des Herrn
in
Frankfurt a. M.
am 11. und 15. September 1892.
Frankfurt a. M.
Buchdruckerei von M, Slob otzky,
1 8 9 2.
gehcttten bei der Weerdigirrrg
des Herrn
in
Frankfurt a. M.
am 11. September 1892.
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Frankfurt a. M.
Buchdruckerei von M. Slob otzky,
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EX FUNDATIONE
41 MAI. 19 07, 8986»
FRATRUM MURHARD.
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Rede des Herrn Rabbiner Dr. M. Horonitz.
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twt -j^y maai. Denn, siehe! Finsterniß bedeckt die Erde
und Nebel die Völker, über Dir aber ist ein Lichtstrahl des
Ewigen, und Seine Herrlichkeit wird über Dir sichtbar.
„Siehe, Finsterniß deckt die Erde"! — Trauernde
Versammlung! Dunkel und tief verschleiert ist unser Dasein,
verborgen sind seine Ziele, verhüllt ist uns des Lebens tiefes
Geheimniß, und zu keiner Stunde ist uns ergreifender das
tiefe Leid unserer Unzulänglichkeit, zu keiner Stunde ver-
schleierter unserer Bestimmung ganze Räthselhaftigkeit, als
wenn wir vor der Bahre eines früh verblichenen edlen
Menschen stehen. Aber was sollen wir erst sagen, meine
trauernden Freunde, wenn so erschütternd wie hier der Tod
seine Zerstörungsarbeit gethan, gethan an einem Leben, das
so blühend, so schön, so edel, so vollendet und so kostbar,
uns allen, ach! so kostbar und theuer war! Gethan an einem
Leben, das allen Guten und allem Guten gelebt hat! Welcher
Gedanke soll uns trösten, wenn unser Herz den Schmerz
empfindet, daß Ferdinand Gamburg als Leiche vor uns
liegt, er, der Lebensvollste unter uns, er, der Rüstigste, der
Schaffensfreudigste, der Unverwüstlichste! Was sollen wir
sagen, wenn gebrochen vor uns liegt diese edle und mäcktige
Säule, die einen ganzen Bau des Guten und des Edlen
und des Erhabenen getragen hat, daß so viel Lebenskraft
zerrissen, vernichtet ist, daß genommen ist den Kindern der
Vater, der Vater, der allen so unendlich gut war, der Vater,
der, nachdem ihm die unvergessen gebliebene treue Gattin
war so früh entrissen worden, den Kindern alles war, der
4
Vater, der seinen Kindern und Kindeskindern ein Vorbild
war, an dem sie sich entwickelten und zu den Höhen empor-
rankten, an dem sie sich erwärmten für alles Schöne und
Gute, der Vater, der immer dem Kinde am meisten sich
widmete, das gerade seiner am meisten bedurfte! Genommen
ist, ach! so vielen der Verwandte, genommen dem Bruder
der Bruder, der ihn leitete, der ihn aufrichtete, genommen
uns allen der Freund, an dem wir uns alle erquickten und
labten, an dem wir alle in rathlosen Stunden eine treue
Stütze gefunden haben, einen Mitarbeiter sonder Gleichen!
Doch, meine trauernden Freunde, lasset uns nicht lange die
Bahre sehen, die enge verschlossene Bahre, in der er ruht,
lasset uns lieber sehen das weite, große, freie, offene Feld, auf
deiner thätig war; lasset uns nicht sehen diese bittere, ernste,
trübe, finstere Stunde, lasset uns sehen sein wirkungsvolles,
erleuchtetes Leben. Lasset uns nicht das Einzelne sehen,
lasset uns das Ganze ins Auge fassen; denn das war die Art
Ferdinand Gamburgs, daß er das Einzelne erkannt hat
in seinem Zusammenhang mit dem Großen und Ganzen.
Darum gab es für ihn nichts zu Großes; die erhabenen,
gewaltigen, weitausschauenden Aufgaben fanden in ihm den
wärmsten Vertreter, den hingebungsvollsten Arbeiter. Aber
vielleicht ist das noch mehr: für Ferdinand Gamburg gab
es auch nichts zu Kleines, nichts zu Unwichtiges, nichts zu
Winziges, weil ihm in allem klar geworden ist der Zu-
sammenhang mit dem Großen, Gewaltigen. Für ihn war
das Große nur groß, weil es vielen Einzelnen zu gut kam.
Aber darum war ihm kein Einzelner zu gering, weil er
wußte, daß er zum Ganzen gehörte. Wie sein schöner
Kopf mit den leuchtenden Augen so sicher geruht hat auf
kräftigen, breiten Schultern, so ruhte sein Geist, sein feuriger
Geist beherrschend auf all seinen einzelnen Anlagen, und
5
seinem Gemüth, dessen Güte und Lauterkeit fast unvergleichlich
war, seinem Herzen stand ein besonnener Geist zur Hülfe,
und beide beherrschten mit überlegenem Blick in die Zukunft
alles, was in ihm glühte, alles, was an Fähigkeiten in ihm
lebte und sich regte. Alles Wollen und alles Können in ihm
stand immer bereit zur Verfügung dem regen Geist, der die
Herrschaft über sich und über Alles in ihm mit mächtiger
männlicher Hand führte. So wie seine äußere Erscheinung
war sein inneres Wesen: fest, in einander gefügt, gerade,
aufrecht und beweglich, so war Alles an ihm und Alles in
ihm. Die Selbständigkeit in seinen Ueberzeugungen und
Anschauungen war gepaart mit einer unbegrenzten Duld-
samkeit; aber Ferdinand Gamburgs Duldsamkeit war
nicht eine Duldung, die der Geduldete als solche empfinden
konnte, es war nicht eine Duldung, bei der der Gewährende
ein Opfer brachte, sondern es war jene menschenfreundliche
liebevolle Anerkennung alles Andern, was er als ehrlichen
und redlichen Ansdruck innerer Ueberzeugung erkannt hatte.
Mit schonungslosem, unerschrockenem Freimuth verband er
die freundlichste Ritterlichkeit und Liebenswürdigkeit, mit
der vollendeten Männlichkeit eine fast kindliche Lauterkeit
des Gemüths, mit der weitgehendsten Entfaltung seiner
Gaben eine fast unberührte Ursprünglichkeit in dem Emp-
finden.
Das war G am bürg der Mensch, das war G am bürg
der Freund, das war G am bürg der Jude. Der Jude —
Trauernde Versammlung! Von Jakob erzählt die heilige
Schrift, daß er gerungen hat mit einem Sendboten Gottes.
Er ist von dem Sendboten des Herrn zwar verletzt worden
an seiner Hüfte, aber besiegt ist er nicht von ihm worden,
er hat gesiegt, Jakob, darum erhielt er den Namen
Israel. Das ist das Vorbild für den Israeliten, das ist
6
das Bild Israels in seiner Geschichte. O, mit vielen Ge-
walten hat Israel kämpfen müssen, er ist zwar verwundet
worden häufig körperlich, aber gesiegt hat Israel im
Geist, und das war das Judenthum iu den Augen
Ferdinand Gam bürgs. Er kämpfte nur gegen Eines,
er kämpfte gegen die Noth, gegen die Leiden der Menschen
an, ob sie waren angerichtet von frevelnder Menschen-
hand, oder ob sie gekommen sind durch Schickungen des
Herrn; den Kampf galt es ihm mit dem Geschick, das von
Gott gesandt worden ist, und mit dem Leid, das Menschen
auf Erden anrichteten, und in beiden siegte Ferdinand
G am bürg, in beiden hat er Erfolge erreicht, wie sie be-
glückender nur Wenigen zu theil werden. Ueberall, wo die
Engel des Herrn Verwüstungen angerichtet haben, wo der
Tod Verheerungen gebracht hat, da war Ferdinand
G am bürg, um zu trösten, um aufzurichten, überall, wo ein
Mensch dem andern Unrecht gethan, war Ferdinand
Gamburg da, um den Einen zurechtzuweisen und dem Andern
eine Stütze zu sein. Und wie verstand er es, Beides in
gleicher Weise zu thun! Wie konnte er den Männern die
Wahrheit sagen, die sich stützen auf die Größe ihrer Habe
und auf die Fülle ihres Reichthums trus Vsys und an
dem Leid der Menschheit keinen Antheil nehmen. Wie konnte
er denen zu Herzen reden! Und wie mild und beruhigend
und besänftigend konnte er den Unglücklichen zu Herzen
reden! Aber was will all das Reden heißen gegenüber dem,
was er gethan hat! Wie in seinem Wort nicht die geistreiche
Wendung, nicht die gemüthvolle Wärme allein, sondern ein
großes Leuchten des Seelenvollen sich kundgab, so war sein
Wohlthun mit ganzer Seele, mit dem ganzen Vermögen des
inneren Menschen, und so entstanden Werke fast zahllos,
von seiner Hand mit geschaffen und oft von seiner Hand
7
allein vollbracht. Du hast, edler Freund, gekämpft gegen
himmlische Gewalten und gegen Menschen, und Du hast
obgesiegt--------------
Theuerer Verklärter! Siehe, Du bist verwundet an
der Hüfte, am Staub; Deine Hand ist gelähmt. Dein
Auge erloschen. Dein gutes Herz steht stille, aber der
Geist in Dir hat gesiegt. Wir empfinden es alle tief an
dieser Bahre, Ferdinand Gamburg ist gestorben. Wir
empfinden es alle tief, daß wir ihn nicht mehr werden
sehen können, daß er nicht mehr unter uns wird Beispiel
gebend wirken können, wir empfinden es tief an Deiner
Bahre: Ferdinand Gamburg ist nicht mehr. Aber wir
kehren zurück in die Arbeiten, die Du mit uns begonnen
hast, und da werden wir sagen: Ferdinand Gamburg
lebt fort. Er wird leben, dieser edle gute Mensch, er wird
leben und uns ein leuchtendes Vorbild bleiben der Hingebung,
der rastlosesten und uneigennützigsten edelsten Arbeit. Er
wird fortleben; wenn überall um uns dunkel und trübe
sein wird, wird uns der Lichtstrahl doch bleiben, der über
ihm leuchtet, der Strahl, den Gott, sein Schöpfer, ihm gege-
ben hat, und in dem die Herrlichkeit des Ewigen sichtbar
uns bleibt. Lebe wohl, theurer Freund, scheide von uns in
die Ewigkeit, und wir werden in Ewigkeit Dir Treue be-
wahren, bis der Herr erfüllt die Verheißung seines Pro-
pheten: d'jb bi bv® “ysn 'i nnoi „Es wird löschen der
Herr die Thräne von jeglichem Angesicht."
Amen!
8
Herr Dr. Heinemann.
Verehrte Trauerversammlung!
Es ist ein tiefes und bedeutungsvoltes Wort der alten
Weisen, daß erst das Scheiden eines edlen Menschen den
vollen Werth und die volle Bedeutung desselben erkennen
lasse. Dasjenige, was wir so oft verkannt haben, während
noch ein Edler schaffend und wirkend unter uns weilte, es
drängt sich uns mit unmittelbarster Gewißheit auf in dem
Augenblick, wo nun der Herrliche für immer von uns geht;,
wo wir die Lücke gewahren, die sein Scheiden in unserm
Kreise hinterläßt. Und wenn wir nun dasjenige, was
Ferdinand Gambürg hier auf Erden geleistet und ge-
wirkt, bemessen wollen nach der gähnenden Kluft, die sein
Scheiden bei uns veranlaßt, wenn wir uns umblicken, und
wenn wir sehen, wie überall in dem ganzen weiten Kreise
unserer Gemeinde, wie weit über deren Weichbild hinaus
unendlich Viele jammern nach demjenigen, der aus der
Thätigkeit, aus der Fülle des Wirkens und Schaffens
so plötzlich hinausgerissen worden ist, wenn wir den
Schmerz sehen, der in diesem Augenblicke alle Herzen
durchglüht, und der alle die verschiedenen religiösen An^
schaumigen, der alle gesellschaftlichen Stände vereinigt in
dem einen großen Gefühl, dann sagt uns das schon am
meisten und am beredtesten, beredter als irgend ein Wort
es vermöchte, was Ferdinand Gamburg war.
In einem Augenblick, wo der tiefe Schmerz um das
Theuerste auf Erden, das er verloren hatte, ihn nieder-
9
drückte, in einem Augenblick, wo er fürchtete, der Ge-
walt dieses Schmerzes zu erliegen, da hat der Gedanke
ihn erleuchtet, daß er den einzigen Ausweg aus diesem
Leid nur finden könne in der That, in der edlen, menschen-
beglückenden That, und jenes herrliche Psalmwort, er
hat es gefühlt, lrmw yyv joan paya nny, diejenigen,
die durch das Thränenthal wandeln, mögen dieses Thränen-
thal zur Quelle umwandeln, zum belebenden Strom, aus
dem Segen und Heil für Unzählige hervorblüht! Und
ein solcher Quell des Heils, ein solcher pya ist daun Fer-
dinand Gamburg geworden. Wie hat er liberal! ge-
wirkt und geschafft! Wie hat er den Segen verbreitet! Wie
hat er jedem Einzelnen so seine Hülfe gespendet, so seinen
Rath ertheilt, so Freude und Leid mit ihm zu theilen
gewußt, daß ja jeder geglaubt hat, Ferdinand Gamburg
gehöre ganz besonders ihm, Ferdinand Gamburg stehe
ihm ganz besonders nahe, weil eben keiner hat denken können,
daß wirklich ein Herz so für Alle schlagen, für Alle em-
pfinden konnte, und alle diejenigen, denen Ferdinand
Gamburg so nahe stand, alle stehen heute als Trauernde
an seiner Bahre.
Aber wenn Ferdinand Gamburg Allen genommen
ist, so ist er ganz besonders entrissen dem Kreise, der ihm
eigentlich seine Entstehung mit verdankte, dem Kreise, dem
er den belebenden und erwärmenden Hauch einzuflößen
wußte, der Loge Bne Brith, an der, wie wir ja wissen,
sein Herz voll und ganz hing. Wie erglühte seine Seele,
als er die Ziele und die Zwecke erfahren hatte, zu
denen wir uns vereinigen sollten! Wie erglühte sie bei
dem Gedanken, daß eine Stätte geschaffen werden sollte, wo
alle Israeliten sich vereinigen könnten zum Kampf für die
Güter, die allen gemeinsam sind, und wie hat er dann in
2
10
unserm Kreise nun mit seiner hinreißenden, fesselnden, be-
zaubernden Beredsamkeit gewirkt dafür, daß nun auch in
diesem Sinne geschafft und gewirkt werde!
Ich sage: eine fesselnde, bezaubernde Beredsamkeit,
denn wir haben es alle gefühlt und empfunden, mit welcher
Macht, mit welcher Wucht das Wort Ferdinand Gam-
burgs auf uns wirkte. Es ist eben jene alte Wahrheit,
daß nur die Worte, die aus dem Herzen hervorkommen, zum
Herzen sprechen können, daß nicht dasjenige, was allein
der kalte berechnende Verstand spricht, das Gemüth mit
fortzieht und hinreißt; nein, dasjenige, was aus dem
lebendigen Fühlen heraus an das Gemüth dringt, das übt
Zauberkraft aus, der Keiner zu widerstehen vermag. Und
es war etwas Anderes noch, was Ferdinand Gamburgs
Worten jene unwiderstehliche Gewalt lieh, es war das Be-
wußtsein, daß Ferdinand G am bürg nicht allein beim
Worte es bewenden ließ, daß er zugleich auch ein Mann der
That war, ein Mann, der dasjenige ausführte, was er
sprach, der dasselbe auch zur Vollendung zu bringen wußte,
und daß er bereit war, alle Opfer zu bringen, um die Ziele
durchzuführen, die er als richtig und als wahr erkannt
hatte, und für Alles, was die Loge überhaupt hat leisten
können, für Alles, was sie noch anstrebt, fiir alle jene
Gedanken, welche in uns leben, und die weiter fortzu-
führen und zu tragen, auch wir als heiligste Pflicht uns
ansehen werden, für Alles, Alles müssen wir Ferdinand
Gamburg dankbar sein. Und ganz besonders war es eine
Anstalt, für welche Ferdinand Gamburg seine ganze
Thatkraft noch zum Schluß eingesetzt hat. Es war jene
Anstalt, welche berufen ist, den Armen, die von schwerer
Krankheit niedergebeugt sind, und denen auch nicht einmal
mehr die Hoffnung der Genesung winkt, eine Heimat zu be-
11
reiten, und endlich sah sich nun Ferdinand Gamburg
am Ziel, endlich sollte das Siechen Hans seiner Bestimmung
überliefert werden. Schon hatte sein klarer, scharfer Geist
alles geordnet, wodurch es seinem schönen Zielezngeführtwerden
könnte, schon glaubte er das, was er so lange erstrebt
hatte, in der Vollendung zu sehen, da riß ihn plötzlich,
wie einst den großen Lehrer unseres Volkes, der Tod hin-
weg von der Schwelle des Landes, das er zu betreten ge-
hofft hatte, und er, der soviel gewirkt und geschaffen für
die herrliche Sache, er sollte die Vollendung nicht mehr
erleben.
Aber nicht allein als Mensch haben wir Ferdinand
Gamburg kennen gelernt, auch als Jude hat er sich ge-
fühlt, und als Jude hat er mit Feuereifer, mit jener Be-
geisterung, die wahrhaft ans dem Herzen hervorgeht, auch
in unserer Mitte gewirkt für die Erkenntniß jener idealen
Güter, welche das Jndenthum einst der Menschheit gebracht
hat, und die dem jüdisckien Volke und der Menschheit er-
halten werden müssen und sollen. Und wie verschieden auch
seine religiösen Anschauungen sein mochten von denen Vieler,
die zusammen mit ihm kämpften in dem Einen, in der
warmen Begeisterung für die heilige Sache des Juden-
thnms, da hat er uns Alle, Alle überboten, und es war
sein Feuereifer, der namentlich dann sich kundgab, wenn
Angriffe auf das Jndenthum gemacht wurden, wenn das
Heiligste, was es für ihn gab, in den Staub gezogen, herab-
gesetzt wurde, besonders dann sich bekundete, wenn er be-
merkte, wie in unsrer eignen Mitte Vorurtheile und Vor-
eingenommenheit den Blick für die wahren Interessen des
Judenthums getrübt hatten. Jene Begeisterung, sie glich
dann derjenigen des Propheten, der ausruft, daß er nicht
ruhen und nicht rasten wolle, nnyw'i npis m» X2' ij?
12
td^3 bis die Gerechtigkeit, das Recht Israels wie
Morgenglanz hervorstrahle, und bis dann auch sein Heil
wie die Fackel leuchte!
So hat er gelebt, so hat er gewirkt, und wir Alle,
die wir unter dem Einfluß seines Geistes mit gestanden
haben, wir Alle, die wir gefühlt haben, wie dasjenige,
was wir überhaupt schaffen konnten, von ihm ausging, wie
er es war, der uns Muth und Begeisterung iu die Seele hauchte,
wir Alle stehen da, verwaist, vereinsamt, klagend, daß ein
solcher Mann uns entrissen worden ist, in einer Zeit, der
es wahrlich, wahrlich an Männern fehlt, daß Ferdinand
Gamburg schwinden mußte, da, wo keiner an seine Stelle
treten kann. vnanffo -pzun bv !?an Wehe um diejenigen,
-ie hinweggerafst sind, und die nicht wiedergefunden werden,
für die keine Aussicht ist, daß andere Kräfte an ihre
Stelle treten werden, andere Kräfte mit gleichem Maß das-
jenige fortführen, was sie begonnen! Aber wir wollen uns nicht
entmuthigen, wollen uns nicht zurückhalten lassen durch
diesen Gedanken. irwxa nns "jna nns "jna. Ge-
segnet warst Du, Ferdinand Gamburg, bei Deinem
Kommen, gesegnet warst Du, weil Dein ganzes Leben ein
Segen war, weil Du es verstanden hast, was es heißt,
gesegnet zu sein, indem man selbst ein Segen für Alle wird.
nns -pi3. Sei denn auch gesegnet in dem Augen-
blick, wo Du von uns scheidest! Sei Du gesegnet, indem
Du uns auch noch weiter zum Segen wirst, indem Du auch
in uns den festen und ernsten Vorsatz hervorrufst, so zu
wirken, so zu schaffen, wie Du einst gewirkt hast; indem Du
auch uns anspornst zu jeder edlen, menschenwürdigen That!
Sei Du gesegnet, und unsere innigste, innigste Liebe folgt
Dir ins Grab und über das Grab hinaus. Sei Du ge-
segnet, und alle Thränen, die Du in Deinem Leben ge-
» i
— 13 —
trocknet, all das Gute, das Du gethan, die Gebete aller
Derer, die Du beglückt, sie mögen aufsteigen zum Thron
des Allmächtigen, sie mögen für Dich sprechen, und Dein
Andenken sei uns Allen zum Segen für immer.
Amen!
• >
14
Hm Mal Keiilamin ((fällt).
Verehrte Trauernde!
Im Namen der Rheinland loge, als deren Abge-
sandter ich vor Ihnen stehe, und der befreundeten Logen in
Mainz, Wiesbaden und Straßburg, deren Vertreter unter
uns weilen, komme ich hierher, um den Schmerz auszudrücken
über das Hinscheiden eines Mannes, dem wir uns so nahe
gefühlt haben, dem wir geistig so verwandt waren, an dessen
Seele, an dessen Enthusiasmus wir Alle uns immer be-
geisterten, so oft uns das Glück zu theil wurde, ihm nahe
zu kommen. Es fehlen mir die Worte, dem Schmerz hier
so Ausdruck zu geben, wie der Verblichene es wohl ver-
dient. Ich kann nur das Eine sagen: Der Funke, den er
in uns entzündet hat, soll fort und fort wirken.
ri'ir Der Gerechte lebt in seiner Treue weiter, und so werden
die Brüder des Bundes dazu beitragen, in seiner Treue, in
seinem Wirken weiter zu leben. Dies Versprechen gebe ich
den Manen des Dahingeschiedenen. Berufenere sind wohl hier,
die das Lob des nun uns Entrissenen sprechen und preisen
können. Ich kann nur das Eine sagen: ein großer Riß ist
über uns gekommen, eine Lücke, die allerdings schwer wird
auszufüllen. Wir können nur immer wieder das versprechen:
sein Andenken soll für uns immerdar ein gesegnetes sein.
15
Hm Leopold Igersheimer.
Geehrte Trauern ersammlung!
Auch das Pflegamt des Israelitischen Almosen-
kastens, in dessen Namen ich hier spreche, betrauert in dem
theuren Dahingeschiedenen ein unersetzliches Mitglied. Aus
berufenem Munde wurde uns hier nochmals ergreifend vor
das Auge gerückt, welche Wunde der Tod dieses edlen Mannes
unserer Gemeinde geschlagen, wie vor Allem die Bedrückten
und Bedrängten hart dadurch getroffen. Und nirgends wohl
konnte diese von reinster Menschenliebe durchglühte Seele
ihren heiligen Eifer vielseitiger bethätigen, als in unserem
Almosenkasten, wo so viel menschliche Noth Stütze und
Hülfe sucht. Dabei war es zum guten Theil seine zehn-
jährige, unermüdliche Mitarbeit, der der Almosenkasten die
Höhe seiner heutigen Organisation verdankt. In dieser
seiner Unermüdlichkeit wird er uns ewig ein leuchtendes
Vorbild bleiben, sein Andenken wird in unserer Verwaltung
nie vergessen sein.
16
Herr Dr. Mciitiaiim.
„Wen Gott lieb hat", heißt es im Sohar, „dem schickt er
als Geschenk einen Armen." Als vor l1/2 Dezennien unserm
lieben Freunde Ferdinand G am bürg seine treue Lebensge-
fährtin durch den Tod entrissen wurde, und Schmerz und Gram
über den herber« Verlust ihn zu übermannen drohten, da
schickte ihm Gott als Trost für seine Herzenswunde die Armen.
Ferdinand Garn bürg, der längst erkannt hatte, welch
süßes Gefühl der Befriedigung das NON niV'W, die Aus-
übung der Wohlthätigkeit, in dem Herzen des Wohlthäters
selbst erzeugt, warf sich alsbald mit dem ganzen Feuereifer
eines edlen hochherzigen Menschen auf das Gebiet der
Wohlthätigkeit und sann Tag und Nacht auf Mittel und
Wege, um den Armen und Bedürftigen Hilfe und Trost zu
spenden. Da die bis dahin bestandenen Anstalten seinem
wohlthätigen Sinne nicht genügten, so gründete er im Verein
mit gleichgesinnten, edlen Menschen die Suppen an st alt,
die Anstalt für Lungenkranke in Soden und die für
kranke Kinder in Nauheim. Welch großartige Erfolge in
diesen Anstalten erzielt werden, das zu beurteilen vermag nur
derjenige, der Gelegenheit genommen hat, sie während ihres
Betriebs aufzusuchen und zu beobachten. Wenn nun alle
jene Armen, denen seit Jahren in der Suppenanstalt der
Hunger gestillt wurde, wenn die Kranken und Wöchner-
innen, deren Leiden durch kräftige Nahrung aus der näm-
lichen Anstalt erträglicher gemacht wurden, wenn die Kranken,
die in Soden und Nauheim Milderung und Heilung ihrer Uebel
erlangten, wenn diese alle ihr Gebet heute zum Himmel empor-
senden, dann wird der theuere Dahingeschiedene eintreten in jene
— 17 —
Gefilde der Seligen, geschmückt mit dem herrlichsten Kranze,
dessen einzelne Blätter die Namen seiner unzählbaren Wohl-
thaten tragen. Während nun aber Ferdinand Gamburg
den Lohn für seine guten Thaten erntet, stehen diese seine
jüngsten Kinder, Suppenanstalt, Soden und Nauheim, ver-
waist da und blicken bang in die Zukunft, da der Mund
ihres sorgsamen Vaters, der für die hungernden Kleinen
stets ein freundliches Wort, für die armen Kranken jederzeit
einen Trost bereit hatte, da dieser Mund nun aus ewig
verstummt ist. Darum tritt an uns, an seine Kinder,
Freunde und Bewunderer die unabweisbare Aufgabe heran,
uns ihn als leuchtendes Beispiel der Menschenliebe und
Wohlthätigkeit stets vor Augen zu halten; andere Männer
müssen in seine Fußtapfen treten und seine Werke der
Wohlthätigkeit pflegen und weiter ausbauen, dann werden
wir den Erfolg haben, daß die bemitleidenswerten Hung-
ernden, daß die der Pflege bedürftigen Kranken nicht all-
zusehr vermissen ihren unvergeßlichen und unersetzlichen
Freund Ferdinand Gamburg.
18
Herr kmil Stirbrl.
Verehrte Leidtragende!
Im Namen des israelitischen Handwerkervereins
ruft ich dem leider so früh Dahingeschiedenen hiermit die letzten
Abschiedsworte zu. Der theuere Berblichene war Vorsitzender
unseres Vereins, und obschon derselbe diese Stelle nur
turze Zeit bekleidete, so fand sein rastloser Eifer und seine
große Erfahrung doch Zeit genug, im Verein eine neue
mustergültige Organisation ins Leben zn rufen, welche für
die fernere gedeihliche Entwickelung desselben von segens-
reichen Folgen begleitet sein wird. Er war rastlos bemüht,
den Verein zu heben, für seine guten Zwecke zu wirken,
und jede Verwaltung konnte sich glücklich preisen, die einen
Mann wie ihn in ihrer Mitte sah. Ferdinand Gam-
burg war ein Mann von großer Herzensgüte und den
edelsten Charaktereigenschaften, dem immer ein warmes Herz
für seine Mitmenschen im Busen schlug. Er war stets bereit,
fremder Noth zu helfen. Jedem, der seine Hülfe anrief,
mit Rath und That zur Seite zn stehen, und wenn er ein-
mal etwas erfaßt hatte, konnten die größten Schwierigkeiten
und Mühseligkeiten, vor welchen viele Andere zurückge-
schreckt wären, ihn nicht abhalten, diese einmal begonnene
Sache mit der größten Aufopferung zu einem gedeihlichen
Ende zu führen. Er aber stellte selbst nur geringe An-
sprüche an das Leben. Seine ganze Thätigkeit in den
letzten Jahren, ja seine ganze Zeit, selbst die Zeit, die
Andere ihrer Erholung und ihrer Zerstreuung widmen,
stellte er gern und willig in den Dienst für das Wohl
seiner Mitmenschen. Denn seine einzige Freude war, Gutes
— 19 —
zu thun, und sein größtes Glück war, Thränen zu trocknen,
und so darf ich wohl mit Recht sagen: Er war ein Vater
der Armen, der Bedrängten und Bedrückten. Um so tiefer
aber muß unsere Trauer, um so größer muß unser Schmerz
für ihn' sein, dem ich an dieser Bahre nur einen unvoll-
kommenen Ausdruck zu verleihen vermag. Ich war durch
Familienbande und durch eine langjährige ächte und wahre
Freundschaft aufs Innigste mit ihm verbunden, und ich
fühle daher um so tiefer den großen Verlust, den unser
Verein, den seine Freunde, den wir Alle, und den nament-
lich die Armen und Bedrückten durch seinen frühzeitigen
Tod erlitten haben. Ferdinand Gamburg hat viel Gutes
in unserem Verein und in seiner ganzen öffentlichen Thät-
igkeit gestiftet. Aber er hat noch weit mehr Gutes im
Stillen gethan; und wieviel Schönes und Edles hätten wir
noch von ihm erwarten können, wenn nicht die rauhe Hand
des Todes ihn in der Kraft seiner Jahre aus einer segens-
reichen Thätigkeit so plötzlich herausgerissen hätte. Sein
Tod hinterläßt eine Lücke, die Niemand auszufüllen vermag;
denn er war der Edelsten einer, er war ein Mensch, wie
man solche nur selten zu finden vermag. Wenn wir ihn aber
auch nicht ersetzen können, so können wir ihm doch nach-
eifern, und so wird Ferdinand Gamburg noch im Tode
Gutes wirken dadurch, daß er uns vorschweben soll als ein
leuchtendes, edles Vorbild, dem wir nachstreben, das wir
aber niemals erreichen können. Wir werden feiner stets
gedenken als eines der edelsten Menschen, als des treuesten
und zuverlässigsten Freundes, als eines wahren und ächten
Wohlthäters der leidenden und darbenden Menschheit. Wir
werden sein Andenken stets in hohen Ehren halten. Ihm
aber möge die Erde leicht sein!
# *
— 20 —
Herr Dr. Abraham Sichbach.
Hochverehrte T r a u e r v e r s a m m l u n g l
Nur wenige Minuten möchte ich mir Ihre Aufmerk-
samkeit erbitten, um au der Bahre des treuen und
theueren, so früh uns entrissenen Freundes im Namen
des deutsch-israelitischen Kinderheims dem Schmerz
Ausdruck zu geben, der uns über seinen Hintritt tief erfüllt,
und ihm zu danken für all das Gute und all das Edle,
das er uns geleistet hat, ihm zu danken für all das, was
er uns in unserem Streben gewesen ist. Wer war eifriger
bestrebt, das Wohl der kleinen Armen zu fördern, jener
Aermsten der Armen, die durch den Verlust des Vaters oder
der Mutter, oder durch häusliche Berhültuisse in der Ent-
wickelung ihrer Erziehung bedroht waren? Wer war es,
wie er, der für sie sorgte früh und spät? Wer war es,
wie er, der sich jedes Einzelnen in Liebe annahm, als wäre
es das eigene Kind? Und wer konnte, wie er, mit seiner wunder-
baren Beredsamkeit, in welcher sich ein ganzes Herz voll Liebe,
voll Güte und voll Milde ausströmte, wer konnte, wie er,
Freunde gewinnen für das Gute, Andere für dasselbe be-
geistern und mit sich fortreißen! Und nun haben wir ihn
verloren; eine tiefe Liicke ist gerissen worden in unserm
Kreise, und jetzt mußtest Du, Ferdinand Gamburg, von
dannen gehen, jetzt, wo die Aussicht für uns nahe gerückt
ist, das Werk, das noch in seinen Anfängen sich befindet,
• »
21
durch die Erwerbung eines eigenen Heims zu krönen und es
dadurch fester und sicherer für die Zukunft zu gestalten,
eines Heims, für welches Du so unermüdlich gearbeitet hast!
Schon erheben sich die Grundmauern aus der Baugrube,
auf denen sich bald ein wenn auch nur bescheidener, aber
doch sorgfältig angelegter und durchdachter Bau für unsere
Kleinen erheben wird. Wie leuchtete Dein Auge, wenn Du
von dem Augenblicke sprachst, wenn wir unsere Kleinen in
das neue Heim würden einziehen lassen! Wie freutest Du
Dich auf diesen Moment, und nun, nun bist Du dahingeschie-
den ! Du solltest ans Erden nicht die Vollendung dessen
schauen, was Du mit Deinem Eifer, mit Deiner Treue,
mit Deiner Hingebung, mit Deiner allumfassenden Menschen-
liebe so gut und so schön gefördert hast. Du bist uns ent-
rissen in einem Moment, wo wir mehr als je auf Dich
angewiesen waren, wenn eben das Werk zur vollen Ent-
wickelung kommen soll.
Schon warst Du ja thätig, Andere zu gewinnen,
Andere zu begeistern, hast größere Reisen nicht gescheut,
und nun ist die Hand schlaff, nun ist das Auge gebrochen,
nun ist der sonst so beredte Mund zum Stummsein verurtheilt,
unser Fürsprecher ist dahin.— Ferdinand Gamburg hatte
nur ein Ziel im Leben, das hieß: Gutes thun, und kannte
nur eine Thätigkeit, die war: Andere für Gutesthun ge-
winnen. Darin ging seine ganze Thätigkeit auf, und wir
empfinden es tief, daß uns Allen der Mann fehlt, auf den
wir hingeblickt. So sei im Namen des Deutsch-Israelitischen
Kinderheims Dir inniger Dank gespendet für Deine rastlose
Mühe von uns, die wir einen treuen Freund und Berather,
von den armen Kleinen, die einen treuen Sorger und Vater
an Dir verloren haben.
Auch im Namen des vor zwei Jahren hier gegründe-
22
ten Kindergartens, den Du gleichsam ins Leben geleitet
hast, an dessen Verwaltung theilzunehmen aber Dir nicht
möglich war wegen Deiner Fülle von Thätigkeit in Deinem
Wohlthätigkeitsberuf — denn Wohlthätigkeit üben war Dein
von Dir gewählter Beruf — sei auch Dir Dank gesagt
an dieser Stätte. Ziehe hin in Frieden! Du hast Dein
Leben ausgefüllt. Wir haben es ja eben gesagt: Ob einer
wenige Jahre lebt, ob er ein hohes Greisenalter erreicht,
das macht die Fülle des Lebens nicht ans; wie die Tage
ausgefüllt werden, darauf kommt es an. Es heißt: ■jyoVi
noiKn hv L'v' isnsn, Ihr selbst könnt Eure Tage lang
machen, jeder ist in der Lage, sein Leben zu einem langen
zu gestalten, sobald er es mit guten und edlen Thaten erfüllt.
Ziehe hin in Frieden! Ans Deiner Gruft wird neues Leben
entstehen. Ein Ferdinand Gamburg kann nicht umsonst
gelebt haben. Mit der Scholle, die auf den Sarg hinunter-
rollt, ist er nicht ans der Welt geschieden.
D'öffD pisi nosn: Aus dem Grabhügel derjenigen,
deren tugendhafter Wandel vom Himmel geschaut wird, wächst
auch wieder die Wahrheit empor. In Deinem Sinne war
es, daß man Blumenspenden verbeten hat; die Thränen,
die Dir nachgeweint werden, die Deine Freunde Dir nach-
weinen, vor Allem die Thränen, die die Armen und Unglück-
lichen Dir nachweinen, denen Du ein Tröster warst, diese
Thränen sind die edelsten, unverwelklichsten Blumenkränze
die auf Deinen Sarg gelegt werden. In diesem Andenken
sollst Du uns bleiben. ronippHX "o*, das Andenken eines
Guten 701:6 wird selbst zum Segen. Wer könnte an
Ferdinand Gamburg denken, ohne sich fest vorzunehmen,
ihm im Dienste der Menschenliebe nach eigenen, wenn auch
schwachen Kräften, nachzueifern! Dein Andenken wird zum Segen
bleiben, an Deinem Bilde werden sich viele erheben, und
— 23 —
Du gehst von dannen mit sdem Bewußtsein, mitgearbeitet
zu haben an dem Tempel der Ewigkeit, an dem alle guten
Menschen mitzuarbeiten berufen sind, und der sich doch einst
wird erheben über alle Lüge und über allen Haß. Es wird
doch einst die Wahrheit siegen, und ein Kämpfer für die
Wahrheit bist Du gewesen. Ruhe sanft!
Trauerreden.
Frankfurt
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des
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Arctnkfur:t et. M.
n des Heimgegangenen
Bruders
Ehren
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Lw 15. Zexttzmoer 1892
27
PnMiit Kr. fco Islmc.
Werthe Freunde! Liebe Brüder!
Mit betrübtem Herzen und noch gebeugt von dem
schweren Schlag, der uns betroffen, betreten wir heute die
Stätte, an welcher der uns, ach, nunmehr für immer ent-
rissene theure Freund und Bruder Ferdinand Gamburg
mit uns gewirkt hat. Seinem theuren Andenken soll unsere
heutige Zusammenkunft ausschließlich gewidmet sein. Wie
der theuere Dahingeschiedene gelebt, wie er gewirkt, was
er geleistet, und wie viel, wie unendlich viel wir alle an
ihm verloren haben, es ist in Worten nicht zu schildern.
Doch hat mein Freund Herr Julius Plotke es übernommen,
eine, des edlen Verblichenen würdige Gedächtnißrede zu halten,
für welche ich Sie, verehrte Freunde, um Ihre ungetheilte
Aufmerksamkeit bitten möchte. Mögen seine Worte uns
stärken, uns aufrichten und uns den Trost verleihen, dessen
wir Alle, Alle so sehr bedürfen!
(Harmomumspiel.)
28 —
Uittpriilidkilt Sr. tifdjteiintimlt Julius PlotKr.
Meine hochverehrten Freunde, liebe Brüder!
Wenn wir von Einem, der unserm Herzen nahe steht,
Abschied nehmen, dann suchen wir noch im letzten Augen-
blick das Bild festzuhalten, das wir lieben. Wir suchen
mit unserm Auge dann seine Persönlichkeit zu erfassen, wir
suchen sie uns einzuprägen in unser Herz, und wir sehen
ihn mit dem Blick des Abschieds so genau, so sicher, wie
sonst nicht wieder. Wie wir Abschied nehmen mußten von
unserm lieben, theuren Heimgegangenen, Bruder Ferdinand
Gamburg, da suchten wir auch diese Abschiedsstunde fest-
zuhalten, sie zu verlängern, immer wieder traten neue Freunde
an die Bahre, immer wieder kamen aus vollem bewegten
Herzen und aus beredtem Munde ein Wort der Liebe, ein
Wort der Zuneigung, der Herzensinnigkeit, um noch die
Stunde zu verlängern, um sie festzuhalten. Und wir, seine
Brüder, uns ist die Stunde des Abschieds noch nicht ver-
gangen, wir verlängern sie bis zum jetzigen Augenblick, wir
halten ihn noch fest. Wir können ihn nicht lassen, uns ist
er gegenwärtig, uns hier in diesen Hallen, hier sehen wir
ihn, hier sehen wir sein sprühendes Auge, begeistert, lebhaft,
voll reicher Gedanken hinblickend, — kündend, was das Herz
voll bewegte, — zündend in den Augen der Freunde, der Brü-
der! Hier hören wir seine Stimme, wie sie mächtig an
unsere Herzen klingt, wie sie uns mitreißt, mitbewegt zu
29
den Thaten, zu den Werken, die er als seine eigensten er-
kannte! Hier sehen wir die Hand, die das Wort begleitete,
die Geste, die so sprechend uns berührte! Hier sehen wir
die ganze liebevolle sympathische Erscheinung, in ihrer
Handlung, in ihrem Leben, in ihrem Wirken. Hier in diesen
Räumen öffnen die Wände ihren Mund und sprechen für
ihn, hier gewinnt alles Leblose Leben und legt Zeugniß
für ihn ab, an dieser Stelle seiner liebsten, vornehmsten
Wirksamkeit!
Sollen wir ihn lassen, soll er wirklich von uns ge-
gangen sein, der theuere, geliebte Bruder, sollen wir sein
Wort nicht mehr hören, sollen wir sein Auge nicht mehr
sehen, sollen wir Abschied nehmen, so wollen wir doch sein
Bild uns einprägen, fest es halten, wollen seine Züge in
unser Herz senken, wollen den Schwingungen seiner Seele
nachspüren,daßeruns bleibe, daß eruns ein ewiger Besitz werde.
Wir wollen den Schwingungen seiner Seele nachgehen, wir
wollen wissen, wie er das geworden ist, was er uns
war, dann werden wir erkennen, was er uns gewesen
ist, dann werden wir ihn auch festhalten können für die
Zukunft, dann wird er dauernd unser sein.
An seiner Bahre haben wir es gehört, wie glücklich
er als Familienvater lebte, wie glücklich er sich im Schoße
seiner Familie fühlte, bei guten, lieben Kindern, von Enkeln
umspielt. Wir wissen, mit welch inniger Liebe er sein
treues Weib umfaßte, wir .wissen, daß er in glticklichen
Verhältnissen lebte; treue, rechtliche Arbeit hatte Wohlstand
in seinem Hause erzeugt, seine guten geistigen Anlagen, seine
Fähigkeiten hatten es ihm ermöglicht, Besitz zu sammeln;
und ein glückliches Haus war es, in dem er wirkte und
lebte. Innigst liebte er seine Gattin, da riß gewaltsam der
Tod in dieses Glück hinein, und die geliebte Gefährtin
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seines Lebens starb in der Blüthe ihrer Jahre. Unermeß-
lich war sein Schmerz, er wanderte zum Grab und weinte,
und sein Herz war verbittert, war zerrissen, er konnte das
Glück seines Lebens nicht mehr finden. Da ging es in
seinem Herzen ihm auf, da fand er den Ersatz, der alle
Schmerzen überwindet, da fand er über den Schmerz
hinaus die Liebe wieder. Dieser Zug ist so erhaben schön,
so poetisch groß, daß das Herz, das eben in Schmerz
zerrifien ist, sich aufrichtet an dem Größten, was es gibt,
an der Liebe zur Menschheit! Und dieser Zug erinnert an
das schönste Bild unserer Dichtkunst, es erinnert an Nathan,
der im größten Schmerz Gott anerkennt und ruft: „Und
doch ist Gott!" Unser Bruder zeigte sich damit als ein
ächtes Kind unserer Religionsgemeinschaft, die in der größten
Bitterniß, in dem größten Schmerz den Trost fand, der
über alleu Schmerz erhaben: Gutes wirken!, der Gemeinschaft,
die ja gerade im Schmerz ihre Kraft gewann, der Gemein-
schaft, die dann ihre Güter bewahrte und festhielt, wenn
äußere Bitterniß über sie kam, der Gemeinschaft, die gerade
in dem Schmerz groß war und erhaben und die Mission
für das ganze Weltengeschlecht übernahm. So war er ein
Kind seiner Religionsgemeinschaft, so zeigte er sich in seinem
Schmerz gerade als ächter Jude, daß er in dem Schmerz
die Liebe wiederfand! Und die Liebe, die ihn mit seinem
Weibe verband, sie schenkte er der Welt, er wurde ein
Schützer, ein Prediger der Güte, der Menschlichkeit. So
wurde Ferdinand Gamburg, was er war; so fand er
sein Wirken für die Zukunft, und so hat er es reichlich
geübt.
In reger Selbstarbeit hat er es geübt, er suchte nach den
Zielen der Menschheit. Er wußte, daß nur ein kerniger,
kräftiger Mann werth ist, ein Führer zu sein! und
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er war ein kräftiger, kerniger Mann, geradeaus, recht-
schaffen, ehrlich, rechtlich, er kannte keine Falschheit, keinen
Trug, ihm war die Wahrheit eine heilige Sache. Uni-
versell veranlagt, ausgestattet mit allen schönen geistigen
und Gemüthseigenschaften, wäre er überall bedeutend ge-
worden. Er hatte die Kraftdes Geistes, des logischen Denkens, ver-
bunden mit einem innigen, kindlich reinen Gemüth, er hatte
rüstige Körperkraft, er hatte eine Elastizität, die aller Ar-
beit spottete, die durch nichts sich niederwerfen ließ, er
hatte eine Redegewandtheit, die von selbst aus dem Herzen
sprudelte und mitriß. Eine solche Natur wäre in der Lage
gewesen, überall führende Stellung einzunehmen, mochte
sie politisch, im Staate, mochte sie in der Gemeinde sein.
Er hat nach solchen Stellungen, nach solchen Ehren sich
nicht gesehnt, ihm war das kein Ruhm, anerkannt zu werden
wegen äußeren Glanzes, ihm war es ein Ruhm, anerkannt
zu werden wegen seines inneren Lebens und wegen seiner
guten Werke. Er war nicht der Mann, eine Stellung zu
suchen, bei der er sich beugen mußte, bei der er seinen
Charakter hätte verleugnen müssen, das lag ihm fern! Er
war ein Mann, der nur da leben und schaffen konnte, wo
er der Wahrheit die Ehre geben mochte. Ein freier Mann
war er, als solchen haben wir ihn gekannt, ein gerader
Mann, der nicht abwich von rechts nach links, wenn er den
Weg, den er ging, als richtig erkannte.
Dabei war er ein treuer Sohn seines Vaterlandes,
ein treuer Bürger seiner Stadt, dem das Wohl des Vater-
landes und der Stadt sehr am Herzen lag, der nach seiner
Weise wohl wirkte, daß es auch dort nach dem Besten
ging, soweit es in seinen Kräften stand. Und wirkt nicht
der zum Wohl des Vaterlandes am meisten, der weite
Schichten des Vaterlandes glücklich zu machen strebt, der
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Wohlstand, Zufriedenheit zu verbreiten sucht? Wirkt der
nicht mehr als andere, die den Enthusiasmus im Munde
führen und Leistungen nicht auszuweisen haben? So war
sein Patriotismus, so war seine Liebe zur Vaterstadt, daß.
er möglichst viele darin glücklich machen wollte, möglichst
weit Zufriedenheit verbreiten wollte. Das war sein Ruhm
und sein Streben.
Und weiter erkannte er wohl, daß als Gegengewicht des
Egoismus, des Individualismus, der unsere Zeit- beherrscht,
ein Anderes mit die Gesellschaft beherrschen muß, das ist
die Stärkung des geistigen und leiblichen Wohls der weniger
gut Gestellten, die Ausgleichung, die Sorge für die Schwa-
chen, die Uebung der Nächstenliebe.
Die Unzufriedenheit, die durch die verschiedenen Ver-
hältnisse, durch die Vertheilung des Besitzes, Reichthümer
hier, Armuth großer Volksklassen dort, hervorgerufen wird,
die kann vermindert werden, nicht durch staatliche Maß-
regeln, sie kann es nur, wenn jeder das Seine thut, jeder
an seinem Platz, jeder, der zu wirken versteht und wirken
kann, von seiner Stelle aus, wenn jeder mit sorgt und mit
gibt in der rechten Weise. Dann wird das soziale Uebel
erheblich verringert werden! So faßte er auch seine Thätig-
keit auf, daß er soziales Elend verringern mußte. Er that
das Gute mit ganzem Herzen. Ihm war es eine Sache des
Herzens, er that es, weil er mußte, weil es ihm sein Gemüth
befahl. Er that es aber auch mit seiner ganzen Seele, ihm
war es ein Gebot der Vernunft, und er that es mit seinem
ganzen Können, er stellte sich ganz, der ganze Mann, der
Menschlichkeit zu Gebot.
So handelte er, und in welchem Umfange er das thaU
wir haben es an seinem Grab vernommen. Kein Gebiet
der Menschenliebe war da, dem er sich nicht widmete. Er
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— 33 —
widmete sich den Kindern, den armen kleinen Waisen und
stiftete mit ein Waisenhaus. Er kümmerte sich und sorgte
sich um arme alte Männer und alte Frauen, die im Elend
nicht sich weiter helfen können, und gründete das Siechen-
haus. Ihm lag das Wohl der Kranken am Herzen, und
er gründete mit die Anstalten in Soden und Nauheim, er
kümmerte sich um die allgemeine Armenpflege und wirkte
im Almosenkasten der Gemeinde Jahre hindurch. Und so
sorgte er und mühte sich um Alles, was uns nahe geht.
Er empfand, daß es für die Entwickelung des Juden-
thums, der sozialen Verhältnisse desselben erforderlich ist,
daß Handwerk, Landwirthschaft sich verbreitet, und er trat
in den Handwerkerverein und übernahm dort eine führende
Stellung. So war es jedes Gebiet der Nächstenliebe, was
seiner Mitwirkung, seiner Anregung und seiner Hülfe sich
erfreuen konnte.
Alles aber wurde bei ihm von der Empfindung ge-
tragen, daß er Jude war. Wir haben es gehört, wenn er
hier in diesen Räumen sprechen konnte: „Ein Jude bin
ich!", da flammte sein Ange wärmer und höher auf, das
war ihm eine Freude und eine Lust, Jude zu sein. Er hatte
das volle Bewußtsein der Bedeutung dieses Wortes, dieses
Judenthums. Er wußte, daß das Judenthum Zeiten über-
dauert hat, und daß das Judenthum Zeiten überdauern muß,
um die Mission zu erfüllen, Träger der sittlichen Gedanken
für alle Zeiten zu bleiben, durch alle Fährniß der Ge-
schichte hindurch. In diesen allen seinen Empfindungen, in
dieser aller seiner Erkenntniß genügte er sich nicht.
Nicht allein selber wissen und selber üben, nein, noch
viel mehr zeigte er Kraft darin. Andere zu dem zu führen,
was er als richtig erkannt hatte. Und das übte er mit
sokratischer Weisheit, er wußte zu den Einzelnen heranzu-
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gehen, sie zu belehren, sie zu führen, ihnen die Gedanken,
die er hatte, einzuflößen, sie zu überzeugen, und vor allem
war es unsere Bereinigung, unsere Gemeinschaft, in der er
nach seinem Herzen leben und wirken konnte. Unsere Loge
hat er mit gegründet, da hat er sein Können voll zur Ver-
fügung gestellt, da hat er mit aller Kraft gearbeitet, das
war so recht ein Ziel für ihn: Israeliten zu vereinigen,
die zerstreuten Glieder der Gemeinschaft sammeln zu helfen,
die Männer von rechts und links vereinigen zu dürfen, die
Gegensätze auszusöhnen, auszugleichen, ein gemeinsames
Arbeitsfeld zu finden für unsere Aufgaben, für die Aufgaben
des Judenthums, welche die höchsten Ziele der Mensch-
heit sind. Dazu verband er sich mit uns, dazu grün-
dete er unsere Vereinigung. Und wie hat er diese Ziele
bei uns erstrebt! wie war seine ganze Arbeitskraft der Sache
gewidmet! Keine Sitzung verfehlte er, in fast allen Kommissi-
onen war er thätig, und namentlich die vornehmste Insti-
tution, die Unterstützung, wie leitete er die! wie war er da
thätig, wie prüfte er jeden Fall liebevoll, gerecht und mild!
lvie wußte er die Unterstützungsbedürftigen aufzusuchen, daß
er ihnen Beschämung ersparte! wie wußte er alle Fälle so
rein, so taktvoll zu behandeln, und wie erreichte er auch
Alles, was er Gutes erreichen wollte! Wie war er thätig
im Friedensausschuß, wie hat er jede Differenz, jeden Streit
im Keim zu ersticken gewußt, daß nichts unseren Frieden,
unsere Ruhe trüben konnte! Wie war er thätig bei jeder
einzelnen Arbeit! gab es doch nichts, was nicht zuerst durch
seine Hände ging, wobei nicht sein Rath angehört, seine An-
sicht gefragt wurde! Und wie war er fürs Ganze thätig,
wie hat er sich bemüht, um überall die Ueberzeugung durch-
dringen zu lassen, die er als wahr erkannte! Er hat die
Logen in Cöln, Straßburg, Mainz, Wiesbaden mit gründen
helfen. Er hat auswärts sich bemüht, er ist nach Nürn-
berg und Fürth gegangen, um auch dort seine Thätigkeit
zu entsalten, nach Metz fuhr er, keine Zeit war zu spät,
keine Gelegenheit zu weit, er hat sich jeder Arbeit unter-
zogen; keine Mühe war ihm zu groß, wenn es einem guten
Zweck, einer guten Sache galt. Opferfreudig, arbeitskräftig
und arbeitslustig, elastisch, unbesiegbar, so war sein Wesen,
so war seine Natur. Und reichlich empfand er auch die
Genugthuung, die ein solches Guteswirken verschaffen muß.
Er empfand die Liebe, die ihm von allen Seiten entgegen-
gebracht wurde, und er begrüßte dankbar in seinem naiven
kindlichen Wesen jede Anregung, jede Anerkennung, mochte
sie von Groß, mochte sie von Klein kommen; und diese
Anerkennung, diese Liebe, die verschönte seine Zeit, die trug
ihn in die Höhe, die machte ihn glücklich.
Aber nicht nur im Großen, auch im Kleinen hat er
reichlich gearbeitet. Wieviele Existenzen hat er gerettet, wie-
viele Zusammengebrochene aufgerichtet und Schwankende ge-
stützt, wievielen Wittwen, wievielen Waisen hat er geholfen,
und allen so, daß Niemand beschämt wurde, daß jeder die
Empfindung hatte, er demüthige sich nicht. Wie wußte er
die Einzelnen, die Reichen zu überreden, ihnen klar zu
machen, daß sie sich selbst ja nur eine Wohlthat erweisen,
indem sie den Andern Gutes thun! Wie war er im Stande,
Alle zu durchdringen mit den Empfindungen, die ihn be-
herrschten!
So war er unermüdlich, und ein glücklicher Optimis-
mus, der ihn beseelte, der ließ ihn über alle Enttäuschungen
wieder hinwegsehen, der ließ ihn keinen Schmerz dauernd
empfinden. Er hoffte immer wieder Gutes, er sah in der
Welt immer wieder das Beste heraus, und wenn auch ein
Wunsch, ein guter Gedanke sich ihm nicht verwirklichen ließ.
so hatte er sofort einen anderen Gedanken, der gleich gut
und gleich werth war, aber verwirklicht werden konnte. So
war er im Herzen nie enttäuscht.
Seine Liebe kannte keine Grenze, sie hatte keine
Schranke im Glauben, in der Nationalität. Es war noch
sein letztes Werk, daß er in Grindelwald für Schweizer Christen,
die durch den Brand verunglückt waren in ihrem Besitz,
sammelte und ihnen reichlich zuwenden konnte; und wir er-
innern uns vor mehreren Jahren, als die Noth unserer russischen
Glaubensbrüder noch nicht unser Herz bewegte, wie konnte
er damals schon für die geschmähten polnischen Juden ein-
treten! Wie konnte er unser Herz bewegen, uns den Schleier
fortreißen, der vor den Augen war, daß wir in den armen
unglücklichen zerlumpten Gestalten den Menschen, den elenden
Menschen, den Bruder wieder erkannten! So machte er nicht
Halt mit seiner Liebe vor den Thoren der Stadt, seine Liebe
gehörte der Welt.
Soll ich noch seine Persönlichkeit, wie sie sich im Kleinen
gab, Euch vorführen? sein liebenswürdiges, freundliches Wesen,
seine heitere Natur? Wie er auch in heiteren Stunden der
Erste war, wie er witzsprühend sprechen konnte, hinreißen
konnte zum Lacheu, zur Heiterkeit, und wie poetisch er war,
wie er mit seinen Enkeln sprechen konnte, wie er für seine
Enkel naive Berschen machen konnte, um Eltern und Groß-
eltern zu erfreuen?
Er war eine reine große Natur, groß auch, wenn
er in kleiner Arbeit thätig war, groß überall.
So war er uns, und was wird er uns sein?
Seht, lieben Freunde, ich bringe Euch sein Vermächtniß.
Als noch der Engel des Todes ihm nicht genaht, als noch
keine Furcht unser Herz beklemmte, einen Tag vor seinem
Tode war ich bei ihm, und ich fand ihn in der rüstigen.
» •
innigen geistigen Regsamkeit, in seiner Kraft; und wie sprach
er? Das Erste, das Vornehmste, das ihn bewegte, das war
die Loge; er freute sich, daß eine neue frische kräftige Thät-
igkeit im Winter sich entfalten würde, daß wir wieder an
die Arbeit gehen und die Aufgaben erfüllen, die wir uns
gestellt haben. Und der Aufgaben waren viele! wie freute er
sich, daß nunmehr eine der Aufgaben der Vollendung naht,
daß das Siechenhaus jetzt endlich gegründet ist, daß es er-
öffnet werden sollte, und wie freute er sich, an dieser Eröff-
nung theil zu nehmen! Und das Andere, was ihn beseelte,
das deutsche Kinderheim in Diez, wie war er glücklich, daß
er mir das Bild zeigen konnte, das Haus, das gebaut wird,
das nun auch gesichert sein soll, und wie freute er sich, daß
er die Brüder und alle Menschenfreunde einladen würde, sich
, • reich und kräftig zu betheiligen, dieses Werk unter Dach zu
bringen. So sprach er vom Großen wie vom Kleinen, ganz
Herz, ganz Seele, wie wir ihn kennen, übersprudelnd, hin-
reißend. Und ich ging von ihm, und drückte ihm die Hand,
* ’ und wir riefen uns zu: Auf Wiedersehen!
Ich sollte ihn nicht mehr wiedersehen!
Und doch sehe ich Dich, theurer Freund! Ich verspüre
den Hauch Deiner Seele!
Brüder! Freunde! Erhebet Euch! Empfindet, daß sein
Geist unter uns weilt! Aus seinem Grabe sprießet die Blume
der Liebe, sie überwindet den Schmerz, sie welket und schwindet
nicht. Lasset ihn uns zum Segen werden! Brüder! Schließt
Euch an einander! Gelobt Euch in Eurem Herzen, seinen Ge-
danken nachzugehen, seine Werke auszubauen, starke Männer,
treue Juden zu werden, zu bleiben!
„Er weilet im himmlischen Zelt, er wohnet auf heil-
igen Höhen, sein Wandel war rein, sein Wirken gerecht,
► ♦ sein Wort wahrhaftig!"
(Harmoniumspiel.)
*
priilidknt Kr. Fro Isilit.
Verehrte Freunde! Die soeben vernommenen Worte
sind uns tief ins Herz gedrungen. Ich bin überzeugt, daß
wir sie im Leben nie vergessen werden. Möge jeder von uns
nach Kräften bemüht sein, dem Beispiel, das uns der theuere
Dahingeschiedene gegeben hat, zu folgen, dann werden wir
sein Andenken am besten ehren. Indem ich Ihnen, verehrte
Freunde, für Ihr Erscheinen bestens danke, erkläre ich nun-
mehr die Feier für beendet.