesen, der wegen seiner
guten Aufführung sowohl bei Protestanten wie bei Catholiken
sich sehr beliebt remacht hat.” Ein grösseres Lob kann man einem
Zeitzenossen der Religionskänpfe wohl kaun spenden.
Bis zum Jahre 1600 wirkte Andreas Raselius in
Rerensburg, dann nahm er einen ehrenvollen Ruf nach Heidelberg en.
Kurfürst Friedrich IV, von der Pfalz hatte sich nach den Tode
goeincs Vaters wiederum zur reformierten Lehre bekannt. Trotz des
verschiedenen Religionsbekenninisses war seine Bewunderung der
künstlerischen Tüchtirkeit des A.AR. 20 gross, dass cr ihn nach
Heidelberg zuürckberief und zu seinem Hofkapellueister ernannte,
Fr{icdrich IV. hat sich dudurch in der Geschichte einen Samen ge=
macht, dass er in richtiger Zrkenntnis der Gefahr, welche der
evengelischen Sache drohte, 1608 die protostantische Union zu
Ahausen ründete, 1c1ider ohne Erfolg, da die Abneigung der nord
deutfrchen Lutheruner yaeren die reformierte Pfalz einen Bund aller
evangelischen Stände verhinderte, während sich die katholischen
Fürsten unter Führung Naximilians von Bayern in der "Liga" waso
fester zusamıenschlossen, Andreas Raselius hat seinen Gönner über«=
lebt; er hat noch die rlanzvollen rauschenden Festtage gesehen,
els Frieärich V., der Winterkönig, und seine Cemahlin Elisabeth
von Enrland Hof hielten auf dem Heidelberrer Schloss, aber ein
gütiges Geschick hat ihn davor bewahrt, die Schrockenstage zu
erleben, als Tilly Yeidelberg erstürmte und aufs grauszmste vor=
wüstete., Am 6. danuzsr 1602 starb der seltene Kann, den ich mir
als einen stillen Gelshrten vor stelle, als einen lienschen mit
kindlich naivem, fröhlichen Gemüt, der nur der Vissonschaft und
seiner Über alles geliebten Musica diente und sich fern hielt von
äem politischen und relisiösen Hader seiner Zeit.
5
Von den zahlreichen musikali*-hen Verken des Anke
die von reiner Berabung als theoretischer und prrktischer Musiker
Sowie von seinem ausserordentlichen Fleiss beredtes Zeurnis
ablegen, sind mir folgende bekannt peworden:
1. HNexachordum sive quaesgtiones musiocae practicnae sex capl-
tilus comprehendae, (= !I,. oder praktische Ausikfragen in
6 Eapiteln zusammengefasst) Nürnberg 1589. Zin Hexachordum
war, nach dem Saucen zu urteilen, ein Instrument mit 6 Saiten.
Joh. Gottir. Walthern schreibt darüber im Äusikal. Lexicon von
1752: "äs besteht dieses Werkgen aus 6 Capiteln, deren lstes
vom Systemate, das zweyte von den Clavibus (=Schlüssel), das drit«
te von den Voocibus (=Töne), dus vierte von den Naiyn Intervallis
(= Unterschiede der Töne nach Höhe und Tiefe), das fünffte von
den Noten und das sexte von den Modis musicis (= iusikweisen)
handelt; so zusamnen nebst der an den Magistra$ zu Regenspurg
gerichteten Dedikation und Trachation (= Vorrede) an den Leser
11. Bogen ausmachen," Das liexachordum scheint das einzige noch
vorhandene seiner musikalisch=theoretiischen Werke zu seln; ze—
widze® war es den "Michaeli Sonleitner, Gymasii Martinioni
Amborgensium Rektore Domina et Ancio leo HKonoris et Observantiae
causa " (= (N.80., dem Rektor des Martinsgymasiumns zu Amberg,
einem Meister und *reund in Verehrung und Hochachtung).
2, Cantionale oder Kirchengesänge, 80 man zur Vesper und
predizt = zeiten, zu den evang. Kirchen zu Regenspurg pflegt
zu gebrauchen. Anno 1563. 50 cm hoch, 36 em breit. Die Melodie
liegt in der Oberstiimne zum Teil Note gegen Note, zum Teile im
Figuralstile 64 E11. im Autogre
(befindet sich in der KXreisbibliothek zu Rezensburg,; zum
Teil defekt),
3. Dodesachordi vivi, in quo decodeoim musicorun Kxempla
accodena 6,5 et Z322x 4 voc. (= Lebende Zwölfklänge, in welchem
12 Beispiele der 12 Musikarten zu 6,5 und 4 Stimmen angeführt
sinü) Nürnberg 1539. Pin Samselwerk. Von Rasel. 7 Gesänge
4. Psalmen und ei "“iche Lieder, welche zu “egensburg in
den evangelischen Zirchen .... gesungen werden. Mit 5 Stimmen
contrapunktweiss (also der Siskant den Choral führet .... 1591
it Dedic., an den Rat der Stadt.)
5. Exercitationes musical_... in queis Xarnificat ad omer
)
ns
Doderachorädi Glarcini modos: Et alldas cautiones 6,5 u. 8 vocum «ee.
coap et orülne desecriptae Jartil mense Ao 1594. Zathält
5 Magnif. von Rasel, endere von Lassur und Sale. Darauf Motette und
deutsche Lieder von Kusel, Ka handelt sich um musikalische Übungen
in der von Ülareanus angegobenen Art. Wer Glareanus war und wer
Magnificat bedeutet, weisse ich nicht.
6, Teutscher Sprüch, aus den Sontäglichen EZvangeliis durchs
gantze Jar alt 5 Stimmen. Nürnberg 1594. 53 Gesängee«
7, oue teutsche Sprüche auff die fürnehmsten Jährlichen Fest
und Aposteltage, aus den gewähnlochen Evangeliis .... mit 3, 6,
B und 9 stim auff die 12 Modos Dodecachordi gesetzt 0...
Nürnberg 1595. 22 Gesänge.
8. Revensburgischer Kirchen Contrapumkt, Allerley üblichen
und in christlichen Versamalungen gebräußhlichen Geistl. Psaluen
und Lieder D 6 ootori11i) % (artini) Lutheri und anderer gottseliger
Nänner, M1t 5 Stimmen. Regenspurg(1599) durch Barth. Gräf xl 8°.
Stim. unter einandergesetzt, oben dass es eine Part. wird. Melodie
in Dise, 51 Non. 3 ohne HMusike
9. Cantica sacra pro nova Poractica (= Geistliche Lieder für
die neue Pfarre) 1599. Gelstliche Psalmen und Lieder 80 in der
Neuen Pfarr zu Regenspurg durchs ganize Jar ublich. mit 5 Stimm, ge=
Batzt.
10. Cantocornus sacrorum geruanlcorwa opus howe (7?) pro nova
Parochid. (= Samnelwerk deutscher Kirchengesänge für die neae
Pfarre). Folgen 9 Distichen dan 131 Bll. in fol. nit 12 Psalmen
und 43 fünfstin. geisil. Liedern.
Bei diesen belden der neuen Kirche gewidueten Liedersamalungen
scheint es sich um ein und dasselbe Jerk zu handeln. A.R. warn
der neuen Kirche Kantor, Zin Autograph davon befindet sieh in der
Universitätsbibliothek zu Göttingen. Beschrieben ist dasselbe im
Göttinger Gelehrten Anzeiger von 15658, Am Göttinger gedruckten
Musik-Katalog Kaolıtrag und von Auer.
11. 2 Lieder und das teudsch Mnsmnificat,
Ume& das Jahr 1720 besass der Organist Valentin Bartholomäus
Hausmann folgende 8 handschriftliche Werke aus der Feder des
Andreas Raselius, welche zur Zeit wohl verscholien sindı
12. Tractatus primus de Subjeoto ilusices (= I, Abhaudlung über ?)
13. secundus de Systemate musi1c0.
»
\ & a
bertius de WMonochoerdi divisicone
PrLODOTL10HäALg unde
Consonant‘ vaniur,.
( = t. über die proporiionale Tellumg des Einklang, von dem
sich die Zusammenklänge hırleiten)
15. Zractatus quartüg de Temperikus musique. (= über die musi-
kallschen Zeiten)
ı® MTreoctatus quint de Symwphonia Consgnuntiis und Intervallis
(= von der Symphonie, den Zusammenklang und den
Unterschieden der Töne)
gext., de allquot Inctrumentis musicis vulzaritor
votis, (= von einigen Musikinstrunenten, die all
gemein gebräuchlich (gewünscht?) sind)
18, Aw) ‚hmetica musica _( = uusikalische Rechenkunst)
19. Anleitung zum_Generslbass,
Ausser diesen v“erken hat Andreies Raselius eino ganze Anzahl geist-
licher Lieder komponiert, von denen heute noch einivye bekannt eind:
7", Anh Gott vom _Miumel (Pa, 12) 1599 4 voc. (= 4 stimaip)
Tucher A, Nr. 235.
Domine_2d adjuvandun me (= Horr hilf mir) 6 stimize Motette.
Abäruck bei J. Ausr.
22. Gelobet seist du, Jesu Christ, 5 stimnmige Komposition.
Abäruck In Michael Praetorius "Husse Sioniane" Wolfenbüttel
16977.
A ste _Zurg, 4 stimalg,.
A rnek bei Zellis Schulprorramm von 1896.
Zehlreich” Kornositionen befinden sich ferner in dem Samselt--—
das BB *° "“ . darunter:
2° PP Jerr_ ist mein illirte, 6 stimuiy.
2° f1s9 hat Gott _die Zelt _yelieht., 8 stimmig.
26. Zrachtet am ersten nach dem r°ich Cotties,
Zum Schluss sei noch eine merkwürdige Komposition erwähnt, die
weren der eigenartiszen Bbegleitumstände, dia ihre Entstehung veran«
lesce% haben, besondere Beschtung verdient. Es ict die
27. Zamnosition auf den Liedertisch zu Anberz.
Dieses berühmteste, in seiner Art einzig damtehende Kunstwerk ist
ein grosser rundır Tisch, der sich in Ratınure zu Amberg befindet.
Auf der nus Solenkofener Stein gefertigten Platte sind in feinster
Ätzarbeit zahlreiche Bilder und Liederverse bunt farbig einvebrannt.
Die Platte ist in 7 konzantrische Kreise eingotoilt, Im Mittelpunkt
2
sieht man das Amberger Stadtwappen, Tings herum den Kalender mit
den 12 Eildern des Tierkreisen, dann folgen Cie 12 Gottheiten des
Olymps, die Wappen der Bürgermeister und Eatsherren von Amberg mit
ihren Denksprüchen, dle nit herrlichen Arubesken geschmückten
Ziffern der Tagce- und Nachtstunden, eine geistliche ilistioriag wel-
ehe das Leben Christi darstellt und im eiebenten und letzten Kreise
ein Lied, dessen Text folgendernassen lautet:
“ Zeil du Herr Crhist an diesen ortt
Versammelt hast durch dein Cöttlich wort%
ein Christlich kirch und Regiunent
Welch dich ehrt lobt und vest bekennt,
a9 bittn wir durch die gnade dein,
781llet bleiben bey diesen Leüflein kleine
Secunda Porse (= IL.,YTei1l)
Verlass sie nlıt o treucr Gott
3fch ihnen bey in aller noth
Damit gefördert werd dein ehr
Und erhulten die veine lehr
Das auch bleib in der Kirch und Schal
Fricdt und genad Loy den Kathstuel.”"
Dieses Lied ist in Noten gesetzt für 6 Stimmen näulich für: Diserntus
Secundus Discantus, Secundus Tenor, Bassus, Altus.
Verfertiger des YTisches sind der Kotarius und Gilden-=-
schreiben Kaspar von der Sitt und der Steinmetzueister Yanns
Leonhard Deinfzslderz entstauden is % cr, wie die Hamen der Bürger—-
meister und Ratsherren ausweisen, im Jahre 15904
Als Komponist de3 Liedes gilt nach neuesten Forschun-
gen Magister Andrsas Raselius, dor zwar in jener Zei% in Regensburg
weilte, aber noch enze Laziehungen zu Amberg hatteyp das er stets
als seine geistize Vaterstadt bezeichnete, J. Auer, Präfekt am
Stuitenseninar zu Anuberg, hat des Licd kopiert und a us der alten
Notation iu die jetzt gebräuchliche übertragen. Einz Lopie dieser
Partitur wird im Auberger Stadtarchiv aufbewahrt. Inspektär
KNichael Haller zu Regensburg, eine Autorität auf dem Gebiet der
Kirchenmusik, äussert sich folgendermassen über die Komposition:
Der faentus dcr Ambergor Tisch platte hat ueine LT=
NeErs tungen vollkommen gerechtfertigt. Die Künstler haben in der Tat
81118
DC Ye
Z0MDOS1L1L0N
fehlorfrei
ın den Stein
Hegraben;
LOL
z
eine Note 1st falsch, Die Tonart ist die mixolydische und zwar nach
der pewühnlichen Anordnung Cer Schlüssel (der norua-len statt der
Iranspositionsschlüssel) die plaägiaäle oder hypomixolydische, während
ösg üftere Überschreiten des ambitus der plegislen Tonart und die
Dominsnte dd an vielen Stellen den Charakter der authentischen Ton-
art ergeben. Die chorlsche fohlusskadenz üer I, pars. mi% crhöhter
Yerz %irkt wie cine Fearadenn (Trugschluss) dem sofort die I1, pars.
folzen yuss, um voll zu befriedigen. Die Form der Komposition ist
der einfache Kontrapunkt in 4 = 6 zgtimmigem Satze, zgrossenteils
nota contra notam, susserüem aber in freier Dewegung der Stimmen,
im sogenannten "blühenden" (floridus) Kontrapunkt gehalten. Die
Imitation tritt in der il.4ypars., zweimal in freier jeise auf, Zarte
vierstimuige Sätze, bald im helleren Koloarit der höheren Stimaen,
bald im dunklen dir tieferen treten nit wuchtigen 6 siimnigen
Sützen in angeanchne Jachselwirkung. Dabei ist alles von grosser
Klangschünheit uad Xlangfüllo."
Mit dır Komposition auf dem Liedurtisch sind unsere
Aonntaisse von den Yorken des Andreas Raselius, soweit eie der
Nachwelt erhalten ebLliıchun sind, erz6ehöpft;z in anbetrnzcht der
erstaunlichen Produktivität, die der geniale Komponist bis zum
Jahre 1600 entfaltet hat, zıcl7le ich nicht daran, dass es bei pe=
nauen Äagchforschungen noch zelingen wird, unacherlei aus der ileidel=
bergi:r Zeit zu Ter2 zu fürdern., Jedenfalls lohnt es sich, einen ver-—-
dienstvollun Namen wieder ans Licht zu zlehen, der bei seinen Zeite
genossen und Nachfahren einen guten Klang hatte und erst im letzten
Jahrhundert der Vergessenheit anheim pefalien ist.
Zur Vervollstündiguug sgeincr ChuärskbSeristik seien
aus den von ihn handelnden Schriften einige Stellen angeführt.
Nattheson schreibt 1740: " Ist übrigens ein ungemein gelehrter,
in vielen schönen Jiasenschaffen, vornehnlich in der Jusik
geübter und kerükhnter Kann gewesen."
Gerber 1790 +" Seine ungemeinen Zenntnisse und Wisgsenscha ften,
cein Kulm, den er sic h als Tonkünstler erwarb und sein vor—-
treiflicher Zarakter, machuten iin nicht nur daselbst allgemein,
sondern halten zuch die Folze, dass ihn Churfürst #riecirich IV.
von dar Tfelz in scin Vaterland wiederum zurückberief? und zu
gelilnen Hofkaypellmeister ernannte." Und sn enderer Stelle:
" Zu den Werken dieses morkwürdigzen und gelehrten Kompo=-
alsten zehört ...
A
36
Kornmüller: "R. stand hoch als Gelehrter, Musiker und Sch 7*gteller
und Lieferite vieles an Eompositionen für 4,6 und 8 Stimmen."
Kaunann: "In Deutschland dürfte einer der ersten Meister, die die
neue Kunstform pflegten, der auch theoretisch für Generalbass
thätige Regensburger Kanthr Andreas Raselius gewesen sein.”
Selbst ein Fraurose, Fötis, hat eine Biographie von ihm verfasst;
die älteste Würdigung seiner Person aber, die wir besitzen, findet
sich in einem Briefe seines Sohnes Christoph; derselbe schreibt:
" mein Seeliger Vatter, welcher auch promotus Magister gewesen,
Andreas Raselius, und ein fürtrefflicher Nusikus.*
Aus alle dem geht hervor, dass es sich bei Andreas
Raselius um einen aussergewöhnlichen lann gehandelt hat sowohl als
“ensch wie als Künstler und Gelehrter, um eine stille,feine,vornehme
Gelehrtennatur, welche Zeit ihres Lebens nur Licht und Wärme um sich
verbreitet hat, Er 1st, wenn auch keiner der Grüöüssten, so dach ein
Ürosser gewesen im Reiche der Kunst, ein Meister auf dem Gebiet der
klassischen Kirchenmusik, deren Blüte ihn unzweifelhaft mit zu ver-
danken ist.
Von seiner zahlreichen Familie ist nur das Schicksal
ürcler Söhne bekannt, die alle drei entgegengesetzte Naturen gewesen
zu sein scheinen. Im Gegensatz zu dem friedfertigen Vater wurden
zwei derselben, Georg Secundus und Johann Jonas Kriegsleute von
Beruf, Johann Thomas wurde Kantor wie der Vater, starb aber in
frühen Jahren, und der vierte, Christoph, war ein streitbarer Herr,
über den im folgenden noch mancherlei zu erzühlen sein wird.
Litteratur.
1. Rotermund zum Jöcker VI, Sp. 1379 fı —
2. Wolthern, Musikalisches Lexikon. Leipzig 1732. 5. 512. =
3. Gerber, Lexikon der Tonkünstler, Leipzig 1790 II, Sp. 233 £.
4. Gerber, Neues Lexikon der Tonkünstler. II. Sp. 793 f.
5. Bernstorf. Neues Universk&allexikon der Tonkunst II1l. SS. 2530 ff.
6. Fetis. Eiloxraphie des Musiciens., 2. Ausg. VII. S, 183.
7. Eitner, Bibliograpkie der Nusiksammelwerke des 16, u. 17. Jahr-
hunderts. SS. 793.
Verzeichnis necuer Ausgaben alter Musikwerke aus der
frühesten Zeit bis zum Jahre 1800.
Bilographisch-Eibliographisches Quellen=-Lexikon der
Äusiker und WJusikgelehrten der christlichen Zeitrechnung
bis zur Mitte des 19. dahrhunderts.
57
a
lo. Mettenleliter, Kusikpgeschlichte der Stadt Regensburg 1866
11. " Musikgeschichte der Oberpfalz 1867.
12. Avery, MM. Andreas Raselius, Monatshefte für Kusikpeschichte.
Beilage Jahrpyang 24.
13. Naumann, Illustrierte Musikgeschichte,
15, Göttinger HNusik-Xalender Nachtrag.
15. Krüger, Göttinger Gelehrten Anzeiger 18683, Ed, I. 5. 510.
16. B. Proske, hds. Samnclwerk, Regensburg.
17. Praetorius, Musae Sioniae. Wolfenbüttel.
13. Zelle, Schulprogramm. 1896. Monatshefte für iusikgeschichte,.
283. 724
19. Jückers Allsegemeines Gelehrten Lexikon. Bremen 1819.
20. Rotermund., Lexikon aller Gelehrten, die seit der Reformation
in Bremen gelehrt haben. 18313.
21. Mattheson. Grundlage einer Ehrenpforte, Hamburg 1740.
22. König. Der kunstvolle runde Tisch im Rathause zu Amberg.
2). Woller. Der kunstvolle Liedertisch in lathause zu Anuberg.
N.B.! Nach Fertigstellung dieser Biographie gelanzt die
Abhandlung von J. Auer: "li. Andreas Raselius Ambergensis, sein Leben
und seine Werke" in meine Hände, welche in vieler Hinsicht wört—-
Lich mit der meiniren übereinstimnnt, manches aber auch weit aus
führlicher bringt, sodass eine HNeubearbeitung der Kapitel über
Thomas und Andreas Raselius unabweisbar ist,
3
Chrintenn Andrese Raselius
ist, wenn such nicht die symapthischste, 80 doch die intercssants- 44
Persönlichkeit im Stumubaum der Familie Roselius. In den meisten
Eüchern, die ihn erwähnen, wird er irrtümlich als "Christoph
Andreas" bezeichnet, in Wirklichkeit nannte cr eich aber "Christoph
Andrecae”, was "Sohn des Andreas" bedeutet. Sein Familienname wird
sehr vorschleden geschrieben; in den ersten Jahrzehnten überwiegt
die Bezeichnung "Raselius", er solbet bezeichnet sich aber in seinen
Büchern öfters als "Roselius”", woraus später die irrtümliche Auffas
sung entstand, es handle sich um zwei verschiedene Persönlichkeiten.
Dieser Ansicht tritt alch Arnold in seiner "Kirchen- und Ketzerge.=
schichte” zunächstbei, um aber in einem späteren Rcutires selbst zu
widerlegen und den Nachweis zu führen, dass "Raselius" und "Roselius’
doch ein und dieselbe Person sei. Neben diesen beiden Schreibweisen
finden sich bei ihm noch zwei andere ı "Rosaelius" und "Rosselius",
es ist aber kein Zweifel, dass es sich bei allen um Christoph Rase=-
11ius handelt.
Christoaph Anädreae Naselius wurde am 2. Juli 1599 in
Regensburg als viertes Kind und zweiter Sohn des Nagisters Andreas
Raselius und seiner Frau Maria geb. Erndlein geborenz er nennt sich
selbst in seinen Schriften "Ratisbonensis” = "aus Äegensburg ge-
bürtig". Seine früheste Jugend verbrachte er in Adegensburg, wo er
vermutlich das Cymnasium poeticum, die Wirkungsstätte seines Vaters,
besucht hat. Die Derufung seines Vaters nach ileidelberg hatte seine
Übersiedelung zur hochberühuten Landeshauptstadt zur Folge, doch
wüinrte der Aufenthalt daselbst nur zwei Jahre. Der allzu frühe Tod
des Vaters zwang die in bedrängten pekuniären Umständen ZUurückge«—
bliebene Witwe, nach Regensburg zurückzukehren. Das Schülerverzeich«=
nis der Poetenschule wird ergeben, ob er später wiederum die La=
teinschule besucht hat, wie das bei seinen jüngeren Bruder Johann
Thomas der Fall gewesen ist.
Nach Beendigung der Gymnasialstudien wandte er sich
nach Wittenberg, wo er 1609 als Studiosus der Theolozie imnatriku=
liert wurde, Er verkehrte daselbst im Nause des Professor Leonhard
Hutter und war öfters rein Tischgenosse. Chr. R. erwähnt dessen
in seinen Pricfen, um zu beweisen, dass er echon als Student der
lutherischen Lehre zugeten sei, denn Hutter war bekannt als einer
der entschliedensten und einflussreichston Vertreter der lutheri—-
schen Orthodoxie, sodass man ihm sogar den Beinamen "redonatus
Lutherus" = "der wiedergeschenkte Luther" verlieh. ie Hinneigung
zur lutherischen Rechtgläubigkeit, für die schon Vater und Gross
vater gekämpft und gelitten hatten, wird ferner bestätigt durch
die Übersiedelung zur Universität Giessen, welche damals gireng
lutherisch war im Gegensatz zu dem benachbarten reformierten Mar«-
burg. Dort in Giessen verweilte er üen Rest seiner Studienzeit
und wurde daselbst im Jahre 1614 als Pfarrer ordiniert.
Die erste Pfarrstelle Christophs war das kleine,
heute etwa 300 Einwohner zählende Städtchen Immekeppel am Sulz-
bach bei bergisch Gladbach, in dem kurz vorher an Pfalz-Neuburg
gefallenen Herzogtum Berg. Seine Berufung nach dort verdankte er
jedenfalls den Beziehungen seiner Familie zu Pfalz-Neuburg, denn
nach J., Auer war sein Grosswater Thomas um seines lutherischen Be«=
kenntniesses willen nach Neunburg in der Grafschaft Neuburg ent
wichen, Es wäre sonst schwer zu verstehen, wie er als 5üddeutscher
zu einer Pfarrstelle im bergischen Land gelangte. Nach dem Alter
seiner Kinder zu schliessen, hat sich Chr. R. bald nach seiner
Einführung in Immekeppel verheiratet. Über seine Frau und die Co=
burtsdaten seiner Kinder habe ich bis jetzt nichts erfahren können.
Immekeppel hat heute ein katholisches Pfarrant,und der dortige
Pfarrer Heeren schrieb mir auf ueine Anfrage, dass sämtliche
älteren Kirchenbücher in das Düsseldorfer Archiv überführt worden
seien.
Der Aufenthalt in Immekeppel wurde bestimmend für
Chr.,R. ferneres Leben, da er sich dort der schwärmerischen Be=
wegung anschloss und ihr trotz zahlloser Misshellirkeiten sein
gmnzcs Leben hindurch treu blieb. Um die Persönlichkeit des eigen-
artigen Mannes, sein Leben und Wirken ganzverstehen zu können,
ist es notwendig, dass wir uns ein Bild der damaligen Zeit und
ihrer religiösen Strömungen machen, welche ein Jahrhundert lang
im:er wieder von neuem in wechselnder Form und unter verschiedenen
Namen auftauchen, sich in Gegensatz zur herrschenden Kirche stell-
ten und deren Destand zu untergraben drohten.
Die verschiedenen, schon in den ersten Beforma=
tionsjahren hervorgetretenen Sekten, die Schwärmer und Wiedertäu-
fer unter Thomas Münzer und Johann von Leyden, waren teils dureh
2
ba
üie Blutströme, die der “auernkrieg und die Pelagerung von Münster
haften fliessen lassen, weggeschwemnt worden, teils waren sie,
von den Regicrungen verfolgt und bedrückt, überhaupt nicht zu wei«
terer Verbreitung gelangt. Da und dort tauchten sie wohl noch mal
auf, riefen wohl auch etwas Beunruhigung hervor, aber irgend einen
wesentlichen Einfluss vermochten sie im 16, Jahrhundert nieht
mehr auszuüben. So war auch im bergischen Land eine sektirerisch«
schwärmerische Bewegung ausgebrochen, welche sich aber trotz man-
nigfacher Verfolgungen zu behaupten verstand und allerlei Anhang
besasse
Ob Chr.R. glich schon als Student zur schwärnerisch«e
mystischen Richtung hingezogen fühlte, ist nicht bekannt, jeden-
falls schloss er sich in Imnemkeppel den Sektierern an und ver«-
focht ihre Sache mit dem ihm eigenen Fouereifer. Dass er dadurch
bei seiner kirchlichen Obrigkeit Anstoss erregte, war nicht zu ver«
wundern und hatte zur Folge, dass er 1622 weren Irrlehre für abge
setzt erklärt wurde, Trotz seiner Vertreibung hat Chr.l. die Co=
neinschaft mit jenen Schwärmern niemals geleurnet, noch 20 Jahre
später redet er von seinen dortigen "ZBrüdern", mit denen er in
Verbindung stehe.
#0 sich der Vetriebene in den Jahren nach seiner
Absetzung aufgehalten hat, lässt sich nicht restlos aufklären;
1622 und 1623 hat er sich in “anburg aufgehalten, "wo mir in
neinem Ex111o von frommen Hertzen viel gutes wiederfahren " (an=
dermaliger Fricüiens-Erieff Ao. 1641). 1626 finden wir ihn in der
Bremer Gegend wieder, Dort in jener Zeit begannen um jene Zeit
ie ersten Anfänge der Schwarmpeisibewegung, und wir werden gpäter
sehen, dass Chr. X, an ihrer Verbreitung tätigen Anteil hatte.
Seit dem Abschluss der Konkordienformel herrsehte
im Luthertum die Orthodoxie, die Rechtgläubirkeit, welche das
starre Festhalten &n den Formulierungen der DBekenntnisschriften
für die Vorbedingung der "reinen Lehre" erachtete., Die Naupttä«
tigkeit dieser Theologie bestand in der Polemik gegen Andersgläu«=
bige und in dem Ausbau eines dogautischen Systems. Die Religion
war dem Geistlichen Nebensache, sie war in äusserlichen Formen er«
starrt und eine reine Verstandesangelegenheit geworden; dogmatische
Polemik stand im Vordergrunde} das Herz blieb leer dabei, Den
breiten Volksmassen, welche zu Luthers Zeit die geistire Befreiung
freudig begrüsst hatten, vermochte schon ein halbes Jahrhundert
gpäter die Kirche nichts mehr zu bieten, Sie waren wieder gurück«
gesunken unter den dumpfen Druck eines uneriräglichen Kirchenre«-
gimwentes, das sich von dem alten papistis-chen Zwang nmnur wenig
unterschied. Versäumer der Predigt und der Katechese wurden zur
Anzeige gebracht und vom Amtmann mit harter Strafe belegt, © gar
Erwachrene wurden zum Katechigmusunterricht gezwungen, der Abend«-
mahlsgaäng naıtjähr tin Znbefonzen, die Kanzel zur Verkündigung
weltlicher Verordnungen missbraucht, Dass dadurch die Gemeinden
verbittiert wurden und in ihrem Frediger weniger den guten Hirten
als vielmehr den Büttel der Lehörde sahen, ninut kein Wunder.
Eine Resktion war bei dieser Stinsung über kurz
oder lang unausbleiblich. Nicht nur die Laien, genjlern auch manche
Geistliche waren dieses Kirchenregimentes überdrüszsig und 08 be=
durfte nur eines Funkens, um den zufgehöäuften Brennstoff zum Auf»
flackern zu vringen. Nechdem sich schon Ende des 16. Jahrhunderts
eine sektirerische Bewegung die "Sakramentierer”" bemerkbar gemacht
hatte, ohne jedoch grossen Zinfluss zu gewinnen, nahn im 17. Jahre
“undert die opysitionelle Bewegung brüiter lassen gesen die Kirche
bedrohliche Formen an. In Wirklichkeit wandten sle sich aber keines-
WeOgS gezon die evangelische Äeligion, sondern yeren die Art, wie
Bie gelehrt wurde, gezen ülie Äusserliche schulmeisterliche Auffag«e
sung dor Fröanirzkeit und gegen das Polizeikirchentum. Die bittere
Not des üreissigjährigen Krieges trug noch dazu bei, den Eoden zu
bereiten und das Volk, dem die Kirche bis dahin Steine statt Brot
geboten hatte, empfänglich zu machen für die neuen Lehren, welche
gottzekire Beschaulichkeit und warmnherzivre Prömulrkeit an Stelle
des toten Huchstabenglaubens setzen wollten. Die durch den Bruder«
krieg krankhaft überreizte Volksseele suchte nach neuen Bahnen
zur Viederherstellung der erschütterten Gotftesremeinschaft., Allent—-
halzben erhoben sich ekstatische Schwärmer, welche auf Grund
persönlich empfangener Öffenbarungen versuchten, dem Volk neu@
Wege zu weisen. Während bei den temperatmentvollen Bewohnern der
Rheingegend äie schwirmerische Zewegung schon frühzeitig Einzug
gehalten hatte, brach sie sich in dem nüchternen Nieüdersachsen
erst im 17, Jahrhundert Bahn. Zunächst waren es einfache Laien,
Bürger und Bauern, welche durch zöttliche Offenbarungen, Gesichte
und Visionen anretrieg ben, eine heilire Zlission an ihren üitmenschen
mr
»
zu erfüllen zlaubten., Die niederePchsische Kirchengesc"ichte kennt
zahlreiche Nauen solcher Propheten, die an vielen Orten aufgestan«
aen und von sich reden machten. Später übernahmen Geistlicheund
Gelehrte die Führerschaft und auchten im Gegensatz zu dor staatlich
anerkannten Xirchonlehre ein eigenes Lehrsysten aufzustellen,
garieten aber dadurch in unversöhnlichen Gegensatz zur Landeskirkhe.
Diese ganze religiöse Lewegung bezeichnet man Als
äie der"Schwarmgeister", äogch finden wir unter ihnen unzählige Ab-
stufunzen, von solchen, die fast panz auߣ dem Boden der Landeskirche
standen und nur den Geist anstelle des Buchstabens setzen und die
christliche Freiheit und Selbständigkeit das Individnums betonen
zoöllten bis zu Jen rddikalen Separatisten, bei denen ein Zusaäamuacn«
hang mit der “andeskirche überhaupt nicht ze hr be stand. Auch
in der Lehre gab es zahlreiche Überränge und lNischformen. Da war
lie "mystische Richtung" , welche die mittelalterliche MÜrstik
woiterentwickelte und mit der modernen Naturanschauung der Ras
naissance verband. Zu ihnen gehört in erster Linie der schlesische
Pfarrer Valentin Weigel und der Görlitzer Schuster Jakob Böhm,
beides Männer, die einen grossen Zinfluss ausübten und auch für
Ihre RR. Leben bedeutend wurden. Auch Giordano Bruno, den einstigen
Domänikeanermönch und den abenteuerlich phantastischen Naturphilo=
sophen und Mediziner Kombastus Paracelsus von lichenstein kann uan
hinzurechnen, obwohl letzterer schon einer älteren Zeit entstaumt.
Da waren forner die "Chiliasten" (Chiliai heisst griechisch 1035),
welche die Nähe des tfausendjährigen Keiches verkündeten, bei
ihren Offenbarungen vom nahen Jeltende auf die Strafgerichte Got«
bes um der Sünde der Zeit willen hinwiesen und zur Busse auffor«
jerten. Da waren "Pantheisten, Iheosophen"g selbst sozial=-revo=
lutionäre Elemente in bunter Mischung. Neben schlichter demütiger
Frömmigkeit finden sich Extreme, die dem religiösen Jahnsinn
nicht mehr fern waren; neben Scharfsinn und Gelehrsanukeit schwäirme«
rische Utopien wie die Li1i-bervereinigung aller Goftfteskinder auf
Srden.
x
Die in Niedersachsen wirkenden Schwärmer na*ten
Sich "Enthusiasten", Menschen, üie "von Gott erfüllt" waren, Durch—-
ürungen von ihrer heiligen Mission, von der sie echwärmerisch und in
ehrlicher Begeisterung überzeugt waren, glaubten sie in dirscktem
sersönlichen Verkehr mit Gott zu gtehen, unaittelbare Offenbarr
von ihm zu erhalten, Trotz des Leidenschaftlichen Fanatismus,
mit dem sie ihre Sache verfochten, kann man dhnen die Anerkennung
nicht verragen, dass es sich in dur laupftsache um ein rein selbei«=
loses Streben handelte, das eins Verinnerlichung des damaligen Ge=
wohnheitschristentums zum Ziel hatte, und Cie christliche Bruder«-
lisbe wieder in den Vordergrund der christlichen Lehre bringen woll-
te, Wenn ihnen ein greifbarer praktischer Zrfolg auch nicht be=
schieden wär,die molsten geletlichen Anhänger der Bewegung viel=
mehr zu einen Bruch mit der Landeskirche relsanftien, welche sie als
Ketzer und räudise Cchafe aus ihrem Schosse aussiiess, so lag das
an der Unklarheit und Verworrenheit ihres Lehreysteung sowie an
der Kaselosigkeit, lt der sie offensichtliche Utopien in die
Virklichkeit umzusetzen suchten«
So sahen Öle kirch lichun Zustände zu der Zeit aus,
als Christoph Raszelius Leben sich absepieltie. Dass er gelbst täti—
gen Anteil en diesen religiösen Kämpfen zendmuen hat, wurde schon
erwähnt; es ist sogar anzunchnen, dass er einer der ersten Verfech«=
ter des Enthusiasmus in Niedersachsen gewesen 1st, dessen Ideen
er vom Rheinland mitzebracht hatte, Auf seine Geistesbildung sind
vermutlich üile Schriften dreier Münner bestimaend geweren,
Da war zunächst der Celler Generalsuperintendent
Johann Arndt ( + 1621), einer der edelsten Miünner der protestanti-=
schen Kirche. Obwohl seine fromzen Lrbauungsbücher "vom wahren
Christentum" und "Paradilesgärtlein", die heute noch seinen Namen
unvergesslich machen, sich an üile mittelalterliche lystik eines
Tauler und Thomas von Kempen anlehnen, versuchte er den Zusammen«-
hang mit der Landeskirche durchaus zu wahren. Trotzdem w ar er
zahlreichen Verfolzungen ausgesetzt und wurde mehrfach des Landes
verwiesen, bis er in Celle zur Ruhe gelangte. Dass Chr.R, sich
öfters auf ihn als suf seinen Meister und sein Vorbild beruft,
kann ihm nur zu seinen Gunsten auszelext werden, denn noch heute
FiLt Joh. Arndt als ein äÄann, der unzählizen Chris ien ein Trost
und Führer gewesen 1sta
Der zweite, schon wesentlich extremere, war der
fromme Görlitzer Schuster und Philosoph Jakob Bochme (+ 1624), der
in seinem Buche ı "Aurora oder die Morgenrüte im Aufgeng" ein
böchst phantastisches, uystisch = fheosophisches Srstem entwickelt.
Dass Chr.R. zu ihm in Beziehungen getreten ist, wenn auch nur pei-
stizer Art, geht zus a6 Sitirektschrict "Antoboehmins" des ortho=
loxen Theologen Calavius hervor, in der er auf die Verbindung mit
)hr.2. hinweist.
Der üritte, der entschieden den melis ten Zinfluss
Ruf Chr... eusgcübt haft, War der schlesische Pastor Valentin
Yeirel (+ 1583). Weit radlkaler uls die beiden vorgenannten Männer
wor er der Verireter und Begründer einer theosophischen Mystik,
yelche sich von Xirche und geschichtlichem Christentum betteits
weit entfernt hatte. Sein Zinfluss auf die mystischesektidrärische
Richtung uns“ ein g2n3 susserordentlicher guwesen sein und hat
ihn den Hass der orthodoxen Kirche in weitgehendsten Masse zugetra:
ven. Noch 100 He jeder, der neben der einseitiren Beto=
nung der "reinen Lehre" auch die Notwendigkeit eines "christlichen
Lebens" hervorzuheheh wagte, als “Weigelianer" mit dem Bannflüch
belegt, wie es Chr.R. zuch noch sales siebzipjähriger Greis en sich
erfahren musste,
Heben cCiesen 3 Jännern, deren Einfluss unverkennbar
ist, haben zweifellos auch intime Beziehungen zu Holland bestanden.
Holland war schon lange eine Yreistatt religiöser Flüchtlinse ge=
wesen, ein äerd der sektirerischen Bewegung« Chr.ä. bester Treund
und Gesinnungsgenosse Felgenhauer war lenge in Anusterdam, er scolbst
hat ebenfalls häufig” sort geweilt, wie auch seine Bücher, die even«-
falls grüsstentei1ls in Austcrdam gedruckt sind, bweisen« Es ist
nicht unwahrscheinlich, dass er sich in den zwischen Imnekepp:1 und
Schwarme liegenden Jahren (1622 = 28 ) auch in Holland aufgehel«
ten hrte.
Sein unstietes Wanderleben endete zunächst in
Schwarne bei Premen. Was 1hn, den teuperamentvollen Süddeutschen,
bewogen hat, sich gerade in dem ihm doch besonders wesensfremnden
Niederrachsen heimisch zu möchen, entzieht sich unserer Kenntnis.
Vielleicht war es der Verkehr mit gleichgesinnten Glaeubensgenossen,
vislleicht üuie gerade einseifzende enthusiastische Bewegung, deren
Geliumgen und Verbreitung ihm in hervorragenden Jagsse zu verdanken
ist. Jedenfalls ist sicher, dass er einen grossen, Sogar den gröss«
ten Teil seines lMannesalters &n der Nordsceküste zwischen Lübeck
und Amsterdam verbracht hat.
Als Wanderprediger gelangte der in Immekeppel ver«
“"rieDane
F1lüchntlins
in älie Vremer
Gerende as
“ein Ziel war,
13m
sen wir nicht, Viellcicht zog es ihn zu der a lten Ulansestadt
Bremen, viellzicht hatte er sber nuch ein weiteres Reisezielz ich
denke dabei &n Schweden, Tür das er eine besondere Vorlicbe gehabt
zu haben scheint, da er sein erstes Buch Gustav Adolf gewidmet
hat, als dessen "unterthänigsten Diener" er sich bezeichnst, Gustav
Adolf galt damals els der Hort des Protestantismus,und e8 er
scheint uilr nicht unmöglich, dess Chr. RE, sich auf der Reise zu
ihn befand, Mit dieser Annahue liesse sich auch zur Not eine
Junkle Familienlegende in Einklang bringen, welche besapte, der
älteste Vorfahr der Bremer Linie habe aus Süddeutschland über Bre-
men auswandern wollen und sei zus irgend einen Grunde in der
Bremer Gegend hiäünzen yebliebene
Wie dem nun such sei, üie Reise Chr.i, fend hier
ein unerwartet:s Ende, Ein eigenartiyer Zufall wollte c8, dass
in der Öemeinde Schwarme bei Thedinyheus en, welche sich "aus eire-
nen Mitteln einen schlecht dotierten Prädikanten" hielt, diese
Oferrstelle gerrde in der Zeit unbesetzt war, als Chr.,R. den
Ort berührte, Dass es sich tatsüchlich um einen reiten Zufall ze
handelt hat, bezeugt der auf der Schwarner Yfarre aufbewahrte
Catalorus pastorum. Diescs Pfarrerister enthält die Notiz:
"Anno 1628 ist Christoph Roselius, Zatisbonensisr, ale dB
Gemeinde über dr.1 Jıhr olme Prediver SewesUng hier durch—
gercist und unvormuteß zum Frediiger hicrrelbest vociret und
introduciret unno 162%. Ist aber wieder reuittiet werden.”
Die Schwarmer Pfarre war nach "Droiger Die Nerzortimer Bremen
und Verden" ursprünzlich eine zum Kirchspiel Lunsen gehörire Kae
pelle, in welcher der Pastor von Lunsen elle vier Yochen einmal
predigte und kommunirierte., Auf vielfältiyzes Anhalten der Gezein-
de wurde derselien die Erlaubnis erteilt, auf eigene Kosten einen
Fapellan zu halten, der drei Beuerschaften scealsorgerisch zu ver
S0TgenN hatte, Das Recht zu taufen und Abendmahl zuszuteilen, war
ihn nicht zugestanden und kas es deswegen häufig zu Streitigkeiten
nit Lunsecn, da "die Schwarnenser Pastores Bich nicht in schranken
halten wollen, sondern immer dieser Kirchen Näher getretten und
allerhand guerras gemuchet,”
So hatte denn der Ver£riebene wieder eine Heinstät«
te gefunden, Um eins Fette Pfründe hat es sich aber schwerlich re
handelt, denn wenn im Jehre 1750 dem Kaplan der fürstliche Lohn
ron "20 Daler" verabreicht wurde, so kann man eich vaorstallen,
BE
du
wie rross dag Gehalt im dreissigjährigen kriore gewesen sein mage
Die Einkünfte werden aber kärglich genug gewesen sein und in der
Hauptsache aus Naturalien bestanden haben, doch wird ihm keine
andere Wahl geblieben sein, wenn er Weib und Kind ernähren wollte.
Nach den bisherigen Ermittlungen s teht fost, dass er damals schon
wenigstens zwei Söhne gehabt hat. lerkwürdigerweise wird Chr.R.
auch später immer noch als "Pastor auff Immekeppel" bezeichnet,
auch nennt er sich selbst nach seiner Schwaruncer Pfarrzeit noch so.
Irotzalledem ist er nach allen Anzeichen gern in Schwarme gewesen,
und die Gemeinde hat mit Liebe an ihm gehangen und sich aus allen
Kräften gegen seinen Nachfolger gewehrt, der "wieder ihr vielfäl—-
tig Mitten / Weinen / und Flehen eingedrungen" und der "hochbe=-
trübten / trostlosen Gemeine wieder ihren Willen aufgedrungen ®
mar und "mit seinem Lästern / Schmähen / und anderen bösen Exen-
peln in kurtzer Zeit leider alles wieder zgerstöret / was er in so
nanchen Jahr mit so grosser Mühe in des Herrn Gnade erbauet habe,”
Leider dauerte die friedliche Zeit in Schwarme,
welche ihm befriedigende “emeindearbeit und ein zwar kümmerliches,
aber doch auskömmliches Dasein ermöglichte, nur wenige Jahre. Die
Jellen des dreissigjährigen “rieges schlugen bis in das stille
Heidedorf, das bislang von seinen Schrecken unberührt geblieben war.
Pappenheiu'sches “riegsvolk äurchstreifte von Stade aus die Gegend
und fahndete nach den protestantischen Predigern., Die gnaze Gemein-
de verlief sich vor dem Kroatenvolk und auch Chr.R. musste flüch—-
ten und mit Weib und Kind abermals ins Elend gehen. Er selbst
schreibt darüber:
"Als ich Anno 1632 / da General Papenheimb die Kays. Guarni-
son aus Stade holte / an meinem Orte in grosser Gefahr war /
neil mir die Crabaten (= Kroaten) sowol / als andern Prie-
stern im Lande nachtrachteten / uns ins Gefängnis gu brin«-
gen / wie ich wol bezeugen kan / und dasselbe mahl auch mei-
ne gantze Gemeind verstreust war / ich auch anderswo mit
meiner Nausshaltung im Elend arnselig leben musste / nahn
ich in dieser Müssigkeit Ursach meine erste Buss-Posaune
Zu schreiben den es ging mir das grosse Unglück Deutsch-
lands sechr zu Hertzen."
erFahren aus diesen Worten zuzleich, dass er sein errtes und
17
bedeutendstes Werk in Schwarme nicht geschr‘ "en hat, wi‘ die mei«=
sten Autoren angeben, sondern in der *-=--""annung und zwar, wie ich
relaube, in Köln, denn es enthiült auf dem Titelblatt den Vermerk 3
"Darum Cöllen in Exilio den 24. Juli1, Anno 16724" Dass er #m von
Schwarme nach Köln flüchtete, ist jedenfalls daraus zu erklären, dass
er von seiner Pfarrzecit in Imaekeppel noch enge Beziehungen zu den
"Brüdern" 1m Rheinland hatte; auch konute er von üor% aus leichter
äie in Amsterdam beabsichtigte Drucklegung in die wege leiten, Der
etwas eizgenartire Titel des Duches lautet in der mir zugängig ge-
wesenen II, Auflage würtlich:
"Yrenhertzire Euss-Poscune, Auss Götfilichen Norte un, Guistea=
krafft, 2 zum andern mahl Anzeblasen, ober eine schr Denck=,
würdipe, vor 300 Jehren (Anno 15332) geschehene Prophezeyunm,
Vom jetzt und zukünfftig en gefährlichen Zustand des Teutsch«-
Lande, Kayserthumbs ond anderer Stände, auch das Königs in
Schweden, welche D, Johann Bugenhagen A 1532 Diengstags nach
SJantate zu Lübeck in einer alten Bibel gefunden hat, Deren
augenscheinliche Erfüllung nun allen redlichen Patrioten,
insonderheit den Augspurg-Confessions-verwanten in den Ober«=
und Niedersächsischen Landen, zur bussfertigen nachrichtung
zu erkennen gegeben, dero wahrheit und obereinstimmng mit
HH. Schrifft, aeuch vieler Hochbegabten Theologe , als Deide
Luther1, jNelanchthonis, D. Philip. Nicolai, Johann Arndts,
Cunradi Potinii, etc. weissagungen, und der täglichen Erfah-
rung erkläret, auch wider etliche Newe Sophisten verthädiget
wird Von Christophoro Andreage Roselio Ratisponense, Gedruckt
zu Ambsterdamb, bey und in Verlegung des Autoris, Anno
Christi MH DC XL III.
Die Rückseite trärt der Sitte der Zeit entsprechend die
vVOortfreiche Widmungt
"Dem Zrläuchtigsten, Grossmichtigsten und Hochgeborenen, Für«
sten und Herrn, Herrn Gustavo Adolpho, Der Reiche Schweden,
Gotthen und Wenden Königs, Gorssfürsten in Finnland, HNertzogen
zu Ehesicn und Carelen, Herrn zu Ingermanland, etc. Meinen
Gnägigsten König und Herren, Gottes des Vaters reiche Gnade,
Jesu Christi mächtiger Schutz thewre Liebe, des N, Geistes
süsser trost und kräfftige hülffe neben meinem andächtig en
zebett, und allen underthänigsten dinsten, nach bestem
LE“
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Yo yrmöyen *
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At,
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äüvef% Zuvrore
Wechläuchtier- or. Grossmächtigster König, Gnädigster
Herr ..... illerzu Ewr. Könirl. Majestät und deroselben
Königlich Gemahlin und Fräwlein, in Göttlicher Obacht, gu
allerseythese glücklichem rumess, Ffernerer heylsamer Zxpediti1or
und aller seligen prosperiter hertzinnig Empfehlende.
Datum Cöllen im Exilio den 24. Juli11, Anno 1632,
Ewr. Königl. Mayst. Underthänigster Diener Christophorus
Andreae, R. Anno 1614 zu Giessen geordinirter Pastor auff
Iumekeppel im Pergischen Lande”
Dass Chr. R. gein Jerk Gustav Adolf widmet, ist
nächt verwunderlich, denn der Schwedenkönig stand damals auf
der Höhe seines Ruhms. Der "Löwe aus Mitternacht", wie mean ihn
nannte, hatte den Protestantiemus gerettet,und die Dankbarkeit
aller evangelischen Stände gegen ihn war ohne Grenzen. Da hat
denn auch Chr.R.s , der noch} kurz zuvor den Griff der papistischen
Liga am eigenen Leibe zu spüren bekommen hatte, sein bescheidenes
Scherflein zur Verehrung des Helden beitragen wollen. Ob das
Buch jemals in die Hände Gustav Adolfs gelangt 1st, dürfte mehr
als fraglich sein, demn keine vier Monate danach hauchte er auf
dem Schlachtfelde von Lütfzen sein Leben auß«
Das Buch fusst auf einer alten Prophezeiung eines
gewissen Albertus von Westen, welche Luthers Freund Johann Bugen=-
hagen (von Luther scherzweise Dr. Pomeranus genannt) Am Jahre
1532 zufällig in elner alten Lübecker Eibel gefunden hatte,
Diese "Prophezie / de de Hochgelehrte Doctor Pome=-
ranus, Pfarrherr tho Wittenberg mit sick van Lübeck gebracht / 80
he in einer olden Bibek gefunden hefft / des Dingesdazges na Can-
tate im vöfftein hundersten ond twee ond drüttigsten Jahre” lautet:
Als men telt dusent dree hundert / und twee und twintich /
iss tho Erfurt prophetiret worden durch einen ehrboren. Mann/
nit Nahmen A3äbertus A Westen: Wen men tellen wert sössteln«
hundert und acht und twintich / wert sick erheven ein groi
mechtig Dinck in düssen Landen / det wert Krafft und Gewalt
von sich sülvest over alle Dinck hebven / und wert so starck
sin / dat jat neue Gewalt lmiden mag / den he is / und wert
ver alle Gewalt sin / und welckere ehme mit Gewalt wil
gegen handeln / der sehe sick vor / he wert Gewalt liden.
1
4
Dartho densülvigen tiden wert ein kindisch Keyser sin / und
ein lichtferdige övericheit van geistiliken und welliliken,
Thoe ersten von wegen der geistliken in düssen Landen / werd
hei (dat is de Keyser ) sin wedder düsse Gewalt / averst
jesülvige Gewalt darff wol den Keyser umb sin Keyserdom brin-
pen / und tho dersülvigen Tyät wert einer daher blicken /
der vöhret eine Krone in einen Schilde / Gott wetih / wo he iss
unde de starcke von sick sülvest wert wahnen in den olden
Keysersteden / unde de sülvigen werden noth leiden van der«=
sülvigen gtarcken Gewalt wegen / averst der gülvigen stede
Gewalt wird winnen van wegen der starcken Gewalt van sick
sülvest."
Diese etwas dunkle Prophezeiung bezog Uhr«e Re
auf den dreissigjährigen “rieg und seine Schrecken, und bei einigem
guten Willen lässt sich ülie Prophezeiung wohl in üiesem Sinne
deuten, ja sogar Gustav Adolf ist erkennbar in dem starken iann mit
der Krone im Schilde, der als Retter auftritt. Die Auslegung der
Prophezeiung durch Chr.,R., bewegt sich aber weniger auf politischem
als auch kirchlichen Gebiet. Zr weissagt das Ende des Reiches und
fordert alle “enschen zur Zusse uuf, Wie er selbst sagt, war die
Trauer über sein eigenes elendes Dasein und die Schwermut über das
grosse Unglück Deutschlands, das ihn sehr zu lNerzen ging, die
Haupttriebfeder der Schrift. Die Verbitteruum, in der sich dauals
sein “emüt befand, ist auch üle Ursache der überaus scharfen Aus-
fälle gewesen, in denen er slch gegen die kirchlichen Zustänüe
wendet und in oft massloser Weise den Geistlichen ihr mit der
Schrift in Widerspruch stehendes Leben und religiöses Gebahren
vorwirft.
Dass ihm diese Streitschrift die Feindschaft der
Kirche eintragen wür de, war unvermeidliche Er selbst ist aber
wohl von der Ehrlichkeit und Unanfechtbarkeit seiner Ideen so0 er=
füllt gewesen, dass er säch über üdle Folgen seines Vorgehens keines-
wegs klar gewesen ist, denn sun:%t hätte er kaum die Kaivitüß Lem
sessen, die Schrift den von ihm aufs schräfste angegrirfenen Geg=-
nern selbst zu verehren, wie er es nach «einem eigenen Geständnis
tatsächlich getan hate
Es muss im Nerbst 1652 gewesen sein, als Chr.&e.
nit Veib und Kind nach lamuburg übersiedelte, wo er noch von 1622
und 1623 her Freunde und Gönner besass. Über die Gründe, die ihn
verznlassten, nach Nanburg zu gehen, schreibt er:
"A1s sie (die Bussposaume) gedruckt, begab ich mich keiner
dern Ursach halber auff lanburg / als dass ich
1) In weinen Krankheiten beyde des Gemüths von Irauren und
Schwermuuth über den üblen Zustand / und auch des Leibes
yolte Rath suchene
2) mich eine Zeitland sicherheit halber daselbst auffhalten.
3) einen Sohn / den ich studiren lassen wolte / bey fromuen
Leuten alda und etwan in die Schule unterzubringen.
4) Von Geistlichen / und hohen Gewissens Sachen mich mit den
Berren Theologen zu bereden.
5) An gute alte Freunde hin / und wieder in Teutschland Tr
von dannen zusenden.
5) enülich auch Bücher / und anderes nöthiger zur Haushal tung
einzukauffen.”
Hierbei beging er die Unuvorzsichtigkeit, bekannten Herren im geist«-
lichen Jinisterium, Ratspersonen und auch einigen Freunden seine
Buss=-Posaune zu verehren "wie etwan Prediger” und Exulanten gu
thun pflegen, mich bei ihüen zu insinnieren." vVenn es aber auch
"warlich mein Aufsatz nie gewesen, den iliagisetrat und das Ministe=
rium &lda hiermit zu offendieren”", so musste er doch bald einsehen,
dass dieser Weg, sich beliebt zu machen, schlecht gewählt gewesen
near. Es gelang ihp nicht, seinen Sohn Adolf in einer Schule oder
einen frownen Hause, wo er weiter seinen Studien obliegen konnte,
unterzubringen, vielmerh nöütigte ihn üie wachs ende Zrbitterung
der Zanburger Kreise, sein Heil in Lübeck zu versuchen. Er reiste
Eu diesem Zweck in den letzten Monaten des Jahres 1632 nach Lübeck,
stellte sich üort dem Superintendenten Hunning, seinem späteren
schärfsten Widersacher, vor und erneu$*erte die Eitte, sich seines
Sohnes anzunehmen. Trots der in Kamburg geuachten schlechten Er=-
fahrungen konnte er es unbe'greiflicherweise doch nicht unterlassen.
euch Hunninz ein Exemplar seiner Duss=-Posaune zu überreichen, was
zu mehreren unerauicklichen Auseinandersetzungen mit diesem führ«=
te und das EnckGEdlf Ratte, dass er auch Lübeck unverricht-*ar
Sache den Rücken kehren musste.
Da er sich nlcht
rn
ALar
zurückza TA TO
weil die Bremer
uerend 1mmer noch von Kulsere
21
lLichem Kriegsvolk vedroht war, so blieb ihm nichts anderes übrig,
als sich aberuals nach Namburg zu wenden, wo er Weihnachten und
Neujahr verbrachte, In äaieser 7-*% verfasst?‘ -- drei neue Schrif«
ten, die
"gonderharı Avon >ne_Euss-
Posaune und Erweckung zur neuen Geburth an etliche machtsahme
Prediger und Zuhörer dass sle doch aus so vielen in vergange=-
nen Jahren erlittenen Lend-Straffen und mercklich grossen
Yundern die Gott überall an allen Creaturen sehen lassen er
weichet endlich einmahl mit zukünfftigem neuem Jahre anfangen
wollen rechtschaffen aus dem alten Antichristischen Babel aus.
zugehen, wolche übrige Greuel sonst ihnen noch so fest am
hertzen kleben usw. 1632,"
Scurift hatte zwei AÄnbänese
"Güldener Schlüärrel_Daylis_zum Hau:
dessen Teheirnüssen vom Vater Sohn _un«
ein gereimtes Gebet /
MHertz-blutipe Thriänen und geänestirter Srlen_Srusrzerlein
eines bus fertiren Christen in jetzigen Land-Plagen fber dem
jetzisen grundbüsen verkehrten Wesen des flaschen und recht
Babylonischen Curistentums in allen Ständen unter allerley
streitigzen Religions-Seoten aus Neil. schrifft also kurtz
in reimen verfasset, dass es ein jeder tüylich für Eugen haben,
und bey seinen gebet mlt hertzlicher andacht und in nächst
künfftizger noch grüösserer trübsal in heilsuwer fürsichtipkeit
gebrauchen könn , so er will, ia thon, Vater unser im himuol-
reich zu singen. Und 1st hierinnen des gantzen Christenthuns
heilsame übung begriffen. Sant angehängten schönen lied von
der ewigkeit zu beirachten.”
Die Entstehung üieser Schriften, die sich in noch weit schärferem
wasse als die Buss-Posaune genen die Verflachung der Kirche und
die Zuchutlosirkeit des Volkes wenden, ist auf die Eindrücke ZurücKk«.
zuführen, die er auf seinen Reisen zwischen Hamburg und Lübeck
empfangen hatte. Zr schreibt darübers
"Ich befand uber auff solchen Reisens in der that ein solch
wüstes Caristentivun in den Häusern, darein ich kam, ich musste
soviel von Unzucht, Sauffen, doffart, Spielen, FlucLen, Schande
reden, Rauffen, Schlauren. iorden, Dieberev, Falschheit eto,
AG
hören und sehen, dasa mir fast Augen und Ohren, ja Hertz Hände
und Füsse wehe thäten und schal%t doch jedermann nüchterne und
trunckene nur imzer hefftig und tapffer auff den Pabst und
Anti Christ und andere Sectirer, der doch selber noch so tie?f
in Antichristischen Greueln über die Ohren stack.”
" Da überwandt mich aberuahl der Eyfer des Hern, dass ich über
üie vorize noch eine treuhertzige Neujahrs Posaune zusampt dem
Schlüssel Davids und Nertzblutigen Thränen drucken liess, kunte
aber, wie such zuvor die Drucker nicht zwingen, ihre Nahnen
bey dem meinigen mit auffzusetzen, um die Leute sampt etlichen
machtsahmen Predigern, die &dwan zu solcher Gottlosirkeit
Schuld haben, durch Erinnerung der vorigen erlittenen Lande
straffen und Zetrachtung des Jüngsten Gerichts von ihrem bösen
wesen ab und zur Eusse zu ermahnen. Dan gleichwie ich im ersten
Buch allen Menschen Busse geprediget, sie seyn dan hohe oder
niedrige, Geisi- oder Weltliche, Herren oder Enechte, also
gedacht ich, müste solche Busse auch vornehmlich an unseren
Geistlichen Kirchen Orden angefangen seyn, wie in den Büchern
Esra@ und Nehendae zu sehen ist: darzu ich dan mit der Neuen
Jahrs Posaune geren das Neues 1633 Jahr anmahnen helffen woltet
den dieweil wir alle, GCeist« und weltliche, Holtz Stroh Pech
Schweffel Oel etc. zum Jetzizen Zrandt des Cöttlichen Zorns
in Deutschlaud trasen helffen, düncket mich es billig seyn,
dass wir auch alle wie Daniel capı 9 rein ausbeichten uns für
Gott demühtigen, gehorchen der Stiume Apocal. 14.7: Zum Fürch«-
tet Gott und gebet ihn die Ehre, den die Zeit seines Cerichts
ist kommen. Soll es aber auch eine rechtschaffene Geistliche
Busse seyn, so muss sie im Geist und inwendigen HNertzeng Grund
angefangen und geführet seyn. Nierzu nun anzuleiten habe ich
Ohne sehen mein eigen exempel jedermann für Augen stellen
wollen, durch welche Weg und Anfechtung mich Gott zur Busse
geleitet habe, Dan ich hatte erwehlet gering und Fegopffer der
Welt zu werden und mich 21s0 jedernmenn unter die Füsne zu
werffen, auf dass ich ja etliche gewönne."
Aus diesen Angaben geht hervor , dass die Schriften im Geneimen
gedruckt wur den, dass kein Drucker seinen Kamen dafür hatte her«
geben wollen, gsodasc die Anstässigkeit ihres Inhaltes von vorn-
herein feststand.
5
Dieses waren nun die vier HNauptschriften, die Chr.R.
in den Verdacht brachten, zu den "Neuen Propheten und Fenaticis"
zu gehören und ihm den Titel eines "Weigelianischen Heerführers”
eintrusen., Yonn er bei einer gpäterun Verteidigung den Eindruck zu
erwecken sucht, 8e1ls ob manche Dinge "nur tentandi zgratia, umb
zu sehen, was für einen meihodum disputendi man mit ihm tractieren
zürde, wenn er irrig befunden werden, geschrieben seyn sollen",
80 kann der objektive Darsteller diese Entschuldigung umso weniger
gelten lassen, als sie mit seinen ganzen Wesen und auch mit reinem
eigenen Erklärungen in Widerrpruch steht.
In aieszen vier Schriften hat Chr.,R. sein reliriöses
Bekenntnis niedergelegt, auf dessen wesentliche Punkte Abraham
Dalvins, Professor zu Wittenberg und Führer 1m LZampf gegen die
Sektierer, in seinen Buch "Antiboehmius" paz. 127 hinweist. ZKinige
derselben seien zur Charskterisisrung hier angeführt. So schreibt
Ohr.3. von dem Ceist und den inneren wenschen im "Schlüssel Davids"
Polgendes:
*Dor äcnsch bestei@® in 3 wenseflichen stücken, geel ung geist;
ver solches nicht verstehe%, üdass 7 thell im menschen seyn,
und dass der geist eigentlich das hauss sey, darinncr der glau-
ben und Cottes VYort wohnet, der kan den glauben und Gottes wort
alt nutzen nicht predigen und einpflantzen, da er niemals peoe=
fühleftf, zus was vor grund es alles woll herfliessen und wohin
es eizenilich soll gerichtet seyn, neulich auf den inweräygen
Geist und uonschen, da solchos g1lles eigentlich hafften und
yohnen s0o11."
Die Prediger selbst verhalten sich aber nach seiner Ansicht genau
aAnteoronpesetzt, denn cr klagt in der "Neujehresposaune",
"dass allcs predigen, siudiren, Gottes wort hören, lesen, beten
sacramant zebrauchen, hinten = und beicht — gehen, allmosen
ecben, und andere Gottesdienste meistentheils auf den äusser-
Lichen menschen gerichtet, und damit des innersten grundes
vorfchlet würde.”
Ait dem Geist des Luthertumes ist or zanz uud gar nicht einverstan«-
Jen, un] er beleidigt die Kirchs tötlich durch die Worte 3
Wir seyn nach Nerrn Lutheri tod so ger unohristen nach seiner
weissagung geworden, dass Joh. Arndt und andere uns erst
y1lederum das wahre Christentum haben weisen und lehren müssen.
aa
3
u =
"ı-h schroffer geht er gegen üle Inhaber des Predigtanmtes vor:
"Jir sind nur ohne Beist und krafft, viele worte machen die
plauderprediger und maul-prediger, aber richten unsere 1lkhreı
nur auf die grobe adamifische vernunfft, erhaltung des gro«
ben fleischlich gesinneten, nicht aber auf den inwendisen
denschen.“
Am grübsten ber wird er in der Neujahrsposzune p. 54:
"Lutheri vermeynte sunessores pralen und prangen auf den
cantzeln mit grossen krausen, mit dick ausgebroöchenen blaue
hales-kragen mit sammeten seidenen röcken, pleich als Edel-
leute in iren weichen kleidern in der Könire häusern und
proeiigt mancher heuchler aus den Propheten Jona, wie man
50211 nach dem ZExenpel der Niniviten busse thun, säcke an-
ziehen und gehet unterdessen er uns sein weib stoltzer pew=
kleidet zur kirchen &ls keine edele."
Höchst abfällig urteilt er über ihre geistliche Tätirkeit in der
Dusengsaunes
"In Lutherischen kirchen sey nichts denn disputiren, und
eireiten über den giaubensartikeln, die go$tseligkeit aber
werde wenig getrieben " ferner
“Etliche Frediger sind wie ein Vogel im Keficht die auff
der Cantzel bald auff bald niederhüpfen, wie ein Nerr bald
Lie bald dahin weisen, wie ein DBsuerflegel mit den Fäusten
auff den Predig Stuhl schlagen.”
Auf das "verderbie schul-wesen"nat er ebeifalls "geciffert" und
seine Schriften verraten wenig Hochachtung vor Titeln und Würden,
vieluchr fordert er in der Leujahrsposaune p. 73 dazu auf:
"Jan soll seinen grossen Herrn Doctoren (Dooren) einzebilde—
ton frey-geist und Licentiaten und Magisteruhm und alle
seine cehre und thorheit für Gott deponieren."
Diese kurzen Proten mögen genügen, Um dem Leser einen kleinen
Einblick in dss Geigstesicben Chr. RR. zu gewähren, So schwülstig
und Zür unoderne Nenschen ungenies:bar seine Schriften uns heute
auch anmuien, so besicht doch kein “weifel, dass das meiste zus
ehrlicher Überzeugung horsus mit reinem Gewissen geschrieben ist,
Nur zu dem Zweck, eins Besserung der ihm am HNerzen lierenden kirch-
lichen Zustände herbeizuführen. Welcher Mut gehörte dazu, mit dieser
gchonuzzslosen Offenheit Lritik zu üben und vor niemandem Halt zu
3-,
machen weder vor geistlicher noch weltlicher Obrir' >1%, weder vor
geirtlichen Würdenirägern, noch vor prossen Herren und Fürsten«
Gottes Ihre und das wahre Christentum stand ihn höher als das
letaht zu erlangende Wohlwollen hochwögyender Herren.
Dase er Gamit in ein büses Wespennest stach, und
sich die unversöhnliche Feiudschaft der Kirche zuzog, darüber wird
er sich selbst bald klar zeworden sein. Gerade die erbittertun Go=
EeNu&psTeyEeln, die seine Schriften hervorriefen, beweisen aufs
beste, daüss er trotz mencher Öbertreibungen den Kazel auf den Kopf
getroffen hufte, In erster Linie scheinen sich die Hamburger Geist-
lichen getroffen gefühlt zu haben, als er gegen ihren unzyebührlichen
Kleiderluxus, den 16 sogar auf den Kanzeln zeigten, ihren masslosen
geistigen Nochnut und ikre hohlen weltfremden Disputationen eifertesr
e8 mochte ihnen schlecht gufallen, wenn er ihnen in schonungslosen
orten den Spiegel vorhiclt, wie ihre Taten ihren Worten wieder=
sprächen, wie sie Jem Volke Kuose predigten und währenddessen selbst
mit ihren Ehewelhern ein üppiges Nerrenleben führten gleichwie die
Edelleute.
mich überüies noch dem in Hamburg gerrün«
deten "Dun „2 angeschlossen hatte, 80 kam die Nam-
burger Geisil: ur bald zu der Erkenntnis, dass es für sie
unerträglich s:1, "ihn zur unausbleiblichen Verführung ihrer Ge=
meine nlıso frey bel eich einnisten und rumoren zu lassen, als
vielmehr seinen aufyehenden Irrthümern eich gebührend zu 0ppo=-
nieren.”"
Der er<'< Bohuf » cigne” Rinhkuyunr war im Jahre
1673 eine öffentliche "Zarnung_an_üie Gemeine zu Hamburg /dass
sie sich Zür den Sehleichern / und üinkel=-Predipgern / und insonder-
heit für dem Christophoro Roselio, und seiner Buss= / oder viel—-
nehr Läster- / Posauen wohl Zürsehe: Aus H. Lutheri unterschiede
lichen Schrifften colligiret / und mit seinen selbsi-eigenen Wor=
ten umb zcwlaser Urtachen willen zu guter Hachrichtung en den Tag
gu zebeu", womit "üle Irzthüner, die wieder die Göttliche wahrheit
in der 2osauucon ausgepoanunet wären. geliebt es Gott, gebührlich
refutiret werden solten.”
KR. gieckte die Vurnung aber keineBwegs ruhig ein,
sondern antwozt 1a 0% etw "tation, und Ermahnung zu:
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"rung ge«=
"Rettung ver Warnunm des H., Luther, + allen / und
Jeden Christen daselbst zum hochnötigen U“ “=-="i1cht abermahl aus
H.Luther1i1 selbsten mehres Teils verfasset/ und mitgetheilet."
Unterstützt werden bei ihrem Angriff durch Abraham
Calvins, den späteren Wittenberger Theologen, der in seiner Streit«
schrift "Antiboecehmins" auch auf Raselius hinwies und seine Lehren
widerlegte, Calvins hebt darin als besonders estaatsgefährlich her=
vor, " dass er an obrigkeitlichen personen den hochmuth und kleider«
pracht gestraffet, wie auch grosser Herren und Fürsten ehebruch,
hurerey und dergleichen ( Cal. p. 26 u. 25).
Vermutlich hat R. schon in dieser Zeit mit geintes-
verwandten Enthusiasten Niedersachsens in Verbindung gestanden. Un-
ter diesen war der bekannteste und sympathischste der ostfriesische
Pastor Konrsd Potinius, Der angesele nen rheinischen Familie derer
von Poitinger entstamuend, war er um des Claübens willen aus seiner
Vaterstadt vertrieben worden und nach wechselnden Schicksalen in
Wittmund gelandet. In mehreren p£gm prophetischen Schriften hatte er
auf den nahen Weltuntergang hingewiesen und zur Busse aufgefordert,
indem er betonte, nicht christlich sei es, nach Titeln und Würden
zu trachten, Bruderkriege zu führen, Wucher zu treiben und Anders-=-
gläubige zu verketzern. Wie eng R. mit diesem edlen Schwirmer bo=
freundet war, geht auch daraus hervor, dass er nach Potinius frü=
hem Tode dessen Schrift " de tribulatione magna instanti " (d.h.
über die bevorstehende grosse Umwälzung) umarbeitete ( in epitomen
brachte) und drucken liess.
Re. hauptsächlichster Mitstirciter und Schüler war
aber Paul _Folgenhauer, Ein Pfarrerssohn aus Böhnen, war er schon
in jungen Jahren zum Enthusiasmus bekehrt worden. Aus mehreren
Orten vertrieben, gelangte er nach Amsterdam, von wo seine schwär«=
merischen Schriften, vor allem das"Geheimiss von Tempel des Herrn"
durch Agenten des Euchhändlers Janson in ganz Niedersachsen, nemnt—
lich aber in der Umgegend von Hamburg, Lüneburg und Lüheck ver=
breitet wurden. Nachdem der Boden auf solche Weise wohl vorbereitet
war, erschien er selbst und hielt mit R. zusammen religiöse Versamm-
lungen ab, in denen das Verstandeschristentum der lutherischen
Geistlichen verworfen und anstelle des jetzigen antichristlichen
Babel zur Gründung einer wahren brüderlichen Gemeinschaft, dem
= 57
’hia aufgefordert wurde.
7-74" ag, sowohl die aufrührerischen Schriften als
auch das unerschroßfene Auftfeten der neuen Propheten muss einen
gewaltigen Eindruck auf die Wasse des Volkes remacht haben und die
kirchlichen Lehörden sahen ein, dass es alle rhiüchste Zeit sei, sich
der gefährlichen Neuerer schleunigst zu entledigen, sollte nicht
das Fundament der Kirche selbst ins Wanken geraten. Dass sie die
Gefahr keineswegs gering einschätzten, geht aus Lertrans Vorrede
Zur Kirchenhist SS DHEe eo, Er vergleicht die enthusidastische Lehre
in ihrer Wirkung geradezu mit der Eluthochzeit von Paris und den
Yüsen Albas in den Niederlanden. Aber während jene Gewalttaten,
"einem Schwerd zu vergleichen, go den Kusserlichen Theilen des
Leibes am neisten schadet, 80 waren die sectirerische Schmermereyen
hergegen ein subtiles G1fft, welches seine schädliche Würckungen
vornemlich en den innerlichen Theilen des Cörpers ausübet. Denn Ob
Zwar wohl auch äusserliche Gewalt iezuweilen mit denselben ver«=
knüpffet ward, s0 schadeten vorbenannter Irrgcister verführerische
Meynungen insonderheit der Seele und Gewissen und hat der Satan
hiedurch nicht weniger in Seelen-Gefahr gestürtzet, als er (d.il.
Alber)auff jene Weise um ihr zeitliches Leben gebracht."
Unter solchen Umständen war eine Überbrückung der
schroffen Gegensätze undenkbar, und die Geisü ichkeit guchte nach
einem gangbaren Wege, sich die gefährlichen Widersacher vom Halse
zu schaffen. In Hamburg hatte, wie wir sahen, die Behüärde gegen
Roselius bereits Front gemachts3 Lübeck und Lüneburg fühlten sich
in ähnlicher Weise bedroht, und 80 beschloszen die geistlichen
äinisterien der drei HNansestädte, nach althergebrachter Sitte das
Consistorium Iripolitanum einzuberufen, um über wirksame Gerzen-
massregeln zur Abwehr der neuen Soektirer und Sakramentierer zu be=-
raten.
-B.
Über die Vorgeschichte dieses für Roselius ferneres
Leben bedautungsvollen Consitoriums gibt uns ebenfalls Bertram
ausführliche Auskunft anläs:lich der Lebensbeschreibung des Pastors
Sigismund Scher = Erz, welcher als Stadtsuperintendent Vertreter
Lünebürgs auf dem Convente war. Bertram schreibt:
"Nun müssen wir auch seiner übrigen Bemühungen / die er mit
den neuen Propheten gehabt / welche sich erleuchteter
nenneten / Gedencken. Die Trübseligkeiten des 30 jährigen
Kriege. / welche unser Evangelisches Zion hart drückten /
kaum zur Nelffte gekommen / da es in einen noch schwerern
Waren
39
a
Krieg miv diesen Seelen-Feinden geriet / so alle Gläubige
von dem Evangelio / das Christus und die Apostel geprediget
ob / und zu einem gar andern / welches sie das ewige Evan-
gelium aus eiteler Thorheit nannten / zu führen trachteten.
Diese verführerische Rotte streuete den Samen ihrer schäd=
Lichen Lehre wie ein Bettlers Mantel von allerhand Irrthümern
so wol alter / als neuer / Ketzer gusamaengeflicket war/
auch in unserem Lüneburg aus, Denn es hatten sich auch einige
Schleicher hier eingefunden / welche des Christoph Andr.
Raselii aus Regensburg / abgesetzten Pastoris zu Imnekeppel,
schwirmerische Schrifften in unsern Ring-Mlauren / und seines
Gesellen Pauli Felgenhauers chartequen ausgebreitet / darinnen
sie sich als neue Apostel angegeben / unsere Kirchen unter
ler Benennung eines Antichristischen Babels verworfen /
welches Gott gar bald stürtzen / dagegen ein friedsahmes
tausend jähriges Reich zurichten werde / und suchten sich
aabey von Juden / Türcken und Heyden einen Anhang zu machen /
damit sie die Obrigkeit deutscher darnieder schlagen möchten.
Und muss „an bekennen/ dass kaum jemals eine so schädliche
5ecte aufkommen / die so gar verdammliche Neynungen geheget wı
liese: als da sie in Zweiffel zu ziehen sich in den Sinn
kommen lassen : @b das Erkänntniss zur Seeligkeit nötig? ob
äie ReXigion von Gott / oder “enschen erfunden? ob die höl«—
lische Verdammiss ewig währen wärde? und dergleichen höchst
sefährliche Irrthüme uehr. Im cher — Erz)als Ober-Vächter
lag nun ob / mit dem gesamten Collegio diesen Schwermern
sich so schrifft—- als mündlich zu widersetzen / ihre Ab-—-
Weichungen von der gottlichen Wahrheit in den verzweifelt
bösen Schrifften deutlich zu zeigen / und die Burgerschaft
zu fernerem Gehorsam gegen ihre Obrigkeit anzuhalten: Weilen
auch dieser heillose Hauffe eben so arg in Lübeck und ilamburg
ihre ungöttliche Lehren ausbreitete / dünckte denen drey-
städtischen Ministeriis unverantwortlich zu seyn / wenn sie
sich demselben durch eine wohl ausgearbeitete Schrifft nicht
widersetzten. Überlegten daher mit ihrer Obrigkeit die hohe
Notwendigkeit der Sacuen / und wurde darauf eine Zusammen«-
kunft in Möllen bewilliget. *
Hamburg und Lüneburg taten also den ersten Schritt;
A8r
letzte
AzZLL=LOSS®
Zu
Fonferenz
8er
zing von Üicolaus Hunnieu
%
fr
29 =
lem Superintendenten von Lübeck, aus..In Lübeck hr*+t*en bereits
1632 Felgenhauers schwärmnerische Schriften unliebsanes Aufsehen
erregt und zu einem Briefwechsel mit den anderen Hansestädten
geführt, wie man das Volk "für solchen gifftigen Fledermäusen"
bewahren könne, zu einer mündlichen Aussprache und Beschlussfassung
var es wegen der grossen KXriegsjahre jedoch nicht gekommen. Roselius
War So unvorsichtig oder harmlos gewesen, gleich bei seinen ernten
Besuch Ende 1632 dem Superintendenten Hunnius seine Zuss-Posaune
zu verehren. Diese sowie die um Weihnachten 1632 erscheinenden
neuen Schriften R. gaben dem Lübecker Ministerium Willkomuenen
Anlass, nunmehr energisch geren die Fanatiker und Enthusiasten ein-
zuschreiten, Gleich im Januar des neuen Jahres machte er eine drin«-
sende Eingabe an den Rat zu Lübeck wegen der in die Cemeinde einre-
schlichenen schwärmerischen Irrtümer, welche der böse Feind wio Un«-
kraut ausgesät habe, Besonders weisen cie auf einen “Enthusiasten
Jmblauffer / der sich Christophorum Andrese Raselium nennet / eine
Zeitland unterm Schein eines Exulanten alhier umfeschlichen / in
liese Stadt eine ziemliche Anzahl seiner Zücher gerbacht / und
unter fürnehnme / theils auch schlechte Leute ausgestrevet deren uns
äirey unterm titel ı 1) Eussposaune 2) zur Bussposaunen gehörige
hertzblutige Thränen 3) Der Gulden Schlüssel Davids gu Handen
kommen / deren Zzwo letzte Scortecken / wie alle Nachrichtungen an-
zeigen / dieses Ortes gedruckt sind. ”
Bezüglich der "um die Gemeine herumschwebenden sehr
gefährlichen und verführerischen Irrthumben " betonen sie "dass
BS nicht nur etlicher wenisrer Phantasten träume seyn / die man
mehr solle verachten / dan sich daran kehren / sondern eine böse /
und weit aussehende Teuffels Practier von so wielen uicht wenig be=
liebet wird / die entweder einfältiges / frommes Gemüßhes sind /
und gern sehen / dass es unter Christen Büeinge / oder fürwitzigen
Sinnes sind / und jückende Ohren haben / die des alten überdrüssig
atwas neues zu hören begehren / wie dann gemelter Raselius zu
Hamburg ausgiebet / dass er dieses Orts über hundert Seelen be-
kehret habe / welche wir zwar nicht hoffen / in dessen wen alle
Umbstände betrachtet werden / sehr besorgen müssen / dass sichs wohl
also verhalten würde.
Um den Rat einem Xinzreifen geneigter zu machen,
spielen sie schliesslich den nächsten Trumpfl aus und schieben der
Endes politische
rein reliz1iösen
-
DU
Ziele unter, indem sie anführent "Dass “7 Enthusiastische Geist
jetzt zwar direktim das Lehramt a” „ot / albereit aber auff den
Magistratum also zielet / dass er / wo er ein wenig mächtig werden
solte / ohne allen Zweiffel eben dieselbe Concordiaen zu spielen
Bich unterfangen wird / welche er durch Thomas Müntzern / und
andere himlische Propheten (= Johann von Leyden) im vorigen Seculo
gespielet hat / insonderheit weil er diesen aufrührerischen Lehr
Punkt führet / dass jetzt ein tausendjähriges Reich angehen werde /
welches sie als Gottes Heilige auf Erden mit Christo besitzen /
über alle Völker aber / als ihre Unterthanen herrschen / die Obrig-
keiten aber abgeschaffet seyn werden / das sie mit diesen forma=
liters beschreiben: Der Herr wird das Thier / die Könige der Erden
und die fetten Ochsen / und Mostrich, das Betenroth und Liviathan,
und die Einhörner mit einander zusammen treiben / und schlachten /
und also die Tyrannen ausrotten von der Erden / und alle die hin-
wieder richten / und verderben / welche die Erde verderbet haben.”
(Beziehung zur Offenbarung Johannes).
Zum Schluss der Eingabe wird der Magistrat gebeten,
seine Genehmigung zu einer gemeinsamen Beratung der geistlichen
Ministerien der drei Hansestädte zu geben, wie solches in Religions-
sachen seit altersher üblich sei, denn wenn ein Haus in Flamunen
aufginge, dann müssten die Nachbarhäuser in gemeinsaner Gefahr
zusammenstehen. Auch werde es den Winkelpredigern mehr Furcht ein-
Jagen, wenn sie sähen, dass die hohe Obrifrkeit in dieser Sache hin-
ter ihren Predigern stände«
Ein Verzeichnis derjenigen Personen war diesem
Schreiben beigefügt, welche sich in Lübeck " des enthusiasnui
suspekt" gemacht hätten und waren unter diesen "ausser Christoph
Anürese Raselio denonocinirets”
T., Johann Wessel aus Lübeck, weil er "mit dem zu Hamburg ver-
wiesenen Schwermer / Christoph Raselio, welcher auch ver=-
mutlich seine chartequen in dessen hospitio verfertiret /
Gemeinschafft habe."
II. Johann Tancmarus, ein Lehrer, weil er "mit Raselio con-
versation pflege.”
III. Joachim Yorsius aus Namburg, weil er "zu Christ, Raselio
sich gesellet,."
Leonhard Elver, "welcher Christ. Raselinum, nachden er
hier angekomen / hin zu Jo.Wesseln / ob er seine Wohnung
und Tisch bey ihm nehmen wolle / rewlesen hahe.®
f
Od m
Die Antwort des Magistrats auf diese Eingabe ist
nicht bekannt, doch ergibt sich aus Starckens Lübeckischer Kirchen«-
Geschichte, dass cr den Vorschlägen der Geistl ichkeit nicht nur
voll und ganz beitrat, sondern durch eine besonders gehaerynischte
Poblikation noch darüber hinausging.
Starcken berichtet: " Aus allen diesen verstand
nun der Ratlı zur vollen Genüge / dass den AÄmuner weiteren Pro=
gressen der enthusiasten fürzubauen sichs nicht länger säumen
lassen / sondern ihnen den Pass zu verhauen / und die Thüre /
ehe denn sie mit hellen Hauffen in die Gemeine einzögen / vor
der Nase zu schliessen hohe Zeit seyn wolte / liess er dem-
nach nicht nur Dominii III. post Epiphan. als am 27, Januar
ein besonder mandıat wieder die Schwernuer / und fanaticos
von allen Cantzeln publiciren / dass / weil glaubwürdiger
ErZahrung nach ohnlängst in diese Stadt / und Gemeine etliche
Shhlieicher/ verführerische Irrgeister / und Phantasten sich
heinlich eingeürungen / die da sowohl gedruckte / und ge-
achriebene / ärgerliche / tiheils Gottslästerliche Zücier
und Chartequen den Leuten zu zustecken / als auch mündlich
ihre falsche Lehren / verdanute Ketzereyen / Yrüume / eigene
Sinbildung unter dem Scheine äusserliicher Heiligkeit nit er«-
dichteten calumdien, und Lästorungen wiedor die Obrigkeit /
und das Predig — Aubt auszubreiten suchten / dadurch dem
üer Kirche / und Regiuent yrosse vonfusion, Schade / und Ge«—
fährlicikeit zugezogen werden künte / jederuan für solchen
unblauffenden Schleichen sich hüten / kein Geueinschafft
nit ihnen haben / sie nicht hausen / noch herbergen / keine
verbotene / oder verdüchtige Bücherm von ihnen annehmen /
oder Vorschub dazuthun / auch die Buchädrucker sie nicht vor—-
Legen / noch nachdrucken / viel weniger ihrer falschen Lehre
Statt geben / als hingegen der Obrigkeit / und Consistorio,
Dder den Predigern umb ein gebührlich Aufsehen darauf zu
haben anzeigen solten / sondern / damit nuch der Rath noch
Geutlicher von sich blicken lassen wöchte / wie sehr ihm
üer Heuen Propheten practiquen zu Gemüthe ädrüngen / so stellete
er dem Ministerio in ihre land mit den benachbahrten Kirchen
8ines convents haäber sich zuvergleichen / schlug ihnen auch
gelbst das Städtlein Mölln / als den bequehmsten Ort zu 8SOl—
chem convent vor/ und versnrach ihnen über das alle Unkosten
m
%&
die dazu erfordert werden / und worimnn sie samt publicam
magistratus amtorifatem vonnöthen haben würden."
Nachdem so die Mitarbeit des Magistrats gesichert
ar, beschloss das geistliche ilinisterium zu Lübeck, das Zisen zu
schmieden, so lange es heiss war. Im Februer 1633 versandte er ein
Schreiben an die Älinisterien zu Hamburg und Lüneburg und erinnerte
an das gemeinsame Zestreben, bereits im Jahre 1632 einen Convent
einzuberufen:
"Yiewol aber indessen allerhand Impedimenta fürgefallen /
dass man bis dato zu demselben Vorhaben würcklich nicht gelaän-
gen können / haben wir jedoch bey der Enthusiasten jetzigen
neuen Conatibus aiesen fürhabenden Werck näher zu kommen
unsere liebe Obrigkeit der alten Conjunction genandter dreyen
Kirchen / so sie in vorigen Zeiten gepflogen / gebührlich er«
inner$ / und dass nunmehr dieselbe / beneben der 1löblichen
Städte / Hauburg / und Lüneburg Obrigkeiten solches heilsame
institutum wiederum auffzurichten ihnen wolten angelegen seyn
lassen / darauff ein Conventus / in welchem nothäürfftiz ab-
geredet würde / wie den einschleichenden Fanaticis privatim,
und publice zuvorderst aber durch schrifftliche Warnung /
und Instiruction unser Zuhörer am besten zu steuern / und
wehren indiciret werden möchte / supplicando gebeten,"
Am Schluss dieses Eriefes, dessen schwieriger Satz.
bau der damaligen Generation hoffentlich verständlicher war als
der heutigen, schlegen sie für acn 26, März eine gemeinsame Zu=
samzenkunft in Mölln vor, das allen drei Städten gleichermassen
gelegen und wit Wagen unschwer zu erreichen sei.
Der Plan fand allgemeinen Anklang und der Magistrat
der drei Städte ordnete für Dienstag nach Ostern den Zusamzentritt
des Convents an, Es war em 26, Miäirg 1923, als sich die acht Depu-
tierten der Nangestädte in dem als Ruhestätte Tyll Zulenspiegels
weltbekannten Städtlein Nölln bei Lübeck einfanden, um als
Consistorlum Tripolitanum das Ketzergericht abzuhalten, die alle
bedrohende Feuersbrunst zu löschen und zu fernerem gemeinsamen
Handeln zum Schutz der Kirche sich zusammenzuschliessen.
Den Vorsitz führte Ex Superintendent Hunnius E83
Lübeck, die Seele der ganzen Abwehrbewegung und Vorkämpfer im
Streite gegen die neuen Prophaten. Als Deputierte wirkten von Lübeck
üie Pastoren Hlems und Siricius, von “lamburg Hardkopf, Müller und
Grave, Yon Lüneburg Zrasche und Lange, Soviel aus dem Bericht zu
ersehen ist, waren die Beschuldigten nicht persönlich geladen,
Sondern es wurde an der „and ihrer Schriften das Urteil gefällt.
Vom 26,—=29, März tagte das Consistorium. Dass es zu einer völligen
Verdammung der Enthusiasten kommen werde, stand bei seiner Zusammen«
setzung von vornherein ausser Zweifel, Roselius und sein Freund
Felgenhauer wurden als falsche Propheten bebrandmarkt und es hätte
nicht viel gefehlt, so wäre von den Eiferern auch der fromme
Joh. Arndt auf die Ketzerliste der Sektirer und Fanatiei gesetzt
worden.
Das Endergebnis der viertägigen Eeratung wurde am
29. Hürz In einer schriftlich festgelegten Entschliessung zusammen.
gefasst, die als "Möllnischer Abschied." heute noch in dem Lübecker
Staatsarchiv aufbewahrt wird. Sie enthält, wie zu erwarten, eine
schroffe Ablehnung der neuen Lehren, welche als Ketzerei und Satans.
werk mitsamt ihren Verkündern verdammt werden. In welchem Sinne und
Ton das Schriftstück gehalten ist, lässt schon die unzweideutige
Sprache der Einleitung erkennen:
"Zu wissen / Nachdem der Almächtige Gott aus gerechtem Zorn /
des Satans letzten Zorn Raum / und Statt gelassen durch et-
liche umbstreichende Heuchler / und Winkel Prediger viel
alte Ketzereyen auf die Lahn zu bringen / mit neuen Schwer«=
mereyen zu vermischen / und gie allesamt in einen Klumpen zu
schmeltzen / einfältige Leute damit zu versuchen / Unkraut
in Gottes Acker zu säen / dadurch kräfftige Irrthumen einzu=
führen / dass an der Lügen glaube. Insondorheit aber dieses
Schwere fatum die Kirchen in Nieder Sachsen nunmehr ziemlich
hart treffen wil / dass die Prediger sich den einreissenden
Wölffen entgegensetzen / und ihre Schaffe für denselben Ver«-
mögen nach warnen müssen / daunit nicht sie im anbefohlenen
Ambt für ihren Rrzaxixx Ertz-Hirten untreu erfunden / noch in
ihren Gemeinden einer unverantwortlichen Nachläs:igkeit wit
Recht / und Wahrheit beschuldiget würden."
Sodann stellen sie in insgeamt 11 Punkten die Masse
regeln zusammen, welche gegen die Sektirer ergriffen werden sollen
"Anfänglich und fürs erste sollen die Predigten / also ange=
stellet werden / dass ein jeder Kirchenlehrer nach fürfallender
zelegenheit und
der Nothaur?ft
Erforderungz
die Irrthüumer
AA
W
N
Enthusiasten, so Theosophi, und Erleuchtete / auch Gottes
gelehrte wollen genennet sgyn / wie Jieselbe in ihren Schriff«
ten / und Socortecken zu befinden / ansicke / die Zuhörer
berichte, was Iür Greuel unter diesen fantasten stecken /
die Irrthumen mit beständigen Grund Gättlichen Worte / wieder=
lege / und die Gemeine vermahne / sich vor dergleichen ver—-
dächtigen Leuten zu hüten."
Diese Belehrung Soll aber nicht nur in der Predigt,
sondern auch im Beichtstuhl und in der täglichen Unterhaltung
stattfinden, die Üfarrkinder sollen angehalten werden, geheime und
gefährliche Schriften zu meirmden und alle verdüchtigen Beobachtun«-
gen der Obrigkeit anzuzeigen , wenn anders sie sich nicht uilt-
schuldig machen wollen. Wer sich offen zu den Enthusiasten bekennt,
wird von Taufe und Abendnal ausgeschlossen und nicht mehr als
Glied üsr christlichen Kirche Leireachtet., Wer des geheimen Linver-
ständnisrc8 mit den Heuen Propheten verdächtig ist, 801l von dem
Beichtvater unter Zuziehung von Zeugen zur Rede gestellt, aus-
drücklich verwagnt und erst nach befriedigenden Erklärungen gur
Kommunion zugelassen werden. Um die Gemeinden über die schädliche
Lehre und das ganze Wesen der Neuen Fropypheten aufzuklären, soll
schliesslich ein ausführlicher Bericht über dieselben aufgestellt
werden, welcher zeige, wie dia neue Lehre vom Christentum sbleite,
Zugleich aber hielt urn es für angebracht, eine richtige Anleitung
in Druck zu geben, wie nan zum rechten Christentum und zu wahrer
Gottselizkeit gelangen könne,
Die Auszsrbeitung dieser beiden Schriften wurde dem
Superintendenten Hunnius als dem berufensten üÜberiragen. Derselbe
brachte die Anleitung zum rechten Christentum noch in demselben
Jahre unter dem Titel: "Dat Neddersaseische Handiboek" zum Druck.
Der audere Bericht wurde Curch Krankheit verzögert und wird epäter
noch von ihn die Rede sein.
SO schloss der denkwürdige Convent von Mölln, dessen
Folgen Christoph Roselius sein ganzes Leben lang fühlen gollte.
Der nächste Schritt der Ministerien nach Beendigung der Verhend«e
lungen war die Anzeipye der verhassten Eetzer bei den Magistraten
mit der Aufforderung, sie wegen umstürzlerischer Irrlehre aus
ihrem Gebiet auszuweisen. Den Worten folgte die Tat auf dem Fusse,
und Christoph Roselius musste die ganze Schwere des Zorns der be=-
23
Zn m
l1eidigten Kirchengewaltigen fühlen. Auf die Anzeige des Konsistio«=-
riuns hin erfolgte ein Ratomandat der Stadt “amburg, welches seine
Verbannung aussprach. Im “Möllnischen Abschied" findet sich aller-
Ainzs kein Hinweis darauf, doch schreibt Zlias Practorius in seiner
"Apologia Practoriana", sie hätten "ARaselium bey ihrer Obrigkeit
angenossen / und nicht eher goruhet / als biss sie ihn endlich gum
Thor hinausgejaget."
Yohin sollte nun der Ärmste, der sich nun von
Neuem mit Weib und Kind dem Zlend preisgereben sah. Viederun wurde
in dieser Not Schwarne seine Zufluchtsstätte. Die kaiserlichen
Kriepsvölker waren inzwischen dort abgezoyen, die Gefahr war be=
seitizt und so konnte Roselius ungehindert in seine alte Cemeinde
zurückkehren, Das Kirchenbuch in Schwarne enthält nichts darüber,
doch ist aus den weiteren Lebensschicksalen mit Sicherheit zu ent«-
nehmen, dass er von 1633 an abermals das Pfarramt in Schwarne bo=
kleidetee«
Inzwischen entleüdigte sich HNunnius &uch des zweiten
ihn zu Lölln überwiesenen Auftrages, der dahin lautetc, cine Schrift
auszusrbeiten, welche das Völk über Wesen und Lehre der nducn Pro=
pheten zufklären solle, Durch Krankheit und andere widrige Um-
stände verzörert,. erschlen diese Schrift erst Ende 1634 untzsr dem
Ta? 9
wen Propheten (die sich Ler-
Leuchi 2 . Theosoühos nennen ) Relie—
gion, Lehr, und 80h alt der Satan die Kirche Gottes
gufs neue zu Verunruhigen sich untiersfichet:; zu notwendiger
Offenbarung der gefährlichen Verfügung / und trewhertziyen
Yarnung / dass sich alle / die ihnen ihrer Seelen ewige Wohl-
fahrt lisb seyn lassen / dafür auffs fleissizste fürsehen;
Auch grünädlicher Wiederlegung ihrer vielfältizen / schädlichen
Irrthumb gestellet durch das Fredig-Ambt der Christlichen
Geneine zu Lübeck / Hamburg / und Lüneburg."
Der Inhalt bestent im wesentlichen in der Aus«—-
führlichen Darstelluag und Segründung der Ursachen, "warusb man
äie Neuen Fropheten meyden und ihrer Lehre nicht anhangen solle,”
Insgesamt gibt er fünfzehn derartige "Motiven" am, welche er mi%
tüchtigen argumentis aus der heil. Schrifft, den Patribus (= Kir«
ehenväter), und reiner Theolozorum Zeugnissen bestärket.”
Roselius erhielt. wie er schreibt: erst im Herbat
aM
1535 Kenntnis von dem "Ausführlichen Bericht". Ein Mennonit aus
Hamburg schickte ihn denselben zu mit der boshaften Bemerkung, er
solle daraus ersehen, "was für feine Brüderlein er 2n seinen Lutho=
rischen Glaubensrenossen"” hätte und wie sie als Simsons Füchse nur
ait den Schwäntzen aber nicht mit den Köpfen zusammen hielten." Die
in überaus hochfshrendem Tone und in masslosen Ausdrücken rehaltene
Schrift rief eine ebsno heftige Entgernung seintos Roselius hervor.
Er nannte sie Zwar
“"Fortze Zatschuldirun“m
Hendelg mi* Ahm".
von einer Entschuldigung ist darin aber absolut nicht die Rede, viel-
mehr reift er HNunnius und das Consistorium Tripolitanmum in leiden-
schaftlichster Weise an, lit beissenden Sarkasıms nennt er die
geistlichen Herren "zu Mölln bey Eulenspiegels “rub entstandene
neue Sophisten / neidische / neue Sophisten / in welchen Eulensnie«=
gels Geist / ob er zwar todt / zu Mölln von neuem erweoket / und
gantz lebendig worden." Überhaupt bestreitet er die Zuständigkeit
des Berichtes, da er lediglich von Huynius, nicht aber von allen
Mitgliedern der drei Ministerien unterzeichnet sei,
Diese Urteile über äelde Schriften sind natürlich dia=
meiral verschieden, je nachdem sie von Freunden oder Cegnern stam-
nen. Elias Praetorius, ein Anhänger R. bezeichnet dessen Gegenschrift
als eine Arbeit "die den Ausführlichen Bericht so wiederlepet /
dass die Drey-Städtischen Prediger sich Billig zu schemen hätten /
wen noch Schaem vorhanden.”
Demgeseniber schreibt Starcken: "Bey welcher gründ«—
lichen Verfassung des Ausführl.,Berichts wohl auch demselben an seiner
Yürde im geringsten nichts nimt / dass das unverschämte ilaul des
ob=-erwehnten Christ.Andr.Roseli1 ihn als einen verlosenen Bericht /
einen verlogenen un-Ausführlichen Bericht / eine unzeitire Gebuhrt /
eine Zisspebuhrt / und Zulenspiegels Possen / ausruffet, Erfordert
aben so wenig eine weitläufftige Wiederlegung / als wann dieser
Raselius in seinen wahnwitzigen Kopff nicht vringen kan / dass
solcher Bericht / weil nicht alle Clieder des gesaupten Predig«-
Ambt zu Lübeck / Hamburg / und Lüneburg viritim, oder in individou
ihn untergeschrieben / in ihrer aller Nahnmen ausgegangen seyn solle
sondern es gar frech und dreiste 1äumnet: Es sey nicht wahr / er
könne noch zur Zeit nicht wohl gläuben / dass ein rantzes Hini«
Fi
57
Aa
ya
esterium in Lübeck, Hamburg / und Lüneburg solten Theil und Wohl-
pefallen an solchen offenbären Landbetriegerischen Sophistereyen /
und Lüryen haben." .
Diese wenigen Zeilen geben uns ein kleines Leispiel
für die an massiven Kraftworten reiche Ausdrucksweise, in der sich
Münner der Wissenschaft in damaliger Zeit zu befehden pflegten,
Dass Roselius "Entschuldizung" ebenfalls nicht
Limonasmdenhaft rehalten war, geht neben den obigen Kostproben daraus
hervor, dass er selbst später einräumt, sie zel " in einer gar
gehroffen und hefftiyen stylo" verfasst. Allerdings sucht er die
Schuld en diesem "stylus" von sich abzuwälzen., ililt dem Druck der
Streitrschrift stiess er nämlich unerwartet auf Schwierigkeiten.
Die geistlichen Ministerien der drei Städte hatten slch nicht damit
begnürt, den verhassten Feind aus der Stadt zu weisen, sie ver=
folgten ihn über die Landesgrenzen hinaus und konnten es sich nicht
versapyen, auch cie Kinisterien der Nachbarstädte von ihren Vor=-
“gehen zu benachrichtisren und vor den Schwirmer zu warnen. So war
der lutherische Frzbischof Johann Friedrich von Bremen bereits in
üblem Sinne beeinflusst und untersagte kurzerhend den Druck der
Rechtfertirungsrchrift. Roselius gab &$£ch mit dieser Entscheidung
aber keinesrwers zufriedenz mit der ihn einenen Kartnäckiskeit
setzte cr die Herausmabe den B"-hleins trotz aller Widerstände durch
und erreichte üies auf Ur erine alte Vemeinde in Imne—
keppel. Er schildert :1adensbriu:7f" die Ent-
stehunz der Schrift:
Kun hiütte ich zerne bald darauff im folgenden 1636 Jahr
mich verantwortet / weil mir aber durch eure Anstifftunz vom
vorigen Ertz-Bischoffen zu Bremen / verboten gewesen / etwas
dergleichen zu publiciren / und es mir dazu &m Friede und
andern dazu gehörigen Mitteln dazu gemangelt / bis ich erst
nach dem Tod Hochged.HNon.,Ertz-Bischoffen A0 16537 mit
grosser beschwerlicher Kühe / und Unkosten den Process und
Verleuff alles Kendelsa sampt einem kurtzen extract meiner
Verantwortung uns Bergische Land (da 1ch zuvor in Diensten
pewesen) etlichen Brüdern in Christo zugesandt / und sie
gebeten, diwweil ich allhier keiner Druckerey mächtiz seyn
künte / dass sie es alda in den Druck wolten befördern /
Bieweil ich allerhand wichtirer Ursachen weren mit vutenm
ya“
3
Gewissen länger nicht unterlassen könte meine Unschuld zu
verantworten. Dieselben Brüder habens aus Liebe / und Eyfer
um mich anders / und abzu scharff stylisket und drucken lassen
und von Cöln ab durch Holland auff Bremen mir zugesandt / weil
es aber alzubitter stylisiret / habe ihn nicht öffentlich
publiciren mögen / euren Ansehen / und autorität zu verscho=
nen."
Obwohl sich Roselius der Übertreibungen seiner Ge-
genschrift demnach wohl bewusst war, beging er dennoch die Unklug-
heit, dieselbe im Jahre darauf (1633) nicht nur dem Lübecker Bür-
germeister Christoph Gerdes, gondern sogar seinem erbittertsten
Gerner, dem Superintendenten Hunnius, zuzusenden. Letzteren legte
er ferner folgende vier Schriften bei, die allesamt in Schwarme
entstanden waren und ebensowenig wie die "Kurze Entschuldigung”
einen bussfertigen Sünder erkennen lassen:
I. Trewhertziger Buss-Posaune ferne Cintinuation, und Erläu-
terung insonderheit gestellet an die Prediger zu Lübeck /
Hamburg / und Lüneburg von Christophoro Ändreae Raselio,
Ratisbonense, vorhin zu Imasenkeppel / 3jetzo aber zu Schwarme
im Ertz-Stifft Bremen ordinirten Evangel. Prediger, in wel-
cher alles / was dieselbe in ihrem zu Lübeck bey Valentin
Schmalhertz Anno 1634 gedruckten Ausführlichen Bericht aus
seiner / Roselii Buss- und Neu-Jahrs Posaune / Schlüssel
Davids / und Hertzblutigen Thränen fälschlich anziehen /
Sophistisch verkehren / übel deuten / und ihn deswegen unter
äie / so sie Neue Propheten / Ketzer /Teuffels-Boten nennen /
unbaillig vermischen / gründlich erkläret / sie ernstlich
aarumb gestraffet / und nochmahls zur heilsahnmen Busse ermahnt
werden.
Il. Fromier Gottes Kinder sndächtige Neu-Jahrs Seuffzerlein /
in welchen der allernütg- und nöthigste / darumb Kinder /
Jünglinge / auch Studierende / und Jungfrauen Gott täglich
für sich / und endere von Hertzen anzubeten schuldig sind /
für seine Xirchen = und Ehe-Kinder kürztlich verfasset von
Christoph. Raselio, Predigern zu Schwarme im Ertz-Stifft
Dremen.
III. Von einer sonderbahren / rrossen Trübsahl / welche
noch vorm Ende der Welt über alle vorige Trübsahlen erst /
und fürnehmlich über Teutschland / und Europaen, dan auch
JB.
60 =
aan auch über den gantzen Erden-Kreiss allernechst kommen wird/
atliıche sehr denckwürdige Weissagungen aus Gottes U. Wort /
aan auch H.D.M. Luth. Johan Arndts / und Conradi Potinii
Schrifften jedermänniglich nur nöthigen Warnung kürk$lich
colligiret sampt wohlgemeinten Fürschlage etlicher zur busse
fertigen Reformation heilsahmen Mittel / durch welche von Gott
solcher Trübsahl Linderung / und Erhaltung darinnen mag er«
langet werden.
IV. Heilsahmes Rath- und Trost-Sch11alcin wieder böse Mänler /
verläunmbderische Kläffer / und mr‘
falsche Zungen aus schönen Sprüchen heil. Schr‘,”"3 / und gott-
seeliger KXirchen-Lehrer verfasset von Christophoro Raselio,
Predigern zu Schwarme im Ertz-St1ifft Bremen.
Der Begleitbrief an Hunnius ist noch erha lten, da=
tiert: Brezen am 3, Juli 16383. Wie fast alle seine Briefe an HNunnius
und die Consistorien ist auch die-ser ein seltsames Gemisch von
demütigenden Entschuldigungen und unverhüllten Drohungen, Er be=
yinnt mit dem Hinweis darauf, dass er seine Lebenskräfte abnehmen
fühle und bevor er seine sterbliche Hülle ablege, Verständigung
mit seinem Gegner suche, Hätte er gewusst, wie grosses Ärgernis
er errepe, 50 wolle er lieber gar nichts geschrieben haben, aber
eher hätte er sich "1000 mahl des Todes und der allergrimmigsten
Verfolgung von den Pafisten befürchtet”, ehe er vermutet, dass
rich seine Brüder und Glaubensgenossen so grimnig zegen ihn er—=-
zeigen würden. "Was mag der gerechte Gott im Nimmel denken/ wen er
golchen Process auf Erden von den Menschenkindern sehen / und
hören muss / dergleichen sich die unglaubliches®en Völcker / Juden
Heyden / Türcken und Tattern an einander auszuüben billig scheuen
möchten / da noch ein Fünckcehen des Gewissens / und Menschlichen
Hatur in ihnen wäre?" Er lege Wert auf Feststellung der Wahrheit,
damit kein weiterer Schandfleck so vieler abscheulicher Ketzereyen,
äeren man ihn beschuldige, seines ehrlichen Geschlechtes Vorfahren
und Nachkomnen angehangen werde. Ganz entschieden wendet er sich
sodann dagegen, dass er unter die “euen Propheten gerechnet werde.
Man sei den Beweis dafür gänzlich schuldig geblieben und in
Hunnius Bericht seien Stroh, Neu und Stoppel durcheinandergemengt.
Wäre er aber wirklich vom rechten Glauben abgefallen, so sei der
gegen ihn eingeschlagene Weg wenig geeignet, ihn auf den rechten
”Iad zu leiten, denn €3
364 *dabey doch ©) ZQT kein
Füncklein
‚
70 =
rechtschaffener Brüderlicher Liebe und hertzlichen Zrbarmens über
seine arme Seele zu spüren.” Wäre er aber wirklich "ein so schröck-=
licher Geist / als die N.,Proph. im Bericht abgenahlet werden", nimmers
mehr würde er im Erzstift Bremen geduldet, noch von den benachbarten
Pastoren und Mitbrüdern geliebt und geehrt, wie es, Ohne dass er sich
rühmenm wolle, reschähe, Der Stil seiner Schrift sei zwar eiwas hart,
aber wenn seineLehrmeister einen sanftmütigen Stil an ihm übten,
Aann wolle er sich ebenfalls der Nachahmung befleissigen. Aus Frie«
äensliebe wolle er die vorliegende Schrift nicht "in die Buchladen
oder sonsten spargieren", sondern nur in Notwehr abgelen, bis er
demnächst einen ausführlichen Gegenbericht fertig gestellt habe.
Nach einer verhältnismässig friedlichen Einleitung geht er in seiner
gewohnten Art zum scharfen Angriff über. Zr habe zwar von Juzend
auf viel Verfolgung erlitten, aber keine habe ihn mehr gekränk® 818
äie, welche ihm von falschen Brüdern schon einige Male widerfahren
sei. Daran knüpft er die unverhüllte Drosung, Gott habe ihn bislang
aller seiner Gegner Untergang erleben lesssen "deren etliche jähen
Todes gestorben / etliche in ihrer Todes Angst verzweiffelt / et-
liche vom Schler gerühret / ihre Sprache / Verstand / und Gesunüheit
verlohren / etliche in grosse Laster gefallen / ihres Ehronstandes
beraubet / oder en ihren Kindern / und Nachkom.en greulich gestraffet
seyn / die noch lebende unbussfertige werden das ihrige auch wol zu
fühlen bekommen." Nachdem er Hunnius auf diese Weise durch die Blume
aeutlich zu verstehen gegeben, was ihm bevorstehe, wenn er UunvVeEL«=
söhnlich bleibe, fordert er ihn auf, sich nicht in seinen Streit
mit den Hamburgern zu mischen, sondern seines Amtes In Lübeck zu
walten, womit er wahrlich genug zu tun habe, Sodann unterzieht er
aie Bosheit der lamturger einer vernichtenden Kritik: "Die grosse
Greuel und Ungerechtigkeit / so in Namburg fwast von jedermann ge-
trieben wird / werden enälich dem Fass den Boden ausstossen, Gott
hat sie genug gewarnet mit violen Worten und Wunderzeichen / Geist-
liche und Weltliche / es hilfft aber alles nicht: ihr Unfall wird
einzahl plötzlich komaen / wie der Schmertz ein schwanger weib
überfälkt: Darum gehet aus von ihnen / dass ihr nicht tecilhafftig
werdet ihrer Plagen." Nachdem er £o Sodoams LKnde auf seine Widersacher
herabbeschworen hat,erklärt em zum Schluss noch einmal, dass er
nur nach reinem Leben und gottseligem Wandel in der lutherischen
Kirche strebe, darin er vun seinen gottseligen Voreltern erzogen
sei. Dahin ziele und arbeite er in allen Predigten und Schriften.
fa
Ter ihm ander-2 nachsage, en dem werde es Gott rächen, und mi1% einem
golchen begehre er keine Gemeinschaft zu haben, sondern halte ihn
"für einen von Ci*t verbanten Feind / Judas, und Teuffel / er sey
80 hochgelahrt ” yew-"'‘ 7 reich / und ansehnlich als er wolle /
öb er auch gleich dem äusserlichen DBekünftniss nach ui% mir einerley
Lehr und Wort im Mund und Büchern führet.”
Antwort auf diesen "rief erbittet er sich an Herrn
Henrich Vellermann in Zremen, Postneister auf SecAnsgari Kirchhof.
Ob sie jemals erfolgt ist, 1st nicht bekannt.
Schon die sgufreizenden Ziiel der vier beigefügten
Schriften lassen erkennen, wie wonir geeignet sie waren, Frieden zu
stiften, vor allem &ber wird dieser Brief an Hunnius dem Fass den
Boden ausgeschlagen haben. Es würde dadurch nur Gel ins Feuer ge
gossen und Roselius sollte bald die folgen spüren. Die stantliche
Kirche hatte bereits in Wölln das Tafeltuch zwischen sich und dem
Schwärmer durchschnitten, aber auch der besiegie und aus den Jauern
vertriecbene Gerner schien noch gefährlich« Ihr Vernichteungswille
ging noch weiter. Da Roselius, wie seine Sc”-""ftien bewiesen, sich
noch weiterhin im alten Sinne betätigte, so En geine Verfolger
nicht in der Beeinflussung der Bremer Kirchenbehörde, bis diese
sich dazu verstand, Roselius auch der Schwarmer Pfarre zu entsetzen.
yann die zweite Vertreibung erfolgt ist, läszt sich
nicht gensu feststellen. es muss &ber allem ÄAnscheine nach bald
nach der Übersendung dieser Streitschriften im Jahre 1633 pewesen sein
äenn der Schwarmer "Catalogus pastorum " gibt schon im Jahre 1639
Gen Pastor Volfgang Otto aus Thüringen als Nachfolger an. Dass
aieser Otto im veraä@liiys hat, geht aus mehreren Eriecfen hervor,
in denen er Otto einen "unverschämten Columkianten" nennt, "der
an seiner Statt der Gemein wieder ihr vielfältig Bitten / Weinen /
and Plehen eingeürungen sey / " ferner "einen seiner hoch-bztrübten
trostlosen Gemeine wieder ihren Willen auffgedrungenen Gast, der
nit seinen Lästern,. Schmähen / und büsen Exemplen in kurtzer Zeit
leider alles wieder verstöhret / was er in so manchem Juhre mit so
grosser Mühe In des HNern Genade erbauet habe." Er wirft ihn vor
allem vor, dass er ihn durch Verbreitung des "Ausf. Berichts wieder
le Neuen Propheten" allenthalb in der Gemeinüe verüdüächtige und
hofft, dass ihm Gott Lald”"das Maul stäpffen" werde.
Die abermalige Absetzung traf Roselius auf dag här«e
toste, Dass die ihn, der so wie son schon 1iuner über Mittellosire
A,
fE
keit klagt, in materieller Hinsicht wiederma völlig dem Zlend
überantwortete, ist bei der damaligen Lage der Pfarrer mit Sicheor«
heit anzunchzen. Zr sah sich genötigt, bei mildtätiyen Freunden
Unterkunft zu suchen, um so sein und seiner Familie Leben zu frästene
Eine Zeitlang scheint er sich bei seinen Freunde Potinius in
Yittmund aufgchnlicn zu haben, denn in einen Briefe des ostfriegi-
schen Generalsuperintendenten Michael Walther an Wilhelm Leyser
in Wittenberg (Wolfenbüttel, NManuseripta., Zxtr. 86.10) ist die
kurze Notiz enthalten: "Potinius schreitet weiter, wie er auch jenen
Roselius, den die Ham burger aus ihrer Sta dt verwiesen haben, bei
Sich zsufgenomnen hat."
SChwWerur noch als dus materielle Elend vermochte
Roselius die Ausstossunz aus der Kirche zu verwinden, deron Var«-
besserung sein ganzes Sinnen und Trachten und glühendes Streben
galt. Dei der naiven weitfrenden Denkweise, die cr bei früheren Ce=-
legenheiten schon mehrfach bekundet hatte, brachte er eg nicht Ter«=
tig, sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass die Eirche keinen Äonn
in ihrem Schosse dulden könne und würde, der mit unermüdlicher Zä«s
higkeit ihre eigenen Zeckpfeiler unterzrube
wir begemnen ihn erzt wieder im Jaehre 1641, wo er
den Versuch einer Verständigung mit dem Ministerium Tripolitanum
unternahm. Wir erfahren von Starcken, dass er schon vorher in Lübeck
üdilescerhalb mündlich Untsrhendlungen gepflogen hatte, welche aber
erfolglos geblieben waren. Als Beweggrund gibt Staycken an: "es
mochte sich onjetzo die Hitze bei ihm geleget / hingezen sein Ge=
wissen ihm gesaget haben / dass ihn das Hinisterium Tripolitanum
nicht zu nahe getun / sondern seinen unreinen Lehren billig widler«=
Sprochen gehabt." Das ist natürlich eine einseitige Auffassung der
Segenseite, denn die späteren Verhandlungen zeigen zur Genüze, dass
Koselius sich durchaus keiner Schuld bewusst ist und seinen Stande
punkt wie früher nachdrücklich vertritt.Wohl hat er einresehen,
lass er in manchen Dingen übers Ziel hinaus geschossen hat und
gibt das auch frei mütig zu« Aus dieser Erkenntnis hereus hatte er
z.B. den "Schlüssel Davids", die schärfste unter seinen Streit«-
schriften, cassiert und aus dem Euchhandel hırsausgezogen. Ich
nehme deshalb an, dass sein Entschluss zum Teil auf neöterielle
Not zurückzuführen ist, zum Teil aber auch auf dss ehrliche Stre—-
ben, mit der ihm von Jurenml auf vertrauten Kirche wieder zu einen
erträgliichen Verhältnis zu kommen
F
u
. uch,gu einer gL.a2ichch Zıuilgung Zu #6langen,
beginn$ mit eine: | andas Consistorium Uripelitanum vom
Herbst 1641. Er ist von Zanmburg datiert und trägt die uberschrift:
“Demiithier= Teieadeng, Fuic72 an das Ehrwürdise Predir=Ampt
zu Übeck / Hamburg / nd Lünechurg / zeschrieben von Christophorg
Roseliaz, Natisponense, in welchem er erstilich seine einfältige
Glaubens Bekäntniss thut / darnach deutlichere Erklärung etlicher
Wort und phrasimen setzet / welche ihn in den Verdacht gebracht /
als hielt ers in Religions= und Glaubens-Sachen mit denen in
Anno 1634 zu Lübeck bei Valentin Schmalhertzg geüruckten Ausführ-
lichen kericht Neugenanten Propheten. Anno Christi MDCLI am Tage
S. Michaelis.”
In diesem auführlichen Eechtferiigungsbrief gucht
gich Roselius auf 29 enggedruckten Seiten rein zu waschen von den
Beschuldigungen, die Hunnius in dem "Lericht wieder die Neuen
Propheten" gegen ihn erheben hat und führt den Nachweis, dass er
fälschlich unter die Neuen Propheten gewählt worden sei.
Der Brief wendet sich &n die Doktoren, Lizentisten,
WJagister, Superintendeaten, Senioren, Pastoren und andere Prediger
und Diener am HH. Evangelio in den drei Städten. Er beginnt mit
einem Hinweis auf die älissverständnisse und den Streit, der durch
den "Ausführlichen Bericht von den Neuen Propheten" hervorgerufen
sei zur Betrübnis vieler from er Seelen. Durch üen Dericht sei er
in den greulichsten Verdacht vielor &bscheul.cheter Ketzereien
gestürzt und sehr schwarz und verhaässt geuacht war den, sodass er
nicht allein seines Dienstes und Ehrenstandes entsetzt sei, trotz.
üjem er sich erboten habe, sich auf Evangelischen Universitäten
oder vor Consistorien zu verantworten, vielmehr müssten auch seine
arnen unschuldigen Kinder deshalb Spott und Verachtung leiden , und
man habe seine arme Gemeinde höchlichst betrübt, inden sie seiner in
gewalttiüäigerweise beraubt und an seiner Statt ein untüchtiges
weltkind ( = Pastor Otto ) wieder ihr vielfältiges Bitten, weinen
und Flehen mit List und Gewalt ob- und intrudiret worden sei. Er
wolle durchaus nicht in Abrede stellen, dass er einiges geschrie=
ben habe, das von Unkundigen ketzerisch gedeutet werden könne,
aber das sei doch menschlich verzeihlich.: "Dan wer 1s% / dem nicht
etwan ein Wort entfähret / wir irren alle mannichfaltig / wer aber
auch in keinem Worte fehlet / der ist ein vollenkommener Mann. Es
en tiäahret 011t8 e1NeEenM @G1n WOLrt%
f
and meinets duch nicent%
ALSO
äen wer ist / dem nicht zuweilen ein Wort entfähret »
Stets habe er"nach seinem geringen Pfündlei al
für die Keinigkeit der evangelischen Lehre und ädes Lebens. Auch
habe er im "Schlüssel Davids" herzlich gebeten, sofern er 1l1rgendwo
irre, möge man ihn dessen freundlich erinnern. 5 tatt dessen werde
er aber um geringer Fehl wegen mit den grübsten Ausdrücken bedacht,
deren er nicht weniger als 170 aus dem "Ausführlichen Dericht" auf.
zählt. Zur Erheiterung des Lesers erlaube ich salr, eine kleine
Elütenlese dieser Schimpfworte enzuführen:; "Verführer, Wicder=
täuffer„ zu Künster, Närrisch Gesind, Mordbrenner, Shleicher,
FTeuffelsboten, Falsche Frobhetez,die in Schaffskleidern komuen.
Schwervuermeister, Wölffe, Elende Leute, die der Teuffel in seinen
Stricken führet, Landstreicher, Meuchel-Prediger, die mit ihrem
Erand und Mord soviel Seelen ins ewig höllische Feuer bringen,
Thomas Müntzer, Diebe, Mörder, Teuffels-Gesandte , tolle Säue,
Trunkenbold, Schwimmelgeist, Irrgelister und Verführer, greulicha
Seelen Mörder, Heuchler, Küchenseiger, Cameel Verschlucker usw."
Wenn das alles wahr und er ein s0O schrechlider
Irrgeist wäre, dann wünschte er lieber ein Vieh oder gar nicht ge-
boren zu sein. Er bilde sich durcha us nicht ein, allein ein
grosser Nazen und Frophet zu sein, und habe darum in seiner Busse
Posaune alle exangelischen geistlichen und weltlichen Herren ge=
beten, mit ihrem Rat in allen ihren Landen und Orten, Städten und
Dörfern die üissbräuche abzuschuffen, um dem brennenden Zorn Gottes
vorzubeugen, Die in dem "Ausführlichen Ecericht” angeführten 15 X0=
tive träfen suf ihn keineswegs zuz er habe nieuals Gemeinschaft
gehabt mit golchen Händeln, sich auch niemals von der lutherischen
Lehre entfernen wollen, darinnen sein Grossvater und Vater gelebt
und er selbst erzogen sel. Er wolle ihnen beweisen, dass er
nicht zu den Neuen Propheten gehöre und hoffe, dass sie damn den
pegen ihn gefassten Verdacht fallen liessen, ihn wieder als
Glaubensgenossen und Eruder in Christo anerkennten, auch aus
barmherziger Liebe und üMitleidigykeit auf Jittel und kege dächten,
wie er wiederum bei fromuen Leuten in Credit und aus allem bösen
Verdacht gebracht werden könnte, dieweil doch ulit seinem Verder-
ben niemanden medient sein könne.
Seine eigentliche Rechtfertigung teilt er in zwei
Teile, Zunächst die ®# "Einfältire_Bıkäniniss _meincs Glaubens,”
Kierin erläutert
Sr
Se 1Ns
Le ulokK iSche
AUTLAasSSUWULLZ
ginzehend &n
75
a
jer Hand der 15 ihm vorzgewordenen Motive. Hin Zingehen darauf er«=
übrizt sich wohl, da es sich um einen rein theologischen Dispüt
handelt. der uns heute kaum noch verständlich ist.
Den anderen Teil nennt er "Deutlichere Erklärung et-
liche "oten die mich in bösen Verdacht gebracht / als ob ichs
in allen P-14-1ons Sachen / m1t den Neugenanten Prophsaten hielte.”
P-4a1 machte er 7 Unterabioilungen:
la. Var "elip-Ambti. Zr gibt durin cine Darstellung, wie er
aurch sein“ schlimaen Lebensschicksale zur Abfassung seiner Sch Yi1f=
ten gekon;en sei und verwahrt sich gegen den Vorwurf, ein Yinkel=-
prediger zu seine
b. Von anderen verdächtisgen Phrasibug«
Das ist bei Noselius eia besonders wunder Dunkt,
denn wir wissen, dass er in seinen "Phrasibvus”" eine recht eindeu«=
tize und derbe Sprache führte und it seinen Widersachern keines-
wezs sandt umgilng. In der Einleitung verteidigt or sich £ulgender-
HAassent
"Yun wil ich hertizlich gern bekennen, dass in solchon meinen
Schrifften zum thell aus alzusrossen Eifer zum thcil aus Unvor-
sgichtirkeit, zum thce1l auch aus andırn dor Unsrigun exempeln,
Lehre, und Gewohnheit, zum the1il aus hastiger Eilfertigieit
im schreiben, welches alles auch wol höhern Leuten als ich bin
iederfahren ist und noch geschehen kan, und endlich zum theil
such sus Liebe wa meine Freunde zu probiren, wie lieb sis
mich haben, und behalten würden, wen ich ihnen also ungescheut
lie Wahrheit sagte, sind mir etliche Wort, und phruses ent-
fahren, die dem Eusserlichen Ansehen nach scheinen mögen,
als wan sie nane auff den New Zroghetischen Stylum kämen, und
demselben gleich wären, welche auch Vielleicht Zw. Ehrwe
VeErursächt haben, wien derowezenÄin die Zahl der Neugenanten
Propheten zu registriren."
Sudenn führt er eine Anzahl der schlimmsten "Phrases" an und sucht
sie mit gewandter Dialiktik teils als harmlos teils als berechtigt
ninzustellen, wobei er sich bitieor Lveklagt, dass Ihn, den armen
Vertriebenen die Antsgenossen begezneaten wie der reionre Kunn der
Bibel, dor an vollen Tafılu herrlich lebend wenig wisse, wie dem
armen Lazaro zu Wube s *
II. Der ander _aAwv.... „on der Philosophis,
Roseliuas war beschulädict worden, die Philosonhie zu
„76 =
verachten, weil er sich oftmals in buissendan wortspielen über sie
Lustig gemacht hafte. So hatte er "Philosophie" verdreht in
“Pfuy lose Sophisterey” ferner "Philosophis” in "viel Ochsen yüss”
and "Aristoteles? in "KXarristotecles", Diese unziemlichen Ausürücke
seien ihm, so entschuldiyt er sich, Ohne büse Absicht entführen.
Se$ne c1igene Philosophie erblickt er vieluchr darin,
" wen einer hat Cöttliche Weissheit / gewisse Erkenntiniss /
und rechten Verstand der Natur / Arten / Bigenschaff ben
Yutzen und Virckungen aller Cresturen , ja a8ll,s Dinges / und
yeiss / wie die Well gemacht ist / und die Kräfften der Zle=
aenten / e1ler Zeit Anfang / Mitte / und ünde / wie der Tag
zu / und abailumt / und wie die Zeit des “ahres sich ändert /
and wie das Jahr herumläufft / wie die Sterne stchen / die
Art der zahmen / und wilden üiere / wie der Wind so stürmet /
and was die Leute in Sinne Akaxm haben / mancherley Art der
Pflentzen / und Krufft der Wurtzeln / und weiss, was heimlich
und verborryen ist / und ist aller Kunst ein jeister / deren
Arbeit ist eitel Tuyend / und lehret Zucht und Klugheit / und
Zerechtiskeit / und Stärcke / ken auch errathe n / was vVer-
rangen und zukünfftig ist / versteht sich auf verdeßkte Wor% /
and weiss die Rätzel auffzulösen / Zeichen / und Wunüer weiss
ar zuvor / und wie 8 zu Zeiten / und Stunden ergehen s0l1 /
van guten Rath geben in Sorgen / und in trauren trösten /
„ira scharff erfunden im Gericht / uni weiss Leute Zu Ye=-
eLeren / und hat den Seist / dcr verstündig ist / heilig,
sinig / nennigfaltig / schurff / benend / berodt / rein /
sanfft / klar / fremudlich / emst / frey / wolthütig /
Leutselig / fest / gewiss / sicher / verusg alles / siehe%
Alles / und geht durch alle Geister / wie verständig / lau-
ter / und scharff sie sind / weiss auch weise Sprüche
vorzu brinzen / Lieder zu tichten / uud zu reden von Bäumen /
von Cejern an auff Libanon biss an den Jrop / der un der
Yand wichsst."
In diesen schwürnerischen Worten offenbart Roselius
ein gut Stück jener uystisch-phantustischepuntheistischen k&wLure-
philosophie, wie sie durch Paracelsus modern geworden ware Uns
neutigen 4enschen ist «ie wohl verständlich und sympathisch, aber
sbenso verständlich ist es euch, dass solche Ansichten einem
rthodozen Prediger des 17.0 Jilcu-=unucrte als E1LCel Kotzerch
Hop
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schienene«
Uler ver710 De
der Äensch anr
._. A
“*—] vom Geis_t das Menschen,
=» gehon früher erwähnte Theorie, dass
” 44 und Ge1r" hosfohe.
"anachwerdung
Christi,
Darin nimmt Roselius die von ihn um "Schlüssel Davids" vertretenen
Ansichten voll und ganz zurück, da sie nicht seiner innersten
Überzeugung entsprächen, sondern nur probeweise aufgestellt wären,
um zu seiner eigenen Belehrung eine Disputation darüber hervorzu=
rufen, eine Erklärung, die mir bei objektiver Beurteilung doch
recht wenig glaubhaft und reichlich fadenscheinig vorkommt. Die
Ausrede gowinn®!£] rahrscheinlichkeit durch den Hinweis darauf,
dass das Büchlein sofort aus dem Buchhandel herausgezogen worden
sei, sobald er erkannt habe, dass es Anstoss BITeRA«
Der fünffte Artikel von Sectirischen Nahmen,
Zr bestreitet khermals zu den "Neuen Propheten” zu gehören, ebenso
wenig wie er etwas gemein habe mit dem damals vielgenannten Sekti-
rerorden der "Rosenkreutzer."
Der VI. Artickel vom Stand der Obrigkeit,
Sofern die Prediger ein Salz der Erde seien, könnten sie die 1rdi—
schen Adams Herzen nimmer zu viel wider den Wust der Sünden salzen,
zumal die Deutschen jetzt viel umihrer greulichen Sünden willen
leiden müssten, indem das liebe Vaterland so erbärmlich in ihrer
Sünden Feuer brenne und im Blut ihrer Misretaten schwimne., Niemals
aber sei sein Sinn oder “einung gewesen, gezen die Obrigkeiten
Aufruhr anzurichten oder ihren Stand oder Regiment zu verrüten,
wie man ihn beschuldige. Im Gegenteil, er bete mit zeinen Kindern
alle Morgen, mittars und abends für alle und die ja auch wunder=
liche Dbrigkeit.
Der siebente Artickel_von Hohen Schulen _/_Fhren
Tituln / und Studenten,
wenn er beschuldigt werde, geschrie ben zu haben, "In etäichen
Academien würde der Studenten Bossheit nicht hebührlich bestraffet,
sondern noch dazu privilegiret" so beriefe er eih aufßk seine
eipenen Erfahrungen, als er 1609 mit vielen Regensburgischen, ÄAugs-
burgischen und Ulmischen Landsleuten zu Wittenberg studierte, sowie
auf das Urteil des dortigen Professors Leonhard Hutter, am dessen
Tisch er oftmals gesessen. Was seine beissenden Wortspiele
betreffe
Er
{8
Me.
(Studio = sus getatt studiosus, tollogus statt theologus ) so
verweise er darauf, dass gein eigener ehrlicher Kame "Roselius”,
Aessen jetzige Schreibweise von keinen geringeren denn KZelanchthon
stamme, in den Streitschriftun des Consisioriuns Iripolitanum in
"Rasel, Rasende Lawe und Rasender Umbläuffer"verhunzt worden sei.
Yan habe also in dieser Hinsicht durchaus keinen Grund, sich über
ihn zu beklagen, da er nur Gleiches mit Gleichem vergülte, Von
from.en ehrlichen Studenten halte er viel
"halte auch meinen ältesten Sohn selber zum Studieren / und
ist unter anderm meiner BLekümmernissen einen / dass diese
31 Jahr meiner Luther. Schul und Kirchen Diensten über alle=-
zeit an solchen Orten halce wohnen müssen / da ich guter
Schulen beraubt gewesen / ich wolte sonst alle meine Kinder
zum Studiren gehalten haben."
Auch die Vorwürfe, dass er üie Ehrengrade der Kuda
Fakultäten für nichts achte, treffe ihn nicht, er müsse jazz sonst
seinen seligen Vater unter der Erde schmäühen, der guch "promotus
Naglster" gewesen und ein fürtrefflicher Äusikus., Nur die allein
achte er für Thoren und Narren, die nach solchen Ehrentiteln ohne
Yürdigkeit aus lzuter Ehrgeiz gtrebten und hoffäürtig in allen
Fskultäten suchten, sie um Geld zu kaufen, wobei sie gich in ih-
rer Eitelkeit aufblähten w ie die Früsche.
Zum Beschluss
spricht er nochmals die bewegliche Bitte um Versöhnung aus.
"Lasset* uns zu beyden Seiten unser lie£tzen reinigen von allen
vorigen Unwillen / und von Grund der Seelen einander verges«-
sen alles / was etwan aus menschlicher Schwachheit / und an-
fänglich alzuzrossen Eyfer ist vorgegangen / und einander
vergeben um Jesu Christi willen / der alles vergiebet /
ienen / £0o sich wahrhafftig bekehren. Lasset uns nicht eitler
Ehre geitzirg seyn, uns unter einander noch weiter zu enti—-
rüsten / und zu hassen: lasve$ uns nicht länger unter einander
beissen / und fressen / auf dus wir nicht untereinander ver=
zehret / und unsern Feinden ein Spott werden. Lasset unser
keiner mehr erger gedencken in seinem Heriien wieder seinen
”ruder und Nechsten / vielweniger ungehört / und unüberzeugt
denselben verädamnen und verketzern« Lasset uns die schwachen
im Glauben auffnehnen / und die Gewissen mit so unnöthigenm
Gezänk / und unnützem disputiren nicht mehr verwirren, lasset
79 =
ans vielmehr wiederum zusazmentreten in die Einträchtigkeit
im Geist / und Glauben / und darinnen forthin fein beständig
wendeln / wie sichs gebühret unserm Beruff. So uns aber be-
Aüncket, dass etwan unser einer / oder der ander ein Mensch
von einem Fehl sey übereilet worden ( weil irren menschlich
ist) ach so larset uns um Gottes willen einander wiederum
zurecht helffen mit sanfftmüthigem Geist.”
Es sei ihm heiliger Ernst mit Frieden und Versöh-
nung, und zwar suche er dieselben einmal um der Wahrheit willen,
ferner wepen seiner gottseligen Vorfahren und armen Nachkommen,
damit diesen kein Schandfleck hinterbliebe, teils auch, weil er
tärliche Abnehmung seiner Kräfte und Zunehmung aller Schwachheiten
an sich fühles denn um sich besser suf sein. seliges Ende vorbe-
reiten zu können ( = Roselius hat nachher allerdings noch mehr
als 20 Jahre pelebt = ) denke er an die Worte des Herrn: "Versöhne
dich mit deinem Bruder, der etwas wieder dich hat" und "Sey wil-
fährig deinem Wiedärsacher bald," Schliesslich sei es ihm auch um
seine arme trostlose Gemeinde zu tun, welche täglich hoffte, betete
und weinte, dass Gott ihn wieder zu ihrem Prediger bestellen möge.
So habe es denn das Consistorium in der #and
“mit hertzlicher Vorbitte und guter Atftestation sowohl für
Gott, als bey dem gnädigsten Lands Fürsten und Herrn" darauf
hinzuwirken, "ob dieselbe hiedurch bewogen, mir widerum
helffen in das Ambt, die arnen Leute Wiederum zu samlen, die
nun so zerstireuet seyn."
Mit dieser beweglichen Bitte um Wiedereinsetzung in
sein Predigtamt in Schwarme schliesst der eigentliche Friedens=
brief, dem man wohl entnehmen kann, wie schwer ihn der Abschied
von seiner Vemeinde geworden ist und wie gerne er seine ScCSOFrg@=
rische Tätigkeit daselbst wieder aufnehmen möchte, wenn das Ohne
Preisgabe seiner innersten Überzeugung möglich ist.
Ihm folrt ein mehrere Seiten langer Anhang, in
welchem er in 30 Vorschlägen ausführt, wie er eine Zesserung der
kirchlichen Verhältnisse sich denkt. Dieses Postskriptum hat er
drei Jahre später in veränderter und erweiterter Form drucken
lassen unter dem Titel:
"Demüthig bettend—= und wolgemeinter Fürschlag etflicher heil=
ganen äittel/ so da zur Reformation, und Wiederbrin;sung des
verdorbenen Christentums ineallen Ständen / wie auch des edlen
Friedens in Teutschlaend dienlich wiren., An elle Zvangelische D0c=-
tores, und Frafessores der 4. Schrifft auff sllen Hohen Zohulen /
auch an &1le Zuperintitendenten, Zvastores und Consistioriuslen der
Firchen ühristi in vrantz Teutrochlaud kürftzlich abrefasset. Ub sie
dieselbire mit gesacbten Natlı weiter berathschluvyen / beuntworten
auch der weirten bedrängten Christenseit davon mehr fürschlaren ,
und bey derselben in die bung zu bringen sich aus hertzlicher
‘iebe Christi / und seiner Cemeine boenüfcn wollen«
Ceschrieben von Christfopioro Xoselio, KRathponense, jetzt umb der
H. Wahrheit / und Gerechtigkeit willen unwirdipen AäiLtgeno- sen aus
Exilio Jesu Chririi. Amsterdam Anno UDOALLV. *"
Diesen Priedensbrief nebst Anhang sendte Noselius an das
“inisterium Tripvolitanum, vermutlich durch Vermittlung des SZuperintien«
denten Hunnius, was daraus hervorzurehen scheint, dass slch der Zrief
heute noch in Lübecker Stautzsarchiv befindet. Ebendasselbe Schrulben
richtete er en dus UHamburgische lLiinisteriumn, doch wär in deuselben Luım«
cherlei geändert und der ganze /nhung FOortzulüsscne
Das Xinisteriun Tripoliteanuag war im Prinzip eincr Aussee
cöhnunz nicht völlir abzeneigt " unanzgesehen sie zu höchsten von ihn
verlästert / deformirt / und besechlmpffet worden / sie gleichwohl ihm
gerne zuverzeyhen / und aller seiner hurten Leyeynuns zu vergessen
gich erboten." Diesen scheinbaren intgerenkomnaen fehlte jedoch der
Zferdefurs nicht, denn eie verlangten von Joseliuc &ls Vorbedin;ung
einer Aussöhnun , daärs er Zuvor eine ZHevocuftionsfarmel unterschreibe
und seine Irrleire widerrufe.
Wie ich zus dor Lübecker Xirchengeschlichtie ersehe, muss
Roselius schon im Pr.hjehr 1641 mit demselben Ansinuen &n die Uumbur—-
ger heranzyetreftfun sein, denn bereits um 23. April dieses Jahres war
dasellist im Zirchensasale zu St. Jarien Jardalenen der Leschlus® re
Dar "an, von Noselius eine Zevocatficon zu Verlsngen.
Die nunmehr von den Ministerien voreinberte o0=-ta Tew0.
formel hatte etwa folgenden Inhalt:
° Ich, Christophorus Roselius / Fastor zu Iumenheppel bekenne hie«—
mit fre/willir aus auffrichtiren Hertzen, dass mir etzliche unrei-
ne Eücher zu lesen vVorkomszen, die mir etzliche scrupulos erwecket,
dass ich andere Gedanken bekommen, weder ich zuvor pelehret / und
gewohnt gewesen, womit ich nicht unbillig in Verüscht geraäthen,
ob machte ich mich der Jeuen Propheten Schwermnerey theil... Ztir.
Örkenne dass ich durın unrecht rethanz und mlilch an dotit, und
seiner GCevwrine versündiget, die 1ch mil: dC 1we. ’lechen Lehre
peürsert, betrübet unddie einfältiren irre gyemac““ *
vw aren Dunkten s0ll er sudann feierlich revozieren, wus er in
seinen Schriften behaupt.t ha%ß von der ärgerlichen AÄAnts« und Lebens
führunz der Prediger, auch üle Verungliupfung der Obrirkeit, die ketzc«
rische Lehre vom ewigen l1eisch , das Christi an eich habe und manches
andere, Der Schluss diezer hurten foruel heisst wörtlich:
"In Zum, wen 1ch den Ausführlichen Zericht mit rechten Örnest
erwore, kun ich nicht in Abredoe seyn, dass ich darin troulich
ariunert, nach allen Punoten ern-tilich zewarnet, und mir meine
Fehle und Irrthunm aus Gottes vorts beständiren Grund dervomassen
gezeiset worden, dass ich daregen nun über seche: JdJüahr verstumnen
züussen und nichts Lestündiges dawleder guffterinen Lönnen. Verwerf-
fe üulle yezeigte Irrthum hiemit von mir —=—= versproche hiemit vor
Gott den Äichter aller Lebendiren, und odten, dass ich hinfort
in aller Zeit meines übrizen Lebens für dergleichen unnützen Uäne
deln ulch wil hüten, und fürsehen«e”
frotz Ger Enmcbhblic..n Lereitwillirkeit der Ministerien zur Leilegung
Gen unergulcklichen Zwister ist von irgend eins Vorsühlichen Äntzegen«
kommen in dieser überaus demitigenden Formel nicuts zu finden. Sie
geht zuf die Gründe des Gegners in keiner weise cin und verlanz® Latc—
gorisch Aevokation und Deprekation aller dessen, was Roselius -elahrt
un; vyeschrieben hate
Liese nevokutionefornel wurde Zoselius in Zumbur: Vorce=
Legt mit den Zodeuten, wenn er üilere Condition nicht einzenen würde,
eo hütten sie weiter nichts mehr mit ihn zu schuffen, sondern würden
die gınze Gemeinde üffentlich vor 11m warnen und auch bei der Öbrig-
keit rzebührlichen Schutz yreren seine "Calumien”" und verführerischen
Anhang suchen, Aber trotz dieser Irohun: Vermochte eich Koselius zu
dem entehrenden “iderruf, in dem er allein alle Schuld uuf gich nehuen
musste, nicht zu entschliierren., Noch gab or dus Spiel nicıt v "oren
und versuc:te noch einm:1 durch einen persönliutuen Erief an 'lunnilus
seiner Sache zu nützen und mildere Eodinrunzen zu er12nsen.
Der Drief ist sirnicrt:”" üuamburg am 25. Ukt. 40 1541.”
Ayselius betont darin zunächst sein ehrliches riedensvoerlungen, die
az sO stirzer sei, als seine Liraft tırlich ab, die Schwachheit aber
zunen0, dalcr er ein bald komuendes Undo seines Lebens vermuten künne.
Zodann verwahrt er sich reren den Vorwurf, seine ausiührliche Verteie-
*%
aizungr ”" gel nichts als neue Dir=" Aion. die er vom
Zaun LräQIe doch kein uner”nfindlicher Llock eder Stein, der
ruhig zusehen känne, wie ein jeder über im rede und schricbe, was er
Lust hütte, wührund er selbst sich vor seinem Gewissen duch unschuldig
fühle. Jun solle also von beiden Zeiten die Zache auf sich beruhen
lassen, was die Confersioncformel unzche, 80 habe er Bedenken, etwas
zu unterschreiben, was von Gleichaliriryren Oder sogar Jüngeren BUleem
setzt sei; eines gölche sei überhaupt übert?lürsig, du ein entsyrechendes
Bekenntnis jo berults 1u den "eymnbolischen Büchern" enthalten sci, zu
denen er sion aufrichtigun Horzens bekenne. ujalte man aber dach eine
solche Formel für unumrünzlich notwendi:, co müsste er sie selbet Vor«
ere%t "ponderiren” und zeine Ansicht darüber kund tun.
Auf dieses Schreiben blieb Hunnius die Antwort schuldig,
wie es scheint werun Urkrenkungz, doch lie-t nach seinen bisherigen
Verhalten der Verdacht nahe, dass 1m diese Unpäisselichleit nicht Un ew
Legen kön. Koselius, der von den Jinderunssyründen des Superintenden«
ten nicats wurste, erblickte aber in dem Zchwolren eing absichtliche
lEnorlierung uud else er nach 4 wochen imuer nuch oune Antwort wur, da
Lies er gich zu einem schroffen Lrief an das Lübeeer int -*tarium
hinrciesten. Überschrielen det derer "4
.Christophori Andree koseli$ „ff an
die Chrwürdigste / Andächat*-e Hoch-=- und Wohlsge=-
laährte äerren / Urn. Z. lic. Hununium, vuperint, und die sünmptli«-
ChO Yastores, Huch zlle andere irediger &n der Lirchen Christi
zu Lübeck." "Latum Hlamkurg sm letzten Koveuber Anno 1641."
Ar beklaeg. sich derin bitter, dass er seit 1) Wochen
alne Antwort auf seinen friedensbrief sei, wihrend men verbtreite,
sein Lekenntinis bezstene aus "Feigsenblältern, ellerley "lickerey und
lauter Trüseley”, es sei Zeit, iim "eister lansen", dem Scharfrich-
ter, zu übergeben, Während er so ult -rosver Jeduld und unter vielen
Unkosten auf Bescheid gewartet, hate er sich aufs kümserlichste durch
Feschlufen, Zumal er auch noch seinen Sohn in dostock VersSOrgen müÜSstTee
2 Ärediscr in Jauburg, Müller und Urabius, hätten ihn in seiner Not
sus lauter Darnherzigkeit nit einen nulben Neichstaler unterstützt
und auch andere Justoren hätten ihm eine mildtütire Leihülfe gegeben.
Des er steils im rechten Cleuben yolebt habe, defür könne er als Zeu—
gen Zehlreiche fromme Theolozen und redliche Chrinfonleute Eufiühren,
Vor allen den Jlerzog Friedrich von Praunschweig-Lüneburyr, der ihm noch
in demselben Jaur ein Zeurnis durüler auszentellt hnabe- die Dannredi-z
Fi
ger in Bremen, welche seinem studilerenden Sol ausdrücklich beschei—
nigt hütten, dars er ihn wie auch alle seines anderen Yinder zu keiner
andern leligion gehalten habe als zu der Lutherischenz; ferner die
Theoloven zu Rostock, die Lutheruner zu Osanbrück, Minden und Itzehoe,
üie Prediger zu Amsterdam, Minden und un manchen endern Orten. Nun
wolle er endlich wissen, wie er mit den Lükbeckern darın sei, Yollten
sie mit ihm Lfechten, so sei er ihrır Streiche gewüriig , aber nur mit
weltlicher üncht könne er überwunden werden. Nach Hunnius Schartecken
frage er nichts, da sie wie auch andere Lübeckische Schriften voller
Widersprüche sieckten, Eine schliumero Revokationsfornel hätte nicht
eingal der Pabet dem Luther oder Achsb dem Elias vorschreiben können.
venn er derart revoziere wie ihm "pontificaliter und imperatoris” vOor«
geschrieben worden sel, s0 sündige er wider Gott und sein heilig ort
und profaniere sein Aut®$ und Gewisren aufs schändlichste, Bichor hate
er sie, um dar Frohlocken der Papisten und öffentlicher Äryernis zu
verneliden, geschont; sollten sie aber bei ihr r Verstocktheit behar.
ren , so warne er sie vor den Folzen., Zr fürchte sich durchaus nicht
vor ihrem grossen Anhang, Macht und Neichtun, ob er wohl ein armer
Sünder, verachteter "tünper und einfiltirer Idioted nach Cottes Willen
Sei, denn recht und wahr werde doch recht und wahr bleiben und der
Friede Gottes wirde sich, weil ei. ihn nicht annehmen wollien, von 1
nen ab und ihn zuwenden«
" Zudem i1et” £0O droalit er, "schon fertir von
> bereitet. in den Druck zu.
Ausführlicher Ceren Bericht ve: „Ger Bossheit etli-
Cher neuer Cophisten /welche aus Cöttlichem Verhängnies / und
Linen zur Straff sic selbzt uit grouser Unvorsichtirkeit of=-
fenbehret in dem unnöütnigen / und wie sie es selbst nennen /
unnützen / verreblichen / zu keiner „X bauungz dienlichen dics«
putiren / und zancken / welches sie ult Christoph Roselius
unter dem Ichein / und Decku.ntel des Procdig Anubis zu Lübeck/
Hazlurc / und Lüneburg angefangen / durch welche gleichwol
ücr Teuffel die verdamte Pharicäische Heucheley mit aller
List / und Cewalt in den besagten / und endern Lutherischen
Kirchen zu pflantzen / und zu erhulten sich bemühet / Appeı-
lations, und varnungs weise allen Evangelischen Potentaten /
Städten etc. Universitäten / und Consisioriis Licelerinsticis
vere Lutheraänis durüber zu Judiziren zus allerhüchstdrünzen—-
der KNoth und demüthirer Eitte um Censur zureschrieben / und
Jedi Lr0OG. man
Da we” an dan flren em oenten nt Aller &-) "ohnmen / und
Zun .örn so viel eure“ | "41vehanädiensten in don drevy Städten
Ant DA Er der © Mpe DULTT OT Pamfaht" © * 77 * * " , gewesen
a4: / setzen. *
Hach dieser zrehbräen/ ven Drohung, 1 yYocht wenig nach
Versühnlichkeit aussieht und ein charakteristischen Prispiel für das
eigenartige Gemisch von Demut und Orobheit bildet, das sich in den mol
sten seiner Stireitschrift:n findet, verlanzt er zum Fehluses eine un
zweildeutige ürklürung darüber, ob sie sich weiterhin s2uf den Boden des
"Ausführlichen berichten” stellten oder nicht. Die Antwort darauf be=
pehrte er innerhalb 8 Tagen durch Vermittlun: des D. dohan Suistoro
in kostock, In dessen Hause sein Sohn Adolf weile, "Der wird mirs wis«
zen wieder zu schaffen."
Aus der Angabe einer freaden Adresse kenn mon entnehmen,
dass Aosolius sich wihrend dieres Zeinungsaustzusches bei Kekanniun Ver«
korgen hält und Bedenken träryt, seinen derzeiti;cn Aufenthult allrzemein
vekannt zu reben.
Diesen "abermaähligen Friedens=-Irieff" scheint Roselidus;)
am ihm einen besonderen Nachdruck zu verleihen, in einer zweiten Ab.
schrift dem reirilichen Äinisterium durch den Zaristrat übermittelt zu
nähen, denn 3 Tage epiter sendet er ein "“chreiben en Gen Roth zu LU«=
beck." In demselben beklart er sich über die geistlichen Collr-en, vor
allem über l!iunnius, der die Schuld daran trüre, dasc die Aussöhnung
scheitere, die ihn von den Je.ren de” ÄZManburser Ainisteriums in eichere
Aussicht gestellt warden sei, Zr habe aber den drin-enden vunsch, sich
and seine arısen unschuldi:un Kinder aus den unrechten Verdscht zu brise
zen, in den sie gustürzt worden seien, Danmit nun der Rath sich ein uns«
parteiisihes Urteil biliden könne über das Unrecht, da ihn zurefürt sel,
30 lese er 7 Schriften bel.
1) Andermahliver Fricdens-ZÖrieff an das Yin; terium zu LülLcck.
2) Dessen unfreunüliche Antwort au” meinen ere‘sn dens-Erieff,
3) Lenselben Friedens=Erieff zn und für sich selbr‘.
4) Die Yarnunz de ff ZU Ka hie} c5nr wieder sich
7yıre
BU ZanZeN.
eine düralas.ulscnde AULON«
;) Ihre lettung derselben Yarnun: wieder mich.
Continuation meiner Treuhertsi:cun Buss Posaunen un sie.
alch warnt er vor einer 2bermaliren Ahblehnune erinse
u
Tin teams Mr Ya
x M
3}
nens, denn wenn er zur Drucklegung seiner "VY. vrantwortung" genötigt wer-
ie, so sel für Munnius und seinen Anhang eine prosse EKinbusse an Repu-
tation und Autorität zu befürchten. Den "andermahligen Priedens-LBrieff”
zöge man nach Verlesung &n iunnius weiterrecben, die s8ndern Schriften
and Bücher aber zu besserer Informierung für sich behalten.
Antworten auf üilese beiden Schreiben sind nicht vorhin«
len, doch gibt uns Starcken in der Lübeckischen Kirchengeschichte re
naue Auskunft über den weitern Verlauf de: Handels:
* Z1%t solchem importunen Schreiben Koselii wolte der Rath den oOh=
nedas Krancken Yunnium nicht noch mehr kräncken / und liess es
Lhm auch dahero umb ihm damit keinen Verdruss zu verursachen biss
zu einer besseren Gelegenheit nicht eröffnens wie dem allem hatte
as dennoch Munnius schon noch eher / denn der Rath enpfangen /und/
zeil er leicht ermessen kunte / zu was beronderen Cefullen es dem.
zelben rereichen würde / wann er seine deelauration daruuf ein«-
srächte / so fing er / ob er sie zweiffels ohne wohl nicht vollend
absolviret haben wird / unzecachtet seines betiligerigun Zustandes
damit &n / und danckete darin den Äathe / dass sie bei jetziger
seiner Schwachheit das Klag-l1ibel Roselii, der iin georen sie / als
aiätte er ihn verschiedene Unbilligkeitun erwiesen / verklavyet /
nicht bald &n ihn reuittieren / sondern seiner so weit verschonen
and ui%® der Thorheit des wütenden Menschen nicht beluden wollen.
järe ihm jedoch / ehe es noch einen Hochweis-Rathe präüsentiret
worden / schon in die Hüinde gukommen / und hätte er zwar umb Hosce
Lii wiilen eine Feder nass zu machen nicht der Nothdurfft erachtet
/ gleichwohl da er verspühret / wie .... Kath yoerne sähe dass
eine Antwort darıuuf gethen würde / so hätte er dieselbe hiemit zu
stellen / und seiner lieten Ubrigkeit desfals die rebührende Ehre
ZUerzeiren sich yur gerne bequemet. Ä“rotestirte / das. er nicıt al-
Le Eladdereyen refutieren wolte / weil Noselii Schrifft fast keine
realia in sich begrifie/ sondern allcin eine Schmäh- und Läster—
Schrifft wäre. Lie Sache aber köäue darıuf en, dass Roselius sich
beschwercte, dass sie ihn in die Zahl der Neuen Propheten / daraus
sie ihn lassen sollen / mitgesetzet hätten, iüierauf räle er zur
Antwort / es wäre Noselius mit allem kechte unter die Neuen LPro=-
pheoten resetzet / weil er sich selbst mit grossen Ruhm / und Geplär
ve also nennete / die Phantestischen Bewegungen / damit die Keuen
Propheten prehleten / gleich als würden cie vom heil. Ceist ge-
schrieben / rühsete / und solche selber refühlet zu haben vrestünde:
1
a
allen ’ die Gott in sich / und in ihren Geist redend höreten /
jasa sie allesanpt HF. Dropheten werden solt.n / verhlerse / und
eie zul das unmzlittelbahre / seheime Jinsprechen des Geistes ver«=
„lese, in etlichen Puncten es mit den N. Prophetin hielte / und
anserer Krichen-Lehre yleicher Weise / wie die KK. EFropheten lüstor
te / insonderheit den / den N. Propheten entrevzen gesetzten Aus
führl, Bericht / dırum sonst enders nicht gehandelt würde / hasse=
te / auch kein gutes / sondern sehr bosshafftires / und übersus
Peindseligen Gemüthe nach Ausweisung seiner Schrifiten zu ihnen /
Jen auctoribus dez Ausführl., Berichts trüze / welchem allen nsch
Zoselius auf die streitiren Puucten sich erkliren / zum Theil
auch seine vorigen Irrtiümer wiederruffen müsste."
dunnius Lehn also jedes Entgezenkomnen Tundweg &b und verlanct bedin«—-
runzslose Zevocution und es ist enzunchucn, darc sich der Bat von LUü=
veck seinen Urteil angeschlossen hute
Irotz seiner erneuten Ablelinunz Lies; Roselius die Sache
Iimuer noch nicht auf sich beruhen. Die Not wird ihn gezwunsen haben,
trotz allem cinen Verpleich anzubuhnen. Über den iu April des folron—-
len Jahres wiederholten Versuch, zur Aussöülhnung zu gelangen, gib% nur
ein Trgebuch des Pastoren an St. Petri zu Lübeck, Adam Helms, nähere
Auskunft. Dieser führte als Senior an HNunnius Stelle die Verhandlungen
and else sich Zosolius pergünlich in Lübeck eiufend in der Noffnung,
iieses Mal einen besreren LBesaheid zu er 0 Üfnete 1hm Helms
im Namen des ginzen Jinisteriums am 15... ;
"es bliebe das Ministerium bey der in il.m.urg abrelassenen sen—-
tents / dasr er seine errores (Irrtümer) erkennen / revoriren /
und davon abstehen solte / und hieltın sie seine letztere Schrifft
an den Nath für eine Schmüh- lurte / darsuf auch der Superinten-
Jjens zu antworten schon den Anfen; gemachet hütte / jedoch weren
Lolbes Schwachhelt darinn fortzufahren verhindert wire / nichts
desto wenirer sie dennoch / wann Cott Gesundheit und Lräffte ver«-
liehe / zu seiner Zeit folkun solie. Den anderen Tag em 16 dito
redete li. lelms nebvut dem Pastoare zu Z.darien / li. Äichsel
Siricio zwischen 12 / und 11 Uhr abermahl mit 14a / und 1liesse er
sich auch gegen sie eben demüthig / und gyeschueide an / bute auf
ajehste / dur Superintendent möchte doch personalida auslassen
‚= nicht persönlich w.rden) und sich auf soinc confeszion (=Glau =
vensbekenntnis) erklüren / und, da i.u dawleder vVorpehalten wure
je / er hüitt mit sciner schurffen Feder nicht Ursache dazu reben
—--
a7
„a
zollen / thute er / als ob ers bereuete / und versprach / es sol«
be nicht mehr geschchen er wolte in caplilibus fidei (= in den
sichtigsten Verirzuensanrzelevzenneiten) sich nimmer von ihnen
brennen / man möchte alles 2uu besten kehren } es war aber nur
ein Fuchsrchwantz / welcuen Äosclius dem Ministerio in Hoffnung
solchergestult durehzuschleichen / und 1ihoa zur reconcilation
(eVorsühnunsz? die Thüre am leichterten zu Öffnen verkauffete /
und war er 1 m in diesen allen nichts weniger / als ein reenter
Brnat."
Nachdem also auch diese persönliche Unterredung ergebnis-
108 verlaufen wm)" schlug Aosreiius einen suderen vVez ein, um zu den er-
gehnten 2107 - LENLN. Zunächst becilte er sich, die Unterstützung
sinfluseruilch:r HC ZU fewinnen und eich von autoritativer Seite
Empfehlungen mn ""7”scheffen. Zu diesen “weck reiste er von Lübeck un-
verzüglich nach Xortock, deren Fakultit in theolorischen Fragen für
jie arei Uunsast die marsgebend war. Lort wundte er sich mit der Bitte
um Leputachtung seines Friedensbriefes an den schon früher erwähnten
Doktor Johenn Quistorp, in dessen ıUzure sich scin Don Adolf als Stum
üiosus der Theolor1ie eufhielt, Juistorp antwortete Iha in einen Schrei«=
ben vom Z4.April. ür kritisiert KLos.lius Schriften in ruhiger, sachli-
cher und völlig objektiver Art und komat zu den Urteil, dass dierer in
vielen Linsen zu wei® gezän en weis
" Es echeinet fast, alr won zu 8nfany" vv euren Lücher schreiben
solche affecten mit seyn untergelaussın ule aus ocinem Lossdün«-
kel / vis würet ihr heiliryer / eiferiger . frönner / als andere
erodiger sind / herpgeflossen —— als wen ihr euch Zu rrosscer Ge—
Halt angenanso% / wollet alle Lirchen / Sahülen / Fredireor /wie
generaliseimnus Imperator, und Fuperintendens reformiren."
Anderseits empfindet er es: wohltuend, dass er von den Heuen fropheten
abrücke, die alzuscharfen Aucdrück. und die schliumsten seinur Schrif«-
von zurückzlehe, sowie ai..h für die Zukunft Lesserung relobe., Drum
halte cr es auch Für suücreichend, wenn er in einer Zrklärun; kurz und
bündis duriue, durs er unit don im "Ausführlichen Bericht" verworfenen
Schriften und Lehren nichts vemein habe, Hütte er das pyetan, 20 würe
or von den dio im verdichtigt hütten, ein zutes deu nis Verlanzen
das ihn u 3 Wieder von neuem empfehle.
' zweite Schritt in “oztock wur ein Schreiben un die
bit, datiert Nortiock 3. Calend. Uujl Anno 1642, in
welchem er darum bittet, die Nerren möchten sion für ihu verwenden, die
Theolorıa
Da
mil durch 4Lv0 guten Attei.ationes wiederum seinen 2rnen DODEf we
str] mu hüten relsngen könne." Anscheinend ist er rer" Harr”nlich
vyorste)lir üeworden und ha% den Nerren eine uevocaLLonsformel zur Be
rutachtung voryele;t, vielleiecut die von Zr. Juisfor» VorgeascAalazend.
Die sehr wohlwolilende und Zriediertire Antwort der Fü=
kuliät% ist sieniert vom Ze lulz 6; 1u© ülsu eins der beiden Daten
falsch anrepgeben,.lie richtet sich ın das Minirteriun Tripolitanumt
"Ze hat Herr Christophorus Äcseliuc seinen kläglichen / und une«
seligun Zustand / daricnen er durch zveisen Schriffteon rerathen /
aund- und schrifftlich uns entidecket / und mit Yrähnen gebeten /
wir möchten 1a in seinem hohen Älter mit latı / und HNüulffe
tröstlich erscheinen / und suffsöhnliche Uittel bedacht sen /düie—e
Zurch er mit den Herrn Theoloris zu Lübeck / YNanburg / und Lunoc=
burg wiedzsr vereinircet worden küntie. van demnach wir dieser geile
ner Sitte uns nicht entsiehen möyen in Nofinung / er Anckünfftire
das posthac cautius (= spüter Vorsichtiger zu sein) seinen hohen
Versprechen nach practiciren werde. Als wolicen wir Wicmit die
Herrn zuffs freundlichste erzuchet haben / diereibe diesem altın
armen / Hüuülilosen hunne in seinen Letrübten Zu tande / der ihn
mit den urmen seiniven veiroffen / nüuch Gelevenueit alle yute Lew
foderung erweisen / und iin sus dem Verdacht / darin er fest bey
aller Jelt durch seine unbequelwe Phrases unvorsichtig geraten /
wiedersefzen wollen. Lumit er seincr Guben mit Abschaffung aller
vorhin von ihm geführten geführlichen Kovitäten / und phrasiug zu
Gottes hhren / und Irteuung der Kirchen die übrige Zeit ecines
Lebens gebrauchen möye / wie er sich in dem uns zure. telten Nevere,
dessen Copiam wir übersenden / erklärot."
Unterzeichnet ist dus Schreiben:
" Decamus, FTenior, und sümptliche Doctores der Yheoloroschen Zum
kultät #2 der Univerrität Rostock."
„i% diesen beiden Ericefen beyab sich loselius eilends
und hoffnungsfroh nach Lübeck zurück, wo er dieselben schon am 5, Kai
dem Senior übergab. C“tarcken berichtet darüber au der iland des Helus:*
schen Tarebuch weitere
»ALs er darauf den © hujue, an welchen das ÄUinisterium alle diere
Schriften in conventu verlesen / Hachalttayrs um 3 Uhr von Helms
und Siricio vernouzen hatte, mon liesste es bey dem vorisen deoret,
zab er wieder seine alte Tücke / wie wenig sein Gonith zur währen
TeCnLESCcCHhAiiunden
Vers Ööhnlichkeit
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dass er diesen beyden depuftfirten gunts x. rement (+ trotzig) un«
ter Auen sayte: Zan möchte sein Gewissen nicht so beschweren /
er wolte alle sophistische elenchos (= Zeschiunfrnren) im Aus«
führl. Bericht darthun / und / wie diese dagcpun / als gegen eine
injurie, die er beweisen solte / protestirten / und ihn solche
grobe Beschuldigung wieder nach Hause schickten mit den Zusatze /
er golte den Rath nicht reitzen mit ihn / wie zu Hanburg / zu ver«=—
fahren / so hatte cr die Dreistirckelit / dass er es auf die leichte
Achsel nahm / und sprach / er wolte es nicht hoffen."
Aus dieser natürlich einseitigen Barstellunz geht hervor, dass dus ie.
nisterium trotz der befürwortenden Schreiben der Rostocker Theologen
unversühnlich und in unveorstfändlicher HNürte an der ulten Revocatlions—-
formel festhielt, Voller Zurn darüber droht der in deinen Hoffnunzen
auf schwirste enttäuscheie Aoselius abermals mit der Nervusgabe seines
Gegenberichtes, den er schon im "Abormahligen riedensbrieff” andeutet
und Lässt sich auch Surch die Drohung, uon werde ihn wie in Hamburg
der Stadt verweisen, nicht einschüchtern,.
Trotz dieses Zusazuenstocses, der die unüberbrück bare
Eluft zwischen den beiderseitigen Ansehauunzen deutlich offenbarte,
nahnen die Verhandluns nm dennoch ihren Portcanıs
"Zach alien aenvegonenen Umbstäinden / und bey solchem beharlichen
uygensinn dieses Koselii, dadurch er mi% der Vergleichunz nur
e»ielete / uud das colleyium TIripolitenum gleichsahn äffete /hiüit-
te denn üacselbe Ledenken trogen mören mit ihm sich weiter einzu=
lassen / wunn sie nur Friede für 1ihua haben / und sich seines
Geilens / und Bettelns hätten erwehren können, Allein so über«
lieffe er £i1e von ncuem einmahl über das andere / und lapye ihnen
so lange suf dem Healse / birs er ihnen eine gelindere formulam
revocailonis abzefresset hatte / und stellete er in dieser in-
tention (= Abricht) den 16 ejusd. dem Ninisterio zu Lübeck ein
eEnderweitivges ecriptum durch M.lelms zu.”
Dieser "Lübeck z£m 1° Trr* 1, Änno 1642” datierte Schruiben trürt den
Titel
chris. Aderpahlirer Friedenr=Lrieff an üie Vohl-
EhrWÜLGak,. Andiüchtige / HNochrvelahrte üulerren Doctoren, und Zus
perint. such Zenioren, und s.mptliche Pastores, und Predirer der
Zirchen Christi zu Lübeck insonderheit.”"
lu demrelben verteidigt er sich nochuaals yeren alle Ee=-
die im "Aurführilichen Bericht" den "yserintendantun
echuaidizun en.
dunmnius gegin ihn und die Keuen Propheten erhobun waren, um zu bewei«
sen, dass er nicht zu den Keuen Propheten gehöre. “o er die Prediger
und die Obrigkeit angegriffen habe, da habe er keineswers die Gesamt-
heit, sondern nur die wirklich rchlechten Zlemente pemeintz wurum solle
er nun pezwungen werden, ohne Unterschied bei allen zu revozieren und
öffentlich Abbitte zu tun, da er doch nur einige wirklich gChuldire
Gesellen zur Busse habe ermahnen wollen. Könne man iim etwas anderes
nachweisen so sel er gerne bereit, bei den unschuldir Betroffenen mit
einem demütiren Puscfall ÄAbbitte zu tun, Auch die irdischen Händel
und weltlichen Lüste habe er mit guten Recht yestraft
" £o thüte ich ja wieder mein Cewiscen / und verläurnete die Lie-
be der Wahrheit / wen ich mich hierinnen selbst einirer Ketzerey
beschuldigte / und co ich desweyen noch dazu Abbitte thüte /
elürtzte ich uich bey jedermann nur ticffer in grüssten Verdacht
der schüindlichen HNeucheley / dafür wolle mich mein Gott behüten.”"
Schmerzlich wehe habe es ihm getan
"aller der greulichsten Gotteslästerlichen Ketzereyen und GCottlo-
sen Händel in gantz TVTeutschlend”
berchuldigt zu wurden, Wenn er sich damals nicht sofort verteidigt ha=
be, so läre es zum Teil darin, dass es ihn "wegen Armuths und der ste=
tiren Xriegspresguren an seinem Ort" an üitteln dazu gefehlt habe,
Nun bitte er um nachsichtiges Entgerenkommen
"auff dass wir allerseits: / sonderlich auch ich mit getrüstetem
Hertzen fröhliche "fingsten haltın / und mich durch Heil. Abloende
mahl mit Gott und veiner Gemeine vereinigen möge.”
Der "rief izt wie alle andern susserordentlich geschickt ablrefasst,
unterscheidet sich ber von den früheren wohltuend dudurch, dars er
dieses. Hal wirklich suchlich und versöhnlich rehalten ist und sich der
sonst beliebten Ausfälle und CGrobheiten enthält. Die Schuld, dass
auch hierauf eine Aussühnung nicht zustande kam, dürfte also trotz der
gegenteiligen Darstellung des Pastor uJelms zuf der Seite der Gegner zu
suchen scein, bei denen man vergeblich nach der kleinsten “pur christe
Licher Küchstenliebe suchte
45 Wär gerade Uimnelfchrtstug, als Pastor Nelms dem
Superintendenten Yunnius den "andermahligen Friedens-Ärieff" über-
brachte, Letzicrer war perade im Begriff, nach Lünebur” zu verreisen und
hatte keine Zeit uehr, sich mit der Anrelegenheit zu befassen; er riet%
deshalb dazu, die Zaclhe dem Convent des Ministeriums Vorzuleszen. Die—-
und beschloss, bis zur Rückkehr des Hun-
ser tIrat am 20. Jai zuraähesen
“%
nius nichte zu unternehmen, da derselbe als yr > ünlich Beteiligter un—-
bedinzt um seine Zeinung of) 0* werden müese. Inzwischen wolle usn
aber auch die Ansicht der beiden befreundeten Ministerien einholen,
denen mun die vorherige Senachrichtigyung schuldig sei. Bis zur endrül«
tixen Entscheidung sel aber dem Korelius die Teilnahze am Abendmahl
zu verweigern und such nicht zu gestatten, dass er seinen "Cesang von
der _Xwirkeit”", welchen er der Lübecker Schneiderzunft dedizieren wolle,
daselbst drucken larre., Dieser Deschlues wurde Roselius noch &n dem
gelben Tage von den Pasfioren Noelme und Sirieius in der ” Xatharinen«-
kirche zur Kenntnis gebrachte
Das Schreiben des Lübecker Conventes an dire Ministerien
von Hamburg und Lüneburg ing unter Zeifüguns des*andser ‘ren FPrig—
dens=-Zrieffes” am 27. si ab. Ze wird darin anzcfragt, ob man es bei
der altın Äevocationsfurmel belassen oder ob man slech 7° -1nenm milde—=
ren Widerruf herbeilsesen solle, dagit maan"einsahl dieses Venschen -
1o06es wiirde.”
Hamburg bemünzelte in seinen Antworftfschreiben vom 1J«
Juni mit Recht die Legründung des koselius, er habe einige Stellen
nur " probendi oczusa” veröffentlicht, um socine Freunde auf die Probe
zu stellenz wie wir schon früher hervorgehoben haben, ist dies ju
Kuch tatsächlich die schwächrte Itelle in seiner Verteidirungsschrifrt,.
Ausserdem müsre Roseiius den "Ausführlichen Bericht" des Zinisterium
Yripolitanum anerkennen. Solange er sich dessen weiznece, könne zon
ih nicht trauen, doch sel man im übrigen wolLl damit einver-tenden,
dass man iim eine mildere Nevocationsformel uuferlere,
Auch Lüneburg billizt am 22. Juni die ‘ f-.eung einer
milderen FPerrte). verlangt aber ebenfalls, dass Roselius seine Irrtüi«
mer zu"
Nun war es wieder DTache der Lübecker, eine neue mildere
Formel eufre-‘ "len, sie haben sich, absichtlich oder unabsichtlich
lasse ich €.’ nsentellt, nicht sonderlich damit beeilt, Als bis Aus-
gust 1macr noch nichts erfolgt war, legte sich Christoph Äoselius
ältester Lohn Adolf ins Mittel, den wir bereits früher :1s "tudent in
Rostock kennen gelernt haben, Er hatte schon früher einmul eine pers
sönliche Unterredung mit Hunnius zu Gunsten seines Vaters gehabt und
schrieb jetzt von Rostock aus an den Pastor Siriecius und als dieser
ihn keiner Antwort würdigte, an den Cenior Helnus.Jar in lateinischer
Sprüche gehaltene Schreiben, an welchen sich heute nuch das Roselius*
sche Familicnsiezel mit den 3 “osen befindet, glebt seinem Unwillen
Jarüber Ausdruck, dass sein Vater von dem Lübeckischen Ministerium BO
ungebührlich lange hinzgehulten würde, da doch die Mumburger und LÜne«=
burger schon vor zwei Monaten ihre Erklärung abbegeben hätten, Zr macht
Jaruuf aufnerkeam, wenn die Anpeler.nheit nicht zu gehleuniger Lrledi«—
zung küme, #0 würde sein Vater dadurch unzweifelhaft wieder” zu einen
schürfferen stylus” aufgebracht werden, Ihn entwortete Pastor Nelms
am 18. August, es solle seinem Vuter die mildere Kevocationsforuel zu=
gestellt werden, sobald sie von den benachbarten Jinisterien zurück sei
| eglie war, nebenbei bemerkt, überhaupt noch nicat ubgeschickt worden,
Nas Pastor Helms aber unehrlicher jeise verschweigt). Sofern “oselius
dieselbe aänerkenne, sollte es ihnen lieb sein, wo nicht, würden sie
seinen Zorn weni’ achten, sondern schon dawider äsat wissen.
Imacrhin scheint diese Nachfruge zur Beschleunigung der
Angelegenheit geführt zu huben, denn um 4« Sepicuber übersenden die Lü=
becker den Nachbarministerien die neue Jormel nebst einen Begieitschrei-
ben, in welchem sie Vorweg bemerken, dieselbe zei länger EewOrden als
arsprünglich yorgesehen sul, aber weil won mit einem " seltzsahuen ,
anruhigen Jenschen” zu schaffen nabe, sei für notwendig ecruchtet WOrden,
Lhn &1s0 zu fassen, dass er nicat entweicuen könne. Es wird Vörgeschla«®s
ren, Christoph “oselius durch Vermittlung seines »ohnes herzuziticren,
ihm die Kevoc-tionsfornel vorzulesen oder 3 mul durchleuen Zu Lanzen,
worauf er dieselbe in 3 Zxenplaäaren zu unterschreibun und zu versiegeln
habe. Die dem Briefe beigefügte Äevocation ist bei den Lübecker Akten
nicht vorhanden; vermutlich befindet sich dievelbe noch im iüÜmburrer
öder Lüneburger Archive.
Nachdem die Sache nun einnul auf die lance Kank Z8SChd=—=
ben war, beeilten sich die andern Zinisterien ait iiurer örledirung
auch nicht sonderlich. Lüneburg untwortet ersi um 20. UKt0OLeEer, sie
fänden die neue Formel nicht gelinder, sondern fust noch schärfer 818
die erste; auch sei sie zu weitläufig und man müsse befürchten, dass
Roselius diese erst recht nicht unterschreiben würde. Sie raten infolge=
dessen Zu einem kurzen “iderruf, der möglichst seinen eignen jorten
Sntnommzen sei.
Noch schwieriger war es, von den ilumburg.rn eine Ant
kort zu erlangun. Zweimal wandte sich Pastor Melus verfeblich an den
senior HNardtkopf, bis an dessen Stulle Pastor Aüller endlien am 8.0
vember miticilt, dars sie sich den Eedenken der Lüneburger anschlössen.
Solchergestalt kum es nun glücklich zu einer dritten
Forucl und diese wurde bedauerlicherweise ebenso wie die vorheriren
0%
A
von den Lübeckren «>
Lichen Ton un“ En Hain 2
°07411%, Was sich schon aus den alteq unversühn«
ap ht CR Jim
ah Pagani ans=-Zormel. wet?
Christonphoro_Xos>lio zu unter«
schre ben fürgeleget worden.”
"Ich, Christophorus Roselius bekenne hiermit für dem allerhelilig«—-
gten Angesicht Gottes / und für Jedermänniglich / wie dass dich für
diesem instinctu Satanse et quorundam fansaticorum hominum (=auf
Anstiften des Teufels und einiger fenatischer Jenschen) etliche
schwärmerische / irrige / und senr verdüchtiye Lehren / und reden
wieder Gottes Wortt / wieder des Herren Christi Fersohn / auch
yiele unverentwortliche Schmachreden im gedruckten / und andern
von mir verfertigten Schrifften wieder das Heil. Predig=Ambt /
und den Regierstand mündlich und schrifftlich auff die Bahn ge-
bracht / und ausgegossen / und damit in der Kirchen gross Zrger«-
niss anvrerichtet habe / dadurch die icrren Prediger zu Lübeck /
Hamburg / und Lüneburg Ambts / und Gewissens halber bewogen wor-
den solche meine fanaticos errores et opiniones (= fanatischen
Irrtümer und Lehren) mündlich und schrifftlich zu wiederlegen«
Jan ich dan nun zu andern / und besseren Gedencken dadurch endlich
bin gekommen / £0 erkenne / und bekenne ich meine voranzedeutete
errores (= Irrtümer) offentlich / und bitte darneben / der barm-
hertzipe Gott wolle mir dieselbe umb des theuren Verdienstes Jesu
Christi willen aus gnaden vergeben / und alle fromwen Christen /
die ich damit geärgert habe / wollen mir aus Christlicher / und
Eruderlicher Liebe solcher alles verzeyhen, Ich verheisse / und
relobe guch hiermit offentlich / getreulich / und beständiglich /
dass ich künfftiz / so lunge ich nach Gottes Willen lebe / gol=
cher / uud dergleichen irrigen / und verdaüchtigen Lehren / und
reden privztim et publice mich gäntzlich wil enthalten / und nicht
anders reden / lehren / und schreiben / auch andere solches zu
thun anmahnen / als was mit dem unverfälschten Wort “ottes / mit
der ungeinderten Augspurgirchen Confes-1on, mit dem Christlichen
Concorüdienbuch / mit dem kleinen / und grossen Catechismo Lutheri
in allen stücken / und puneten übereinstimmt. Approbire (sunder—
kenne) such hiermit das Buch von den dreyen üinisteriis, Lübeck ,
Hamburg / und Lüneburg / &1s dem reinen Wort Cottes gemäss / Aus-
führlicher Bericht genant / zu Lübeck Ao, 1634 gedruckt / und wil
dawieder nimmer schreiben / oder reden / und verheisse mit Hülff /
und Beystend Gottes des Heilizen Geistes mich 81:20 zu verhalten /
dass alle rechigiaubige / und aus l<l.4iye Lutheraner (Christen)
50wohl Lehrer als Zuhörer / sowohl auch an meiner Lehre / als an
meinem Leben keinen veräruss / sondern ein hertzliches Yohlgefal-
len sollen haben, Dazu mir Gott der Himulische Vater durch Xrafft ,
and Deystand des Neiligen Geistes aus Cnaden verhelfen wolle / umb
seines allırlievsten Cohnes / Jesu Christi willen / in welchem al=
le Verheissungen Gottes seyn Ja / und Auen, Lüteck 17. Decenuber
‘Oo 1642.
Diesen neuen und dritten “Viderruf sandte Helms nach Hame
burg und Lüneburg; das Bersleitschreiben ist irrtümlich von 15. December
datiert. Am 5. Junuear antwortet Pastor Müller, das HNauburger Ministeri«-
um sei mit der neuen Formel einverstanden mit Ausnehne des Wörtleins
"Satanae"; es sei Zweier sicher, dars die Lehren dar Roselius auf Anstif«-
ten des Teufels und nicht des Heiligen GCeirtes zurückzuführen cei, doch
befürchteten sie, Roselius würe sn diesem Ausdruck Anstoss nehmen.
Am 11. Janusr äussert Fuperintendent Nhebinder von Lü-
neburg dieselben Zedenken, da dierer Ausdruck doch wohl zu hart ge=
wählt sei. Im übrigen erklärt aber auch er im Namen des Ministeriums
seine Zustimmunre
Aogelius berann inzwischen angerichts des schier endlo=
sen Zriefwechsels allmählich ungeduldig zu werden, was man ihm um so
yeniger übel nehmen kann, als die Verhandlungen nunmehr schon 9 Monate
anduuerten und er bereits im al auf eine günstirye Erledigung gerech—-
net hatte. Zr hielt sich zu dieser Zeit in Hemburg auf und schrieb von
dort sus an Nelms, mucn möge ihn die Resolution durch den Domprediper
Johenn Fürsen in Ercuen zugehen lassen.
Der Zriefnechsel der 3 Uinisterien hatte aber immer noch
nicht sein Ende erreicht. m 24, Jınusr 1643 sendet Lübeck den Nachbar.
städten erneut die Formel und bittet die Nanburger Nerren, sofern Rose-
lius noch dort weile, möpre mın dieselbe " durch zweyen lerren des Mini
steril Roselio lassen fürlesren und veine Jeynung darüber vernehmen.”
‚olle er dieselbe acceptieren, so Öse men die Fornel in 3 Nxemplaren
abschreiben, von Noselio larsen unterschreiben und mit seinem "Pitzier"
versiereln. " Auff den Full aber / dass er noch ein anderes wirde be=
vehren / sind wir nicht yesinnt darein zu williren."
An 9. Februar äussert Lüneburg noch einusl seine Zu—-
stiuwung und damit endet der Zriefweochsel der 3 Ministerien mit und
über Roselius, soweit sich derselbe im Lübecker Staatsarchiv befindet
and veröffentlich 1e+.
35
Über den endg“” *ipen Ausgang beric}* aie Lübecker Kiır-
chenhietorie an de“ £nd von Paster 7-1ms "*--obuch. Ze heisst daselbst;
" Vermeynete man dannenhero pH ot e5 Würde nuch £0 langwei«-
liver / mit Roenlio verschicdentlich genflogyener landlung die Ver«-
ürlerslichkeit einmahl alle seyn / und / da man Ahn gefuset / so
viel men gekont / er such forner keine instantien, und Einreden
machen / rondern endlich die Seegel streichen / und zur retraction
sich willig erzeigen; doch die Hoffnurg fiel wied.r An den Zrüunnen/
und trieb “oselius scin "pierelfechten mit der Versöhnung / wie zu=
vor / dass daher dieselbe auch dsomehl durchlöcherte / und / was
ihm auch Amuormehr dee Minicterium Zripolit- num nachgelasrten Late
te / nicht dar geringete durin effectuiret / und zu Yercke gerich-
tet wurde. Am 2. Janucer berchrete er von N(sagister) Helme, dass
ihn die revocntions-formel ren Erumen nachreschickt werden müch«
te / wiese ihn auch die addresse dorthin an den darigen Thunm-Pre«e
diger / Johann Türsen un. iNMernit ward ihn zuch gewilfahret / und
gübe desfalr das Lübeckische Ministerium am 24. ejusden denen zu
Hamburg / und Lüneburg ihre leynung davon also zu erkennen / dass /
wenn Roselius jetzt zu Humburg nicht seyn solte / noch ihn die
revoc;tions durch Zweene Herren ihres Miltels förmlich insinniret
werden könte / men ihn diecrelbe nacher Eremen zusenden wolte, Da-
rinner consentirten zuch die Lünsburzger vermittelst eines SCchrei—
bens vou 9. Februar an X. Helms und die Uimlurger / ob sie wohl
Qie Antwort dırvuf ec gecehwinde nicht einkommen liesren / dass
auch Nelme darumb &x 22. dito obereinst bey Müller anhalten muste /
tewillixten es flecichfals., Wurde sie ihn demnsch dureh Müllern,
welcher es such am 23. Nartii anhero berichtete, zu Handen geschaf-
fet. Nichts desto weniger, da er sie gleich empfangen hatte / und
des Ninicterium Tripolitunum eine final Erklärung von ihm erware
tete / dudurch er diese formulam revocitionis einnmahl annehzen /
and mit Hamd / und Siegel bekräfftigen würde / so war es gleich
yohl noch immer fort / und wort eitel Zäuschung umb den Vergleich /
und liesse essich auf keinerley Veise dazu mit ihm gelangen / wie
man es Such mit ihn anfinge / und sich in seiner humeur schickte,
Ör wolte kurtz umb nicht nuchreben / noch geirret haben / sondern
war auf seinen Irrwahn guntz erpieht / massen solches nicht Nur
äie in diesen 1543 Jühre ausgegungene neue Auflage seiner Buss—-
Posaune / worinn er auf eine sehr freche / unbändige Art gegen das
iInicterium Trinpolitenum lLosszeucht / und es ult schlechten Te
A
spect tractiret ‘ genüglich behelliget / sondern auch der gechste
Theil dieser Uistorie / wann wir mit Göttlicher Hülffe das Jahr
1045 erreichen / darüber noch mehrere Gewissheit vorlegen wird.”
Aus üiesen Aufzeichnungen des Pastor Helus peht hervor, dass der end«
gültige ürfolg der elfmonatiyen Lexühungen und Verhändlungun schliess.
Lich doch gleich Hull wer, denn als im März die Revocationsformel end
lich vorzgelert wurde, üd& verweigerte “oselius die Anerkennung. Pastor
Otircken schlebt natürlich alle Schuld an den negativen Ergebnis ÖO«
sgeliu= in die Schuhe, doch ist dieser Urteil zweifellos einseitig und
ungerecht, Trotz mancher Schwächen in Koselius Verteidigungsschriften
ist doch namentlich im letzten Friedensbrief das ehrliche Bestreben
anverkonnbar, mit der Kirche zur Aussöhnung zu gelangen. Zr wehrt sich
nur aus allen Kräften dageren, dass diese Verständigung auf Kosten sei=-
ner iInnerlichen uberzeurung Vor sich gehen soll. Seinem Charakter Köne-
nen es: seine Nachkommen deshalb nur zu Cute rechnen, dass er sich nicht
äazu horbeiliess, das zu Veordaumen, was ihn bis dahin als wahrheit Az
golten hatte, auch nicht um materieller Vorteile willen. Ich möchte
aNNChLeN, dass das äussere Llend des von der Pfarre Vertriebenen über«
uüsupt erst den Anstoss zu dem Versühnungsversuch gegeben hät, weniger
jäie Überzeugung von den Unhaltburkeit seiner Lehre, Dars er in dieser
üilnsicht ücr alte Znthusiast und Schwärmer geblieben ist, zeigt der
weitere Verlauf seines Lebens Zur uoenüzgde
CO war denn die Kückkenr in den Schoss der staatlichen
Kirche an der Unversöühnlichkeit der geistlichen Obrigkeit gescheitert.
" Entehrender “iderruf oder Irennungz" das wer und blieb der Standpunkt,
von dem sie nicht um Naaresbreite abwich, So ergab sich denn SCchliess«—-
lich “orelius in sein “chicksal. Ruhelos zog er von jetzt ab dur chs
Land und geine puren als Wanderprediger sollen sich £n manchen Orten
zwischen Elbe und Uollend nachweisen lassen. Wo sich seine bedauerns-.
werte Familie in dieser Zeit aufgehalten hat, ob sie ihn auf seinen
Fahrten befpleitete oder ob sie bei guten und maildtätigen Freunden Unter«
schlupf funden, ie%t nicht festzustellen.
Dass aAocelius UNass wider die Geistlichkeit nunmehr von
neuem aufflasnte, ist nur zu erklärlich. Noch in demselben Jahre gab
er von Ansterdum aus seine Huss-Possune, welche den ersten Anlass zu
dem Streit gegeben hatte, abermals in lruck. In dieser neuen und Ver=
änderten Auflage greift er das Consistorium Zripolitanum in schärfster
und schonunzslosester Weise zn. Von der Nerauspabe eines " Ausführli=
chen Gepgenberichtes geren die Eossheit etlicher Cophisten", mit dem er
in seinen Briefen verschicdentlich droht, ist mir nichts bekennt EeWOL =
den; vielleicht ist es bi der Drohung geblieben. Dagegen taucht er
1544 wiederum in Amsterdum auf und veröffentlichte hier eine neue Recht«
fertigungsschrift, in der er zu beweisen sucht, dass es möglich sel,
eine Gemeinsch”ft der wuhren Christen zu bilden, ohne dass eine Tren-
nunz von der Kirche zu erfolgen br-uche. Die Schrift ist mit nicht zu=-
zänrig gewesen, doch vermute ich, dass es sich um das Postskriptum des
ersten Friedensbriefes handelt, dessen bereits auf Seite 64 Zrwähnung
getan wurde. Dasselbe wurde von ihn aurenscheinlich weiter ausveführt
and unter den TL1*22
" Demüthir bittend = pr we‘ 0om- sn Fürschler etlicher teilsch=
nen Mittel / so da zur Reformation, und Jiederbrinsung des verdor-
benen Christenthuus in allen Ständen /wie auch des edlen Friedens
in Teutschland dienlich wären."
Diese Vorschläge, die sich zuf eine Veredelung des geistlichen und
weltlichen Lebens bLeziehen und in 30) Paragraphen gefasst sind, sind
durchzus beschtenswert, doch haben sie an dem Urteil der Xirche über ihn
nichts geändert.
Seinen Zorn über die Lübecker liess er im Jahre 1645
noch einmal freien Lauf. Wie Bertrrma und Arnold berichten, richtete er
von “tade sus ein " ungewöhnliches" Schreibun an den Rat von Lübeck wie
der die dortigen Prediger. Es wird dieselbe Beyebenheit sein, bezüglich
deren Sturcken auf den sechsten Teil der Lübeckiscuen Historie verweist.
Dieser rechste Teil ist meines Üissens nicht erschienen, doch dürfte es
nicht schwer halten, aus den Akten des Lübeckisehen Staatsarchivs den
Verlsuf auch dieses Streites festzustellen. Dass er zu Ungunsten A0se=
1ii verlaufen ist, kann man darsus entnehmen, dass ihn il. Nicolaus Base
ringius, Pastor an der Aegidienkirche zu Nannover 1646 Amer noch zu
jen Neuen Prophet 2 zählt. Diese Schruadl, 7? :tet:
" Zreuherzire_Yarnur' vu Dom. ter
den neuen Prophet x
and richtet sich ebenfalls geyen die enthusiastische Bewegung.
Von nun an ist Roselius jaehrelanz Verschoöllen, doch
Scheint er den Versuch, gscinen Frieden mit der Kirche zu machen, noch
einmal wiederholt zu haben und zwar, wie men annehmen nuss, schliesslich
loch unter Ureisgsbe seiner bisherigen theolorzoschen uberzeugung, Ich
fand darüber in Arnolds "Kirchen — und Fetzerhistorie" folrende Angaben:
" Die gedachten 3 minictıria ergehlen in der Vorrede p.5. (welche
Vorrede pomeinf% ist, ist nicht angegeben) dass er nach vielfilti—
Zr mit Evangelischen Zheoloren genflovener handlımıese anne 14667
seine irrtihümer erkennt und wiederruffen, welche revocution in der
prüfung des Geistes Pragtorii in der vorrede stehet."
Die"Prüfunz des Geister Fraetorii" wur eine Streitschrift, welche das
Hamburger Ninisterium 1655 geyen den Lüneburrver änthusiasten Christian
Hohburg, der sich auch Elias Praetiorius nannte, erliess, Vieser Praeto-
rius hat im vorherrehonden mehrfach ale Verteidiger Christoph Äoselius
Erwähnung gefunden und diese Gesinnungsgemeinschaft hat auch jedenfalls
die Veranlassunrz dazu yeryeben, des ÄRoselius Revocation in der Streit-
schrift geyen HNohburg zu veröffentlichen, 0b sich diese Äevocation tale
sgächlich durin befindet, wie sie beschaffen 1st, ob Roselius sich wirk-
lich bedinrungslos unterworfen oder ob die Eirche ein weiteres Zntgegen«-
kommen gezeigt hat, habe ich bisher nicht nachprüfen können, da es mir
noch nicht gelunren ist, die Schrift sufzutreiben. Auch Arnold hat sie
nicht in Händen gehabt, denn er schreibt weiter:
“Nähere umetände und gewissheit hievon ist dissmaal nicht vorhan«
den.”
Ich glaube bestinut, dass es gelinzen wird, die Schrift doch noch in
irrend einer Bücherei zu entdecken und werden wir dann such über diese
angebliche Revokation Klarheit erhalten.
Die innere Wahrscheinlichkeit, dass eine Aussöühnung mit
der Kirche in der Zt erfolzt ist, liegt zweifellos vor und ich glzube,
darg der Widerruf aus prakiischen Erwägungen heraus erfolgt ist, um
wieder in den Besitz einer "farrsielle zu gelunyen. Zermürbt vom täzlil-
chen Kampf ums Dasein und des unstäten wWenderiebens müde, wird sich der
Ruhslose an seinem Lebensabend näch einem beschaäulicheren friedvolleren
Dasein pgesehnt haken. HJach Starckens “ngube soll er nämlich ein Jahr
darauf wiederum als Pfarrer angestellt gewesen e«7in und Zwar zu "Fürfeld
im Griechrmen" im württenberzischen Dekena%® Heilbronn, Trotzdem die"A4ll—
gemeine Deutsche Eiozraphie" Zweifel darüber hegt, entepricht die AÄn«-
sale Starckens doch der Wahrheit. Auf meine Änfraäre beim Pfarramt zu
Fürfeld teilte mir der dortive Pfarrer mit, dass nach Ausweis dos alten
Katuloges der *farrer von Fürfeld Christoph üoselius tatsächlich Pfar—-
rer zu St. vebastian daselbst pewesen sei. Als Datum ist in dem Ver=
zeichnis das Jahr 1654 angegeben; die Amtstüätigkeit seines Nachfolgers
5,D. Lucganus beginnt mit dem Jahr 1661, sodass man mit vollem Recht
annehmen kann, dass Christoph Roselius von 1654 = 61 in Fürfeld gelebt
hat. Leider findet sich keinerlei Notiz übere seine dortivre wirksam
keit, da das älteste Kirchenbuch von Fürfeld nur bis zum Jahre 1663
zurückreicht. Ich müchte aber annehmen, duss der in Vaihinrzen a/5Enz
Lebende württembergygische Zweig der Familie Roselius diesem Aufenthalt
Christoph Roselius in Württemberg sein üntstehen verdankt. Herr Wil«-
helm Xozselius in Vaihingen teilt mit, dass gich in der dortigen Kirche
ein jetzt entfernter EKirchenstuhl befunden habe mit der Inschrift:
“Christoph Roselius, Zeugmacher.1666."
Nach der Jahreszahl zu urteilen, wird es sich mi%t grüsster Wahrschein«
lichkeit um einen Sohn des Pfarrers Christoph Andreag KRoselius handeln,
wofür auch der Name"”Christoph"spricht. Ler Zunfi der Zeugmacher gehör«
ten übrisens noch ein Bruder ( Johannes Jonas Roselius Ao 1596 ) sowie
ein Onkel ( Georg um 1570 ) des Pfurrers Christoph &n, sodass en wohl
verständlich 1st, wenn er seinen Cohn dasselbe Handwerk erlernen 1iess.
So war denn der 64 jährige endlich wieder im sicheren
Hafen gelendet. Dass aber der fanatische Enthusiast seine Überzeugung
auf die Dauer niemals würde vorleupnen können, war wohl anzunehmen.
Und go geschah es. Koselius gab wieder eine unstöüssige Schrift heraus
" Die Katechismusschule"”,in der er trotz der kaum verschnerzten Wunden
von neuem seine schwärmerischen Lehren zum Ausdruck brachte. Abermals
war der Zusammenstoss mit der Kirche da, denn obwohl er das Buch 8ls
"Anonymus“ hatte erscheinen lassen, blieb seine Autorschaft nicht ver-
borgen. Der Pfarrer Johann Conrad Schregmüller zu Speyer unternahn es
in den Jahren 16650 und 1661 Roselius als Weigelianer zu entlarven und
viröffentlichte zu diesem Zweck 3 S“treitschriften:
1) Yeirelimnmus redivivus, detectus et evictus (= der wiederaufer—-
siandene entlarvte und besiegte Veig”gel) das ist, wahrhafftiger be=
weiss, dass Christophorus Rosselius ein rechter weirelianer und
schwermer sey-.
2) Weigeliamus _convictus (= der besiegte Weigel) unhintertreibli-
cher beweiss, dass Christoph. Rosaelius der gifftigen Catechismus-
gchule auctor (= Verfasser) und also ein rechter Weigelianer sey.
3) Koselius I ( gesprochen: heauton
diakrinumenos = der sich selbst trennende Roselius, wobel voermut«
Lich die Trennung von der Kirche gemeint ist.) |
Roselius antwortet im Oktober 1661 mit einer Gezenschrift: "Abschrifft
eines abschiede — bricffs rn D.J, Conr., Fchrarnüller", in welcher er
auf "eite 910 abstritft, der Verfasser des ZDuches zu sein. Sein Leugnen
hat ihm nichts genutzt; vermutlich wurde er daraufhin auch in Fürfeld
des Amtes entsetzt und musste noch als 71 Jähriger GCreis den Vanderstab
in die Hand nahmen, denn das Pastorenverzeichnis von Fürfeld nennt
schon im selben Jahre 1661 den Namen seines Nachfolrers.
A
100 =
Damit sind die mir bisher bekannten authentischen Nach
richten über Christoph Aoselius erschöpft. wo der unstäte Schwärmer
gehliesslich seine Ruhestätte gefunden hat, ob in Schwarmne bei Bremen
oder in Valhingen oder wo sonst im weiten deutschen Vaterlande, habe ich
nicht ergründen können. Vermutlich hat er bei einem seiner Kinder seine
Tage beschlossen,
Lassen wir zum Schluss die uns über Christoph Roselius
überlieferten mannigfaltigen und oftmals sich widersprechenden Anpyaben
vor unseren geistigen Auge vorüberzichen, so kann man auch von ihm sa=
gen wie von seinen grossen Zeitgenossen:" Von der Parteien Cunst und
Hass verwirret, echwenkt sein Churakterbild in der Geschichte,” Als
Augenzeuge des grössten Religionskrieres, den die Welt sah, war auch er
2in echter Sohn seiner Zeit, in seinen Vorzügen und in seinen Schwächen.
Feurig und impulsiv in seinem wollen und Handeln, von seltener Hingabe
en seine Ideen, die er mit schwärmerischer Begeisterung und glühendem
Eifer verfocht, ein gewäandter Lialektiker, vor keiner wissenschaftli-
chen Lisputaiion zurückschreckend, anderseits aber auch skrupellos in
seinen Mitteln, masslos in seinen Hass, enmassend und ohne genügende
Selbritkritik, sodnss er seine hervorragenden Ceistesgaben in denselben
fruchtlosen theologischen Zänkereien vergeudete, die er selbst zu be=-
käzpfen vorgab; alles in allem eine Kampf- und Eraftnatur durch und
durch, das war Christoph Nosclius.
Während seine Feinde ihn als einen vom Teufel besessenen
Eetzer verwerfen, sind seine Freunde des Lobes voll, Schon die Freund—-
schaft mit demedlen FPotinius und dem hochgeschteten Eremer Donmpater
Johann Fürsen epricht zu seinon Gunsten. Friedrich Brechlingius führt
ihn in seinem "Catalorus tertium veritatis post Lutherum" als "Zeugen
ler Wahrheit" auf und gelangt zu folrenden Urteils:
"Chricstopn Andr. Rosselius, ein vielfältig verfolgter Prediger hat
viele ae schöne und nützliche tractaten und zeugnissen für die
wahrheit wider die Hamlurger .und andere falsche lehrer herzusgeze—-
ben zusaämt des CC. Potinii buch de tribulatione mapn& in epitomen
gebracht. Deren einige bey mir zu finden, daraus gnug kan erkant
werden, wie hertzlich er der menschen belehrung und heyl gesucht
habe!
Damit hat Erechlingius zweifellos das richtiye Vort ge—=
funden, Alle Schriften des Christoph XRoselius zeuren von dem unermüdli—-
chen ehrlichen Streben, das aufs Äusserliche gerichtete kirchliche Le-
ben jener Zeit wieder zu vertiefen. Wenn er bei diesem Streben Zere
LOL
ainschlug, die prakıisch nicht zu begehen waren, wenn er in seiner
Xämpferweise oftmals das lass des Zulässigen überschri1tft, so kann man
1um diese Fehler nicht zu hoch anrechnen, denn damals pfleyten theolo«—
vische Fehden nicht mit Sammeihandschuhen im Sinne christlicher Häch-
stenliebe auspgefochten zu werden. Wenn er gefehlt hat, so hat er schwer
renug dafür gebüsst, denn der Nass der Kirche verfolgte ihn unversöhn«
Lich bis &n sein Lebensende und trieb ihn noch als Greis unstüt wie
Ahasver von Ort zu Ort,
So nachhaltig aber war der Zindruck, den Christoph Nose=-
Lius und seine Kampfgenossen in Niedersachsen hinterliess, dass noch
50 Jahre später in Lüneburg jeder Prediger, der dort die Kanzel bestei«—
ren wollte, zur EBekräftigung geiner Rechtgläubigkeit einen Revers un-
terschreibun murste.
5 dass man es keines Wegs halte mit den alten Ketzern / als Pa-
oisten, Calvinisten / Widertäuffern u.s.,w. weder mit den neuen
3ectirern / als des Paracelei Nachfolgern / welche aus der Magie
and Chymia die H, Schrifft und Glaubens-Artikel erklehren / wie
sonderlich reschihet von denen Weigelianern, üuarkern, Znthusia=
sten, Rosen-Kräntzen / neuen Propheten / Chiliastern und ihren
verbrüderten heutiscen Pietisten, auch in keinen “tücken Ihrer
Schwärmerey zustimnen und Leyfall gebe."
Man mäg über die enihusiasstisch-chilliastische Bewegung
denken wie man willz soviel ist jedenfalls sicher, dass sie als resk-—
tionärer Vorgang damaäls eine starke innere Berechtizung hatte. LKie
Verirrungen einer tiefen, echten, wenn auch irregeleiteten Frömmigkeit
sind dem unbefangenen Eeurteiler weit sympatischer als die Veräusser=-
Lichung der heiligsten Gefühle und die hierarchische Enechtung der Ge=
zissen, wie sie in jener Zeit in den Stautekirchen üblich war. Die
nachfolrenden Ceschlechter gind diesen Nännern jedenfalls zu Dank ver«
pflichtet, denn durch eie wurde die Kirche aufgerüttelt aus ihrem star«
ren Formalismus und Schem:tismus und durch die notzedrungene Abwehr
auf ihre eignen Schäden sufmnerkssem und zur Selbstkritik und zur Abwehr
rezwungen. Leider müssen wir mit Zedauern feststellen, dass diese
Kämpfe einer Felbetzerfleischunz der protestantischen Richtung gleich-
kommen, denn trotz des gleichzeitiren 30 jährigen Religionskrieges ha-
be ich nur genz selten und dann stets in des Christoph Aoselius
Schriften einen Hinweis auf den zemeinsamen Feind, den Katholozismus,
rzefunden.
“hristoch Noselius aber hat ein Haunttr: ‚dienst an die=
Ser 1 öundue „ühenden A178 Chaunn 4 ERDInOe
tur Lo 8 Ääüen Auer wieder von nouenm in den
dienst © “aaten Sache gostelLt und hab nicht
nachzel o2° 0 den Jinrer in die offenen wunden zu legen
brotz häril” = =-Fmlicher Uniilden, die er als Loln Gavontrüuge DO
hat er tätisen Zu7eil in der Wiederzenesung der eVangelirchen Kirche
and dafür eind wir i1hü heute NOCcCi ZU Dank verstlichtet.
ie Uurunst der Cegonwart hat er mlr unmöglich zemücht,
alle Quellen zu benutzen, die über Chri1etooh 4Qgsalius vorhanden sinde
Aöven eeine zahlreichen Äschkounen epüter velegenhol%® nchacn, Gaß über
Ihn noch vorhandene Material restlos zu verwerten und ein noch klereres
Lebensbild von ihn zu geben a) en mir mürlich geweren int.
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1634
1535
1633
Hunnius "Aursführlicher Eericht von den Nouen Propheten"
Roselius Gerenschritft "Xurize Enten hl ann anal
rief un Hunniuz nebat 4 Sirrt het)
Absetzung vom Pfarzant in Schwarm"
Unterkunft bei Fremden (Poatinius -
Versuch einer Verständigung mit den Consist. Uripol.
AbTassung des "Pemlithiyen Priedens-Eri- PPar
Aufstellung der erston Rewanrstianefarmal,
Roselius rief an Hunnius
koselius "Andermuhliscer Fri oa,
Tunnius’'äntwort an den Hat von Lü*
Persönliche Verhandlung mit Paste“ "olms in Lübeck.
Fahrt nach Hostock zur Mrlangung von Änpfehlungene
Ablehnung der von der theolorischen Fakultät Rostock vor-
zeschlazenen devocnlionsformel dnrel Ang Lübecker Mini-
steriume.
)berreichung eines "andermeh?” {SPfegn
Verhandlun:- über eine neue Revooaftioansformel z7ischen den
3 Städten.
Vorlerung der neuen Formel und Ablehnung durch Kossalius.
Neudruck der Eursporsune in Ansterdam.
Roselius "unrewöhlicher"Schr.1ben an den Ra% von Lübeck.
“iderrufung seiner Lehr».
Pfarrer in Yürfeld
Nerzussabe der "KXatechiemusschule®
Ötreitschriften des Pastor Schra; muller
Zoselius' Cerenschrift
Absetzung in Jürfeld
Ort und Zeit des Todes unbekannte
Christoph Koselius Schriften.
1) Vrewhertzige Buss-Posasung. Amt 70 77322,
2) Bonderbahre trewhertzire re
ne. Lübeck 1632.
3) Güldener Schlüssel Lavids zum House Gottes. Lübeck 1632.
4) Yertz-blutize Thrünen und peängetigter CSeulen Feufzerlein. Lüb.1632
5) FProtestation und Ermahnung sm etliche gegen ihn unwillize Priester.
HNasmlurs 1633.
Potinius."Le fribulatione magna instcnti1" von Roselidus umpearscitet.
175121
23 April
1641 25.0kt.
3). NOove
A} f
1642 7 An
& “ta @
AM
3 0
156:
A 1
1647
1645
1653
1654=61
1659
1650 u
16581
1661
Una Jahr an ehlesene LneeePiiralie
7)
Kurtze Z*ntechuldirung 88200 dem Dvrocess und Verlauffr alles Uaiıe
= LU} =
dels uit ihm. Schwarme 1635.
etmprechliee& "ofiedens=-Nriaff, Schwarme "772,
"eo umcbartiziner Duss-Posaune fernere Continuation. Schwarne 1633,
10: Prommer Gottes Kinder andächtige Yeu-Jahrs feufzerlein #
11) Yon einer sonderbuhren grossen Trübsahl.
12) Heilsames Rath- und Trost-"childlein wieder böse YMuler
13) Demüthiger Friedens-EBrieff. Hamlurg 16541
14) Demüthig bittend und wohlgemeinter Fürschlag.Austerdam 1044
15) Andermahliger Friedens-Pr*-#£, (Udamburg) 1641
16) Symbolische “ücher.
17) Ausführlicher Gegenbericht vom Geheimiss der P-
neuer Sophisten. 1641
18) Schreiben an den Kat zu Lübeck.
19) Andermehligor Friedens=-Erieff. 1642
20) Gesang an die Ewigkeit. Lübeck 1642
21) Ungewöhnliches Schroiben &n den Rat von Lübeck 1645
22) Lie Katechiemusschule, Fürfeld 1659
23) Abschrift eines abschlieds-bricff- an Dad.Conr, Schr
feld 1661,
AAN Ay FÜ
Litteratur über Christoph Zoselius,
1) Allgemeine deutsche Biographie. Land 27. Leipzig 1003.
2) Arnold, Eirchen- und Ketzerhistorie. Frankfurt 1700. I1i1.144
3) Baringius, Treuhertzige Varnung aller frommen Christen sich zu Hlüe
ten vor den neuen 7ropheten. Hannover 1646
4) Bertram. Lüneburrische Kirchen-ilistorie.
5) Brechlinyius, Catologus tertium veritatis pest Lutherume
6) Calavius. Antibrehmlius.
7) Catalorus pastorum zu Tchwarme,.
3) % " " Türfeld,
9) lies Praetorius., Apoloria Praetoriana«
10) Hunnius, Dat neddersas-ische ilandbock. Lübeck 1633
11) " Ausführlicher Eericht von der Neuen Propheten Relizion,
Lehr und Glauben. Lübeck 1634
12) MHöllnischer Abschiede-. “taatsarchiv Lübeck 1633.
13) Pratje, Die Herzogtümer Zremen und Verden.
14) Prüfung der Geister Praetor11., iülamburg 1655,
15) Retftunz der Yarnunz des I. Luther wieder Roselium. Manburg 1633
16) Schrarmüller, weigeliamus redivivus, deteotus et evictus. 1560
7) convictus
Ye
mare TR yes
PN
105 =
Tät%--rische KEirchen«—
°Tay Aer proftectonischen
"> Gemeine zu Ham nr
or -T Nanusecrinptas Drt*-
27} Voyror- Hannover'sche Enthusirsten des 17. Jehrhunderts,.
24) Hapgenbach, Kirchengeschfliehte BA Vom tor
25) G. Trank. Geschichte dar prat-et*ent{iechen Theolorie, I 357.
örster Band, Hamburg 1724.
Die Nachkomnzen Christoph Roselius',.
KENNEN 0 Sm
"“4+* Christoph Roselius schliesst die Reihe der kraftvol«
len Porsön? “Lten der Familie Roselius. Alle drei, Thomas, Andreas
und Christoph Zoselius waren scharf umrissene Gestalten, deren Leben
und Wirken ein weit über den Rahmen einer Familiengeschichte hinzusre=
hendes Interesse hervorruft.
Von den nach ihnen kommenden Generationen kann man nicht
behaupten, dass sie allgemeines Interesse beanspruchen; selbst die
rein familiecngeschichtliche Ausbeute ist dürftir, sodass wir uns im
allgemeinen auf kurze Daten beschränken können. Ihre Lebensschicksale
waren kleinbürgerlicher Art und spielten sich in dem Xahnmen eines boe=
scheildenen Landstädtchens ab, über den sich vis zur iitte des vorigen
Jaurhunderts keiner von Ihnen hinausschob.
Erschwert werden die famniliengeschichtilichen Forschun-=
gen in Schwurme, Spraken und DBahlum , wo sich der uns interessierende
Zweig der Familie weiterentwickelt, durch die mangelhafte Führung der
Kirchenbücher und die noch mangelhafteren Aurzüge des dortigen Pfarre
rers., Dieselten wimmeln von Unwichtirkeitun, „Adersprüchen, unrichtig
gedeutetzn und niederreschriebenen Namen und Zehlen und sind derart
unübersichtlich zusammengestellt, dacs eg lanrer mühsamer Arbeit be=
durfte, dass üie Schwarmer Kirchenbücher nur bis zum Jahre 1693 rei«—
chen, die ältesten Kiröhenbücher des Kirchspiels Lunsen aber, zu dem
ale Gemeinde Schwarze früher vyehörte, sich im Eraunschwalrer Landes.
archiv befinden.
venn es infolge dieser Schwierigkeiten auch noch nicht
gelunzen ist, alle Geburtedaten urkundlich zu belegen, so steht doch
einwandrirei fort, dass die yesumte niedersächsische Linie gur Kach«-
komnenschaft des Christoph Roselius rehört. Es bleibt nur unszewiss,
ob neben Johunn Thomas noch ein weiterer Cohn Christophs, nasens
Öhristian, in Schwarme ansäsrig gewesen idst.Ääine Urkunde und mehrere
105
Anzeichen denten daerzufhin«
Aider geben die Kirchenbücher keinerlei Aufschluss
über die Lebensgeschichte der uns Iinteressierenden Personen, wie das
in manchen Cegenden der Fall ist, Das Augennerk der HNerren Pastoren
in "chwarme scheint sich früher lediglich darauf beschränkt zu haben,
festzustellen, ob eine Eraut im Kranz oder nur uit der iüdaube bei der
Trauung erscheinen durfte, Nur bei einem Ahn, Johann Christian (1677
1766) finden wir bei seinem Tode einen lobenden Hinweis darauf, dass
er sich ale Kirchenältester in besonders hervorrasender Weise betätigt
habe.
Ein Beweis für die Zäüählrkeit gewisser Familionüberlie=
ferunzen ist die Beobachtung, dass der Haue des ältesten Ahnherrn
Thomas sich fast 300 Jahre lung in der Familie erhulten hat; von etwa
152) bis 18300 1äss%t er eich durch sechs Generationen verfolven. Sonst
finden wir bel Männern die Kamen Johann, dobst (=Jodohus) Jost (Justus.
Lüdecke, lHNartje, Rendig bzw. Renning oder Rennig, ferner Harms, Erüs=
nig, Christoph, Christian, Hinrich, Ludwig und Gerd, bei den Frauen
Ahlke, Ahlheit, äeidewir (= Hedwig), Lrunje, Gesche (=Cesine), Mette
(= Zartha), HNeyelf oder Ye1lf, Lowocke (s Luise), Ilse und Meimerich,.
Auffallend ist ferner die sturke Vermehrung der Familie,
die sich zus den zahllosen Namen im Kirchenbuch ergiebt, sodass “hri«
etoch Roselius mit Recht sagen könnte:
"Ich hatte nichts als diesen Stab, als ich nach “chwarme ging, nun
aber bin ich ein Heer geworden,”
Der wvohnsitz der Femilie wur 2 Jahrhunderte lung teils
Schwarmne, teils dus benschburte Üpraken und Zahlumz bei einisen lM1lit«—
gi1iedern findet elch üle nähere Zezeichnunz "auf der Heyde”, rat Zit-
te des vorigen Jihrhunderts haben einise unternshuendere Familiennit«-
glieder den bis dahin engbegrenzgten Kreis durchbrochen.lin Toll & sie=
delte in üile bessensten benachberte Crossstadt Brcuen über und verlieh
der Familie ein Anderes Gepräge, ein underır Te1l wanderte nach Aneri-
ka zus, wo sich in New York und West Alexandris-Ohio je ein Zweir des
alten "Tauumes weiterentwickelt.
Die Schreibweise der Namcn im Zchwarzer Kirchenbuch 1st
cntweder Noselien oder Koseliy bzw. Kosely; in einen Breuer Zürger«-
trief des Ludwig Koselius findet sich zuch die "chreibweise Rosilius.
In der vorliesunden "tauntsafel sind die Feitenlinien
nicht bis zur Gozenwart verfolzt worden, da Sie Darstellung sonst
ins Uferlose reruten würde.
ander“
107
IV. Johann Zhomas Roselius 1620 = 1696 .
KO SO ZZ EEE A E ET ———r— Eh
—— ai ai a zn
ist wahrsch-inlich der zweite Cohn des Pfarrers Christo
Noselius gewesen. "-r V'testea lohn war, wie wir aus Christophs Eriefen
mit Sicherheit wissen, Adolf , dem wir in den Vierziger Jahren als Stu«=
diosus der Theolozie in Aostock beryernen. Sein Zrief an das geistliche
Ministerium von Lübeck mitsamt dem daran befindlichen Rosenwappen wird
heute noch im Lübecker “taatsarchiv aufbewahrt, Sonst wissen wir nichte
über seine welitern Lebensschicksale,.
Johann Zhomas Roselius ist aller Wahrscheinlichkeit nach
am 20. Mai 1620 in Immekeppel im Herzogtum Berg geboren, wo sein Vater
damals als Pfarrer amtierte. Lie Ceburtsurkunde muss eich im Dscol=
dorfer Archiv nachweisen lassen, wo nach iitteilung des Pfarrers Hee—
ren die Kirchenbücher von Immekeppel aufbewahrt werüien. Zans Coburts«
Jahr lässt sich Jedoch ohne Schwierirkeit aus der Todesurkunde errech«-
nen. Diese lautet:
" 1696 = 1%. Februsr wurde Johann Thomas Roselius berraben. 75
Jahre wenirer 14 Wochen,"
Seinen Namen erhielt Johann Ihomss von dem fünften Bruder seines Va=
ters, der 1623 schon in Jungen Jahren els Kantor in Vöklabruck in
Ökeroesterreich an der Jassersucht starb.
Johann Thomas 1s% wehrscheinlich in Schwarme zurückge=
blieben, als seln Vater Christoph im Jahre 1641 auf Betreiben des ii
nisterium Tripolitanum zum zweiten Yale des Pfarramtes in Schwarne enf«
setzt wurde.; später scheint er in dem benachbartın Spraäken gewohnt $
zu hıben, Welchen Beruf Johann Thomas gehabt hat, lässt sich leider
nicht feststellen; wir wissen nur, dass sein Vater sus Geldmanzel und
infolre des unstäten Wanderlebens, das den regelmässiren Besuch höühe=
rer Schulen unmöglich machte, ausser stsnde wer, ihn ebenso wie den
ältesten Cohn zum Gelehrten zu erziehen, Zr schreibt selbst darüber in
dem an das Consistorium Trirpolitanunm in Jchre 1641 rerichteten"Irie—
dens=Iricff":
"helte auch meinen ältesten "ohn selber zum “tudieren / und ist
unter andern meiner Beküunernissen eines / dars ich diese 31
Vahr meiner Luther, "chul- und Kirchen iiensten über allezeit an
solchen Urten habe wohnen müssen/ da ich guter Schulen beraubet
sewesen / ich wolte soneten alle meine Kinder zum "tudium gehale
ten haben."
len kran diesen Jorten entnehmen, wie schwer en
ih vreworden 1ct, die
nn
L
Familientradition zu durchbrechen und den enderen Söhnen die aka=
demische Ausbildüng vorzuenthalten.
Wahrscheinlich wurde Johann Thomas ehrsamer Handwer«-
kermeister, Venn wir unsere Phantasie etwas spielen lassen, so können
wir in dieser Hinsicht vielleichtdas Richtige kombinierenz drei sei-
ner Vorfahren (Georg Raselius 1590 in Amberg, Johannes Jonas 1612 in
Regensburg und Christoph 1667 in Vaitingen) gehörten der Zunft ler
Schneider oder Zeugmacheran, während unter den Nachkommen das Tische
lerhandwerk vorherrschend gewesen zu sein scheint.
Dass noch ein anderer Sohn Christophs in Sohwarme
ansässig gewesen ist, scheint aus folgender Eintragung hervorzugehen:
"1696 = 30, März ist Anna Ilse Roselie Christiane vidus (m Wit
we) beerdigt. alt 71 Jahr.”
Pastor Kohe deutet die Notiz als Anna Ilse Rosalie
Ohristiani und bezeichnet sie als die vermutliche Gattin des Johann
Thomas. In Wirklichkeit tesagt aber die Eintragung, dass Anna Ilse
üle Witwe eines gewissen Christian Roselius ist. Dieser Christian
muss, nach seinem Vater zu urteilen, unbedingt ein Bruder des Johann
Thomas und schon vor 1693 gestorben sein. Als seinen Sohn möchte ich
einen Thomas Roselius zur Spracken annehmen, der sonst nirgends un—-
berzubringen ist, Urkundlich lässt sich der Beweis jedoch nicht
führen.
Ihomas Roselius war offenbar zweimal verheiratet. Von
der ersten Ehe wissen wir nichts; die zweite Frau mit den eigenar-
tigen Vornamen "Meimerich" wird dageren mehrfach erwähnt als Taufe
zeuge und Frau des Thoams Roselius (1694, 1695, 1697, 1703). Geboren
wurde sie im Jahre 1652 und starb 1726 mit 74 Jahren laut folgender
Urkunde:
"1726 = 10. April Thomas Rorelius Witwe von Spraken begraben.
Alter: 74 Jahre."
An der “and des Kirchenbuches lassen sich 8 Kinder
les daohann Thomas nachweisen und zwar ist anzunehmen, dass 6 aus
erster Ehe, 2 aus zweiter EXZhe stammen.
1) Gesche, geb. 1645, gest. 1726
"1726 Gesche Nittendorffs f.(rüher) Rosely W(itwe) von
Spracken s.(eligen) alters 81 Jahre",
518 muss demnach also 1645 geboren und jedenfalls eine Tochter des
Johann Thomas, wenn nicht gar von Christoph gewesen sein.
= 109 =
2) gJohst oder Jost Heinrich geb, 1648, gest. 1706, von welchem
e18 Stammvater auf Seite 110 ausführlich die Rede sein wird.
Rennig geb. 1649,gest. 1722, verheiratet mit Matte? geb.1649,
gest. 1319-
*1L722 2, Februar wurde Renning Rosely allhie beerdigt,
sein alters 73 Jahre.”
"1719 10. Mail wurde Mette Roselien Rennings Ehefrau auf
ler Heyde beerdigt. 70 Jahre alt.”
Ausserdem wird Rennig 1693 als Tauf-euge erwähnt. Der Ehe
antstammnten 4 Kinder: Brünir, Gesche, Ahlke und Johann Thomas
Katrina geb. 1651, gest. 1694
"1694 28, Februar. Katrina Rc- *1en ber”
re.”
Johann Andreas geb. 1665, gest. 1693,
"1693. 10. Mürz doh. Andreas Roselius b-7raben. In das
50. Jahr gegangene”
Johann Thomas geb. 1679, gest. 1760, Verhr‘rate% mit
Alheit Glander 1651 = 1763.
"1760. 12, März, doh. Thomas Roselius begraben, Alter 80
Jahre 9 Nonate 2 Wochen«"
"1709. 31. Aukust (Oktober?) sind Johann Thomas Roselius und
Alheit Clander von Antinchasusen zu Lunsen copulieret.”
"1763, 18. September Adelheit Roselius begraben. Alter
82 Jahre.”
Am Tage darauf wurde ihr Sohn Rendig begraben.
Der “he entetanmten 7 Kinder: Rennig (1710 = 1763) Hartje
(geb. 1711) Xette ( geb.1713) Sophie (geb. 1715) Johann
Thomas (geb. 1717) Lüdecke (geb. 1721) Brunja (geb. 1723).
Meria Elisabeth
1709. 13. Juni wurde Johann Röürnmann von Hustedt und Maria
Elisabeth Roselius (Johann Thomas R, Tochter) allhier
sopulieret; im Xranze.
Johann Christoph geb. 1686, gest. 1764, verheiratet mit
Wette Schröder 1684 „ 1757. (1697 = 1. August liess Thomas
Roselius sein Söhnlein taufen. Namen Joh. Christoph.)
"1764 6. Jenusr Christoph Roselius begraben. Alter 78 Jahre.
3t1zut das Geburtsjahr, so komat er nur als Sohn des aller-
aings 66 jährigen Yltesten Joh. Thomas in Betrscht. Joh,
Thzrxe Christoph scheint sich 1719 mit der Yitwe Mette
“han. Alter: 4% Jah.
3)
210 =
Schröüßer verheirste,f zu haben.
"1719. 24. danuar Joh. Christ. Roselius und Jette geb. Pohlmann
verwittwate Schröder,"
"1719, 24. Januar wurde dohann Christoph Roselius mit Marten
Motte!) Bohlmann vel Lüdecken Schröders auf dar Heyde nach-
gelassenen Yittwe geairasuet.”
"17574 17. August Nette Roselius berraben.« Alter 73 Jahre,
Ve dühst oder Jost Äuinrich Roselius,
19.53. 1649, gest. 2.4.1706, verheiratet Heyelf? 1657 = 1732,
"1706 = 2. April wurde Johst Hinrich Roselius begreben. Alter
57 Jahre und 14 Tazcte
F1732 = 23. Nail Heyelff Roselius, Joh. Christ. Kutter von
Spracken besraben. Alter 75 Jahrea«
Der Ehe entstanzen 3 Xinder.
1) Johrenn Christien 1677 = 1766 der Stammvater, giehe unten.
2) Eatharina 1690 = 1714.
"1714 = S,April wurde Katharina Roselius verst. Jost Hinrich
Roselius Tochter, nachdem sie tey einem halben Jahre melan-
Cholisch gewesen, allhier zur Erde bestattet, Alt 24 Jehre wos
niger 6 Wochen.”
Jost Hinrich 1653 = 1760 , verheiratet mit Maryar.Ullenstätten
“1718 16, Sept. Jost Hinrich Roselius, Jost Hinrich Roselius
Sohn zur Sprcken und Anna Yargarete Ullenstätten". copuliert.
"17560 14. Juni ist Jost Hinrich R. gestorben. 67 Jahre 10 Woche:
Der Ehe entstammen 6 Kinder: Anna Dorothea (geb. 17183) Johann
Christin (1721 — 1723) Anna Margaretha (geb. 1724) Johann
Christian (1727 — 1727) Christien (seb. 1728) Meimerich,
gebe
z)
VI. deohenn Chrt a5
NR
Verheiratet 1715 mit 7...
1684 = 1749.
Iius: 1577 = 1766.
ds
a
A
7 3len aus Ochtnanninzen.
“1715 Johann Christian Roselius = Jost Hinrich Roselius zu
Spraken nachgelassener Schn zit Catlı. Dorothes Thöle = Dietrich
Thöle in Ochtmanninzen Tochter = in Vilsen: eie im Xranze,."
aA
111 =
"1716, 23, Kal Johann Christian Roselius zur Sprsken, nach den der
Vater den 15. Oktober zu Vilsen copulieret. Name: Jost
Hinrich, Patin: Thomes R. zur Sc Van frau Meinerich.
"17218 28. Se T ' Trine Dotothea®
"1721 211, Nor "eidewig*
1724 024 ML \nna Margareta
“1726 8, Ber Gesche Alhei1t
"1729 15, Febr Tohann Christian
“1721 9.Xa1 Dirk"
"1724 12. Jan Louise Elisabeth”
"1749 51. Nov. Catarina Dorothea Rozelius postörben. 65 Jahre
10 Wochen. Joh. Christians “rau.
12, Xov. 1st Johana Christian Roselius gewesenenm höchst WOHL =
verdienter Kirtghen Jurate gestorben, seines ruhmvolien Ale
ters 8872 Jahr."
12. Nov. Joh. Christian R. begraben. Cewosener höchstwohl-
wertener Kirchenjurate, Alter 78/2 Jahre",
Welche von beiden Altersangaben die richtire Ast, vermag ich
nicht zu entscheiden,
Yon den 7 Kindern war der älteste der Stammvyater der 7.Genar-
io.
"1766
"1766
h... 7
VII. Johat oder =el1us. 1716 = 17834.
Verheiratet 1754 mit 7 2728 + 1782.
"1716 d. 28, Mai (wurde) Johann Christian Roselius zur Spraken
(Söhnlein), nach dom der Yater den 154 Oktober 1715 zu Vilsen
copulieret(zetauft), Namer Joct ÄUzinrich., Patin: Thomas zur
Sprkaken Frau: Moinsrich.”
"1728 = 12.Märs hat Joh, !Nillmann sein Srühgeltipes Tüchterlein
getzult, soin Nano Wübhkalke,.”
"1764 23. Nov. ist der Wachtmelister Johst Hinrich Roselius mit
Wöbeke Nillrnenn copulieret. Die Braut in Kranze.*
"1782 = 26.301 16% des gewesenen Wachtmeisters Johst Hinrich Roselius
Ehefrau Wübke Hillaoın gestorben, den 30. begraben, ihr Alter
44 Juhre 27/2 Monato.®
"784 15.Kovenmber ist der sgewem.e Wachtuneister Jckhst Hinrich Roseliusg
gestorben, Can 19. begraben, sein Alter 68/2."
die Verwechslung der Namen Jost (=Justus) und Jobst (=Jodocus)
5b
- 112 =
schon im Kirchenbuch oder erst bei der Abschrift stattrefunden hat,
vermag ich nicht zu entscheiden.
Nähere Angaben über seine Stellung als Wachtmeister
sind nicht vorhanden, Ich vermute, dass Jobsat Hinrich in jungen
Jahren im Heere des Herzogs Ferdinand von Braunschweig Wachtmeister
war und nach dem 7 jährigen Eriege in seine Heimat zurückkehrte,
woselbst er noch in vorgerücktem Alter einen Hausstand gründete.
Er selbst war bei der Verheiratung 498 Jahre, seine Frau 22 Jahre
Jünger.
Aus der Ehe Ast nur ein Sohn nachweisbar.
VIII. Ludwig Wilhelm Roselius, 1773 = 8.iai 1839.
Verheiratet 24. Mai 17998 mit Katharina Elisabeth Dunkamp 1777 = 1859.
Wo Ludwig Wilhelm geboren ist, geht aus den Aufzeich«
nungen des Pastor Kohe in Schwarme nicht hervor. Als Geburtsdatum
wird Jamuar 1773 angegeben, doch fehlen mir von dieser Zeit ab äie
amtlichen Urkunden.
Ludwig Wilhelm verheiratete sich am 24.a1 1798
mi% Katharina Elisabeth Dunkamp aus Bohlum und starb als Tischler-
meister zu Bahlum am 8, Mai 1839, während sein: Ehegattin noch bis
zum 1l.Aug. 1859 lebte und 82 Jjährig in Bahlum begraben wurde.
Besitzen wir auch nichts Schriftliches über Ludwig
Wilhelm, sO hat er uns doch ein Stück seiner HNandwerksarbeit über
lassen, das uns einen lZeweis liefert für die künstlerische Nöhe,
auf der sich geine Meisterarbeiten befanden. Ze ist eine Anrichte
in durchbrochenser Arbeit, die sich jetzt im Besitze von Christian
Roselius bafindet. Vielleicht birzt die Bahlumer Gegend noch manches
gute Stück, das aus seiner Werkstatt hervorgegangen ist.
Der Ehe entstammen 3 Kinders Johann Heinrich, welcher
Stamuvater einer der beiden Bremer Linien wurde,
Dietrich, der in Jungen Jahren starb, und
IX. Gerd Roselius, geb.29.dJuli zu Bahlum
gestorben 15. April 1853 zu Bahlum, verheiratet 1356 mit Magdalena
Dorothea Meier am Kl. Borstel, geb. 283.März 1812 zu X1l.Borstel
geht, 17.0ktober 1883 zu Bremen.
Die Hochzeit fand in Mortfeld statt und “ie Braut war eine Tochter
jes Landwirts Rennig Meier und seiner Ehefrau Margarete Masemann.
Ai
115 =
Gerd Rosellus war ebenso wie sein Vater Tischler—-
meister in Bahlumz es gelang 1hnm, die Besitzung, welche sein Vater
in Pacht gehabt hatte, zum Teil käuflich zu erwerben.
Der Ehe entstammen 83 Kinder: Ludwig Wilhelm, Margarete
Hohann Heinrich, Dietrich Friedrich Rennig, Katharina, Fritz, Be-tha,
Helene.
Zur Charakterisierung seiner Persönlichkeit möchte ich
nur einen Brief mitteilen, den er bei der Geburt des selchsten Kindes
Bertha seinem ältesten Sohn Ludwig Wilhelm schrieb, welcher sich
damals als Apothekengehülfe in Thedinzghausen aufhielt.
“An L. Roselius
auf der Apotheken
in Thedinghausen
Lieter Sohn! Bahlum da 18.März 1851
Ich kann dir die Äschricht bringen das der liebe Gott uns
vergznbenen Kontag dm 11 Uhr des Morgens mit einer kleinen Toch-
ter beschenkt hatg und die Mutter sher munter ist, welches Dich
doch auch gewiss eine grosse Freude ist und du mit uns auch Gott
Jafür dankes und such zugleich bitten das der Algütige Mutter un.
Kind ferner in seinen Gnädigen Schutz nehmen und Sie für aller
defahr behüten möge wenn die Witterrung beliebt is% und Ihr
nicht gar zu viel zu thun habt 80 küömmst Du zu Haus um die
Jutter auch zu besuchen. Deine Herrschaft kannst Du hiervon
auch benachrientigen. Gott sei mit uns allen.
Dein liebender Vater
Roselius."
Seine Frau Magdalene Dorothee starb 1833 in Bremen im
Hause ihres Sohnes Dietrich und ist ihren Enkelkindern noch in guter
Erinnerung« Das Jüngste Enkelkind erhielt 1830 ihren Nauen.
X, Dietrich Friedrich Rennig_Roselius 1843 = 1902
verheiratet 18. Nov. 1871 mit Elise Charlotte Friederike
Vindmüller 1844 = 1890.
FI. Elisabeth 18377 = 1917
Ludwig Gerhard Wilhelm Roselius
Friedrich Roselius 1876
Emilie 1878
Yagdalene Dorothee 1830
31903
"ansglius 1904
a
11
4
T.
Bu“
“mr
7* erden vorläufig die 12 Gererationen der Familie Roselius.
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