Rabbinica
2474
MOL-
mm
WM
*er Werhe des neuen Gotteshauses
der
israelitischen Gemeinde zu Westerburg,
am 20sten Juni 1L23.
Gehalten
von
Salmon Seligmann Herxheim-er,
3 um Besten armer Handwerker»
H e r b o r n,
ckt mit Krieg crschen Schriften 1823.
________________—_— ^
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Sluf das dringende Ersuchen der jisraelitir
schen Gemeinde zu Westerburg, entschloß ich
mich, bei der Einweihung ihres neuen Got-
teshauses, am -osten v. M., einen deutschen
Vortrag zu halten. Der Beifall der anwe-
senden gebildeten Christen, war mir eine eben
so freudige Ueberzeugung, daß mein erster
Versuch der Art nicht mißlungen, als mir
der Eindruck, den die Rede bei meinen israe-
litischen Zuhörern machte, von der Empfäng-
lichkeit meiner Glaubensgenossen für die vor-
getragenen Wahrheiten,- ein erfreulicher Be-
weis war. Um die erwecktep guten Eindrücke
bei denselben zu unterhalten, und auch die-
jenigen, die den mündlichen Vortrag nicht
hörten, ihrer Erbauung theilhaftig zu machen,
gab ich dem Perlangen meiner Zuhörer nach.
diese Rede im Druck erscheinen zu las-
sen. Möge ein jeder sein Schärflein, sei
eö auch noch so gering, zum Besten unsrer
Nation darbringen, und können wir auch die
Früchte, die wir wünschen, so lange nicht
ganz gedeihen sehen, als nicht durch Anord-
nung und Unterstühung der vaterländischen
Regierungen, wissenschaftlich gebildete und in
bewährtem Ansehen stehende IiSraeliten, mit
wahrer Aufklärung und ächter Gottesfurcht,
im Weinberge des Herrn vereinigt arbeiten:
so haben wir doch das beruhigende Bewußt-
seyn, daß der Herr unsern guten Willen
billige, und daß wir, wie David, Steine
zusammentragen, aus denen ihm doch mit
der Zeit ein Tempel errichtet werden wird»
Herborn, im Juli 1623.
S. S. Herxheimer.
> V
Psalm 84.
„ Wie lieblich sind deine
Wohnungen,
„Ewiger ! des Weltalls
Herr!
„Mein Herz verlangt,
schmachtet,
„Nach des Ewigen
Vorhof,
„ Wo Geist und Fleisch
dem Gott des Lebens
jauchzen.
„Der Vogel fand sein
Haus; ein Nest sich
die Schwalbe,
„Ihre Jungen da zu
hegen:
„Ich deine Altäre,
Herr des Weltalls!
„MeinKönig und mein
Gott!
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<0 hu, mein Gott und mein Vater, wie soll
ich heute dir danken! Wie soll ich Worte fin-
den, um auszudrücken, wovon daS Herz voll
ist! — Ich bin berufen, dies neue Andachtshaus
heute dir zu weihen. Wie soll ich Erdensohn
aber, vor dich Erhabenster hintreten, dir Allgüti-
ger die Opfer unsers Danks darbringen! — Auf
deine große Güte, o Gott! betret' ich
in Zuversicht dein Haus, und du wirst
mir Kraft und Ausdruck verleihen, um ermun-
ternd allen zuzurufen : Ihr, die ihr die großen
Dinge gesehen, die der Herr hier gethan, danket
dem Herrn! Halleluja!
Ja, Freunde, ihr habt die großen Dinge
gesehen, die Gott an euch gethan, und ich darf
zum Danke und zur Freude euch kaum erst er-
muntern. Mit diesen Gefühlen habt ihr dieS
«euerbaute Gotteshaus heute betreten, mit die-
sen, aller wahren Gottesverehrer würdigen Ge-
fühlen, euch hier um mich her versammelt; und
8
I ' ** - _ .
wenn wir nach vielen Tagen des SchmcrzeS
und der Wehmuth, womit d,e Zerstörung unsers
alten Gotteshauses uns erfüllte; wenn wir nach
mehr als 34 Jahren, in welchen so mancher
von uns oft sehnsuchtsvoll mit David ausrief;
Mein Herz verlangt und schmachtet nach deS
Ewigen Vor Hof, uns heute im frommen Kreise
der Andacht hier versammelt sehen, wie sollten
wir da nicht über unser Zusammeuscyn und um
fer festes Halten an Gott,.wie über seine Hülfe
zur glücklichen Vollendung dieses Hauses, uns
mit Dankgefühlen freuen? — Sollten wir uns
nicht freuen, daß nur nun dies Haus in so brü-
derlichem Vereine, selbst mit unsern theiinehmenr
den christlichen Mitbrüdern weihen, und wird
unsre Freude durch die Anwesenheit Sr. Er-
laucht unsers hochverehrten vielgeliebten Herrn
Grafen, ruckt noch vermehrt? Alles vereinigt
sich um unser Herz heute mit innigem Danke
und mit hoher Wonne zu erfüllen. Mit die-
sen Gefühlen, sang auch Davids jener wahr;
haft fromme König der Israeliten, seinen 84.
Psalm. Er, der Gott und seine Verehrung
über alles liebte, freuet sich hier dankbar der
Gnade Gottes, daß er nach langem Sehnen,
nun wieder im Tempel, Gott verehren und an-
beten könne. Seine Empfindungen spricht er
vorzüglich aus, in dem
5. Verse dieses 34. Psalms:
9
:nSö “jrya
Heil den Bewohnern deines Temr
pels, sie preisen dich ohne Unterlaß.
So sprechen auch wir heute, und darüber
wollen wir nachdenken. Wenn wir zuerst über,
legt haben, wie wir eigentlich ein Got,
teshaus betrachten müssen, so werden
wir zugleich daraus lernen, wie und mit
welchen Gesinnungen, Gefühlen, Entt
schlüssen, wir billig seinen Weihctag
feiern.
Lehre, Ewiger! uns deine Wege!
Laß uns in deiner Wahrheit wandeln,
Und deines Namens Ehrfurcht
Unser Herz sich einzig weih'n.
Daß, Gott! o Herr! jedes Herz dir
danke:
Und ewig deinen Namen ehre.
Amen.
Heil den Bewohnern deines Tempels! Diet
ses Hans ist zuvörderst ein Tempel Got?
t e s. Daß der Ewige, dessen Herrlichkeit Himmel
und Erde füllet, nicht in Tempeln wohnt, mit
Menschenhänden gebaut, das bedarf ich nicht erst
hier zu lehren. Warum hatten aber die Jisrae-
liten, selbst bei ihrem Umherziehen in der Wüste
jenes, mit Mühe und Kostenaufwand erbaute
Stk'ftszclt? Wozu die großen Vorbereitungen
10
und Aufopferungen Davids und Salomo s, für
jenen Tempel in Jerusalem? Glaubten wvhl *
diese Frommen, der König aller Könige wohne
nur in prachtvollen Gebäuden, wie die Könige
der Erde nur in prächtigen Pallästen? Nannten
sie jenen Tempel, darum Gottestempel, weil
nach ihrer Meinung nur da Gott seinen Wohnsitz
habe, und man ihm an diesem Orte näher sei, alS
irgendwo sonst? Gewiß nicht, meine Freunde.
Wohl wußten unsere Vorfahren, daß an jedem
Orte, auch zu Hause und in der Einsamkeit ein
Tempel ist, wo man den Allgegenwärtigen anbeten
und sich mit ihm unterhatten könne, — in welcher
tröstlichen Gewißheit, wir auch seither andere
Häuser zu Bethäusern geweihet, und dort, wenn
wir gleich die Gemeine des Raums wegen treu,
tun mußten, manche frohe Stunde der Andqcht
durchlebt haben. — Aber weil unsere Vorel,
lern, von der Nothwendigkeit religiöser Ver,
sammlungen überzeugt, an die Stiftshütte incher
Wüste und den Tempel in Jerusalem, zu die,
sein Zwecke vieles gewandt und sie so wie jene
Orte zu Silo, Gibeon, Hebron u. d. gl. zum
Gottesdienste bestimmt haben, weil diese Wol),
nnngen und Orte, einmal geweihet, durchaus
zu keinem andern Zwecke gebraucht werden durf-
ten, und darum schon deren Anblick an Gott
erinnerte, darum nannte man sie heilige Orte
und in sofern sich das von dem höchsten aller
il
Geister sagen laßt, feine Wohnungen, seine
Tempel. So ist uns nun auch dieses Haus,
das wir zur religiösen Versammlung heute bet
stimmen, ein Gotteshaus, ein Gottestempel.
Und eS ist ferner der Tempel der
Tugend, oder der Ort unsrer Heiligung für
ein geistiges Leben. Denn als sinnliche Men«
schen führen wir unser alltägliches Leben, wech«
selnd mit Arbeiten und Erholungen; aber hieher
kommen wir oft und besonders an den Sabbath«
und Ruhetagen, um unsre Gedanken vom Irdi«
schen abzulenken und auf unsre höhere Bestim«
mung, auf unser besseres Seyn und Wirken zu
richten; hieher kommen wir nach zurückgelegtem
L3ten Lebensjahre, um uns für dies bessere,
geistige Daseyn zu weihen, und uns unsern
höhern Menschenberuf bei dem Eintritte in das
gefährlichere Alter, unvergeßlich wichtig zu ma«
chen; hier stärken wir uns zu einem Wandel in
der Wahrheit und der Tugend, bei der Feier
des Neujahrs« und Versöhnungstages, und so
vereinigt sich hier alles, um unsern unsterblichen
Geist dnrch die vom Himmel stammende Tugend,
zum Himmel hinzuführen. Deswegen huldigen
wir hier, dir holde Tugend, und rufen: heil
den Bewohnern deines Tempels!
Endlich ist dieses Haus der geweihete
Ort unsers Danks und unsrer Gebete.
Zwar überall wo wir stehen oder gehen, kann
12
sich unser Herz zu Gott erheben, und wo der
Fromme betet, da öffnet sich über ihm der Him-
mel und sein Seufzen steigt zu Gott auf; aber
weit mehr erhebt eine gemeinschaftriche Andacht
unsere Seele zu dem Unendlichen und feiersicher
wird ihm das Opfer des Danks gebracht, wenn
eine ganze Gemeine betet, wenn die Rührung
des Einen die des Andern erhebt; wie stärket
dann das Gebet; wie vertrauensvoll wird dann
daS Herz; wie unverbrüchlich heilig jedes Ge-
lübde! Ja, wenn wir so unsere Dank- und
Lvbgesänge alle andachtsvoll anstimmen, wenn
von einem Religionskehrer ein allgemein ver-
siändlicher lebhafter Vortrag gehalten wird, daß
man es ihm anmerkt, daß er selbst das empfin-
det, was er uns vorträgt; wenn wir ohne Un-
terschied irdischer Verhältnisse, der Arme wie
der Reiche, der Geringe wie der Vornehme, vor
Gott alle gleich da stehen, im Bilde jener
himmlischen Versammlungen, alle gleich ihn
anbeten, preisen und verherrlichen: dann Freun-
de werden wir inne, daß wir mehr als Bewoh-
ner dieser Erde, daß wir Bürger des Himmels
und zu einem ewigen bessern Leben bestimmt
sind Da stehen sie alle vor Gott, Greise und
Jünglinge, Männer und Kinder, alle von einem
Geiste, vom Geiste des Glaubens und der Liebe
beseelt, alle, alle weihen sich dem Herrn, und
weil sie sich hier zu allem Guten aufs neue ge-
15
stärkt fühlen, rufen sie voll Dank, Liebe und
Vertrauen freudig aus: Heil den Bewohnern
deines Tempels, sie preisen dich, o Gott, ohne
Unterlaß!
Was noch übrig ist, als Ausdruck unsrer
Empfindungen und als bittende Ermahnung an
euch, meine Freunde, das stießt aus dem Bis/
herigen. Ist dies Haus ein Tempel Gottes,
ein Tempel, der Tugend, ein geweiheter Ort un/
fers Danks und Gebets; wie wollen wir
heute dies ehrwürdige Haus denn
weihen?
Wir wollen es zuerst mit einer herz/
lichen Danksagung. Wer von euch, ge/
liebte Mitglieder dieser Gemeine, wer von euch
siehet nicht mit dankbarer Freude auf dies neu«
erbaute Andachtshaus hin, das uns stets an
die große Güte Gottes erinnern wird, die wir
in den traurigen Zeitumstanden, vor und bei
seiner Erbauung, so deutlich gesehen? — Jammer
und Elend hatte jener Tag, jener Schreckens/
tag im Oktober 5819., in dieser Stadt verbrei/
tet. Hab und Gut, Wohnung und Obdach und
alles, hatten die Flammen geraubt, die auch
das Gotteshaus und mit ihm die Hoffnung zer/
störten, daß wir so bald wieder ein neues dafür
erhalten würden. Denn wer konnte in jenen
Tagen des Trübsals, der Hoffnung Raum ge,
den, daß wir im Juni 1623., ein neues Haus
14
dem Herrn hier weihen würden? Wer dost
euch glaubte damals, als eure Häuser und
daS Haus GotteS in Asche lagen, daß wir heute
mit dem königlichen Sänger sagen würden: Die
Schwalbe fand sich an unsern Häusern wieder
ein Nest, und wir, o Gott deinen Altar! Ist
das nicht die Güte, ist daS nicht die Vaterhuld
Gottes? Ihr preiset sie dankbar, die ihr euch
in jener traurigen Zeit nach Schutz und Ob,
dach, für euch und eure Familien gesehnt, und
uun die Tage himmlischer Hülfe und Freude er,
lebt habt; die ihr selbst die schrecklichen Flam,
men auch des Gotteshauses nicht schonend, in
Westerburg wüthen, und nun eure Häuser und
das Haus Gottes aus Schutt und Asche in
neuer Schönheit hervorgehen sahet. Darum
loben wir mit dankerfüllter Seele, die Güte des
himmlischen Vaters, der diejenigen nie verläßt,
die sich in seine Schickungen ergeben und sietS
kindlich auf ihn vertrauen; der mit seiner all,
mächtigen Kraft, womit er der Menschen Her,
zen wie Wasserbäche leitet, dies große, in Hin,
sicht der Zeitumstände und des Kostenaufwandes,
große Werk, dadurch wohlgelingen ließ, daß
sich alles zur Beförderung des Guten vereinigte
und alles dazu beitrug, das für unmöglich ge,
haltene Werk, im Namen Gottes anzufangen
und auszuführen. Darum sehen wir mit den
Dankgefühlen inniger Rührung auf dieses, durch
15
bie Güte und herzregierende Kraft Gottes, nun
trotz der betrübendsten Umstände, glücklich vollem
»bete HauS hin; und daß es nun so gut, so
zweckmäßig, nicht weniger daß es im Fneden
vollendet ist, theils im äußern Frieden, den
Gott unserm Vaterlande erhalten hat, theil-
auch in friedlicher Eintracht der Mitglieder die,
ser Gemeine, die sich so löblich vereinigt haben-
zur Erreichung des guten Zwecks alles aufzu-
bieten; die mit vieler Aufopferung die milden
Beiträge jisraelitischer und christlicher Wohlthä-
ter, in der Ferne gesammelt haben. Dank sei
ihnen und allen nahen und fernen, bekannten
und unbekannten, Iisraeliten und Christen, deren
Wohlthätigkeit und Beiträge uns dies Werk er-
leichtert haben; Dank sei ferner allen Bürgern
und Einwohnern dieser Stadt, die eine so leb-
hafte Theilnahme, eine so freudige Bereitwillig-
keit bei dem Bau dieses Gotteshauses gezeigt
haben; Dank sei auch unserm hochlöblichen Am-
te, für die besonders thätige Hülfe zur Errich,
tung dieses gottesdienstlichen Gebäudes; Dank
fei endlich unsrer hochverehrten Landesregierung/
für die gnädige Unterstützung dieses Werk-, wo-
mit Sie ihre Liebe zur Erhaltung des öffcntli,
chen Gottesdienstes wie zu allem Guten und
Nützlichen im Lande, aufs neue bewiesen hat.
Dank allen Menschen, so uns halfen und wohl-
wollten, sie haben sich ein ehrenvolles Denkmal
iS
gestiftet, das auf unsre Nachkommen bleiben
wird; herzlicher Dank allen, vor allen aber un,
ferm himmlischen Barer, durch den alles in der
Welt geschiehet und geordnet wird. „Vergeb-
lich ist, sagt der königliche Weise*), aller Men,
schen Arbeit, will Gort nicht selbst den Tempel
bauen." Drum vor allen Dank dir, Allgüti-
ger, Halleluja I
Und nun Iisrael was fordert der Ewige von
dir, für seine große Gnade, wofür du mit so
inniger Dankbarkeit durchdrungen bist? Nicht-
anders als daß du dich seiner Gnadenerwei,
sungen stets würdiger machest. Er fordert von
dir, sagt Moses, daß du von ganzem Herzen
und ganzer Seele, den Ewigen deinen Gott
fürchten, in allen seinen Wegen wandeln, ihn
lieben und ihm dienen sollst. Laßt uns daher
den festen Vorsaß fassen, recht nach diesen Wor,
ten zu leben, ober mit andern Worten:
wir weihen dies Haus zweitens mit
frommen Entschlüssen. Nicht nur mit
dem Entschlüsse, diesen Weihetag in Gottes,
furcht und Frömmigkeit, mit Andacht und Be,
ten zu heiligen, und diesen Tag der frommen
Freude, nicht durch Unmaßigkeit und Mißbrauch
*) Psalm 127, r. fvo ru3' nh ’n uh
12 1'212 I1?»» N?w
17
der heutigen Vergnügungen und Ergößlichkekte»
zu entweihen. Das Ware daS Geringste, und
ich hoff' es eben so gewiß, daß keiner meiner
Zuhörer sich ein so höchst unwürdiges Betragen
zu Schulden kommen lasse, als ich überzeugt
zu seyn glaube, daß jeder der hier wohnenden
, Iisraeliten, auch der sonst lauliche Kirchengän-
ger, sich heute entschließt, nun oft und gern
hierher zu kommen und wo möglich keine relk-
giöse Versammlung zu versäumen. — Nein! wollt
ihr wahre Iisraeliten seyn, so habt ihr noch
mehr und noch wichtigere Entschlüsse heute zu
fassen, diese nemlich, euch selbst zu heiligen,
euch selbst zu weihen, und nach den Worten
unsers Propheten *), den Ewigen von ganzer
Seele zu lieben und ihm zu dienen, in allen
seinen Wegen zu wandeln, das heißt, ihm,
dem Muster aller Vollkommenheiten, so viel
als möglich, nachzuahmen. So lanae könnt
ihr euch eures Gotteshauses, sei cs auch noch
so schön, nicht rühmen, so lange ihr nicht be-
weiset, daß ihr euch in demselben zur Vollen-
düng des Guten, zur Rechtlichkeit und Rechte
schaffenheit, zur Treue und Redlichkeit, zu Thä-
tigkeit und Fleiß, zur Liebe zu Gott und allen
Menschen, stärket. Denn nicht das Gottes-
18
Haus, sei es mehr oder weniger schön, sondern
die Gemeine, die sich in allem, was etwa ein
Lob, was etwa eine Tugend ist, auszeichnet,
gereicht dem Orte, worin sie sich befindet, zum
Ruhm. Auf eine solche sehen benachbarte Ge.'
meinen hin, und werden durch sie zu allem Gn«
ten erweckt. So, ja so, müsse es unter uns
werden. Durch Wort und lebendiges Beispiel
müsse sich unter Israel, die Liebe zu allem
Wahren und Guten, zum Schönen und Edlen,
zu allen Bürger- und Tngendpstichten, zu Gott
und Menschen, verbreiten. Durch thätiges Vor-
angehen müssen alle Quellen und am ersten die-
jenigen gereinigt werden, woraus besonders der
Mensch seine moralische Bildung schöpft: der öf-
fentliche Gottesdienst und das Schul-
und Erziehnngswesen. Diese Quellen
der Verbesserung unsers sittlichen und bürger-
lichen Zustandes, müssen durchaus zeit, m>&
zweckgemäßer eingerichtet und vorerst dahin ge-
arbeitet werden, daß wo möglich allenthalben
von tüchtigen Religions-Lehrern, bei den reli-
giösen Versammlungen, von Gott, seinem bei,
tigen Willen und unsrer Bestimmung, ein Vor-
trag in der Landess. rache gehalten werde.; ihre
Worte aber müssen vom Herzen kommen, daß
sie wieder in die Herzen dringen; sie müssen
ihren Gemeinden die Erfüllung ihrer Bürger-
pflichten nach den Bedürfnissen der Zeit mit
15)
allem Nachdrucke einschärfen und zeigen, daß
wir uns nach den Ermahnungen unsrer Reli,
gion, nach dem Beispiele unsrer Voreltern und
nach dem Willen unsrer erhabenen Fürsten und
Regierungen, von einem mehr specula-
tiven als werkthätigen Zustande ent-
fernen, und unsre Kinder anhalten
sollen, nützliche Künste und Handwer-
ke und das Land selbst bauen zu ter-
neu. Und wenn wir also unsre Kinder, dem
Staate und der menschlichen Gesellschaft zu
nützenden Bürgern, und durch eine weise Er-
ziehung und einen zweckmäßigen Unterricht, zu
wahrhaft religiösen und sittlichen, Gott und
Vaterland liebenden Menschen bilden; so bewei-
sen wir den edlen Fürsten unserer Zeit, unsere
thätige und schuldige Dankbarkeit dafür, daß
sie Israel, in die, in jenen finstern Zeiten we-
nig geachteten. Rechte der Menschheit, wieder
eingesetzt und sich der Veredlung und Wieder-
geburt unsrer Sitten und der Verbesserung uns-
res Schicksals, väterlich annehmen. Wie dank-
bar haben besonders wir uns in dieser Hinsicht
zu beweisen, die wir das Glück haben, unter
der weisen und humanen Regierung Rassau's
zu leben. — Laßt uns das Gebet für das Wohl
unseres Landesvaters, das wir bei unsern reli-
giösen Versammlungen jedesmal verrichten,- mit
mbrünstigem Herzen verrichten, und von ganzer
2 *
20
Seele den Segen Gottes für ihn und seine
wohlthätige Regierung erflehen Ja, wohlthä-
tig ist uns seine Regierung; erwägen wir z. B.
nur die eine Verordnung, daß unsre Kinder in
den öffentlichen Schulen des Herzogthums, die
dem Menschen im Sraatsvcrhälrnisse nothwen-
dige allgemeine Bildung und Kenntnisse erlangen
sollen, die den Menschen erst zum Menschen
wachen. Wie muß es jeden wahren Israeliten
erfreuen, zn vernehmen, daß alle unsere Glau-
bensgenossen in unserm Herzogthume diese fol-
genreiche, und besonders für das platte Land
heilsame, Anordnung gern und willig befolgen,
und ihre Kinder die christlichen Schulen, zur
höchsten Zufriedenheit der Schulbehörden, fleißig
und pünktlich besuchen. Dieses so wie auch die,
jeden Menschenfreund erfreuende Erfahrung, daß
bereits viele Iisraelitcn unsers Herzogthums,
trotz mannigfaltiger Hindernisse, sich zu Hand-
werkern bilden, und die Liebe zn einer gemein-
nützigen Arbeitsamkeit sich allmahlig unter ihnen
verbreitet, läßt uns hoffen, daß die nassarm
fchen Israeliren, als würdige Unterthanen einer
musterhaften Regierung, ihren übrigen Glaur
bensverwandten in Ausübung aller Bürgertm
genden, in sittlicher und geistiger Bildung, ein
Muster und Vorbild seyn werden. — Freilich hat
das, leider so tief gesunkene Volk, viel
Schwierigkeiten zu überwinden, die Anhänglich-
21
feit am Men, Vorurtheil und irrige Meinlmr
gen, von innen und, von außen, seiner Err
Hebung entgegenstellen, aber nur festes Vers
trauen auf den Vater des Lichts und der Liebe!
Er wird alle seine Kinder erleuchten, und wie
durch ihn Israel so schnell sich aus dem
Schlamme der Verderbtheit herausgearbeitet,
und die in unserm frühern, traurigen und
schmachvollen Zustande, erzeugten und tief ge-
wurzelten Uebel, obgleich nicht wie jenes, in
der egvptlschen Sklaverei verdorbenes, Ge-
schlecht in so kurzer Zeit ganz ausgcstoröen,
doch sehr geschwächt sind: so werden auch durch
ihn, Wahrheit und Liebe immer mehr triumphir
ren, und der Iisraelit, durch sich und durch
die Weisheit und Humanität edler Regierungen
und Menschenfreunde, im Genusse eines bessern,
moralischen und physischen Lebens, wird seinem
christlichen Bruder die Hand bieten, und beide
zugleich werden mit Maleachi sagen *): haben
wir nicht alle einen Vater? schuf unS nicht
Ein Gott? warum soll Bruder gegen Bruder
treulos handeln! — O, laßt uns wonne, und
vertrauensvoll unsern Blick zu ihm erheben,
von dem alles Licht und Leben ausströmt! det
dir. Gemeine dieses 'Orts, wie seit dem
Oktober 1619., immer mehr seine unendliche
*0 Maleachi 2, 10.
Huld beweisen, und dein frommes Streben wis
beim Bau dieses Hauses, stets mit dem glücke
lichsten Erfolge krönen wird. Darum fasse
diese Herligen Entschlüsse und weihe, geliebte
Gemeine, weihe du selbst dich deinem Gotte;
und dann wird keiner über uns klagen: (Jere-
mias 7, 4.) „Verlasset euch nicht auf die Lü-
gen, wenn sie sagen: hier ist ein Tempel, hier
ist ein Tempel, sondern bessert euer Wesen"
denn wir haben mit dem Haus Gottes auch
die Furcht Gottes in unsern Herzen erbauet;
wir haben uns selbst geweihet, und dadurch
unser Gotteshaus aufs schönste geschmückt, aufs
herrlichste geweihet.
Und es geschehe dies endlich mit freu-
diger Hoffnung. Die thätige Theilnahme
an der Erbauung dieses Bethanses, die sich
ungeachtet der abschreckendsten Umstände, so
lebhaft unter uns zeigte, berechtigt uns zu der
angenehmen Hoffnung, daß diese Gemeine sich
immer mehr zu allem Guten stärken und durch des
Allheiligen Kraft immer mehr Gutes und Nützli'
ches befördern werde. Wir wollen hoffen, daß der
in unsrer Zeit so sichtbar aufgeregte Sinn für
zweckmäßigen Gottesdienst und Jugendbildung,
für reine mosaische Religion und Judenthum, für
achte Vaterlands- und Menschenliebe, sich immer
mehr verbreiten, immer lebhafter sich entflam-
men und immer reichere Früchte tragen werde.
daß es dadurch mit uns immer besser, des
Fehlerhaften immer weniger, die Fessel der Vor-
urtheile und falscher Meinungen immer mehr
zerbrochen und die Knechtschaft der verkehrten
Gewohnheiten und Gebräuche und alles dessen,
was dem Wahren und Guten entgegensteht,
aufhören werde. — Wir wollen hoffen, daß wir
bald in das gelobte Land der Wahrheit und
der Liebe kommen, und der geistige Tempel
Zion hergestellt werde, durch dich, Vater im
Himmel!
Doll dieser Hoffnungen weihe ich denn jetzt
dich, neuerbautes Haus Gottes. Ich weihe
dich zu einem Hause der Gottesverehrung, zum
Heiligthum der Tugend. Sei uns ein segcus/
reiches Haus!
Ich weihe diesen Tisch, daß auf ihm das
Wort Gottes feierlich vorgelesen werde. Mö-
gen dadurch alle gestärkt werden, zu einem
frommen, gottgefälligen Wandel.
Und so weihe ich alle diese Sitze. Alle die
hierherkommen, und sie einnehmen, mögen im-
mer auf ihnen von Ehrfurcht ergriffen, mit Ja-
cob ausrufen: wie heilig ist die.se Stät-
te! nicht anders! hier ist Gotteshaus
und hjer die Pforte des Himmels!
Möge aber der heilige Ort, mit den Em-
pfindungen auch zugleich die guten Entschlüsse
yes ft-mmen Erzvaters in ihnen bewirken!
24
Dazu heilige du selbst dich. Gemeine Ja,
eobs; dann ists erfüllt, was wir heute zu thun
verpflichtet wäre». Laßt uns nun beten! Je,
des Herz bete, bete voll Andacht! Gott hat
das Gebet Salomo's erhört, als dieser den
herrlichen Tempel zu Jerusalem einweihete,
Gott hört auch unser Weihegebet.
Vor dir beugen wir unsere Kniee und beten
demuthsvvll zu dir, heiliger Gott, der du den
Menschen, dein Ebenbild, zur Heiligung beru,
fen und willst, daß sein Geist sich dir, Vater
aller Geister, immer mehr nähere.
Du hast Wohlgefallen daran, wenn wir zu
diesem unsern höbern Berufe, Bet, und An, -
dachtshäuser errichten, um uns in denselben in
der Tugend, in und für die Wahrheit zu stär,
ken, und dadurch immer besser, immer weiser
und vollkommener und b^v'hnlicher werden.
Siehe, wir haben zu diesem erhabenen Zwecke,
dieses Haus erbauet, wir haben alle mit Willi,
gern Herzen dazu beigetragen, jeder wie crs
konnte, denn was wir thaten, geschah zu bei,
nes Namens Ehre. Und nun, da es dir ge,
weihet ist, so erhalte und schütze es, laß es
nie, wie leider das vorige, ein Raub der Flam,
men, oder auf irgend eine andere Art, wieder
zerstört werden, sondern dein Auge stehe offen
über diesem Hause, Tag und Nacht, wie du
25
gesagt hast : Meine Augen und mein Herz sol-
len stets da seyn.
Ehrfurcht, Dank und Liebe sind die Opfer,
die ich dir im Namen dieser Gemeine darbringe,
und die sie wie heute so oft dir bringen wird.
Ach, laß sie wie heute, so immer dir Wohlge-
fallen! Gebete aus dem tiefen Gefühle, Ge-
bete voll Rührung wird dein Volk hier vor bei'
uem Throne niederlegen; o höre seine Gebete!
— Wenn sich jemand gegen seinen Nächsten
vergeht, und es wird ihm zuerkannt, in diesem
Haufe einen Eid zu leisten: so wollest du Recht
schaffen deinen Dienern; bestrafe den Schul-
digen, und belohne den Schuldlosen. — Wenn
ein einzelner, mit. einem geheimen Kummer in
der Seele, hierherkommen und hier den Bal-
sam des Trostes suchen wird; so erquicke,
v Gott, den Bedrängten! Wenn unser ganzes
Volk leidet, mck^u züchtigst uns, weil wir
gegen dich gesündigt, damit wir uns wieder zu
dir wenden; wenn eine Hungers- oder Landes-
uoth, wenn Theurung oder Mißwachs, oder
' ansteckende Krankheiten, oder die schwere Gei-
sel des Krieges uns trifft; dann werden wir
uiederknieen und rufen: Gott im Himmel er-
barme dich! Dann wollest du hören im Himmel
unser Flehen, und gnädig seyn deinem Volke
und seine Sünden vergeben. — Und wenn auch
ein Nichtjisraelit hier mit uns betet, so erhöre
3
Allvater, fein Gebet und laß ihn finden, waS
er sucht; denn in allerlei Volk, wer dich fürchr
tet und Recht thut, der ist dir angenehm.
Breiten hier die Cohenim ihre Hände auS,
um zu segnen, so laß erfüllt werden ihre Worr
te, denn sie sprechen in deinem Namen, und
wen du segnest, der ist gesegnet. Und Segen
ruhe auf jeder Seele, die sich für ihr höheres
Daseyn bereitet. Segne sie mit deinem Lichte,
mit welchem du uns, Liebe zur Tugend und
Vollkommenheit, Leben und Frieden gegeben
hast. Licht und Kraft ströme in sie zur Vollem
düng des Guten; so wallen sre von Kraft
zu Kraft, erscheinen zu Zron vor
Gott!
Amen! Du, Ewiger Gott Zebaoth, aller
deiner Welten Herr und aller deiner Kinder eim
zig treuer Vater, um deiner ersten wahren Vcrr
ehrcr, Abraham, Iizchak und Jacob willen
sprich du, wie mein Mund sprach: Amen. Und
aus jedem Herzen halle es wieder: Amen.
„Heil dem der standhaft ist, durch dich. Ewiger-!
„Dies macht in ihrem Sinn gebahnte Steige.
„Sie wallen durch's dürre Jammerthal,
„Und machen es zur Quelle;
„Regenguß im Herbst ist ihnen segenreich.
27
„ So wallen sie von Kraft zu Kraft;
„Erscheinen zu Zion vor Gott.
„In deinem Vorhof ist ein Tag, o Herr!
„Mir werther als sonst tausend.
„Lieber auf der Schwelle stehn,
„In meines Gottes Hans,
„Ais wohnen in ruchlosen Hütten.
„Denn Sonne und Schild ist Gott der Ewige;
„Holdseligkeit und Ehr, giebr Gott;
„Versagt kein Glück dem Nedlichwandelnden.
Chor.
„Ewiger! des Weltalls Herr!
„Heil dem, der dir vertraut!
(Psalm 84. (
Hierauf das Gebet (suwn pnan) für
den Herzog rc.
ttuU
6
Chor
"Heil den Bewohnern
deines Tempels,
"Sie preisen dich ohne
Unterlass"