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Kurzer Abriß
über
die Entftehung und
Entwicklung derInduftrie
in Schweinfurt am Main
bis Ende
1921
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Niedergeschrieben Im
Oktober/Novermber 1921
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Verfalffer: Karl Fifcher, Vorlifender des
Handelsaremiums Schweinfurta. Main
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Berichtigung.
Bei den Bierbrauereien (Seite 12) ist noch nachzutragen
Brauerei August Hartmann (Wallbräu).
Bei den Essig- und Likörfabriken (Seite 14) muß es
heinRen L. Hirsch.
Bei der Deutschen Gußstahlkugel- und Maschinenfabrik
A.-G. vormals Fries & Höpflinger (Seite 17) muß die Zeile 4
lauten: Höpflinger hatte, gemeinsam mit dem genialen Er-
finder Friedrich Fischer an dem Ausbau der Maschinen zur
automatischen Herstellung von Präzisionskugeln gearbeitet.
Kurzer Abriß
über
die Entftehung und
Entwicklung der Induftrie
in Schweinfurt am Main
bis Ende
1921
Niedergeschrieben im
Dktober/November 1921
Verfalfer: Karl Fifcher, Vorfißender des
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Quellen: Die Gefchichte der Reichs-
(tadt Schweinfurt nebft zufammen-
geftellter Chronik von Dr. F. Stein,
Schweinfurt 1900 - Aufzeichnungen
beim Stadtrate Schweinfurt - Aus-
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der Stadt Kasset
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In der Nacht ertönte Feuerlärm. Weithin rötete sich der
Himmel, so daß auf Großfeuer geschlossen werden konnte.
Die alte Bleiweißmühle brannte und ward ein Raub der
Flammen. — Just zur selben Zeit, im Oktober 1921 wurde die
nachfolgende Schilderung niedergeschrieben, ein interessantes
Zusammentreffen insofern, als die abgebrannte Bleiweißmühle
die eigentliche Wiege der Schweinfurter Industrie gewesen
ist. An der Abzweigung des Maines in einen Seitenarm, an
einem UVeberfallwehr gelegen, bot sie dem Beschauer, als
weißgestrichenes Holzgehäuse auf dem Hintergrund von be-
laubten Bäumen im grünschillernden, ruhig dahinfließenden
Main sich widerspiegelnd, einen prächtigen Anblick. Sie galt
als eines der Wahrzeichen der Stadt Schweinfurt, die sich
dem Besucher leicht einprägen. Als Denkmal konnte sie
aber deshalb gelten, weil in ihr erstmalig der Großgewerbe-
Betrieb entstand, welcher den Uebergang zum eigentlichen
Fabriks-Betriebe bildete.
Schon in den 1770er Jahren hatte ein spekulativer
Schweinfurter Kaufmann, Johann Martin Schmidt, unter Zu-
ziehung eines geübten Mannes aus Holland, die Herstellung
von Bleiweiß in kleinem Umfange aufgenommen. Da sich
sein Geschäft günstig entwickelte und ihm billige Wasser-
kraft besonders wertvoll erschienen, erwarb er sich 1783 die
Konzession zur Erbauung einer Bleiweißmühle am Wehrwäld-
chen, welche „als Erste, die am Rhein- und Mainstrom
existierte‘, galt. Nach seinem Tode versuchte Witwe Schmidt
sich die ausschließliche Befugnis zur Fabrikation von Bleiweiß
bei der bayerischen Regierung auf mindestens sechs oder
zehn Jahren zu sichern, wurde aber abgewiesen. Mit der
Bleiweißmühle soll später noch eine Oelschlagmühle ver-
bunden gewesen sein. Aus jener Zeit wird berichtet, daß
jährlich beiläufig 400 Zentner Blei und die entsprechende
Menge Pfeifenerde zur Verarbeitung gelangten, und daß Fab-
rikate nach Frankfurt, Nürnberg, in das Oesterreichische und
bis nach Hamburg abgesetzt wurden. Die Firma hatte „zur
Ehre der Stadt in verschiedenen Städten ihre Kommissionäre“
und beschäftigte 12—14 Arbeiter.
Der gute Fortgang des Geschäftes rief andere unter-
nehmungslustige Schweinfurter Bürger auf den Plan. Es
richtete Johann Caspar Cramer im Jahre 1803 ein Gesuch
an die Kurfürstlich-Bayerische Regierung mit der Bitte, eine
Bleiweißmühle errichten zu dürfen, führte aber den geneh-
migten Plan nicht aus.
1791 wurde dem Kaufmann Johann Georg Gademann,
der 1790 am Werrnbach, an der sogenannten „Bellevue‘“ eine
Märbelmühle errichtet hatte, die Genehmigung zum Bleiweiß-
mahlen in seinem Anwesen erteilt, aber auf Einspruch des
Johann Martin Schmidt, welcher ein reichskammergerichtliches
Urteil zu seinen Gunsten 1796 erwirkte, wieder entzogen.
Bedeutungsvoll ist aber, daß mit der Bleiweißfabrikation
die Grundlage für die Entstehung der Schweinfurter Farben-
industrie geschaffen wurde, die im Laufe der Jahrzehnte sich
stark entwickelte und den Namen unserer Stadt in allen Erd-
teilen bekannt machte.
Jahrzehntelang blieb diese Industrie „allein auf weiter
Flur“, bis die Umstellung der deutschen Wirtschaft auf die
Industrie auch für die Stadt Schweinfurt einen sich immer
steigernden. Aufstieg im Gefolge hatte.
In dem eng gezogenen Rahmen der Schilderung der Ent-
wicklung der Schweinfurter Industrie konnten allgemeine
Fragen, die mit städtischer Geschichte, mit Volkswirtschaft
und dem Verkehrswesen zusammenhängen, nicht behandelt
werden, so interessant es gewesen wäre, auf diesen Gebieten
weiter auszuholen. In diesem kleinen Werkchen sollten nur
die Industriefirmen, wie sie derzeit in Schweinfurt bestehen,
aufgezeichnet werden, wobei bei der Reihenfolge Rücksicht
auf den Geschäftszweig und auf das Alter dieser Firmen ge-
nommen wurde; außerdem wurden die industriellen Anlagen
der Stadt Schweinfurt kurz aufgeführt und schließlich eine
Reihe unserer älteren erloschenen Firmen erwähnt. Eine solche
Zusammenstellung mit genaueren Daten fehlt bis heute, sie
zu liefern, erscheint mit Rücksicht auf den Wechsel in unserer
ereignisschweren Zeit dringend notwendig. Es soll der Gefahr
vorgebeugt werden, daß unseren Nachkommen der industrielle
Entwicklungsgang unserer Stadt halb verborgen bleibt, denn
einen Ueberblick aus größeren geschichtlichen Werken sich
zu verschaffen, wird nicht immer jedem Menschen möglich
sein. Deshalb soll dieser Handführer wenigstens einiger-
maßen einen Ueberblick in die Zeiten, welche vor dem Jahre
1921 liegen, gewähren; ein geschichtlicher Abschnitt ist damit
nicht gekennzeichnet.
Die einzelnen Industriezweige erscheinen in vier Abtei-
jungen. Eine fünfte Abteilung umfaßt die städtischen Werke,
eine sechste die erloschenen Industrien. Die älteste Industrie
ist die der Farben und ihr sind die verwandten chemischen
Zweige angeschlossen, dann folgt die Industrie der Nahrungs-
und Genußmittel, an dritter Stelle die Kugellager- und Ma-
schinenindustrie, dann die städtischen Werke und die er-
loschenen Firmen.
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Die Schweinfurter Farben- und
Chemische Industrie.
Gademann & Co. Der Kaufmann Johann Georg
Gademann nahm 1792 die Farbenfabrikation in einer Mühle
in Niederwerrn auf, nachdem ihm die Herstellung von Blei-
weiß in der „Bellevue‘“ nicht erteilt worden war. An der
Firma, die unter dem Einfall der Franzosen in Franken viel
zu leiden hatte, waren bis zum Jahre 1803 die späteren
Bürgermeister Wilhelm Philipp und Johann Caspar Cramer
beteiligt. Neben Bleiweiß wurde die Fabrikation einer Reihe
von Mineralfarben aufgenommen.
Die BleiweiRmühle der Witwe Schmidt war inzwischen
in den Besitz des Kaufmanns Johann Stolle übergegangen,
der auch die Fabrikation von Berliner Blau aufgenommen hatte.
Der heftige Gestank, den diese Fabrikation verbreitete, „ver-
anlaßte ein stürmisches Vorgehen des Magistrats, welcher
die Fabrikation zwangsweise einstellte‘“. Stolle suchte im Mai
1822 bei der Kgl. Kreisregierung um die Konzession nach,
außer Bleiweiß noch 86 verschiedene andere Fabrikate, Chemi-
kalien etc. fabrizieren zu dürfen, doch blieb das Gesuch in
der Instruktion stecken und unerledigt.
Im Jahre 1823 ging die Bleiweißfabrik in das Eigentum
der Kaufleute Chr. Fr. Gademann und Andr. v. Berg über,
welche das Werk zu hoher Blüte brachten. Die Firma Gade-
mann & Co., deren spätere Inhaber die Herren Kommerzien-
räte C. F. Gademann und Alfred v. Berg gewesen waren, hat
sich im Laufe der Jahrzehnte einen Weltruf errungen und
auf einer Reihe von Weltausstellungen höchste Auszeichnungen
erhalten. Der derzeitige Inhaber ist Dr. Ferdinand Gademann,
der das Werk in Niederwerrn still legte, dagegen eine Zweig-
niederlassung in Nürnberg gründete und im Begriff steht, ein
großes Werk in Kitzingen zu errichten. Hauptprodukte sind:
Erdfarben, Mineralfarben, Lithopone und das bekannte
Schweinfurter Grün.
Wilhelm Sattler. Daß die Stadt Schweinfurt ihren
Namen in der ganzen Welt verbreten konnte, hängt mit der
Erfindung des Schweinfurtergrüns zusammen.
Um das Jahr 1800 war der in Kassel geborene Kaufmann
Wilhelm Sattler in die Dienste der Gademann’schen Farben-
fabrik in Niederwerrn getreten. Bei kleinen Laboratoriums-
versuchen, die er zusammen mit dem Chemiker Wihh. Ruß
veranstaltete, gelang es ihm, eine essigarsenigsaure Kupfer-
verbindung herzustellen, welche eine prächtige grüne Farbe
bildete und später unter dem Namen Schweinfurtergrün. in
den Handel gebracht wurde.
Wilhelm Sattler gründete 1808 ein selbständiges Unter-
nehmen, in welchem Erdfarben, Chemische Farben, Chrom-
salze hergestellt wurden. Im Jahre 1814 wurde die Fabri-
kation von Schweinfurtergrün erstmalig in großem Maßstabe
durchgeführt. Außer dem Betrieb in Schweinfurt, der durch
den Erwerb des Schweinfurter Zeughauses vergrößert wurde,
wurden noch vier Mühlen in Schonungen und Hausen zu
Fabrikationszwecken benützt.
Wilhelm Sattler war ein außerordentlich tatkräftiger und
unternehmender Mann, der nicht nur an der Farbenfabrikation,
sondern auch an der Herstellung anderer Produkte lebhaftes
Interesse nahm. So errichtete er mit zweien seiner Lands-
leute, den Kaufleuten Wüstenfeld im Jahre 1827 eine Zucker-
raffinerie in der früheren Spitalkaserne, die in der Nähe der
jetzigen katholischen Kirche sich befand.
Im Jahre 1822 erstand er das gänzlich verlassene, all-
mählichem Verfall ausgesetzte Schloß Mainberg und errichtete
daselbst eine Tapetenfabrik, die er unter die Leitung von
zwei Holländern stellte. Während der Kontinentalsperre, die
Napoleon I. im Jahre 1806—1810 verhängte, kam er auf den
Gedanken, um dem fühlbaren Mangel an Kolonialwaren ab-
zuhelfen, Sago aus Kartoffeln herzustellen. Das Unternehmen
konnte sich aber nicht lange halten. Wilhelm Sattler be-
faßte sich auch mit der Herstellung. von Steingut.
Von ihm berichtet die Chronik, daß er nachmals den
Ruhm eines Fürsten der Industrie sich erworben hat, Beweis
genug für die Bedeutung, die man seinen Schöpfungen damals
schenkte. Wilhelm Sattler ließ das Schloß Mainberg in einen
wohnhaften Zustand umstellen und lebte dort mit seiner
Familie bis zu seinem, im Jahre 1859 erfolgten Tode.
Heute wird die weltbekannte Firma Sattler, zu deren
Leiter im Laufe der Jahre die Söhne und der Schwiegersohn
Kommerzienrat L. Hurtzig berufen waren, von Dr. Wilhelm
Sattler, Ernst Sattler und den Angehörigen der Familie Hurtzig
geleitet.
Farbenfabrik Theodor Wirsing. Im Jahre 1833
befaßte sich Herr Theodor Wirsing mit der Herstellung von
Rebschwarz und Schwärzen für Steindruck, die in einer Mühle
bei Schweinfurt hergestellt wurden. Auch Mineralfarben wurden
fabriziert. Der zunehmende Absatz veranlaßte die Inhaber der
Firma, eine Fabrik in Schweinfurt zu errichten. Im Jahre 1896
übernahm das Geschäft die Witwe des Herrn Theodor Wirsing
und deren Sohn Dr. Georg Wirsing, der seit 1918 alleiniger
Inhaber der Firma ist.
Es werden heute hergestellt: Chrombleifarben, Zinkfarben
und sonstige Ersatzfarben für eine Reihe von Industrien. Die
Firma wurde schon von 1842 ab auf Ausstellungen sowohl
im Inland wie im Ausland mit ersten Preisen ausgezeichnet.
Vereinigte Ultramarinfabriken A.G. Köln,
Betrieb Schweinfurt. Im Jahre 1875 entschloß sich
die Verwaltung der 1859 in Heidelberg gegründeten Ultra-
marinfabrik, die Fabrikation von Heidelberg nach Schweinfurt
zu verlegen, nicht zuletzt auf Anregung eines früheren Mit-
inhabers der Firma Gademann & Co., des Kommerzienrates
Alfred v. Berg. Im Jahre 1876 konnte die Herstellung in den
mit den modernsten Einrichtungen versehenen Gebäulichkeiten
aufgenommen werden. 1880 wurde diese Fabrik von den
Vereinigten Ultramarinfabriken A.G. Nürnberg, jetzt Kölna. Rh.,
welche eine achtungsgebietende Stelle in der Chemischen
Großindustrie einnimmt, übernommen. Zahlreiche Auszeich-
nungen auf in- und ausländischen Ausstellungen dokumentieren
den Weltruf des Unternehmens.
Holzverkohlungs-Industrie A.G. Konstanz,
Zweigniederlassung Schweinfurt. 1895 errich-
teten die Gebrüder Karl und Dr. Wilhelm Fischer an der
Oberndorfer Landstraße neben der Ultramarinfabrik die
Chemische Fabrik Schweinfurt, welche Essigsäure und Essig-
essenz zum Fabrikationsgegenstand hatte. Im Jahre 1898
wurde die Firma unter der Führung der Aktiengesellschaft
für Trebertrocknung in Kassel in eine Aktiengesellschaft unter
dem Namen Vereinigte Chemische Fabriken A.G. Schweinfurt
umgewandelt. Der Zusammenbruch der Leipziger Bank und
der Kasseler Gesellschaft zog die junge Firma in bedenkliche
Mitleidenschaft. Es gelang aber, das Werk unversehrt zu
erhalten und über die Silesia, Verein Chemischer Fabriken
in Saarau-Breslau in den Besitz der Holzverkohlungs-Industrie
A.G. in Konstanz überzuführen. Die Firma stellt neben Essig-
säure, Essigessenz, essigsaure Salze und sonstige chemische
Produkte, auch Schweinfurtergrün in großem Maßstabe her.
Die Holzverkohlungs-Industrie A.G. Konstanz steht in der
Chemischen Großindustrie mit in der vordersten Linie; sie
verfügt über eine große Anzahl von Fabriken im In- und Aus-
lande, deren Holzverkohlungsprodukte, Essigsäure, Holzgeist,
Methylalkohol, Aceton, Formaldehyd etc. Ausgangsprodukte
für eine ganze Reihe von wertvollen chemischen Erzeug-
nissen bilden.
Deutsche Gelatinefabriken A.G. Schwein-
furt. Die Aktiengesellschaft ist aus den Betrieben der Firmen
F. Drescher & Co. Schweinfurt und Ch. W. Heinrichs in
Höchst a. M. hervorgegangen. Vor dem Jahre 1866 waren
es französche Gelatinefabriken, die den deutschen Markt be-
herrschten. Eine Aenderung trat nach dem Kriege 1870/71
ein, indem die 1866 von Ch. W. Heinrichs in Höchst a. M.
gegründete Fabrik nach Erweiterung der Fabrik den deutschen
Markt in der Hauptsache mit deutschen Produkten versorgen
konnte. Anfangs der 70er Jahre hatte Amalius Schmitt in
einigen Holzbaracken in der sogenannten Einöde bei Schwein-
furt ebenfalls die Fabrikation von Gelatine aufgenommen, das
Unternehmen war aber nicht lebensfähig. 1887 übernahmen
die Firma der Maschinenfabrikant Pickert und Ingenieur
F. Drescher, vergrößerten den Betrieb und stellten ungefähr
200 Kilo Gelatine pro Tag her. 1882 wurden die Betriebe
in Höchst und Schweinfurt miteinander vereinigt, wobei Pickert
ausschied. 1889 wurden die beiden offenen Handelsgesell-
schaften zu einer Aktiengesellschaft vereinigt und die Betriebe
wesentlich ausgebaut. In Schweinfurt wurde im Jahre 1913
10
ein prachtvoller Neubau errichtet, der zu den Sehenswürdig-
keiten der Stadt zählt, während der Höchster Betrieb während
des Krieges stillgelegt wurde, da er nicht erweiterungsfähig
war. Im Jahre 1911 fand eine Fusion mit der sehr bedeu-
tenden Gelatinefabrik Paul Koepff in Göppingen statt. Auch
diese Fabrik wurde völlig umgebaut... Bei der Einrichtung der
Fabriken wurden alle wissenschaftlich-chemischen Errungen-
schaften und technischen Erfahrungen verwertet. .
Ursprünglich wurde ausschließlich Blattgelatine zu Speise-
zwecken hergestellt. Später wurde die Herstellung von
Emulsions-Gelatine für photochemische Zwecke als Spezialität
aufgenommen. Die Deutsche Gelatinefabriken A.G. ist die
größte Spezialfabrik auf diesem Gebiete. Ihre Produktion
ist zudem größer als die sämtlicher deutschen Gelatinewerke
zusammengenommen. Auf ihrem Spezialgebiete in Emulsions-
Gelatine gelten sie als die größten Fabriken der Welt. Die
Leitung ruht in der Hand des Herrn Direktors C. Heinrichs.
Beschäftigt werden in den Betrieben über 800 Arbeiter.
Seifen-Industrie.
Seifenfabrik Gottlob Kraus. Die Seifenindustrie
hat sich aus kleinen Anfängen zu großer Bedeutung auf-
geschwungen. Ursprünglich gab es in Schweinfurt wie über-
all in Deutschland, eine ganze Reihe von kleinen Seifensiedern,
die ihren Beruf handwerksmäßig ausübten. Im Jahre 1840
suchte der Bürger Gotilob Kraus seinen Absatz zu vergrößern
und war genötigt, sein beliebtes Fabrikat in größerem Maß-
stabe herzustellen. Als die Möglichkeit zur Beschaffung von
Palmöl und ausländischen Fetten gegeben war, entwickelte
sich der Betrieb immer mehr. Im Jahre 1902 ging die Firma
von den damaligen Inhabern Karl und Georg Kraus auf die
derzeitigen Besitzer Fritz Kraus und Dr. F. Wirsing über,
welche eine moderne Fabrik an der Mainbergerstraße errichteten.
Während des Krieges wurde Seifenpulver in großem Maßstabe
hergestellt, außerdem auch Glyzerin. Die „Gekaseife‘“ ist
ein Spezialprodukt der Firma und wird in großen Mengen
abgesetzt.
Seifenfabrik Gg. Christian Kraus. Ein Bruder
des vorgenannten Gottlob Kraus, der Kaufmann Georg
1 4
Christian Kraus, legte 1842 den Grundstein zu einer zweiten
Seifenfabrik in Schweinfurt, welche die bekannten Schweinfurter
Kernseife und Talgkerzen herstellte. Das Geschäft wurde
später von zwei Söhnen übernommen und befindet sich seit
1907 im Besitze der Herren Rudolf und Ernst Kraus, welche
während des Krieges ihren Betrieb ruhen lassen mußten,
neuerdings aber die Wiederaufnahme betreiben.
17.
Industrie für Nahrungs- und Genuß-
mittel.
Im Anfang des 19. Jahrhunderts setzte sich die Bevölke-
rung der Stadt Schweinfurt in der Hauptsache aus Hand-
werksleuten zusammen. Die Chronik spricht bei einer Be-
völkerung von 5270 Einwohnern allein von 720 Handwerks-
leuten und von 176 Gesellen.
Im Jahre 1861 machte bei 9000 Einwohnern der Ge-
werbsstand genau 50 Prozent der Bevölkerung aus, der
Fabrikstand einschließlich Brauereien, Mühlen, Essig- und
Seifensiedereien 12 Prozent.
Aber auch der Weinbau spielte eine sehr bedeutende
Rolle und machte einen sehr beträchtlichen Nahrungszweig
der Stadt aus. Im Jahre 1802 wurden noch 1165 Morgen
gezählt, eine Zahl, welche allerdings im Laufe der Jahre bis
zum Jahre 1863 auf 765 Morgen sank. Im Jahre 1788 be-
trug der Ertrag für die Weinbergsbesitzer über 2100 Fuder
Wein. Der Wein wurde vorzüglich in die hessischen und
sächsischen Lande geliefert. In früherer Zeit betrieb der
hiesige Magistrat selbst Handel mit Wein und hatte ein
eigenes Weinamt errichtet. Der Weinvorrat befand sich in
einem sehr geräumigen sogenannten Ratskeller. Der Handel
wurde aber aufgegeben, da mit Verlust gearbeitet wurde.
Bierbrauerei. Neben dem Weinbau spielte auch die
Herstellung von Bier eine große Rolle in Schweinfurt. Die
Reichsstadt erbaute sich schon im Jahre 1622 ein eigenes,
öffentliches großes Brauhaus, „damit kein Bürger jemals vom
Brauen sollte ausgeschlossen werden könne“. Jeder Bürger
hatte demzufolge die Brauberechtigung, mußte aber schon
vom Jahre 1633 ab eine „Accise‘“ bezahlen. Es existierten
im Jahre 1805 75 Meister des Büttnerhandwerks, welche in
einer Eingabe an die Kurfürstlich - Bayerische Regierungs-
kommission erklärten, daß das Handwerk, welches größten-
teils von der Bierbrauerei seine Nahrung habe, in die trau-
richste Lage versetzt werden würde, wenn die Absicht durch-
geführt würde, dieses Brauhaus einem Privatbesitzer zu über-
lassen. Der beabsichtigte Verkauf wurde anscheinend auf-
gegeben. Im Jahre 1871 verpachtete der Stadtmagistrat das
städtische Brauhaus an eine Reihe von Brauern und Brauers-
witwen unter bestimmten Bedingungen. Später wurde der
Betrieb eingestellt. Unter den alten Brauereien, die heute
noch existieren, traten besonders hervor das Brauhaus
Schweinfurt G. m. b. H., die Brauereien Roth, Rauschert,
Hagenmeyer, Wagner, Das Brauhaus Schweinfurt G. m. b.H.
wurde 1903 als G. m. b. H. gegründet, und hat nach der Ver-
schmelzung mit der Vereinsbrauerei Schweinfurt sich zu der
bedeutendsten Firma am Platze durchgearbeitet. Es wird
eine jährliche Produktion von über 60000 Hektoliter erreichen.
Cramer’sche Mühlen-Aktiengesellschaft.
Im Jahre 1806 ging eines der wertvollsten, wenn auch un-
scheinbarsten Besitztümer der Stadt, die Böckleins-Insel, bei
einer Öffentlichen Versteigerung an Herrn Johann Caspar
Cramer über, von dem schon einmal die Rede war, als er
um die Konzession zur Errichtung einer Bleiweißmühle sich
bemühte. Durch die Ausnützung der Wasserkräfte wurden
zwei Oelmühlen und zwei Gipsmühlen betrieben. Cramer
richtete schon im Jahre 1817 an das Polizei-Kommissariat
das Gesuch, zwei bis drei Mahlgänge für Getreidefrüchte ein-
richten zu dürfen, was aber mit Rücksicht auf das alleinige
Mahlrecht der Stadt abgelehnt wurde. Gegen den Einspruch
der städtischen Mühlpächter wurde durch Entscheid der
Kreisregierung im Jahre 1826 die Umwandlung der Oelmühle
in eine Mahlmühle gestattet, Wiederholte Gesuche der Ge-
brüder Cramer, ihre Gipsmühle in eine amerikanisch-englische
Mahlmühle umwandeln zu dürfen, scheiterten an der Auf-
fassung der Kreisregierung, daß durch den ständigen Betrieb
einer solchen Mühle den übrigen Werken zu viel Wasser
entzogen würde. Erst 1869 wurde die Umwandlung der
Gipsmühle in eine Getreidemühle möglich, nachdem das
Unternehmen im Jahre 1867 in eine Aktiengesellschaft um-
gewandelt worden war. Im Jahre 1904 errichtete die Gesell-
schaft ein Elektrizitätswerk, welches die Gemeinde Sennfeld
mit elektrischem Strom versorgt.
Die Malzfabrik Schweinfurt A.G. wurde im
Jahre 1873 von Herrn Kommerzienrat W. Georg ins Leben
gerufen. Der Gründungsgedanke stützte sich auf den guten
Ruf der unterfränkischen Gerste, zu deren weiteren Qualitäts-
verbesserungen die Malzfabrik Schweinfurt A.G, sehr viel bei-
getragen hat. Das Unternehmen entwickelte sich im Laufe
der Jahre zu einer der hervorragensten Fabriken in Deutsch-
land und verfügt über eine Reihe der modernsten Einrich-
tungen. Es wird ein Einweichequantum von rund 220000
Zentner Gerste pro Jahr erreicht. Direktoren sind die Herren
Kommerzienrat Wilhelm Georg und Friedrich Georg.
Unterfränkische Malzfabrik S. M. Selig-
stein. Die Malzfabrik Seligstein wurde im Jahre 1900 in
dem Gebäude der früheren englisch-bayerischen Kugelfabrik
errichtet, welche der Konkurrenz der übrigen Schweinfurter
Kugelfabriken nicht Stand halten konnte. Die Fabrik machte
eine gute Entwicklung durch und stellte sich in den Kriegs-
jahren wegen Mangel an Rohmaterial auf eine Malzkaffee-
und Kaffee-Ersatzfabrik ein. Es wurden auch Gemüse-
konserven hergestellt. Zur Zeit besteht neben der Unter-
fränkischen Malzfabrik die Malzkaffee-Fabrik der Firma Ufra-
Werke Seligstein & Co., die neben Kaffee-Ersatz Zichorie
fabriziert und eine größere Zichorie- Anbau- Genossenschaft
ins Leben gerufen hat. Inhaber bezw. Direktoren sind die
Herren U. Seligstein und Georg Heim.
Zuckerfabrik Adolf Wüstenfeld & Co. Der
bekannte Industrielle Wilhelm Sattler errichtete, wie das an
anderer Stelle schon bemerkt ist, mit den Herren Georg
Engelhardt und Adolph Wüstenfeld in den Jahren 1826/27
in der alten Spitalkaserne eine Zuckerraffinerie, in der aus-
ländischer Rohrzucker verarbeitet wurde, der jedoch im Laufe
der Zeit durch den inländischen Rübenzücker mehr und mehr
verdrängt wurde. Im Jahre 1836 machte sich Adolf Wüsten-
feld selbständig und erbaute vor dem Mühltore eine neue
Zuckerraffinerie. Es wurde 1856 der Versuch unternommen,
auf dem Bayerhofe Zuckerrüben zu bauen, er scheiterte jedoch
an der Ungunst der Verhältnisse, so daß die Fabrik wieder
auf die Raffination von gekauftem Rohzucker eingestellt
werden mußte. Trotz der Konkurrenz von Riesenbetrieben,
welche in rübenbautreibenden Gegenden gelegen sind, steigerte
die Schweinfurter Zuckerfabrik ihre Verarbeitung und findet
besonders in Bayern, starken Absatz. Neben gewöhnlichem
Verbrauchszucker werden vorwiegend Kandise hergestellt. Die
Fabrik, die nach dem Tode von Adolph Wüstenfeld von
dessen Sohn Otto übernommen worden war, wird jetzt von
dessen Schwiegersohn Carl Begemann weitergeführt.
Essig- und Likörfabrikation.
Die Essig- und Likörfabrikation, verbunden mit Brennerei-
betrieb, spielt eine achtungsgebietende Rolle.
CC. F. Pohl. Die Firma erfuhr ihre Gründung bereits
im Jahre 1797. Damals wurde hauptsächlich Bier- und‘ Wein-
essig erzeugt. Weinessig wurde hauptsächlich in den thü-
ringischen Landen und in Sachsen abgesetzt. Die Fabrikate
erfreuen sich allgemeiner Beliebtheit und finden einen sich
steigernden Absatz. Die früheren Inhaber waren F.A.
Fischer und seit 1890 Karl Fischer, der zusammen mit seinem
Bruder Dr. Wilhelm Fischer den Grundstein zur bereits er-
wähnten Chemischen Fabrik Schweinfurt im Jahre 1895 legte.
Die derzeitigen Inhaber sind die Herren Fritz, Karl und Rudolf
Schirmer
Löw Hirsch & Co. Die Firma wurde im Jahre 1845
in Frankenwinheim gegründet und siedelte im Jahre 1880
nach Schweinfurt a. M. über. Um der steigenden Nachfrage
nach den Produkten zu genügen, wurde im Jahre 1903 ein
Neubau mit umfangreichen Kellereien ausgeführt. Zur Ent-
lastung des Schweinfurter Betriebs und zur besseren Beherr-
schung des Kundenkreises erwarb die Firma ein Fabrikgrund-
stück in Düsseldorf und nahm auch dort die Fabrikation von
Essig und Spirituosen auf. Gleichzeitig gliederte sich die
Firma eine rheinische Kognak-Brennerei von Ruf an. Diese
Erweiterungen genügten zur Bewältigung des Absatzes aber
nicht, so daß die Firma sich mit der Absicht trägt, eine ganz
neue, großangelegte Fabrik in Schweinfurt zu bauen.
‘5
Lebkuchen- u. Zuckerwaren-Industrie.
Diese Industrie ist durch die Firma Franz Widmann,
früher Merkle & Widmann im Jahre 1907 nach Schweinfurt
gebracht worden.
II.
Kugel-, Kugellager- und Maschinen-
Industrie.
Das Jahr 1883 darf als der Beginn einer neuen bedeut-
samen Epoche in der Entwicklung der Schweinfurter Industrie
bezeichnet werden. Wiederum war es ein Schweinfurter
Bürger, der den .Grundstock zu einem Bau legte, welcher
das ganze bisherige Industriegefüge um ein Gewaltiges über-
ragen sollte.
Friedrich Fischer war der Sohn des Mechanikers Moritz
Fischer, der Anfang der fünfziger Jahre als erster an dem
von dem Karlsruher Forstmeister von Drais erfundenen Lauf-
rade Tretkurbeln anbrachte und dadurch eigentlich das Velo-
ziped, das heutige Fahrrad, schuf. Friedrich Fischer kam
auf den Gedanken, die damals in England einzeln fabrizierten
teuren Stahlkugeln für die Lagerungen der Fahrräder billiger
herzustellen, wobei es ihm gelang, die gemeinsame Bearbei-
tung einer größeren Anzahl von Stahlkugeln mittels sinn-
reicher Maschine vorzunehmen und deren Verwendung im
Kugellager in ungeahnter Weise zu fördern, Ob ihm bei der
Aufstellung der Kugelmühlen die Schleiflmühlen des alten
Schweinfurter Märbelgewerbes vorgeschwebt haben, ist nicht
bekannt, die Möglichkeit besteht aber.
Damit war in Schweinfurt plötzlich ein ganz neuer In-
dustriezweig geschaffen, welcher der Kugellagerung im all-
gemeinen, insbesondere aber im Fahrradbau. neue Richtlinien
wies.
Ein Zeitgenosse Fischers, der Mechaniker Wilhelm
Höpflinger, machte sich im Jahre 1890 das neue Arbeitsfeld
dienstbar und schuf eine Reihe von Erfindungen. Er wurde
der Mitbegründer der Firma Fries & Höpflinger,
A x
Ernst Sachs, ein in der Veloziped-Industrie aufgewachsener
junger Mechaniker wurde der Begründer der Schweinfurter
Präzisions-Kugellagerwerke Fichtel & Sachs. Sein Haupt-
verdienst bestand in der Vervollkommnung und Ausgestaltung
der Freilaufnabe, wodurch eine ganz wesentliche Verbesserung
am Fahrrad geschaffen wurde.
Man kann von einer Art von Wetteifer unter dem drei
hiesigen Kugel- und Kugellager-Industrien sprechen, der immer
zu neuen Erfindungen und Verbesserungen anspornte und die
Ursache wurde, daß die gesamte Fahrrad- und Schnellfahrzeug-
Industrie der Welt auf ihre jetzige stolze Höhe gelangte.
Friedrich Fischer, Wilhelm Höpflinger und Ernst Sachs
haben ihren Ruf durch ihre großartigen Erfindungen nicht nur
innerhalb der Stadt Schweinfurt, sondern weit über Deutsch-
jand hinaus in allen Teilen der Welt begründet.
In den Herzen der Mitbürger aber haben sie sich ein
dauerndes Denkmal der Dankbarkeit gesetzt. Denn das Auf-
tauchen und die ununterbrochene Zunahme der neuen In-
dustrie brachte der Stadt Schweinfurt dauernd neuen Zuzug
von Arbeitskräften, große Verdienstmöglichkeiten und damit
großen Absatz für die ganze Geschäftswelt.
Den sich überstürzenden Ereignissen mußten die ge-
samten städtischen Verhältnisse weichen. Ein Umschwung
von höchster Bedeutung vollzog sich: Aus der kleinen In-
dustriestadt in ihrem immerhin kleinbürgerlichen anspruchs-
losen Kleide entstand eine Hochburg der Groß-Industrie von
großzügiger und stolzer Eigenart.
Erste automatische Gußstahl-Kugelfabrik
vorm. Friedrich Fischer. In einer Denkschrift der
Ersten automatischen Gußstahl- Kugelfabrik ist betont, daß
Friedrich Fischer, dem die Bedeutung des Kugellagers für
Fahrzeuge vorschwebte, der Einzelherstellung dieser Kugeln,
wie sie in England vorgenommen wurde, großzügig begegnen
wollte. Es mag ihm klar geworden sein, daß angesichts des
gewaltigen zu lösenden Problemes, welches eine Umgestaltung
des Schnellverkehrs für Fahrzeuge im Gefolge haben mußte,
praktisch brauchbare Verhältnisse geschaffen werden mußten,
daß also die Kugeln auf billigstem Wege herzustellen waren.
Eine Reihe von Versuchen ließen schließlich das Problem
ausreifen; die sogenannte Kugelmühle, die die automatische
17
Fabrikation der Kugeln in Massen gewährleistete, war er-
funden und damit der gewaltigen Industrie der Schnellfahr-
zeuge auf der ganzen Welt eine Ouverture geschaffen. Von
Friedrich Fischer wird berichtet, daß er 1883 eine mecha-
nische Werkstätte errichtete und im Jahre 1892/93 mit er-
weitertem Betriebe in der Städtischen Spinnmühle gearbeitet
hat. Später erbaute er am Hauptbahnhof eine große moderne
Fabrik, die im Laufe der Zeit große Erweiterung erfuhr. 1899
starb Fischer, ohne eigentlich die Früchte seines bedeutsamen
Erfindung mit stolzer Genugtuung genießen zu können. Heute
ist die Fabrik im Besitze des Herrn Kommerzienrat Georg
Schäfer und dessen Schwiegersohnes Hermann Barthel. Be-
schäftigt werden zirka 1200 Arbeiter. Fabriziert werden
Präzisionskugeln, Kugellager, Rollenlager usw. Diese Erzeug-
nisse gehen in die ganze Welt. Die Fabrik zählt zu den
ersten innerhalb ihres Industriezweiges.
Deutsche Gußstahlkugel- u. Maschinen-
fabrik A.G. vormals Fries & Höpflinger. Dem
Namen Wilhelm Höpflinger ist schon besondere Beachtung
gewidmet worden. Höpflinger hatte, gemeinsam mit dem
genialen Erfinder Friedrich Fischer an dem Ausbau der
Maschinen zur automatischen Herstellung von Präzisions-
kugellagern gearbeitet. Es darf wohl gesagt werden, daß
es dem Zusammenarbeiten dieser beiden Männer zu ver-
danken ist, wenn heute diese Maschinen eine mathematisch
genaue Rundung dieser Stahlkugeln gewährleisten. Höpflinger
sah sich veranlaäßt, sich von Fischer zu trennen und gründete
ein eigenes Geschäft in Verbindung mit Herrn Engelbert Fries
im Jahre 1890. Im weiteren Verlaufe seiner Tätigkeit wid-
mete er sich besonders dem Ausbau der Kugellager und schuf
als Erster ein wirklich brauchbares derartiges Lager, auf das
ihm Patente erteilt wurden.
Die Erfolge der Firma Fries & Höpflinger lockten eine
ganze Anzahl von Spekulanten auf den Plan, die unter Aus-
nützung der Kenntnisse von Angestellten und Arbeitern aus
der hiesigen Kugelindustrie Kugelfabriken errichteten. Dem
Gründungsfieber erfolgte bald die Erschlaffung. Etwa 20
Solcher Fabriken, unter denen sich auch die hiesige Firma
englisch-bayerische Stahlkugel-Co. befand, krachten zusammen.
Die Firma Fries & Höpflinger war gegen diese Konkur-
renz vollkommen gefeit, ging als Siegerin hervor und hat
durch gewaltige Vergrößerungen, u. a. durch Anlage eines
großen Werkes in der Oberndorfer Gemarkung sich eine
überragende Stellung innerhalb der Kugelindustrie gesichert.
Auch diese Firma hat sich durch die Herstellung von Gra-
naten, Zündern aller Art, Schrapnellkugeln und Gewehrteilen
dem Vaterland nützlich gezeigt. Auch hier gelang die Um-
stellung nach dem Kriege auf ihre Ursprünglichkeit ohne
weiteres und heute werden die Fabrikate der Firma Fries &
Höpflinger, beeinflußt oder unbeeinflußt durch die Wirkungen
der schwierigen, wirtschaftlichen Verhältnisse über die ganze
Welt gebracht. Im Jahre 1896 wurde eine Aktiengesellschaft
unter dem Namen Deutsche Gußstahlkugel- und Maschinen-
fabrik A.G. vorm. Fries & Höpflinger ins Leben gerufen.
Die derzeitigen Direktoren sind die Herren Kom.-Rat Engel-
bert Fries und Höpflinger. Beschäftigt werden ca. 1500
Arbeiter und Arbeiterinnen.
Schweinfurter Präzisionskugellagerwerke
Fichtel & Sachs. Die Wiege der Kugelindustrie in
Schweinfurt hat fast gleichzeitig eine besondere Industrie in
sich geboren, nämlich die der Herstellung der Präzisionskugel-
lager. Kugellager waren schon in England bekannt gewesen.
Es war aber einem weiteren großen Erfinder vorbehalten,
dieses Kugellager so auszugestalten, daß die Ausnützung der
Stahlkugeln und damit ihre eigentliche Verwendung nicht nur
für kleine, sondern auch für große Schnellfahrzeuge und Flug-
zeuge erst richtig ermöglicht wurde. Dem früheren Fein-
mechaniker und jetzigen Geheimen Kommerzienrat Ernst Sachs
war es gelungen, eine Nabe zu konstruieren, welche eine
völlige Umwälzung hinsichtlich der Kraftausnützung bei Be-
nützung von Fahrrädern hervorrief. Wenn ursprünglich mit
großen Anstrengungen bei Erreichung selbst geringer Schnellig-
keit gerechnet werden mußte, so wurde durch diese Nabe
eine gewaltige Erleichterung und-damit verbunden eine ent-
sprechende Schnelligkeit erzielt. Diese Präzisionsnabe, wie
sie genannt wurde, hat den Anstoß zu weiteren Erfindungen
gegeben und hat die wertvolle, heute unentbehrliche Torpedo-
Freilaufnabe mit Rücktrittbremse und mehrfachen Ueber-
setzungen, sowie das weltbekannte Sachslager im Gefolge
gehabt, eine Erfindung, die das Fahrrad und seine Ver-
Ay
wendungsmöglichkeit auf eine ungeahnte Stufe der Entwicklung
brachte. Ernst Sachs hat mit dieser Erfindung nicht nur der
Fahrradindustrie, sondern auch der Automobil- und Maschinen-
industrie die Wege zu ihrer großartigen Entwicklung ge-
ebnet und sich damit einen Ruf geschaffen, der ihm, ähnlich
wie dem früheren Großindustriellen Wilhelm Sattler die Führung
in der Farbenindustrie, die Führung in der Kugellagerindustrie
gesichert hat.
Sachs hatte das Glück, für seine Ideen Verständnis bei
dem Kaufmann Karl Fichtel, einem Abkömmling der Familie
Sattler, zu finden, mit dem er sich im Jahre 1895 zusammen-
schloß, um die Schweinfurter Präzisionskugellagerwerke
Fichtel & Sachs zu gründen. Der verstorbene Kommerzien-
rat Fichtel hat wohl die schwierigen Anfänge des Geschäftes,
auch den weiteren Aufstieg miterlebt; die höchste Blüte, zu der
die Firma gelangt ist, zu sehen, war ihm leider nicht gegönnt.
In den Kriegsjahren war die Firma auf Munitions-
erzeugung aller Art eingestellt, Sie beschäftigte zeitweise
bis 8000 Arbeiter und mußte nach Beendigung des Krieges
ähnlich wie die übrigen Kugelfabriken die Umstellung zur
Friedensarbeit, wenn auch unter den größten Schwierigkeiten,
vornehmen. Gerade die Kriegstätigkeit zwang die Firma zur
Errichtung eines Werkes II in Oberndorf, das den modernsten
Anforderungen entsprechend eingerichtet wurde. Im Jahre 1911
war ein Zweigwerk in Tschirnitz in Böhmen errichtet worden.
Außerdem wurde ein Zweigunternehmen in Lancaster (Amerika)
ins Leben gerufen, welches vor dem Kriege ein amerikanisches
Unternehmen war und die Interessen der Firma in Amerika
vertrat. Die beabsichtigte Errichtung einer Zweigfabrik in
Frankreich mußte wegen Ausbruch des Krieges verschoben
werden.
Wir haben davon gesprochen, daß Wilhelm Sattler und
Ernst Sachs den Ruhm der Stadt Schweinfurt in alle Welt-
teile getragen haben. Interessant ist dabei zweifelsohne, daß
Ernst Sachs heute Besitzer des Schlosses Mainberg, also
Nachfolger des Wilhelm Sattler geworden ist, womit in ge-
wisser Beziehung der Wechsel in der Auswirkung industrieller
Machtstellung zu verschiedenen Zeiten gekennzeichnet ist.
Die Inhaber der Firma, die heute über 5000 Angestellte
und Arbeiter beschäftigt und ihre Fabrikate in der ganzen
20
Welt absetzt, sind Geheimer Kommerzienrat Ernst Sachs und
die Witwe des verstorbenen Kommerzienrat Karl Fichtel als
stille Teilhaberin.
Eisenwerk C. Joachim & Sohn. Die Ma-
schinenfabrik „Eisenwerk: C. Joachim & Sohn“ wurde im
Jahre 1861 von Herrn Friedrich Reck und Carl Joachim ge-
gründet. Die Firma befaßte sich ursprünglich nur mit all-
gemeinem Maschinenbau unter Ausnützung einer Kessel-
schmiede und Eisengießerei. Später wurde die Spezial-
fabrikation von Maschinen für die Papier- und Pappefabrikation
betrieben, besonders Versuchsmaschinen für diesen Industrie-
zweig hergestellt. Auch die Fabrikation von Maschinen zur
Herstellung von Asbestzementplatten ist seit 20 Jahren mit
Erfolg aufgenommen worden. Die Erzeugnisse der Firma,
welche ungefähr 100 Leute beschäftigt, sind in allen Erd-
teilen zu finden.
Maschinenfabrik Walter & Kuffer. Die
Fabrik wurde im Jahre 1915 unter der Firma D. Walter er-
richtet, der Firmennamen nach dem Eintritt des Herrn Dipl.-
Ing. Adolf Kuffer im Jahre 1919 in Maschinenfabrik Walter
& Kuffer umgeändert. Es werden ausschließlich Bodenkultur-
geräte: Eggen, Kultivatoren, Vorderwagen für Erntemaschinen
und Zuckerrübenerntemaschinen hergestellt. Die Fabrik be-
treibt noch eine Handelsabteilung mit Reparaturwerkstätte
für landwirtschaftliche Maschinen unter gleicher Firma. Die
Inhaber sind die Herren Arthur Walter, Max Walter . und
Dipl.-Ing. Adolf Kuffer. Beschäftigt werden ca. 120 Personen.
Fränkische Eisenkonstruktions- und Ma-
schinenbauwerkstatt Andreas Sigel. Der In-
haber der Firma, Andreas Sigel, übernahm das Geschäft von
der Firma Georg Schäfer & Co. im Jahre 1912, welche sich
mit Maschinenreparatur, Gitter- und Bauarbeiten und sonstigen
Konstruktionsarbeiten befaßte,. Während des Krieges wurde
Munition hergestellt, was eine Vermehrung der Arbeitskräfte
auf etwa 250 Arbeiter bedingte. Nach dem Kriege nahm die
Firma den früheren Arbeitsplan wieder auf und liefert heute
eine Reihe von Spezialitäten auf dem Gebiete der Eisen-
konstruktion.
Maschinen - Fabrik Giraud, Lutz & COo,.,
G.m.b.H. Die Maschinenfabrik Louis Golz wurde 1867
27
errichtet. Mit ihr wurde eine Gießerei verbunden. Besitzer
waren von 1885 an August Reuter, im Jahre 1902 Ing. Hans
Lutz. Im Jahre 1906 wurde die Firma in eine G. m. b. H.
Giraud, Lutz & Co. umgewandelt. Der derzeitige Geschäfts-
führer ist Herr Alfred Giraud.
Fensterwerk Hermann Vogel. Die Firma ist
aus ehemals kleingewerblichem Betrieb hervorgegangen. Im
Jahre 1867 von dem Schlossermeister Theodor Vogel ge-
gründet, hat sie sich besonders unter der Leitung des Theodor
Vogel jr. der Herstellung von Spezialeisenkonstruktion, schmied-
eisernen Fenstern, Wendeltreppen usw. gewandt und sich auch
den Auslandsmarkt dienstbar gemacht. Der Betrieb wurde
1910 von dem Innern der Stadt in das Industrieviertel ver-
legt und hatte während des Krieges die Herstellung von
Munitionsteilen aufgenommen. Nach der Umstellung auf
Friedensarbeit ist die Firma, durch Angliederung eines tech-
nischen Büros, auf dem Gebiete der Eisenkonstruktion ein
bekanntes Unternehmen geworden.
m m
IV.
Sonstige Industriezweige.
Schuhfabrikation.
In Schweinfurt befinden sich zwei sehr bedeutende
mechanische Schuh-Fabriken. Ihre Entstehung ist darauf
zurückzuführen, daß anfänglich der Versuch gemacht wurde,
die handwerksmäßige Herstellung von Schuhen in größerem
Rahmen zusammenzufassen, um auf diese Weise die Hand-
arbeit besser auszunützen.
Bayerische Schuhfabriken A.G. Der ver-
storbene Kommerzienrat E. Heimann errichtete im Jahre 1881
unter der Firma Emil Heimann Schuhfabrik einen Fabrik-
betrieb für Kinderschuhsachen und ging damit zur eigent-
lichen Schuhfabrikation über. Die damals zur Verfügung
stehenden deutschen Schuhmaschinen waren nicht voll-
kommen, die Produktion demzufolge nicht vollwertig. Erst
als man die vorzüglichen amerikanischen Schuhfabrikations-
)
4
maschinen nach Deutschland brachte, wurde es möglich,
Stiefel in höchster Vollkommenheit herzustellen, wodurch
nach und nach der Handbetrieb stark in den Hintergrund
gedrängt wurde. — 1906 wurde eine Zweigniederlassung in
Dresden errichtet, 1913 aber wieder verkauft. 1916 wurde
die Firma in die Bayerische Schuhfabriken A.G. umge-
wandelt und 1918 das Unternehmen durch den Kauf einer
Schuhfabrik in München erweitert. Die augenblicklichen
Direktoren sind die Herren Ludwig Bopp und Otto Waibel.
Beschäftigt werden in beiden Betrieben ca. 800 Arbeiter,
welche pro Tag. ca. 2000 Paar Schuhe herstellen.
Silberstein & Neumann. In Parallele marschiert
die Schuhfabrik von Silberstein & Neumann in Schweinfurt,
welche im Jahre 1875 als Schuh-Handelsfirma gegründet
wurde. Dem Handbetrieb in umfangreichem Maßstabe folgte
die mechanische Schuhfabrikation in dem 1887 errichteten
Schuhfabrikationsgebäude an der Friedhofstraße. Auch hier
wird mit Hilfe der amerikanischen Maschinen gearbeitet,
welche die Herstellung der feinsten Schuhe ohne weiteres
ermöglichen. Die Fabrikate werden unter den geschützten
Namen „Biene‘“, „Edox‘“ und „Angulus‘“ in den Handel ge-
bracht. Inhaber der Firma sind z. Zt. die Herren L. Silber-
stein und E. Neumann. Beschäftigt werden ca. 500 Arbeit-
nehmer,
Tabakfabrikation.
Tabakfabrik Fr. Ph. Stepf. Wohl eine der ersten
deutschen Tabakfabriken ist in Schweinfurt unter der Firma
Friedrich Ph. Stepf im Jahre 1797 entstanden, die ursprüng-
lich die Fabrikation von Schnupftabak und bald danach die
von Rauchtabak aufgenommen hatte. Das Geschäft hat sich
im Laufe der Jahrzehnte ruhig fortentwickelt und befindet
sich heute im Besitze des Herrn Nik. Rosa. Neben dem
Fabrikbetrieb wird der Handel mit Tabakfabrikaten aller Art
betrieben.
Basaltverarbeitung.
Säulen - Basaltwerke Leimbach & Co.
G. m. b. H. Die Firma wurde Ende 1889 mit dem Sitze
in Nordheim v. d. Rhön gegründet, das Hauptbüro wurde
später nach Schweinfurt verlegt. Ursprünglich handelte es
sich um die Ausbeutung eines in der Gemeinde Roth ge-
legenen Basaltwerkes. In Nordheim wurde ein Basaltschlag-
werk errichtet und mit allen Mitteln der modernen Technik
ausgestattet. Der gewonnene Hartbasalt wird zu Straßen-
schotter und auch zu Splitt verarbeitet. Besonders geeignetes
Material wird zur Herstellung von Pflastersteinen und Wasser-
bausteinen verwendet. 1904 kam ein weiteres Basaltwerk
am Sodenberg bei Hammelburg zur Erstehung, ferner ein
Basaltschlagwerk am Bahnhof in Fladungen, welch letzteres
bei Kriegsausbruch stillgelegt und nicht mehr in Betrieb ge-
setzt wurde. 1909 wurde das Basaltwerk Oberriedenberg bei
Brückenau erworben und vollständig modernisiert. In den
folgenden Jahren wurde ein weiteres Basaltwerk am Umpfen
bei Fischbach in Sachsen-Weimar erbaut. In neuerer Zeit
wurden weitere Basaltbrüche an verschiedenen Stellen in der
Rhön in Angriff genommen und in Oberhessen zur Erweite-
rung der Produktion von Pflastersteinen zwei Steinbrüche in
Betrieb gesetzt. Auch die Fabrikation von Zementkunststeinen
wurde aufgenommen, wobei das vorkommende Basalt-Abfall-
material Verwendung findet.
Die Direktoren sind z. Zt. die Herren G. H. Leimbach
und Adolf Stein. Die Zahl der Arbeiter beträgt ca. 500. Die
Produkte werden hauptsächlich von den staatlichen und Ge-
meindebehörden, auch von Privaten zum Straßenbau ver-
wendet. Nach dem Kriege wurde auch exportiert und neuer-
dings werden Steine für das Wiederaufbaugebiet in Frankreich
hergestellt.
Ziegeleien.
Vereinigte Dampf- Ziegeleien Andreas
Menke. Die Firma betrieb zur Zeit ihrer durch Herrn
Andreas Menke im Jahre 1885 erfolgten Gründung eine
Handschlag-Ziegelei, die im Jahre 1890 in eine Maschinen-
ziegelei umgewandelt wurde; damals wurde der erste Ring-
ofen in Unterfranken erbaut. Es wird jetzt mit den modernsten
Maschinen gearbeitet und neben Mauersteinen auch Ziegel
fabriziert. Die derzeitigen Inhaber sind die Herren Andreas
Menke, Max Menke und Theodor Menke.
74
Schleifstein-Fabrikation.
Schleifsteinwerke Christoph Preger. Seit
1880 wurde von der Firma Christoph Preger, jetziger Inhaber
Herr Edmund Grimm, die Anfertigung der in ganz Europa
und Uebersee bekannten Schweinfurter Sandstein-Schleifsteine
in großem Maßstabe betrieben. Der in den eigenen Betrieben
in den Gemeinden Egenhausen, Vasbühl, Stettbach, Schweben-
ried anstehende Lettekohlensandstein eignet sich infolge seiner
Gleichmäßigkeit hinsichtlich der Körnung, Härte Und Struktur
ganz besonders zum Schleifstein und wird im Hand- und
Maschinenbetrieb verarbeitet.
Druckereien.
Die Morich’sche Buchdruckerei wurde im
Jahre 1704 gegründet. Während sie im ersten Jahrhundert
ihres Bestehens nur mit behördlichen und privaten Druck-
arbeiten beschäftigt war, erschien ein Jahrhundert später in
ihrem Verlag das ‚‚Intelligenzblatt‘“ als Amtsblatt der Stadt
Schweinfurt. Im Jahre 1856 schritt der Verlag zur Gründung
einer Tageszeitung, dem „Schweinfurter Tagblatt“. Im
Jahre 1900 gingen Druckerei und Verlag auf die Herren Gott-
hard Helferich und Ernst Stoer über. Unter der Führung
Helferichs erfolgte die Entwicklung zum modernen Zeitungs-
betrieb. Bereits im Jahre 1906 hielt die erste Setzmaschine
Ihren Einzug, im gleichen Jahre folgte eine moderne acht-
seitige Rotationsmaschine, durch die der Druck der inzwischen
erheblich an Auflage gewachsenen Zeitung in einem Bruch-
teil der Zeit hergestellt werden konnte, die man früher beim
Druck auf Schnellpressen brauchte, Hand in Hand damit
ging die Einrichtung einer Stereotypieanlage, die später durch
modernste Maschinen in ihrer Leistungsfähigkeit gesteigert
wurde. Die Schnellpressen-Abteilung dient ausschließlich der
Herstellung von Druckarbeiten, während auf der Rotations-
maschine neben der Zeitung auch Massenauflagen von Pro-
spekten usw. hergestellt werden. Auch das Schweinfurter
Adreßbuch erscheint in dem Verlag in dreijährigem Zwischen-
raum Verantwortlich zeichnen Gotthard und Hans Helferich.
Stein- und Buchdruckerei Blasius’ und
Lauer’'s Nachfolger. Die Druckerei ist aus den Firmen
)
J
G. Lauer, Buchdruckerei, gegründet 1836 und A. Blasius,
Lithographische Anstalt, gegründet 1864, hervorgegangen. Die
Vereinigung der beiden Firmen wurde im Jahre 1897 durch
den derzeitigen Inhaber Heinrich Weppert in die Wege ge-
leitet. Hauptsächliche Erzeugnisse sind: Merkantilarbeiten
in Buch- und Steindruck, außerdem spielt die Etiketten-
fabrikation eine große Rolle. Die Bedienung von acht Schnell-
pressen und fünf Handpressen erfolgt durch ca. 50 Personen.
Drogenverarbeitung.
C. W. Geyer & Co. Eine Drogenmühle, verbunden
mit Schneidewerk besteht unter der Firma C. W. Geyer & Co.
Inhaber C. W. Geyer und Jul. Ebenauer). Die Gründung er-
‘olgte ungefähr im Jahre 1871 und wurde veranlaßt durch
das große Vorkommen von Arzneipflanzen, welche die Land-
bewohner anbauten. (Darunter auch hauptsächlich Eibisch.)
Die Firma besitzt auch ein Kreidesägewerk zur Herstellung
von Schul-, Billard- und Schneiderkreide.
Bürsten- und Pinselfabrikation.
Schweinfurter Bürsten- und Pinselfabrik
Wilhelm Belschner. Schon im Jahre 1838 wurden
Bürstenwaren im Kleingewerbebetriebe durch Bernhard
Belschner hergestellt. Im Laufe der Jahrzehnte erhöhte sich
der Absatz und dementsprechend auch die durch Wilhelm
Belschner seit 1884 betriebene Fabrikation. Das Jahr 1910
ist als der Zeitpunkt des Einrückens der Firma in die Klein-
Industrie zu bezeichnen. Die Artikel werden auf mechanischem
Wege mit Stanzmaschinen hergestellt. Es wurde auch die
Fabrikation der Bürstenhölzer aufgenommen. Beschäftigt
werden ca. 25 Personen. Die derzeitigen Inhaber sind Frau
Irma Belschner und Herr Ludwig Spillner.
Heinrich Hinterleitner. Das Bürsten- und Pinsel-
geschäft wurde um das Jahr 1880 gegründet. Zufolge großen
Absatzes wurde der Fabrikationsbetrieb in größerem Umfange
aufgenommen, zu welchem Zwecke 1912 die frühere städti-
sche Kunstmühle am Main ausgebaut wurde. Das Geschäft
nimmt einen flotten Fortgang. Inhaber sind Herr Georg
Stößel und Witwe Marie Hinterleitner.
de
Lederfabrikation.
Lederfabrik Wilhelm Bach. Im Gerbereibetrieb
wird rein eichelohgegerbtes Sohlleder in allen Stärken, auch
für technische Zwecke hergestellt. Die Firma wurde schon
im Jahre 1791 von Chr. Fr. Bach gegründet und ging 1863
an K. H. und Chr. Wilhelm Bach über. Zur Zeit wird die
Lederfabrik von den Söhnen des Chr. Wüilh. Bach, den Herren
Fritz und Otto Bach geleitet.
Sonstige kleinere Industrien werden repräsentiert durch die
Kartonagenfabrik Johann Allmis (Inhaber Theodor Belschner),
ferner durch das Dampfsägewerk Schweinfurt/Sennfeld
(Inhaber, Bandorf & List), ferner die Lack- und Farbwerke
Dr. Eduard v. Berg und die Chemische Fabrik Bavaria (In-
haber Georg Ludwig).
rn
Industrie-Unternehmungen der
Schweinfurter Stadtverwaltung.
Gaswerk. Als ein für die damalige Zeit fortschritt-
liches Unternehmen ist die Errichtung der Gasfabrik zu be-
zeichnen, die als eine der ersten in Bayern im Jahre 1857
ihren Betrieb aufnahm. Das Gaswerk hat im Laufe der
Jahrzehnte manche Verbesserung erfahren und eine Leistungs-
fähigkeit erreicht, die fast an der Grenze steht. Man trägt
sich mit dem Gedanken, eine neue, hochmoderne Anlage zu
bauen, damit den nötigen Bedürfnissen auf alle Fälle Rechnung
getragen werden kann.
Wasserwerk. Das alte Wasserwerk wurde unter
Ausnützung der Wasserkraft, welche zum Betriebe der Mühle
diente, errichtet und lieferte den Bewohnern der Stadt Leitungs-
wasser aus dem Main für gewerbliche Zwecke. Das Trink-
wasser mußte aus den Brunnen der Stadt entnommen werden,
Dieser Zustand war unhaltbar. Im Jahre 1899 wurde in der
Nähe des Wehrwäldchens brauchbares Wasser für alle Zwecke
gefunden, welches seitdem über ein neues Wasserwerk an der
Ludwigsbrücke der Bevölkerung zugeführt wird.
27
Elektrizitätswerk. Dem Zeitgeiste zu genügen und
jie Wasserkraft im Mühlkanal voll auszunützen, wurde im
Jahre 1904/05 ein Elektrizitätswerk an Stelle der Loh- und
Schneidemühle unter der Führung des Herrn Oskar v. Miller-
München errichtet und nach und nach entsprechend aus-
gebaut. Neben Wasserturbinen werden, um Betriebsunter-
brechungen zu vermeiden und wachsenden Bedürfnissen zu
begegnen, drei Dampfturbinen unterhalten. Bedauerlich ist,
daß die vorhandenen Wasserkräfte einer intensiveren Aus-
beutung an elektrischer Kraft nicht genügen, doch ist damit
zu rechnen, daß durch den Anschluss an Ueberlandzentralen
allmählich die bestehenden Mängel noch ersetzt werden.
Kunstmühle. Der Mühlenbetrieb war seit urdenk-
lichen Zeiten von der Städtischen Verwaltung im Interesse
der Ernährung der Bevölkerung in eigener Regie ausgeübt
worden. Schon im Jahre 1573 war am Mühlenkanal eine
Mühle mit 16 Wasserrädern, welche in vier verschiedenen
Abteilungen 14 Mahlgänge in Betrieb setzten, erbaut worden.
Dieser Betrieb pflanzte sich zweifelsohne ohne besondere Ver-
besserungen einige Jahrhunderte hindurch fort. Wenigstens
sind nähere Anhaltspunkte über anscheinende Veränderungen
nicht bekannt geworden. Seit Beginn des verflossenen Jahr-
hunderts wurde die Mühle in Pacht gegeben, 1840 wurde mit
dem Bau einer Kunstmühle begonnen, die 1842 an Magistrats-
rat Krug auf 10 Jahre verpachtet, dann wieder von der Stadt
weitergeführt wurde.
Zur gleichen Zeit anno 1840 wurde am Mühlkanal unter
Ausnützung der Wasserkraft eine Loh- und Schneidemühle
erbaut. Die städtische Kunstmühle stellte ihren Betrieb im
Jahre 1908, die Loh- und Schneidemühle im Jahre 1904 ein,
|
VI.
Ältere erloschene Firmen der
Schweinfurter Industrie.
Direkte Nachkommen der Schweinfurter Farbenindustriellen
Gademann und Sattler haben sich auf gleichem Gebiete
wiederholt, mit oder ohne Erfolge betätigt. So richtete ein
zweiter Sohn des Johann Georg Gademann 1812 die wieder-
holt genannte „Bellevue“ als Bleiweißfabrik ein, konnte sich
aber nicht lange halten.
Die „Bellevue‘“ wechselte noch öfter ihren Besitzer; so
befand sie sich 1818 im Eigentum des Caspar Gademann,
1827/28 ging sie an die Firma Wilhelm Wolff über, die Bunt-
farben, Bleiweiß, Argentan und später Ultramarin daselbst
herstellte, 1859 war sie als Ultramarinfabrik im Besitze von
Wilhelm Goll und Karl Hetz, im Jahre 1865 wurde sie Mehl-
mühle, 1871 wandelte die Firma Reck-Joachim das Werk in
eine Papierfabrik um, die einige Jahre bestand.
Ein Enkel Gademanns, Heinrich Gademann, errichtete
1845 eine Ultramarinfabrik am Philosophengang, die nach
10jährigem Bestehen aber wieder ihre Pforten schloß, um
später einer Papierfabrik der Gebrüder Stepf Platz zu
machen, welche nach einigen Dezennien einging.
Schrotfabrik G. C. Ehemann. Ein weithin
sichtbares Bauwerk bildete der Schrotturm in Schweinfurt.
Im Jahre 1611 wurde ein Anwesen in der Petersgasse erbaut,
an das ein massives Treppenhaus angebaut worden war. In
späteren Jahren hat Joh. Chr. Voit die Schrotfabrikation auf-
genommen und zu diesem Berufe den Turm in der gegen-
wärtigen Form errichtet. Das Blei wurde — wie das heute
noch geschieht — nachdem es geschmolzen und mit einem
Zusatz von Antimon versehen war, von der höchsten Höhe
innerhalb des Turmes durch ein Sieb in ein Wasserreservoir
gegossen. Die Schroten wurden dann aus dem Wasser ge-
zogen und durch gewisse Vorrichtungen sortiert. Die Schrot-
fabrik kam später in den Besitz des Friedrich v. Berg und
1862 in den des G. C. Ehemann. 1885 war Inhaber Herr
Otto Huschke, 1904 trat Herr Th. Metz ein. Im Jahre 1911
wurde die Fabrikation eingestellt.
Baumwoll-Spinnerel. Auf Antrag des Fabrikanten
F. Ebenauer aus Schaffhausen wurde von der Stadt auf dem
Leer-Raum zwischen der Kunstmühle und der Loh- und
Schneidemühle eine fünfstöckige Baumwollspinnerei errichtet
und die zum Betriebe notwendigen Wasserräder aufgestellt.
Ebenauer übernahm die Spinnerei auf dem Pachtwege. Der
Betrieb wurde Anfang der 1890er Jahre eingestellt.
Nudel- und Stärkefabrik Gebrüder Graf.
Die Firma Gebrüder Graf (G. u. J. Graf) erbaute im Jahre 1855
23
eine Nudel- und Stärkefabrik vor dem Mühltore am Marien-
bach. 1890 war Inhaber Herr W. Schuler, der neben der
Nudelfabrikation auch Graupen herstellte. Die Fabrik stellte
im Jahre 1897 ihren Betrieb ein.
Schmalzfabrik. Unter der Firma Schreiber & Müller
(Inhaber A. A. Schreiber und A, Müller) wurde im Jahre 1870
eine: Schmalzfabrik errichtet. Vom Jahre 1887 an war August
Müller alleiniger Inhaber, später Ernst Müller, welcher die
Margarinefabrikation betrieb. Die Firma wurde im Jahre 1904
gelöscht.
Maschinen-Fabrik C. Pickert. Im Jahre 1871
errichtete C. Pickert gegenüber dem Stadtbahnhofe eine Ma-
schinenfabrik. Pickert gründete auch in Oberndorf eine kleine
Kugelfabrik, welche 1897 wieder einging. 1895 kam die
Maschinenfabrik in den Besitz der Gebrüder Drechsler (F. und
K. Drechsler). Die Firma wurde 1904 gelöscht. |
Anglo-Bavarian-Steel-Bal Co. In den 1890er
Jahren befand sich in dem jetzigen Gebäude der Malzfabrik
Seligstein die Anglo-Bavarian-Steel-Bal Co., welche die Stahl-
kugelfabrikation aufgenommen hatte und mit englischem
Gelde arbeitete. Diese Firma — im Stadium des Kugel-
fabrikfiebers entstanden — mußte ihre Pforten nach Verlauf
von wenigen Jahren wegen Konkurrenzunfähigkeit schließen.
Fränkische Isolierrohr- und Metallwaren-
werke. Von 1906-—1911 wurden von den Herren Schäfer
und Kuffer die Fränkischen Isolierrohr- und Metallwarenwerke
in der alten Spinnmühle betrieben. Das Fabrikgebände wurde
1911 ein Raub der Flammen. Das Unternehmen ging in
andere Hände über und wurde nach Königsberg verlegt.
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NACHWORT
Wenn wir alles zusammenfassen, so können wir die
Entwicklung der Schweinfurter Industrie im Großen und
Ganzen in drei Epochen einteilen: Der Ursprung vollzog sich
zu Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts, dann
folgte eine lange Pause. Eine Erneuerung brachte die Zeit
nach dem Kriege 1870/71. Die dritte bedeutsamste Epoche
entstand gegen Ende des vorigen Jahrhunderts im Zusammen-
hang mit dem wirtschaftlichen Aufschwung, der sich um diese
Zeit allgemein in Deutschland bemerkbar machte.
Es ist üblich, einem Rückblick auch einen Ausblick
gegenüber zu stellen. Die wirtschaftlichen, auch die poli-
schen Verhältnisse aber, wie sie in der Zeit dieser Nieder-
schrift liegen, machen das gerade unmöglich. Von einer
Zuversicht für die nächsten Jahrzehnte kann gar keine Rede
sein; man könnte sich höchstens an schwache Hoffnungen
klammern. Vom guten Willen, von der Tatkraft des deut-
schen Volkes nicht zu reden: die bestehen trotz der uner-
hörten Schläge, die Deutschland erlitten hat, nach wie vor
weiter und werden sich vielleicht im Unglück immer kräftiger
entwickeln.
Man könnte sich höchstens eine gesunde Grundlage, die
besonders für Schweinfurt bedeutend wäre, als positiv wirkend
vorstellen. Das wäre die Ausnützung der Wasserkräfte in
Bayern und die Donau- Main-Rhein- Kanalisation. Die geo-
graphische Lage der Stadt war von jeher ein Hemmschuh für
die Ansiedlung von Industrieen, deren Rentabilität mit den
Frachtkosten in unmittelbarer Berührung stand; allein schon
der Bezug der Kohle war für die Schweinfurter Industrie
durch die von allen Kohlen-Zentren fast gleich hohen Frachten
außerordentlich erschwert.
Wenn Wasserkräfte zur Verfügung stehen, die billige
elektrische Kraft liefern, und wenn außerdem nach der Durch-
führung der Mainkanalisation solche Wasserkräfte auch in
unmittelbarer Nähe von Schweinfurt ausgebeutet werden
xönnen, dann könnte die Stadt Schweinfurt eine weitere
‘ndustrielle Entwicklung erleben. Es wäre dringend notwendig,
daß nicht nur die Industrie- und Handelskreise die Augen
rechtzeitig aufmachen, um keine günstigen Gelegenheiten vor-
ibergehen zu lassen, sondern daß auch die städtische Ver-
waltung, die in früheren Zeiten nicht gerade besonders för-
dernd diesen Kreisen zur Seite gestanden ist, ausgiebig mithilft.
Schweinfurt ist eine Industriestadt, sie wird es auch
bleiben. Der gegebene Ueberblick rückt ihre Bedeutung erst
recht in den Vordergrund. Es kommt dazu, daß ein Stamm
zeschulter kaufmännischer und technischer Beamten und eine
tüchtige Arbeiterschaft vorhanden sind, die der Industrie jeg-
liche Erweiterung, auch Umstellung ermöglichen.
Wer von den im Osten der Stadt Schweinfurt gelegenen
Höhen seinen Blick auf das Stadtbild lenkt, der erkennt ohne
weiteres an den vielen zum Himmel strebenden Schornsteinen,
daß die Industrie einen breiten Raum im Stadtbild einnimmt.
Oft ist am Morgen die ganze Stadt in einen starken Dunst-
kreis gehüllt. Bricht die Sonne durch die Nebel, dann bietet
die Stadt, die auf dem rechten Ufer an das Silberband des
Maines geschmiegt liegt, mit ihrem Gemisch von Türmen
ınd Schornsteinen ein eigenartig schönes Bild.
Der Ausspruch ist bekannt: „Ruhe über den Wassern“.
Wir brauchen, um im weltwirtschaftlichen Getriebe uns durch-
zusetzen, auch „Ruhe über den Fabriken“, wie überhaupt
Ruhe im ganzen Lande. Wenn der Friede dauernd gesichert
bleibt und wenn die unbegreiflichen, unerhörten Forderungen
der Entente auf ein vernünftiges Maß zurückgeschraubt sein
werden, dann wird auch die betriebsame Stadt Schweinfurt
im Rahmen der deutschen Industrie einen dauernden, glänzen-
den Ruf behalten.
Da Da GG
Tagblatt - Druckerei Schweinfurt
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