Zur Erinnerung
an die
Feiern am 14. und 15. August 1910
aus Anlaß der
Vollendung der Lokomotive
Fabriknummer
10 000
und des
hundertjährigen
Bestehens
der Firma
HENSCHEL LSOHN
CASSEL
Murhardsche
Bibliothek der
Stadt Kassel und
Landesbibliothek
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Sonntag, den 14. August, um 9 Uhr morgen8, fand aus dem
Friedhofe an den Gräbern der Familie henschel, welche
durch die Beamten und Arbeiter der Firma wunderschön ge-
schmückt worden, eine Gedenkfeier statt, an welcher die
Mitglieder der Familie henschel, Angehörige derselben,
sowie die Angestellten des henschelwerkes teilnahmen. Ein-
geleitet wurde die Feier durch den Fabrikgesangverein,
welcher unter Leitung seines Dirigenten, des Herrn Musik-
direktors hallwachs, den Lhor aus Iphigenie von Gluck
vorzüglich vortrug. Die Gedächtnisrede von Herrn Pfarrer
8tein lautete wie folgt: hundert Fahre rührigen 8chaffens,
gesegneter Arbeit wollen wir feiern. Am Vortag des eigent-
lichen Festtages fanden wir uns in dieser Morgenstunde auf
stillem Friedhof zusammen. Dankbaren Gedächtnisses um-
stehen wir die Gräber der Männer, auf deren Lebensarbeit
sich das größte industrielle Unternehmen unserer Stabt auf-
gebaut hat. Rückwärts in die Vergangenheit gehen unsere
Gedanken bis zu den Anfängen des A)erkes, dessen hundert-
jähriger Fubeltag kam. Aus schüchternen, bescheidenen
Anfängen heraus, über ernste Krisen hinweg, wuchs es, bis
es ein festgegründeter, mächtiger Bau ward. Großes ist ge-
leistet worden. A)o aber immer auf dem Gebiet mensch-
lichen Könnens und Fortschrittes Großes geleistet wird, von
großen Männern geht es aus. Und in ihrer Art groß sind
die Männer gewesen, die hier nach gesegnetem Lebenswerk
ihre Ruhstatt fanden. Georg Lhristian Karl henschel, der
den Namen „henschel" nach Lasse! trug und 1810 mit seinem
8ohne Johann üverner henschel den Grundstein zu dem
Unternehmen legte, das nun auf ein hundertjähriges Bestehen
zurückblicken darf — Karl Anton henschel, der eigentliche,
bahnbrechende Begründer der jetzigen Größe des Unter-
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nehmens, Georg Alexander Karl Henschel. der seinem Vater
mit praktischem 8inn und hervorragender Tüchtigkeit zur Seite
gestanden, Oskar Henschel, der in jungen Jahren bas Erbe
der Väter übernahm und in unermüdlichem 8treben mehrte,
so daß er bei seinem Fode seiner Gattin und seinem 8ohn
eine Lveitfirma von erstem Ruf hinterließ — sie alle sind auf
ihrem Arbeitsgebiet große Männer gewesen. Geistig bedeut-
sam sind diese Männer gewesen, Denker und Künstler, dabei
einfach und schlicht, von höchster Gewissenhaftigkeit, die nicht
mit sich markten und feilschen läßt, von stählerner A)illens-
krast, die von dem, was sie angefaßt, nicht wieder abläßt,
bis das Ziel erreicht ist, erfüllt von heiligem Pflichtgefühl,
treu auf ihrem Posten bis in den 3bb. Denn höchste geistige
Begabung ist nichts ohne eisernen Fleiß, ohne das Geizen
mit dem Augenblick, ohne die Leidenschaft des 8chaffens.
Niemandem ist das Gold echten Erfolges in den 8choß ge-
fallen; alles mußte erstritten, erkämpft sein. Kein Großer
hätte geleistet, was er geleistet hat, wenn er nicht sein Leben
durch Bienenfleiß verdoppelt hätte. Üvirkliche Erfolge, wirk-
lich bleibende 8chöpfungen werden nur da geboren, wo der
8chweiß von der Stirn rinnt. Ohne Fleiß — kein Erfolg!
Dafür sind die Männer Zeugen, deren Gräber wir umstehn.
Aus diesen Gräbern klingt es in dieser Feierstunde zu uns
herauf: „Unser Leben ist köstlich gewesen, denn es ist Mühe
und Arbeit gewesen". Und so ist es. Denn ohne Arbeit ist
das Menschenleben eine hohle Nuß, ein leerer Becher, ein
brachliegendes Ackerfeld. Ein brachliegendes Feld kann in
Blütenpracht stehen — aber es ist ein wertloses Blühen.
80 ist ein Menschenleben ohne ernste Arbeit. Mag es glänzen
und schillern in 8chmuck und Herrlichkeit, es ist ein wertloses
Prunken. Nur Arbeit macht das Leben lebenswert, gibt ihm
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Inhall, adelt den Menschen und gewährt ihm wahre Be-
friedigung. Arme Menschen sind die Menschen ohne Arbeit,
keine rechte Freude kommt in ihre Herzen. Au8 tausend
Nebensachen und Kleinigkeiten machen sie sich Arbeit und
Sorge. In Ruhe sitzen sie scheinbar, aber wahre Ruhe kennen
sie nicht. Arbeitslosigkeit ist immer ein Fluch für die Menschen,
mag sie freiwillig oder erzwungen sein. ::
Männer der Arbeit, die Ihr hierher kamt, um das Gedächt-
nis der Föten zu ehren — in der Erinnerung lebendig,
treten die Heimgegangenen jetzt vor Euch hin — ehrwürdige
Gestalten grllsten Euch und rufen Euch zu und mahnen:
«Arbeitet! Arbeitet! Lvisset, dast nur das Leben in Mühe
und Arbeit köstlich ist". — Die Arbeit ist ein Gottesengel,
wo er seine Hand hinstreckt, da breitet er Segen aus. Ia,
welch ein 8egen ging aus von der Arbeitsstätte, die diese
Männer schufen, wo sich jetzt täglich viel tausend Hände
emsig regen dürfen! Fausende fanden dort lohnende Arbeit,
Erleichterung im Kamps des Lebens um Nahrung und Not-
durft. In ungezählte Häuser ging von dort aus gesichertes
Dasein. Es ist gar nicht zu sagen, in wie hohem Maste der
gedeihliche Fortgang und das A)achstum des Henschel'schen
Unternehmens der ganzen Stabt zum Segen gereicht hat.
Und weiter geht der Segen. A)as denkender Geist ersann
und fleistige Hand schuf, geht in die A)elt und dient dem
Verkehr und ungezählten Menschen in Stadt und Land.
Daran wollen wir heute und morgen und allezeit gedenken,
damit auch saure Arbeit mit Freuden getan werde um des
Segens willen, der aus ihr entspringt. Ehrwürdige Gestalten
mahnen an dieser Stätte ernster Erinnerung: «Seid fröhlich
in der Arbeit!" ::
Auf dem Ständeplatz stehen in dieser Stunde Schaaren der
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Männer, die vor 40 Jahren mitgearbeitet haben an der
Aufrichtung des deutschen Reiches. Darunter viei schiichte
Männer mit grauem haar und grauem Bart, mancher mit
leidendem Gesicht, diese alle wollen heute ihrem Kaiser unter
die Augen treten und sind glücklich und stolz in der Erinnerung
daran, daß sie mithalfen, das neue deutsche Kaiserreich, das
preußische Kaiserreich deutscher Nation aus blutigen Lchlacht-
feldern zu gründen. Deutschland, einst zerrissen, nun geeint,
einst schwach — nun stark, einst verachtet — nun geehrt
im Rate der Völker! Auf dem Boden eines geeinten, starken,
geachteten Vaterlandes — welch eine Entwicklung deutschen
Könnens und Lchaffens in den letzten Jahrzehnten! ::
Eine neue Zeit ist heraufgestiegen. Im Lturmschritt hat sich
die deutsche Industrie entwickelt zum Legen des Vaterlandes.
Bei dieser Aufwärtsbewegung deutscher Betriebsamkeit steht
mit in vorderster Reihe das Unternehmen, dessen Iubelfest
wir feiern. Den Ruhm deutschen Könnens, den guten Klang
deutschen Namens hat es über die Grenzen des deutschen
Reiches hinausgetragen in die weite Welt, in alle Erdteile.
Männer der Arbeit! Leid stolz, solchem Unternehmen mit-
arbeitend anzugehören, dem Werden einer neuen Zeit, dem
Vaterland mit Eurer Arbeit gedient zu haben! Das aber sei
Euer Ltolz auch in Zukunft, mit Freuden dem Vaterland zu
dienen auf der Arbeitsstätte des Unternehmens, dessen Ent-
wicklung mit dem Werdegang des deutschen Reiches im ver-
gangenen Jahrhundert innig verknüpft ist. — 1810, ein Zahr
der Not in der deutschen Geschichte und im Hause henschei.
Da ward von Georg Lhristian Karl henschei mit seinem Lohne
Johann Werner henschei, der die Künstlerlaufbahn unter-
brach, um dem bedrängten Vater beizustehen, des Werkes
Grundstein gelegt. In steter Arbeit ist es dann langsam
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oonofirts gegangen bis zum 8turmjahr 1848, in dem die
erste Lokomoiive aus der henschel'schen Werkstatt hervor-
ging, gleichsam eine Botin einer neuen Zeit fürs Vaterland
und für das henschel'sche Unternehmen. Wie dann nach
1866 und 1870, was unsre Väter ersehnt und erträumt, zur
Wahrheit geworden war — das geeinte Deutschland unter
dem 8cepter eines deutschen Kaisers — da ging's von da
ab auch mit Riesenschritten im henschel'schen Unternehmen
vorwärts, so dast morgen am hundertjährigen Zubeltag die
Fertigstellung der 10000 sten Lokomotive gefeiert werden
darf. Das konnte nur geleistet werden auf dem Boden eines
mächtigen Reiches unter dem starken 8cepter des Friedens-
kaisers, der heute in unsrer Stabt weilt. Das konnte nur
geschehen, weil sich auf dem Arbeitsfeld des Unternehmens,
zu dem vor hundert Fahren der Grund gelegt ward, die
Menschen zusammenfanden zu einer großen Arbeitsgemein-
schaft. Zu dieser Arbeitsgemeinschaft gehören zum gesegneten
Wirken alle zusammen — Arbeitgeber, Beamte, Arbeiter,
der tüchtigste Ingenieur und der schlichteste handlanger. 80
haben es die Männer gewollt und erstrebt, deren Gedächt-
nis wir feiern. Sic rufen mahnend in diese Feierstunde
hinein: „8eid einig, seid einig!“ ::
Einigkeit macht stark allenthalben, auch in der Arbeitsleistung.
Ob einer den Plan der Maschine entwirft oder die Riete zu
ihr schmiedet, eines ist für das Ganze so nötig, wie das
andre. Anders ist es äußerlich geworden, als es ehedem
war; es muhte anders werden, der Fortschritt der Zeit bringt
von selbst andre Verhältnisse mit sich. Richt mehr steht der
Arbeitgeber, wie einst, mit seinen Gesellen in schlichter Werk-
statt, aber dennoch können nnd sollen sich auch heute alle,
die für Erreichung desselben Zieles arbeiten, eins wissen in
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der Arbeit und in der Freue der Pflichterfüllung. „Ssib
einig!“ Wahre Einigkeit erwächst aus gegenseitigem ver-
trauen. Gegenseitiges vertrauen entsteht da und bleibt un-
erschüttert, wo jeder das Recht des andern achtet und alle
gewissenhaft ihre Pflicht erfüllen. So ist es gehalten worden
vom Hause henschel und im henschel'schen Unternehmen bis
hierher; so soll es auch in Zukunft sein! — Dankbar blicken
wir rückwärts auf eine hundertjährige Geschichte deshenschel-
schen Unternehmens, voll Hoffnung blicken wir in die Zukunft
des Unternehmens, hundert Jahre gesegneter Arbeit geben
uns Mut und gute Zuversicht, daß es auch in künftiger Zeit
vorwärts und aufwärts gehen werde. Möge es in den
Herzen aller, die heute früh hierherkamen, um der Föten
Gedächtnis zu ehren, nachklingen zum Geleit in das zweite
Jahrhundert des henschel'schen Unternehmens: „Arbeitet!
Seid fröhlich in der Arbeit! Seid stolz in der Arbeit! Seid
einig! Dienet dem Vaterland!" ::
Möge das Haus henschel allezeit Männer hervorbringen, in
denen der Geist derer wieder lebt, die hier ruhen nach einem
Leben voll Arbeit, Kamps und Segen! Dann wird es an
Gottes Segen, an dem alles gelegen ist, nimmer fehlen.
Zum Schluff aber wollen wir all unsre guten Wünsche für
die Zukunft des Unternehmens zusammenfassen in das A)ort
des Pfalmiften: „Der Herr, unser Gott, sei uns freundlich
und fördere ferner das Werk unsrer Hände!" ::
hierauf ergriff Herr Meister Sommer im Ramen der Beamten
und Arbeiter das Wort: ::
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Hochgeehrte Familie Henschel!
8ehr geehrte Anwesenden!
'Ilm Namen der Beamten und Arbeiter der henschel'schen
^ Werke habe ich die Ehre, 8ie, hochverehrte Familie
henschel, an dieser 81ätte de8 Friedens herzlich willkommen
zu heißen und Ihnen für Ihr Erscheinen zu danken. ::
Wenn wir am morgigen Fage die Feier des 100 jährigen
Bestehens der Weltfirma henschel & 8ohn und zugleich der
Vollendung der 10000 Lokomotive begehen wollen, so haben
wir geglaubt, dieses Fest nicht würdiger einleiten 311 können,
als daß wir uns hier um die Gräber der unvergeßlichen
Föten schaaren und dankerfüllten Herzens ihres segensreichen
Wirkens gedenken, ohne das die morgige Feier unmöglich
wäre. ::
Was ein Ohristian, was ein Anton henschel, was ein Alexander
Larl und Oskar henschel bei hervorragender Begabung durch
unermüdliche Arbeits- und Willensstärke bei dem Aufbau
des jetzt so mächtigen Hauses geleistet haben, ist uns von
beredterem Munde geschildert worden und kann nie der Ver-
gessenheit anheim fallen. ::
Wir alle, die vielen Jausenden, die wir im Dienste dieses
Hauses uns und unsere Angehörigen erhalten, wollen mit
aufrichtigem Dank und eingeschränkter Bewunderung an-
erkennen, was diese verblichenen großen vorfahren für uns
in der Vergangenheit geleistet haben. ::
Wir wollen aber auch der Gegenwart gerecht werden und
mit allem Nachdruck darauf hinweisen, wie unter unseres
jetzigen Lhefs großzügiger und weitblickenden Führung eine
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weitere mächtige Ausgestaltung dieses Hauses stattsand unter
dessen Vach wir alle wohlgeborgen sind. ::
Unser schuldiger Dank drängt uns zu dem versprechen an
dieser geweihten Stätte, vor wie nach in unerschütterlicher
Freue zu diesem Hause zu stehen und unsere beste Kraft für
dasselbe einsetzen zu wollen, aus daft ihm auch im kommenden
Jahrhundert eine gleiche bedeutende Ausdehnung beschieden
sein und der Ruf der größten Lokomotivsabrik Europas
erhalten bleiben möge. ::
Diesem Danke und diesem versprechen wollen wir einen
äußerlichen Ausdruck verleihen durch diesen Kranz, den wir
den unvergeßlichen Föten zum ehrenden Gedächtnis, zugleich
aber als Zeichen unserer hohen Verehrung für die Lebenden der
hochgeschätzten Familie henschel an diesen Gräbern niederlegen.
Und so möge denn unter der Führung unseres jetzigen Lhefs
die Firma weiter wachsen, blühen und gedeihen zum Legen
der Familie henschel, zum Legen derer Beamten und Arbeiter,
zum Legen unserer lieben Vaterstadt Lasset und zur Ehre
unseres deutschen Vaterlandes. ::
Das walte Gott!
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Dann legte Herr Sommer einen herrlichen Lorbeerkranz, auf
dessen Schleife die Mdmung gedruckt war: „Den unver-
geßlichen 3bten der Familie henschel zum ehrenden Gedächtni8,
gewidmet van den Beamten und Arbeitern der Firma, au8
Anlaß der Hundertjahrfeier und der Vollendung der Lokomotive
Fabriknummer lOOOO. Lasset, 14. August 1910“, am Grabe
von Oskar henschel nieder. Mit dem vortrage des Sänger-
chors: „A)ie sie so sanft ruhen“ schloß die erhebende Feier,
welche allen Anwesenden treu im Gedächtnis bleiben wird.
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Das Doppeljubiläum
der Nrma Henfche! & Lohn.
Cieute, an dem Fubeltage der Firma ruht die Arbeit, stille
Feiertagsruhe liegt über dem henschelwerke, man hört
nicht das Zausen der Maschinen, das Klopfen der Hämmer,
das Getöse des gewaltigen Betriebes. Alle Gebäude haben
heute ein Festkleid angelegt. Die Fassade des Verwaltungs-
gebäudes und die Eingangspforten zur Fabrik sind mit
mächtigen Fannenbäumen, mit Fahnen und Guirlanden prächtig
geschmückt; über der Haupteinfahrt prangt eine grohe „ 10 000“
aus bordeauxrotem Grunde, verläßt doch heute die lOOOOste
Lokomotive das A)erk! ::
Das Vestibül des Verwaltungsgebäudes ist in einen Blumen-
hain umgewandelt, ebenso die Räume des Herrn henschel
und seiner Direktoren, in denen der Empfang der geladenen
Gäste stattfand. ::
Fm Auftrage Zeiner Majestät des Kaisers war Zeine Exzellenz
Generaladjutant, Generaloberst von Plessen erschienen, von
hier waren anwesend: der General der Infanterie und
Kommandierende General des 11. Armeekorps, Freiherr von
Zcheffer-Boyadel, Herr Regierungspräsident Graf Bernstorff,
Herr Eisenbahndirektionspräsident Vollgold, Herr Ober-
bürgermeister Müller, Herr Polizeipräsident Freiherr von
Dalwigk-Lichtenfels, Herr Oberpostdirektor Geheimrat
hoffmann und viele andere Herren, von auswärts waren
Vertreter hoher Ztaatsbehörden, von Eisenbahnverwaltungen,
Fndustrieverbänden, kommunalen Behörden, der technischen
Wissenschaft usw. zu erblicken. ::
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Das Ausland war stark verlreien, am stärksten wohl die
japanischen Ztaatsbahnen, für die fünf Herren, an ihrer 8pitze
Exzellenz Hirai, erschienen waren. Ferner waren anwesend
die verteter der sardinischen Bahnen sGeneraldireklor Fadda,
Rom) sowie Gäste aus Buenos-Aires, Kopenhagen, Lemwig,
Aalberg, Bukarest, Prag, Rew-Pork, London, Brüssel und
Paris. ::
Zu der als Festort dienenden großen Maschinenhalle führten
teppichbelegte arkadenarlige, 80 Meter lange Gänge, die mit
roten und weißen Edeldahlien geschmückt und außerdem
mit Fannenbäumen und Fannenzweigen dekoriert waren.
Der Eingang zu der Feststraße wies das in gelben Fmortellen
ausgeführte Alappen des Maschinenbaues auf, das rechts
und links von den Zahlen 1810-1910 flankiert war. Zn
den von Zeit zu Zeit angebrachten Rondels befanden sich
die lorbeergeschmückten Büsten der Henschel's, außerdem war
in einem größeren Rondel die lorbeergeschmückte Büste des
Kaisers aufgestellt. ::
Die Festgesellschaft begab sich um 11 Uhr in den zu einem
mächtigen Festsaal umgewandelten Feil einer Maschinenhalle.
Die Gäste waren sichtlich überrascht von der geschickten und
geschmackvollen Art, in der die Statte der Arbeit in einen
behaglichen, aus den Fon der Freude gestimmten Festraum
umgewandelt war. Der ganze Festraum glich einem Fcmnen-
hain und war mit Guirlanden und Kränzen übersät. Zahllose
elektrische Lämpchen leuchteten auf rotsamtenem Grunde von
den A)änden herab, vielfach strahlten die Glühbirnen aus
den Guirlanden hervor; hinter dem Rednerpult befand sich
die l O OOO ste Lokomotive, gleißend und glänzend, mit Blumen
geschmückt, ein technisches Meisterstück, dessen Anblick geradezu
ästhetisches Vergnügen bereitete. Man hatte die Lokomotive
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in eine landschaftliche Dekoration gestellt, während vorn mit
roten Geranien und Edeltannen eine wundervolle Um-
rahmung geschaffen war. Hinter und seitwärtb von den
Festgästen befanden sich die Angestellten und Arbeiter der
Firma, rechts von dem Rednerpult waren die Mitglieder der
Henschel'schen 8ängervereinigung aufgestellt, deren Vorträge
von Herrn Musikdirektor Hallwachs dirigiert und von der
Kapelle des Inf.-Regts. Nr 83 begleitet wurden. ::
Fm Aufträge der Firma betrat der Betriebsdirektor, Herr
Alitthöft das Rednerpult und hielt die überaus eindrucksvolle,
in Form und Inhalt fesselnde Festrede, die folgendermasten
lautete: ::
Hochgeehrte Festversammlung!
Ein denkwürdiger Fag, ein Fag der Freude und der
Dankbarkeit ist über diesem Hause aufgegangen! ::
Feiertägliche Stille, getragen von festtäglicher 8timmung,
hat sich über die weiten Hallen gebreitet. Es ruht der
Hammer und die Feile, still stehen die Motoren, ver-
stummt ist das Ächzen der Maschinen und das Kreischen
der Riemen — heut ist Feiertag! Gilt es doch, das
hundertjährige Bestehen der Maschinenfabrik Hen-
schel & 8ohn und zugleich die Vollendung der Lokomotive
mit der Fabriknummer 10 000 festlich zu begehen! ::
Beglückt und dankbar sehen Inhaber und Angehörige
des Alerkes auf die stattliche Zahl hochgeschätzter Ehren-
gäste, die gekommen sind, um Zeugen unserer Feier und
der 8ympathien zu sein, die unsere Firma zu geniesten
das Glück hat. ::
Diesen erlesenen Kreis hochgeschätzter Gäste an der Stätte
unserer Arbeit zu begrllsten, ist uns eine erste und liebe
Pflicht, vor allem den Vertreter 8einer Majestät des
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Kaisers, Seine Exzellenz Generaloberst und General-
adjuianlen von Plessen. ::
Erfreut sich, wie bekannt, die deutsche Industrie in ihrer
Allgemeinheit des wärmsten Interesses Sr. Majestät, so
erblickt unsere Firma und mit ihr der deutsche Lokomotiv-
bau im besonderen in der Entsendung eines Vertreters
einen erneuten Beweis Kaiserlicher Huld, und Sr. Majestät
hierfür unseren tiefempfundenen Dank und unseren ehr-
furchtsvollsten Gruh geneigtest übermitteln zu wollen, ist
die Bitte, die wir Ew. Exzellenz auszusprechen uns
gestatten. ::
Des weiteren begrüßen wir aufs herzlichste Se. Exzellenz
den General der Infanterie und Kommandierenden
General des N. Armeekorps, Freiherrn von Scheffer-
Boyadel, den Regierungspräsidenten Herrn Grafen
Bernstorff in Vertretung der Königl. Regierung und des
durch Krankheit verhinderten Oberpräsidenten der Provinz
Hessen-Nassau Exzellenz hengstenberg, den Vertreter
des Herrn Ministers der öffentlichen Arbeiten Herrn
Ministerialdirektor A)ichert, und vom gleichen Ministerium
den ARrkl. Geh. Oberbaurat Herrn Müller. ::
Dankbaren Gruß allen Herren Vertretern der hohen
Cisenbahnverwaltungen des In- und Auslandes, der hohen
Staats- und städtischen Behörden, der technischen Hoch-
schule Darmsladt, der Handels- und der Handwerks-
kammer Lasset, der befreundeten industriellen und kauf-
männischenUnternehmungen und wertgeschätzter Kundschaft,
der technischen und kaufmännischen vereine, des deutschen
Lokomotivführerverbandes und des Arbeiterforibildungs-
vereins — allen ein herzlich ARllkommen! ::
hundertjähriges Schaffen im Dienste unserer jugendsrischen
deutschen Industrie ist eine lange 8panne, deren sich nur
wenige Unternehmungen rühmen dürfen, und trotzdem
reicht die gewerbliche Tätigkeit de8 Hauses Henschel noch
erheblich weiter zurück. Wie alle ältern industriellen
Werke aus einem kleinen Gewerbe entstanden, hat sich
das Henschel'sche aus dem verwandten Glocken- und
Kanonengiestereigewerbe entwickelt. Ehedem in Gissten
ansästig hat schon im 17. Jahrhundert ein Hans Henschel
für den Grafen zu 8olms Kanonen gegossen, wie eine
im Familienbesitz befindliche Vertragsurkunde beweist,
und 1690 erhielt der Zunftmeister Johannes Henschel
vom Landgrafen Ernst Ludwig von Hessen-Darmsladt
einen 8chutzbrief für bevorrechtete Ausübung seines
Gewerbes. ::
Der Enkel des letzteren Georg Lhristian Karl Henschel
verlegte im Jahre 1777 sein Arbeitsfeld von Giesten nach
Lasset. Er betrieb die Giesterei gemeinsam mit seinem
8chwiegeroater dem Kurfürstlichen 8tllckgiester 8tork, mit
solchem Erfolg, dast er im Jahre 1785 vom Landgrafen
Friedrich zu Hessen für den Bezirk des Niederfürstentums
Hessen mit dem Privileg zur Herstellung von Glocken,
Kanonen, Feuerspritzen, Pumpen und dergleichen belehnt
wurde. Zehn Jahre später übertrug ihm Landgraf
Wilhelm die fürstliche 8tückgiesterei im Giesthause zu
Lasset und machte damit sein Unternehmen zu einer Art
Staatsbetrieb, jedoch mit der Berechtigung gleichzeitig
dem Privatgeschäfte nachgehen zu dürfen. 8chon zu der
damaligen Zeit wurde der Gelbgiestereibetrieb erheblich
ausgedehnt, aber auch der Maschinenbau, wenn auch in
einem der damaligen Zeit entsprechenden Maste, auf-
genommen. ::
14
3m Jahre 1796 wurde der 8tückgieher Henschel ols
Nachfolger bes in Kasseler Kreisen wohlbekannlen 8tein-
höfer zum fürstlichen Brunnenmeister ernannl, dem die
Aussicht über die AAlhelmshöher A)asserkünste nebst
Pumpen und Leitungen oblag. Außerdem wurde er
1805 durch da8 Privileg auf Anfertigung einschlägiger
Fabrikationsgegenstände für den ganzen Bereich des
Kurfürstentums ausgezeichnet- Georg Lhristian Karl
henschel's beide 8öhne Anton und A)erner genossen
ihre Ausbildung auf dem Lyzeum und der Kunstakademie
der Vaterstadt. Ihre praktische Unterweisung erhielten
sie in der väterlichen Fabrik. Dieselbe kam ihnen in
ihren späteren Berufen sehr zu hatten. Anton henschel
wandte sich der Laufbahn des technischen 8taatsbeamten
zu, Alerner dagegen wurde Bildhauer, und die im Vater-
haus erworbene Fertigkeit im Formen und Giehen hat
er später für seine künstlerischen A)erke sehr wohl ver-
werten können. Aber die Herrschaft Ieromes war auch
am Hause Henschel nicht ohne nachteilige Folgen vor-
übergezogen. Das Kurfürstentum war 1807 ein Bestand-
teil des Königsreichs Westfalen geworden und das Giehhaus
unterstand somit Französischem Kommando. ::
Die Last der Abgaben und die hohe Inanspruchnahme
der Bürgerschaft durch Einquartierung halten manchen
Wohlstand vernichtet. Kein Wunder, wenn das Verhält-
nis zwischen Georg Lhristian Karl henschel und seinen
französischen Vorgesetzten sich nicht besonders freundlich
gestaltete, und so erklärt es sich, dah er im Jahre 1810
auf Befehl des französischen Generals Alix das Giehhaus
binnen vierundzwanzig 8tunden räumen muhte. In dieser
Not sprang der jüngere 8ohn Werner dem Vater bei.
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unterbrach ohne Verzug, wenn auch schweren Herzens,
seine aussichtsvolle Künstlerlaufbahn und richtete im
eigenen Hause, in dem heute noch bestehenden Freyhause,
eigene Werkstätten ein. Das Fahr 1810, in dem der
Henschel'sche Betrieb völlig selbstständig auf eigenem
Grund und Boden auftritt, darf also mit Fug und Recht
für das Unternehmen als Gründungsjahr gellen, dessen
hundertste Wiederkehr uns berechtigten Anlast zu der
heutigen Feier gibt. ::
Feröme mustte im Fahre 1813 Lasset verlassen. Der
Kurfürst Wilhelm I. kehrte nach Lasset zurück und setzte
Georg Lhristian Karl Henschel wieder in seine alten Rechte
ein. Zeitdem war die Kurfürstliche Giesterei im Giest-
hause neben den eigenen Werkstätten wieder im Betriebe.
Der älteste Lohn Anton, seit 1803 teils im hessischen,
teils im sächsischen Ltaatsdienst, war von 1813—1817
Kurfürstlich hessischer Bauinspektor und Leiter der Zaline
Looden. Bei seiner Begabung und seinem Lchaffens-
drange bot ihm aber seine Staatsstellung nicht diejenige
Befriedigung, die er sich von einer freien, von eigenen
Fdeen geleiteten Fätigkeit auf dem damals noch wenig
beackerten Felde der Fechnik versprach. ::
Fn der Kurfürstlichen Verwaltung des Berg-Hütten- und
Lalinenwesens hatte man seine Dienste und Fähigkeiten
kennen und in einem Maste schätzen gelernt, dast man
sein verbleiben im Amte durch weitestes Entgegenkommen
gegenüber seinen Wünschen veranlastte. 8o wurde er
1817 als Oberberginspektor nach Lassei versetzt, und 1832
zum Oberbergrat und Mitglied der Kurfürstlichen Ober-
berg- und Lalzwerkdirektion ernannt, mit der Erlaubnis,
zugleich im väterlichen Geschäfte tätig sein zu dürfen.
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Für dasselbe war sein 1817 erfolgter Eintritt zweifellos
von größter Bedeutung, denn durch ihn wurde das Unter-
nehmen in neue Bahnen gelenkt. Der Gießereibetrieb
verlor in dem Maße an Bedeutung, wie der allgemeine
Maschinenbau mehr und mehr das Hauptarbeitsgebiet der
Fabrik wurde. Durch eifriges Zelbststudium hatte sich
Anton Henschel die für seinen Beruf erforderlichen, wissen-
schaftlichen Grundlagen angeeignet. ::
Nach seinen zum Feil noch in verhältnismäßig jugend-
lichem Alter entstandenen Entwürfen wurden in der
Henschel'schen Fabrik unter Anderem ausgeführt die Pump-
anlagen für die 8alinen Zooden und Käsen, ein Messing-
walzwerk für Heegermünde bei Eberswalde, ein hydrosta-
tisches Kastengebläse für den Hochofen zu Bieber. Auch
die jedem Fechniker wohlbekannte Henschelturbine und
ein Röhrenkessel sind Kinder seines Geistes. Man macht
sich daher keiner Übertreibung schuldig, wenn man Anton
Henschel zu den Begründern des deutschen Maschinen-
baues rechnet, zu den Männern, die das später ins Uner-
meßliche gewachsene Gebiet moderner Fechnik nicht mehr
empirisch bearbeiteten, sondern mit dem Pfluge wissen-
schaftlicher Forschung durchwühlten und so seine heutige
Fruchtbarkeit vorbereiteten. ::
Anton Henschel's weitblickender Geist konnte nicht auf die
technischen Fragen seiner Heimat beschränkt bleiben. Mit
Aufmerksamkeit verfolgte er die Entwicklung der Fechnik
in den übrigen europäischen Ztaaten, besonders in Eng-
land. Die große Bewegung auf dem Gebiete des Eisen-
bahnwesens Ende der 20 er und Anfang der 30 er Jahre
des vorigen Jahrhunderts veranlaßte ihn zu einer 8tudien-
reise nach England.
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Mit der Dampflokomotive konnte er sich wegen ihres
damaligen hohen Dampf- und Brennmaterialienverbrauches
anfangs nicht befreunden. Zu der Zeit ermangelte man
noch der Erfindung der Expansionssteuerung, und so er-
klärt es sich, daß seinem wirtschaftlich geschultem Geist
nicht Einzelkraftgebilde, sondern Zentralanlagen vor-
schwebten, welche unter Verwendung von Zwischenmitteln
— Zeilzügen oder gepreßter Luft — die Fahrzeuge be-
wegen sollten, ein Gedanke, wie er heutzutage bei den
elektrischen und Preßlustlokomotiven wieder auftritt. ::
Zeitdem haben sich die besten Köpfe der Welt mit der
Vervollkommnung der Dampflokomotive beschäftigt, sodaß
sie doch von allen Zystemen den Sieg davon getragen
hat und in absehbarer Zeit auch nicht abgeben wird.
Fm Fahre 1836 brannte das Gießhaus ab, die Versicherung
eines solchen gegen Feuersgesahr war zu der Zeit nicht
möglich und der Zchaden, den henschel's erlitten, war
sehr groß. ::
Es wurde nun der Bau auf einem Grundstück am Mönche-
berg, dem südlichen Zipfel des jetzigen Fabrikgebäudes,
möglichst beschleunigt, und eine neue Fabrik, bestehend
aus Gießerei, Dreherei und Zchlosserei, Bureauräumen
und Nebenanlagen, entstand. Die Gießerei ist jetzt noch
ihrem Zweck erhalten. Bemerkenswert ist, daß aus der
neuen Gießerei als erster größerer Guß des Bildhauers
Werner henschel, das Bonifaciusdenkmal, noch heute eine
Zierde Fuldas, hervorging. ::
Nach dem Fode Georg Christian Karl henschels im Fahre
1835, trat 25 Fahre alt, der Lohn Anton henschels,
Alexander Karl in das Geschäft ein. Zehn Fahre
später schied Anton henschel aus dem Ztaatsdienste aus.
IS
da sich 8chwerhörigkeit bei ihm eingestellt hatte. An
seinem Lebenbabend konnte er sich in dem Maste von
der geschäftlichen Tätigkeit entlasten, al8 sein 8ohn, ziel-
bewustt und arbeil8froh mit wachsender 8elbstständigkeit
die Zügel führte. ::
Oberbergrat Henschel starb 1861, 81 Jahre alt. Der
Fod beschlost ein Köstliche8 Leben, denn e8 ist Mühe und
Arbeit gewesen. Aber der Geist, den er dem Unter-
nehmen eingehaucht hat, lebt fort und ist von seinen Nach-
folgern sorgsam erhalten worden. ::
Alexander Karl Henschel hatte seine praktische Au8bildung
in der väterlichen Fabrik, seine wissenschaftliche in
Böttingen und auf dem Gewerbeinstitut in Berlin empfangen,
von seinem Vater hatte er seine technische und künst-
lerische Befähigung ererbt, die er im Geschäft auf8 beste
verwertete. Die Neugestaltung de8 Betriebe8 und der
Verwaltung, die Einführung einer einheitlichen Arbeit-
leistung auf Grund von Zeitplänen, die vergrösterung de8
A)erke8 und Verbesserung seiner Einrichtungen und Arbeit-
weisen, die Au8dehnung und Vermehrung der Absatz-
gebiete, sind Verdienste, die seiner Person zufallen. Hierbei
konnte er die Erfahrungen und Kenntnisse, die er aus
vielen Reisen im Zn- und Au8lande gesammelt hatte,
vorteilhaft verwenden, von besonderer Bedeutung ist
noch der Hinwei8, dast unter seiner und seine8 Vater8
Leitung die erste Lokomotive, „der Drache", 1848 da8
A)erk verliest. 8einem 8treben wurde leider ein zu
frühe8 Ende gesetzt, 1860, also noch ein Jahr vor dem
Vater, wurde er, erst 49 Zahre alt, au8 dem Leben ab-
berufen. 8einen 8ohn O 8 k a r hatte er ein Fahr zuvor
ai8 Feilhaber in da8 Geschäft aufgenommen, dessen ganze
19
Last er nunmehr den jugendlichen Zchultern überlassen
muhte. Oskar Henschel war noch nicht 23 Jahre alt,
als ihm das verantwortungsreiche Erbe zufiel. ::
(Er hatte nach dem Besuch der jetzigen Oberrealschule in
Cassel und durch Privatunterricht vorbereitet, in Karlsruhe
studiert, seine praktische Fertigkeit sich aber nach der
Väter Brauch zuvor im väterlichen A)erke gründlich an-
geeignet. Zn wenigen Jahrzehnten hatte er die Leistungs-
fähigkeit des Unternehmens vervielfacht. Das war nur
möglich durch entsprechende Erweiterung und Neugestaltung
der Betriebsanlagen. Frotz dieser Unternehmungslust war
er bedächtig in seinem Urteil und huldigte dem Grund-
satz: Erst wägen, dann wagen. Nach seiner Väter Art
dem äuheren Zcheine abhold und bedürfnislos, fand er
volles Genügen in seiner Arbeit und im Gelingen seiner
Unternehmungen, denen er den Gewinn seiner Arbeit
wieder zu Gute kommen lieh. Daneben lag ihm das
A)ohl seiner Beamten und Arbeiter am Herzen und darf
er als der Begründer der zahlreichen Alohlfahrts-Ein-
richtungen gelten, deren sich noch heute die A)erk§-
angehörigen erfreuen. ::
Zn diesen Bestrebungen hat ihn seine Gattin, Zophie
Henschel, opferfreudig unterstützt. Auch über die Fabrik-
mauern hinaus erstreckte sich seine hingebende A)irksamkeit
für gemeinnützige Zwecke und trug ihm viel Anerkennung
und Verehrung ein. Bei seinem Fode im Jahre 1894
hatte sein einziger Lohn Karl, der jetzige Leiter der
A)erke, seine Ltudien noch nicht beendigt. Die A)itwe
Frau Geheimrat Zophie Henschel führte unter dem
technischen Beistand des Baurats August Zchäsfer im Zinne
ihres verstorbenen Gatten die Firma weiter, und nahm
20
im Jahre 1900 ihren 8ohn Kar! al8 Mitinhaber der
Werke auf, sodah heule Müller und 8ohn als Inhaber
der Firma im Handelsregister eingetragen find. Auch
Karl henschel war im Geschäft einige Fahre praktisch
vorgebildet und erhielt seine technische Ausbildung auf
den Hochschulen Karlsruhe und Darmstadl.
Unter seiner Leitung haben die Werke seit ihrem Bestehen
die erheblichste Erweiterung und Neugestaltung und damit
die bedeutendste Erhöhung ihrer Leistungsfähigkeit erfahren.
Bei dem ernsten Bestreben, sein väterliches Erbe nicht
nur zu erhalten, sondern auch auszubreiten, erschien es
ihm als unabwendbare Notwendigkeit, sich möglichst un-
abhängig von fremden Bezügen zu machen. Diese
Erkenntnis war die Veranlassung zum Ankauf der hen-
richshütte in Hattingen a. d. Ruhr im Fahre 1904. ::
Nach diesem skizzenhaften Bilde von den Persönlichkeiten,
die während 100 Fahren des Unternehmens Führer waren,
sei ein flüchtiger Blick auf die Entwickelung der A)erke
und ihre Erzeugnisse geworfen. ::
Während bis zum Fode Georg Lhristian Karl henschel's
der Betrieb sich im Giesthause und im Freyhause ab-
spielte. wurden die neuen Werkstätten am Möncheberg
in dem bereits erwähnten Umfange im Fahre 1837 be-
zogen. Die nutzbare Fuhbodenfläche der Werkstätten
betrug damals etwa 1900 gm. Dieselbe wurde unter
Anton und Alexander Karl auf 4800 gm erweitert. Oskar
henschel verfügte vor seinem Fode bereits über 30000 gm
Werkstättenfläche in Caffcl und schuf das Werk Rothen-
ditmold im Fahre 1871 mit 2400 gm bebauter Fläche.
Unter dem jetzigen Leiter fanden die erheblichsten Neu-
und Erweiterungsbauten statt, sodah gegenwärtig im
21
Caffeler und Rothenditmolder IDerh 72400 qm bezw.
32000 qm, zusammen also 104400 qm bebauter Betriebs-
flächen vorhanden sind. In gleicher Meise ist die Henrichs-
hütte seit dem vor sechs Jahren erfolgten Ankauf umge-
staltet und erweitert worden, sodah sie heute eines der
gröhlen und besteingerichteten Qualitätswerke des rheinisch-
westfälischen Industriebezirkes vorstellt. ::
In entsprechendem Mähe wie die Erweiterung der Be-
triebsanlagen muhte die Ausdehnung des Grundbesitzes
erfolgen. Gegenwärtig umsaht derselbe in Cassel und
Rothenditmold 47,5 Hektar und auf der Henrichshütte
145 Hektar. Die Arbeiterzahl ist in den letzten zehn
Jahren in den Caffeler Merken von 2200 auf 6200 und
in der Henrichshütte auf 3500 Arbeiter und der Lasten-
verkehr Cassels von einem täglichen Eingang von 15
Güterwagen auf 40 gestiegen. Entsprechend der Aus-
dehnung der Betriebsanlagen und der Verbesserung ihrer
Einrichtungen hat sich das Fabrikationsgebiet entwickelt.
Mar unter Georg Christian Karl Henschel der Gieherei-
betrieb vorherrschend, und nur der Bau kleinerer Merk-
zeugmaschinen, Buchdruckerpressen und hydraulischen
Pressen gebräuchlich, so tritt unter Anton Henschel die
Herstellung von Dampfkesseln, Hochdruckdampfmaschinen,
Furbinen, Malzwerken, Dampfbaggern, ja selbst von
Dampfschiffen auf. Unter Alexander Karl Henschel wurde
die Fabrikation von Hütten- und Bergwerkbetriebs-
maschinen, wie Gebläse, Masserhaltungen, Färber- und
Hebemaschinen besonders betrieben, der Bau von Mühlen-
einrichtungen und Lisenkonftruktionen aufgenommen, der
Merkzeugbau in dem Mähe weiter verfolgt, wie es die
Neuaufnahme des Lokomotivbaues verlangte. ::
22
Unter Oskar henschel kam der Bau von Brücken, Dreh-
scheiben, Schiebebühnen, Alasserstationen, Mutter-Bolzen-
pressen, Strahenwalzen und Lokomobilen hinzu. Der
Lokomotivbau gewann aber schon unter ihm immer mehr
die Oberhand, bis er unter des jetzigen Inhabers Leitung
das ganze Fabrikationsgebiet des Caffelcr und Rothen-
ditmoider Alerkes ausfüllt. Die Spezialisierung in der
Fabrikation sollte und muhte für das Unternehmen nur
von Vorteil sein. 2vie das Feld der Naturwissenschaften
im Allgemeinen, so hat sich auch das Gebiet der Fechnik
im Besonderen in den letzten 30 Jahren so progressiv
ausgedehnt, dah niemand mehr imstande ist, das Ganze
zu beherrschen. Und wie man heutzutage sein Leben
keinem Universalarzte mehr anvertraut, so kann man auch
nur warnen vor einem sogenannten Universalgenie. Das
heutige Lokomotivbauwesen ist so mächtig ausgestaltet,
dost es eines ganzen Unternehmens und seiner ganzen
Kraft zu seiner Beherrschung bedarf. Welch eine gewaltige
Arbeit geistiger und mechanischer Art liegt hinter uns seit
dem denkwürdigen Siege Robert Stephensons in der Kon-
kurrenz der Liverpool-Manchesterbahn im Jahre 1829
bis zur heutigen Heistdampf-Lokomotive! Wieviele tausende
haben ihr bestes daran gesetzt das interessante Werk der
Lokomotive von Stufe zu Stufe der Vervollkommnung zu
heben, ihre Leistung und Wirtschaftlichkeit zu erhöhen.
Und aus der langen Reihe der Verbesserungen sind nach
Stephensons grundlegender Konstruktion als besonders
markant hervorzuheben: die Erfindung der Kulissen-
steuerung, die Ergebnisse der Semmeringkonkurrenz, die
Erfindung der verdundwirkung und die Anwendung des
Heistdampfes. Mit der Erfindung einer zuverlässigen
23
Anwendung bcs hochüberhitzten Dampfes in der Dampf-
maschine, die wir dem hier anwesenden Herrn Or. ing. h. c.
Lchmidt verdanken und mit der Übertragung seiner Ideen
aus die Lokomotive hat dieselbe unstreitig den größten
Fortschritt in der Neuzeit gemacht. Erhebliche Zteigerung
der Leistung bei gleichem Gewicht, beträchtliche Erspar-
nis an Alasser und Brennmaterial bei gleicher Leistung
sind die anerkannten Vorzüge dieser Erfindung. Und
dennoch wäre dieselbe nicht in so raschem Fempo in den
Eisenbahnbetrieb eingeführt worden, wenn sie nicht be-
sonders günstige Umstände angetroffen hätte. Eine große
Masse braucht eine große Kraft, um in Bewegung gesetzt
zu werden. Auch ist wohl auf keinem Gebiet den
Neuerungen gegenüber mehr Vorsicht geboten, als auf
dem der Eisenbahnen. Aber der zuständige Dezernent im
Ministerium, der A)irkl. Geh. Oberbaurat Müller erkannte
sehr bald die Vorzüge dieser Erfindung an und der Geh.
Baurat Herr Garbe hat unermüdlich und unerschrocken —
wie ein Apostel das Evangelium — die Lache des heiß-
dampfes gepredigt, an der Verbesserung der Konstruktionen
mitgearbeitet und sich so ein allerseits neidlos anerkanntes
verdienst bei Einführung des Heißdampfes in das größte
verkehrsunternehmen der 2velt, die preußische Staats-
eisenbahnverwaltung, erworben, vergleicht man diese
modernen Erzeugnisse mit Ltephensons Rocket, so must
man gestehen, daß auf der Riesenarbeit der Erfinder der
Legen des Erfolges geruht hat. A)ar Ltephensons Rocket
bei einem Zuggewicht von 9*/s Fons vollständig belastet,
so bewältigt unsere Festlokomotive selbst auf ungünstiger
Ltrecke ein Zuggewicht von 1400 Fons, und betrug die
größte Geschwindigkeit jener etwa 30 km in der Ltunde,
24
so sind unsere heutigen 8chnellzuglokomotiven imstande,
120 — 150 km in der 8tunde zurückzulegen. ::
Die Firma henschel L 8ohn hat im Fahre 1845 als eine
der ersten deutschen Fabriken den Lokomotivbau ausge-
nommen und 1848 die erste Lokomotive mit dem Namen
„Drache" an die hessische Friedrich ANlhelm Nordbahn
abgeliefert, 1865, also 17 Jahre später, wurde die lOO ste,
1879, also nach 31 Fahren, die lOOOste, und 1899, mit-
hin 51 Fahre nach der ersten, die 5OOOste Lokomotive
vollendet, und heute steht die lOOOOste mit Blumen ge-
schmückt bereit, das A)erk zu verlassen. Fn den letzten
11 Fahren ist also dieselbe Leistung erzielt worden, wie
in 51 Fahren vorher, ja, man kann jene Leistung mit
Rücksicht auf die Zunahme der Größe und der Konstruk-
tionsschwierigkeiten der heutigen Lokomotiven wohl noch
höher veranschlagen. Der weitaus größte Feil der
Lieferungen war für die preußischen 8taatsbahnver-
waltungen bestimmt. Es war der Firma vergönnt, bei
dem großen park der Normallokomoliven mit einem ihrer
Leistungsfähigkeit entsprechendem Anteil an den Konstruk-
tionen beteiligt zu werden. Auch die Reichseisenbahnen
und eine größere Zahl von Neben- und Kleinbahnen,
sowie ein großer Kreis von Privatunternehmern zählen
zur Kundschaft der Firma. Fn allen europäischen Ländern,
England ausgenommen, in den deutschen Kolonien, in
Asien, Afrika und 8üdamerika laufen henschel'sche Loko-
motiven, und besonders bemerkenswert sind die in den
letzten Fahren erfolgten Lieferungen für Frankreich. Noch
heute sind Lokomotiven für die Paris-Lyon-Ntittelmeer-
bahn in Arbeit und ein neuer größerer Auftrag der ge-
nannten Gesellschaft ist vor wenigen Fügen eingegangen.
25
3n den Jahren 1907 bis 30. Juni 1910, also in 3*/s Jahren,
betrug nach amtlichem Nachweis die gesamte deutsche Aus-
fuhr an Maschinen und Maschinenteilen 1206601,7 Fons.
Hieran war die deutsche Lokomotivindustrie mit 1l,29°/o
oder 136 229 3bns beteiligt, vom letztgenannten Gewicht
hat unsere Firma allein 44003,1 Fons exportiert, sodah
derselben 32,3 °/o der gesamten Lokomotivausfuhr zufallen.
Die gegenwärtige Leistungsfähigkeit beläuft sich aus über800
Lokomotiven im Jahre und damit steht die Firma Henschel
& 8ohn an der 8pitze der Lokomotivbauanstalten Europas.
Auf dieser Höhe angekommen, ist es unsere Pflicht, mit
Dankbarkeit aller derer zu gedenken, die dem Unter-
nehmen durch ihre belangreichen Aufträge eine derartige
erfolgreiche Entwicklung ermöglichten, vergessen seien
auch diejenigen nicht, die Kopf und Hand dem Werke
geliehen und in unermüdlicher Pflichttreue beim Aufbau
des heute so stattlichen Baues mithalfen, bis kühler
Rasen sie deckte. Aber auch den Lebenden haben die
Inhaber ihre Anerkennung und Dankbarkeit nicht ver-
sagt und betätigt durch die 8chafsung bedeutender
Wohlfahrtseinrichtungen auf dem Gebiete des Pen-
fions-, des Gefundheits-, des 8chul-, des Wohnungs-
und Vereinswesens. Gerne haben sie geeignete
Anlässe wahrgenommen, um Beweise opferwilliger
Fürsorge für das Wohl der Werksangehörigen zu
erbringen. ::
Und so sollte der heutige Festtag auch nicht vergehen,
ohne dast ihn die Inhaber, Frau 8ophie Henschel und
Herr Karl Henschel, durch namhafte 8tistungen ausge-
zeichnet hätten, die ich mir zu verlesen nun gestatten
werde. ::
26
(Es erhallen: ::
1. 100000 Mark der Eisenbahn-Föchter-Hort mil folgender
Bestimmung: die Zinsen der Henschelstiftung sollen nach
Maßgabe der 8ahungen des Eisenbahn-Föchter-Hortes
für hilfsbedürftige Föchter von verstorbenen Beamten,
Hilfsbeamten und Arbeitern des Lokomotiv- und 2verk-
stättendienstes der preußisch-hessischen 8taatseisenbahnen
und der Reichseisenbahnen verwendet werden. Der
Verwaltung dieser Stiftung soll es indessen freistehen,
das Kapital ganz oder oder zum 3cü zur Erweiterung
des Lhristianenheims des Eisenbahn-Föchter-Hortes in
Erfurt zu verwenden. 8oweit die 8tistsverwaltung hiervon
Gebrauch macht, find anstatt barer Unterstützungsbeträge
an Hinterbliebene Föchter des Lokomotiv- und A)erk-
stättenperfonals Freistellen in dem Heim zu gewähren.
2. 100000 Mark der vaterländische Frauenverein vom
roten Kreuz in Lasset. ::
3. 212259 Mark die Beamten und Arbeiter an Grati-
fikationen. ::
4. 300000 Mark die Invaliden-, A)itwen- und Alaisen-
kasse für Arbeiter. Die Renten der Invaliden, A)itwen
und Alaisen werden infolgedessen demnächst entsprechend
erhöht, wenn das eingeforderte versicherungstechnische
Gutachten eingegangen ist. ::
5. 30000 Mark verschiedene Vereine und dergleichen.
6. 250000 Mark die Stabt Lasse!. ::
Zusammen rund eine Million. ::
A)enn wir nach dieser Rück- und Umschau noch einen
Blick in die Zukunft werfen, so können wir mit Befrie-
digung behaupten, daß die Aussichten des Unternehmens
für das zweite Jahrhundert seines Bestehens keinerlei
27
Grund zu einer Beunruhigung geben. Da8 eigene Hau8
ist fest gegründet, unser deutsche Reich, geachtet von
allen Völkern der Erde, ein unzertrennbarer Bund, durch
dessen Gründung erst die deutsche Industrie zur richtigen
Entfaltung gelangen konnte, von deren weiteren Gedeihen
aber auch die wirtschaftliche Üvohlfahrt unsere8 Vater-
lands in erster Linie abhängt. In dieser Erkenntnw
ist 8e. Majestät der Kaiser unablässig bemüht, die Grund-
bedingung für eine weitere Entfaltung der industriellen
Fätigkeit durch Erhaltung de8 Frieden8 zu schaffen. E8
ist daher nur eine Folge de8 8elbsterhaltung8streben8,
wenn die deutsche Industrie von ihm den 8chutz de8
Frieden8 erfleht, nur ein Gebot der Notwendigkeit,
wenn sie zu allen Opfern für die Frieden8erhaltung
bereit ist, und nur ein Gebot der Dankbarkeit, wenn sie
unerschütterliche Freue zu Kaiser und Reich gelobt. Auch
wir, die wir stolz darauf sind, zu dieser großen deutschen
Industrie gezählt zu werden, auch wir blicken heute dankbar
zu 8e. Majestät auf und rufen begeistert: 8e. Majestät,
unser allergnädigster Kaiser, König und Herr, lebe hoch!"
Mächtig halte da8 hoch au8 der Festversammlung wieder,
die Musik intonierte die Nationalhymne, die darauf stehend
gesungen wurde. ::
Herr Regierungspräsident Graf Bernstorff sprach im Namen
der Kgl. Regierung, zugleich auch in dem de8 durch Krank-
heit am Erscheinen verhinderten Herrn Oberpräsidenten, der
Firma die herzlichsten Glückwünsche au8. Der Regierung-
präsident versicherte, daß der 81aat an dieser Feier lebhaften
Anteil nehme, hinweisend auf die Geschichte der henschel-
schen A)erke, die der Vorredner gegeben, zeigte Graf
Bernstorff wie in dieser Entwicklung einer Industrie gewisser-
mähen ein Spiegelbilb der nationalen Entwicklung in unserem
vaterlande zu erblicken sei. Die 8taat§regierung wisse es
wohl zu würdigen, welche hervorragenden Eigenschaften
dazu notwendig sind, solches große Unternehmen zu leiten.
Dazu gehört nicht nur technische und kaufmännische Tüchtig-
keit, sondern eine grohe organisatorische Kraft und ein
starkes Verantwortlichkeitsgefühl, wo es gilt, über das Wohl
und Wehe so vieler Tausende zu entscheiden. „Wir wissen",
führte er weiter aus „in wie hohem Mähe das alles hier
zu finden war und ist. Mit Genugtuung haben wir das
Verhältnis der 3reue, das hier zwischen den Inhabern, den
Beamten und der Arbeiterschaft besteht, feststellen können.
Es möge, so hoffen wir, für alle Zeiten weiterbestehen.
Die Verdienste, die in diesem Betriebe erworben wurden,
sind an Allerhöchster Stelle anerkannt worden. 8e. Majestät
der Kaiser und König haben geruht, folgende Auszeich-
nungen zu verleihen: den Vharakter als Geheimer Kommerzien-
rat an Herrn Karl Henschel; den Roten Adlerorden 4. Klasse
dem kaufmännischen Direktor Herrn B. Beyer; den Kronen-
orden 4. Klasse dem technischen Direktor Herrn Hans von
Gontard; den Ittel Kgl. Baurat dem Betriebsdirektor Herrn
Witthöfft. ::
Weiter gab der Herr Regierungspräsident eine Reihe von
Verleihungen des Kreuzes zum allgemeinen Ehrenzeichen,
des allgemeinen Ehrenzeichens und der Kronenorden-Medaille
bekannt, welche folgende Werksangehörige, aus der Laffeler
Fabrik und von der Henrichshütte, betreffen: Futtermeister
Karl Hüther; Fabrik-Oberwerkmeister Eduard Brauns;
Fabrik-Werkmeister Wilhelm 8ömmer; Werkmeister Julius
Fischer; Werkmeister Karl Bickhafer; Werkmeister Adolf
Gesell; 8chlosser Georg 8chade; Bohrer Martin Pflüger;
29
8chlosser Lviihelm 8chreier; 8chlosser Adam Müller; 8chmied
Zulius Roll; 8chmied Rudolf Kaminski; 8chlosser Eduard
Zindel; 8chlosser Johannes Zeuch; 8chlosser Karl Rinker;
Dreher Andreas 8alzmann; 8chloffer Heinrich Streck; Sdjloffcr
Friedrich Becker; 8chloffer Heinrich Kramer; 8chloffer Konrad
8chmago!d; 8lemmer Daniel Fischer; 8chlosser Adam 8inning;
Fabrikarbeiter Philipp Bachmann. ::
Herr Direktor A)itthöfst verlas darauf folgendes Dankes-
telegramm an 8e. Majestät den Kaiser: ::
An 8e. Majestät den Kaiser, Alilhelmshöhe. ::
Eurer Kaiserlichen und Königlichen Majestät wagen
Inhaber, Beamte und Arbeiter der Lokomotivfabrik
Henschel & 8ohn, hochbeglückt durch die außerordentliche
Feilnahme, welche Eure Majestät an unserm hundert-
jährigen Jubelfest durch Entsendung eines Vertreters
und durch die zahlreichen Gnadenbeweise zu erkennen
geruht haben, ihren alleruntertänigsten und ehrfurchts-
vollsten Dank mit der Versicherung unerschütterlicher
Freue hierdurch zu Füßen legen zu dürfen. ::
Karl Henschel, Geheimer Kommerzienrat.
Namens des Ministers der öffentlichen Arbeiten überbrachte
Herr Ministerialdirektor De. ing. ANchert-Berlin hierauf die
besten Glückwünsche zu dem Fabrikjubiiäum, indem er die
Hoffnung aussprach, daß die guten Beziehungen zwischen
der Eisenbahnverwaltung und der Firma auch künftig
andauern würden. ::
Dann hielt Herr Geheimer Baurat Prof. O. Berndt im
Namen der technischen Hochschule Darmstadt eine Ansprache,
in der er die A)echselwirkung betonte, die zwischen Fheorie
und Praxis bestehen müsse. Er kam sodann darauf zu
reden, wie vor 15 Jahren Herr Karl Henschel nach Darm-
20
stabt gekommen, um sich jene Kenntnisse technisch-wissen-
schaftlicher Art anzueignen, die nötig waren, um ba8 ÜDerh
seiner vorfahren würdig fortzusetzen. A)ie ihm do8 gelungen,
zeige der heutige 8tand des gewaltigen Unternehmen8. Er
habe 68 auch verstanden, die Männer sich au8zuwähien, die
ihm tüchtige Heiser sein konnten. In Anerkennung seiner
Leistungen at8 Leiter eines solchen technischen Alerkes, wie
es dasjenige ist, dessen Jubelfeier heute begangen werde,
hätte der 8enat der technischen Hochschule Darmstadt ein-
stimmig beschlossen, Herrn Geheimen Kommerzienrat Karl
Henschel zum Doktor mg. honoris causa zu ernennen.
Geheimrat Berndt schiost mit dem Alunsche, dost die 8öhne
des Hauses Henschel stets des Dichterwortes eingedenk sein
möchten: „A)as du ererbt von deinen Vätern hast, erwirb
es, um es zu besitzen!" ::
Herr Oberbürgermeister Müller sprach namens der 8tadt
Lasset der Firma Henschel die besten Glückwünsche aus und
fuhr fort: „Es ist eine bedeutsame Feier, zu der wir hier
erschienen sind. Bedeutsam nicht nur für Handel und Industrie
im Allgemeinen, sondern auch ganz speziell für unsere Stobt,
die mit dem Henschel'schen A)erke seit seiner Begründung
eng verknüpft ist. Aus kleinen Anfängen hervorgegangen,
erfüllt uns das A)erk heute mit 8tolz und Bewunderung,
wenn wir denken, dast sein Anfang zur Jugend unserer In-
dustrie zurückfuhrt. Nur Männer mit klarem Blick, Fatkrast
und Fielst, konnten die üverke also gestalten. Dast es mög-
lich war. allen den eminenten Anforderungen zu entsprechen,
dazu hat eine treue und zuverlässige Arbeiterschaft geholfen.
Die A)ohlsahrtseinrichtungen, die im Laufe der Zeiten von
der Firma Henschel geschaffen wurden, sind mustergültig.
Lasset ist stolz auf die hervorragenden tüchtigen Männer, die
21
aus dem Hause henschel hervorgegangen sind. Ml be-
sonderer Freude dank! unsere Stabt der Zubilarfirma für das
reiche Geschenk, das ihr eben durch sie zu teil geworden ist.
Auch den Beamten und Arbeitern der Firma henschel gilt
der Glückwunsch der Stadt bei dieser Festseier. Die Stadt
Lasset glaubte ihren Dank am besten dadurch abstatten zu
können, dcch sie für die Zwecke der Feier die Rathaussäle
zur Verfügung stellte, und beschloh, eine Fasel im Rathaus
an geeigneter Stelle zur Erinnerung an diesen Zubiläumstag
I anzubringen.^ Herr Oberbürgermeister Müller endigte mit
dem Üvunsche: „Möge die Firma henschel weiter blühen
und gedeihen zum Segen der Arbeit, zum Alohle der deutschen
Industrie und zur Ehre Cassels!“ ::
Die Griche und Glückwünsche der Casseler Handelskammer
sprach in Verhinderung des leider erkrankten, ersten Vorsitzenden,
Herrn Geheimen Kommerzienrat Pfeiffer, der zweite Vor-
sitzende, Herr Kommerzienrat Vogt aus. Die von ihm über-
reichte Adresse hat folgenden Wortlaut: „Der heutige Ehren-
tag der Firma henschel & Sohn gestaltet sich für unsere
Vaterstadt zu einem weihevollen, an dem alle Kreise unserer
Bürgerschaft den lebhaftesten Anteil nehmen, gilt es doch,
einmal die vor einem Jahrhundert vollzogene Gründung der
Werkstätten, zum andern die Fertigstellung der t0000sten
Lokomotive in festlicher Weise zu begehen. ::
Die Handelskammer zu Cassel als amtliche Vertreterin von
Handel und Industrie, begrüßt dieses wirtschaftliche Ereignis
mit wärmster und freudigster Genugtuung, mit Bewunderung
über die Leistungsfähigkeit, über das vorwärtsstreben, ver-
bunden mit einer Fülle von Energie, über die Fatkraft, welche
jedes im Fortschreiten sich bietende Hindernis zu beseitigen
verstanden hat. vor 11 Zähren gedachten wir der Vollendung
32
der 5000 slen Lokomotive, zu deren Herstellung ein Zeitraum
von 50 Zähren erforderlich war, heute ist die gleiche Zahl
in einer nur kurzen 8panne Zeit von etwas über 10 Zähren
erreicht worden. Fürwahr ein Wunder der Fechnik! Zu einer
Zeit des tiefsten Elends, die vor 100 Zähren unter dem
Usurpator Napoleon über Deutschland hereingebrochen war,
wurde der 8amen zu dem Werke gelegt, aus dem der mächtige
8tamm sich entwickelt hat, der mit seinen Zweigen heute den
ganzen Erdball umspannt. Dieser gewaltige Aufschwung ist
wesentlich gefördert worden durch die Neugestaltung des
deutschen Reiches unter Kaiser Wilhelm I., wodurch die Macht
der Nation gehoben und die Erhaltung des Friedens gewähr-
leistet wurde. Hiermit hat sich eine Erstarkung der produktiven
Kräfte vollzogen, wie sie niemals zuvor in die Erscheinung
getreten ist. Wie aber fernen Ländern und dem eigenen
vaterlande die Riesenentwicklung der Firma Henschet & 8ohn
unabsehbaren Nutzen gebracht hat, so hat dieser Werdegang
auch für unsere Vaterstadt groste Vorteile aufzuweisen, indem
tausende von Arbeitern ihren Nährboden hier gefunden haben.
Geräumige und lustige Arbeiterwohnungen sind entstanden,
daneben bestehen graste Kassen, welche eine sichere Zukunft
des Arbeiterftandes und ihrer Familien gewährleisten. Zndem
die Handelskammer zu Lastel den heutigen Festtag der Firma
Henschel & 8ohn auch als einen Ehrentag für die Industrie
unserer Vaterstadt und für ganz Deutschland begrüstt, gedenkt sie
dabei in unwandelbarer Freue ihres langjährigen Vorsitzenden,
des Herrn Geheimen Kommerzienrates Oskar Henschel, der
sein ganzes Können und seine ganzen Kenntnisse dafür ein-
setzte, die Vorarbeiten seiner Väter zur höchsten Entwicklung
zu bringen. Dabei müssen wir rühmend anerkennen, dast
auch unser treuer Mitarbeiter, Herr Karl Henschel, dauernd
SS
und mit größtem (Erfolg keine Mitte! und keine Arbeit gescheut
hat, dem Werke nach aiien Richtungen hin die größte Au§-
dehnung und Lelbständigkeit zu verleihen. Möge der Legen
und das Gedeihen auch ferner über den Inhabern der Firma
und dem großen Werke walten. ::
Lasset, 15. August 1910. Die Handelskammer.
Ebenfalls eine Adresse überreichte namens der Lasseler
Handwerkskammer deren Vorsitzender Herr Zimmermeister
Zimmermann. Er gab der Hoffnung Ausdruck, daß aus dem
henfchel'schen A)erke Legen auch für das Handwerk fließe.
Aleitere Adressen überreichten namens des Handels- und
Bewerbevereins und der Gewerbehalle Herr Ltadtsyndikus
Brunner; namens des hiesigen kaufmännischen Vereins Herr
Fabrikant Fhorbecke; Vertreter der Lokomotivbaufirmen in
Nord- und Lüddeutschiand, des Zentraiverbandes deutscher
Industrieller, der Diskontogesellschaft in Berlin, des Vereins
deutscher Ingenieure, des Vereins der Maschinenbauanstalten
usw. Herr Lehrer Heckmann als Vorsitzender des Arbeiter-
fortbildungsoereins. überbrachte dessen Wünsche und Grüße,
dabei der besonderen Forderung, die der Verein durch
henschel & Lohn und ihre Inhaber erfahren, dankbar
gedenkend. ::
Allen diesen dankte Herr henschel mit herzlichen Worten.
Dann ergriff als Vertreter der Arbeiterschaft Herr Lchlosser
Zindel das Wort: ::
hochansehnliche Festversammlung!
von der Arbeiterschaft der Firma henschel & Lohn ist mir
der ehrenvolle Auftrag zu Feil geworden, dem sehr ver-
ehrten Hause henschel zu dem heutigen Feste die herzlichsten
Glück- und Legenswünsche auszusprechen. ::
Auch wir Arbeiter nehmen aufrichtigen Anteil an der Freude,
die in dieser Feierstunde diesen Raum erfüllt. Wir sind
stolz darauf, einem Werke anzugehören, dem eine so glänzende
Entwicklung während der ersten 100 Jahre seines Bestehens
beschieden war, stolz auf den Weltruf, welchen die Firma
sich in schwerem Kampfe auf dem Weltmarkt während
dieses Zeitabschnittes erworben hat. Fn dies erhebende
Gefühl mischt sich der Drang nach einem Ausdruck der
Dankbarkeit für die unausgesetzte Liebe und Fürsorge, mit
der das Haus henschel bestrebt war, das materielle und
geistige Wohl der Werksangehörigen zu fördern, und berech-
tigte Wünsche der Arbeiterschaft stets zu erfüllen. ::
Fm Besonderen gedenken wir heute dankbar der opfer-
freudigen Mitwirkung der Frau Geheimrat 8ophie henschel,
auf dem Gebiete der Arbeiterwohlfahrt. — Liebe erweckt
Gegenliebe! Und so hat sich zwischen dem Hause henschel
und seiner Arbeiterschaft ein selten schönes und harmonisches
Verhältnis herausgebildet und trotz aller Gegenströmungen
unverändert erhalten. A)ir legen besondern Wert darauf,
an dieser Stelle mit Nachdruck zu betonen, dah wir diese
schöne Eintracht, diesen beglückenden Hausfrieden von
Niemanden, wer es auch fei, uns stören lassen wollen! ::
Unserem Dank wollen wir aber nicht nur in Worten Aus-
druck geben, sondern wollen ihn betätigen durch unverän-
derte Pflichttreue, ständigen Fielst und gewissenhafte Arbeit.
Dann wird auch unser Wunsch in Erfüllung gehen, dast sich
die Firma wie bisher, so auch im 2. Fahrhundert auf ruhm-
vollen Bahnen weiterentwickeln möge an der Lpitze der
europäischen Lokomotivindustrie. ::
von ihrer Leistungsfähigkeit legt das festlich bekränzte
Werk, die lOOOO ste Lokomotive, ein glänzendes Zeugnis ab.
Fetzt, wo sie die Stätte ihrer Entstehung verlassen soll,
SS
wollen wir ihr das Geleitwort mit auf den Weg geben:
„5a\)re hinaus in die deutschen Lande als tadelloses Glied
in der grasten Kette der Verkehrsmittel, werde dem alten
und guten Rufe unserer Firma zu allen Zeilen gerecht, bleibe ein
Wahrzeichen deutschen Fleistes und deutscher 8chaffenskraft!"
Unter dem brausenden Jubel der nach tausenden zählenden
Festteilnehmer verlieh nunmehr die lOOOOfte Lokomotive mit
eigener Kraft langsam die Halle, um ihrem neuen Be-
stimmungsort zugeführt zu werden. In diesem Augenblick
ergriff der Vertreter des Kaisers Generaladjutant General-
oberst von Pleffen das Wort: ::
«Im Aufträge 8r. Majestät des Kaisers fordere ich 8ie auf,
sich mit mir in dem Ruf zu vereinigen: die Firma
henschel & 8ohn, deren Lhefs, Beamte und braven
Arbeiter, Hurra!" ::
Das hoch fand begeisterten Widerhall. Herr Zindel über-
reichte darauf im Namen der Beamten und Arbeiter Herrn
Geheimrat henschel eine in Silber getriebene Nachbildung
der tOOOOsten Lokomotive. Er begleitete diese Gabe mit
folgenden Worten: ::
«Wie wir aber bei der Frennung von Liebgewordenem gern
ein Erinnerungszeichen zurückbehalten, so hat die Beamten-
und Arbeiterschaft beschlossen, von unserer Hände Werk ein
kleines Modell im Mahstab 1:30 für das Haus henschel
herstellen zu lassen. In Silber von Werksangehörigen ge-
fertigt, darf es im wahren 8inne des Wortes als ein Meister-
stück gelten, das ich nunmehr in die Hände unseres hoch-
verehrten Lhefs als Zeichen unserer Verehrung mit der Bitte
um freundliche Annahme legen darf." ::
hierauf fand die Feier mit dem Wächterlied von Gerusheim
ihr Ende. Während sich die 200 geladenen Gäste zum
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Festessen ins Rathaus begaben, begann jetzt in der festlich
geschmückten Lokomotivhalle, wo 42 Büffets errichtet worden
waren, der den Arbeitern gegebene Frühschoppen, zu dem
die Musik von der Kapelle des Infanterie-Regiments Nr 83
ausgeführt wurde. ::
Bald herrschte in der gewaltigen Halle, die sonst anstrengender
Arbeit gewidmet ist, ein frohes Freiben, das die Arbeiter in
bester 8timmung zusammen hielt. ::
Das Festmahl im Zitzungssaale des Rathauses.
In dem festlich erleuchteten Rathaussaale, wo nachmittags
das Festessen begann, machte die geschmackvoll dekorierte
Fasel einen sehr schönen Eindruck. In der Mitte der großen
Längstafel hatte der Jubilar des Fages Herr Geheimer
Kommerzienrat Dr. ing. Henschel Platz genommen, zu seiner
Rechten saßen Ministerial-Oirektor Dr. ing. A)ichert-Berlin,
Generalmajor von Below-Lassel, A)irkl. Geh. Dber-Reg.-Rat
Hoff, Präsident des Zentralamtes Berlin, Exzellenz Hirai,
Vizepräsident der japanischen 8taatsbahnen, Regierungspräsi-
dent Graf Bernstorff, Geheimer Baurat Professor O. Berndt-
Darmstadt, Oberbürgermeister Müller u. a. Links von Herrn
Geheimrat Dr. ing. Henschel hatten Platz genommen: 8e.
Exzellenz General der Infanterie Freiherr von 8cheffer-
Boyadel, Alirkl. Geh. Oberbaurat Müller-Berlin, Eisenbahn-
Direktions-Präsident 8ommer-Magdeburg, Eisenbahn-Direk-
tions-Präsident Vollgold-Lassel und Geheimer Kommerzienrat
Dr. ing. Ziese-Elbing, Generaldirektor Iadda (8ardin. Bahnen)
Rom, Geh. Kommerzienrat F. Baare-Bochum, H. I. Allen-
Buenos-Aires, Great 8outhern Railway-Lomp. Aus der
großen Zahl der weiteren Gäste, die an sechs Ouertafeln
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sahen, möchten wir auher den bereits früher schon erwähnten
Herren noch hervorheben: Juan Jose Elordi-Paris, E. Baca-
valle-Furin, Zacharias de 8t. Anna (Portugiesische 8taats-
bahnenj, Eurique Budge-Paris, Geh. Baurat Garbe-Berlin,
Direktor A). Marik-Prag, H. R. 8imon8-Bukarest, Kommerzien-
rat Ernst von Borsig-Fegel, Geheimrat Rumschättel-Berlin,
Or. ing. 8chmidt-Lassel, Dr. Rüssel-Berlin, ferner eine grohe
Anzahl Direktoren und Ingenieure deutscher Eisenbahnen und
industrieller A)erke. Die Reihe der offiziellen Reden eröffnete
Herr Geheimer Kommerzienrat Or. mg. Henschel mit folgendem
Kaiser-Foast: ::
8ehr verehrte Herren! Ein bedeutsamer Fag ist heute
für mein Hau8. Einhundert Jahre sind e8 her, dah einer
meiner vorfahren eigene Werkstätten mit seinen Leuten
bezog. Groh waren die Zchwierigkeiten, mit denen meine
Ahnen in den ersten Jahrzehnten de8 Bestehen8 meiner
Firma zu kämpfen hatten. Ihrem eisernen Fleih verdanken
wir die heutige Bedeutung meine8 Hauses. Erst mit der
glücklichen Entwicklung de8 deutschen Vaterlande8 wurde
meinem Hause die Möglichkeit zu seinem grohen Auf-
schwung gegeben. Ein treuer, fleihiger 8tamm von Be-
amten und Arbeitern hat bis zum heutigen Fage die grohe
Arbeitslast mitgetragen und öas Aufblühen der Firma
gefördert. Ihrer gedenke ich in treuer Dankbarkeit zu-
gleich im Namen meiner lieben Mutter und meiner Familie.
(Es besteht kein Zweifel, dah dieser Aufschwung nicht
möglich gewesen wäre, wenn nicht unser Kaiser seine
mächtige Hand in weiser Fürsorge über Handel und In-
dustrie gehalten und durch 8chaffung eines starken Heeres
und einer starken Flotte dafür gesorgt hätte, dah unser
Vaterland in einer langen Friedenszeit sich einer glänzenden
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industriellen Entwickelung erfreuen durfte. Auch dem
heutigen Feste hat Zeine Majestät durch Entsendung Zeines
Vertreters, sowie durch zahlreiche Gnadenbeweise Zein
Interesse bekundet, voll Dankbarkeit und Liebe zu unserem
Herrscherhaus erheben wir daher unsere Gläser und rufen:
Zeine Majestät, unser geliebter Kaiser und König, hoch!
Herr Direktor Bernhard Beyer hieß sodann im Aufträge der
Firma Henschel die Festteilnehmer herzlichst willkommen und
führte aus: ::
Meine Herren! Fm Austrage von Herrn Henschel habeich
die Ehre, unsere hochgeehrten Gäste, die von nah und fern
zusammengekommen sind, um den heutigen Fag mit uns fest-
lich zu begehen, an dieser Stelle von Herzen willkommen zu
heißen: Ze. Exzellenz den Herrn Kommandierenden General,
die Herren Vertreter der Königlichen Ztaatsregierung, des
Herrn Ministers der öffentlichen Arbeiten, und der anderen
staatlichen und städtischen Behörden; die Herren Vertreter
der Königlich-Preußischen Ztaatseisenbahnverwaltung, der
Fechnischen Hochschule in Darmstadt, der Handelskammer und
der Handwerkskammer in Lasset, der zahlreichen Körper-
schaften und Vereine, sowie den großen, vertrauten Kreis
unserer Geschäftsfreunde und der uns befreundeten Privat-
personen. Cin besonderer Gruß gilt den Herren, welche als
Mitglieder der preußischen Ztaatseisenbahn-Verwaltung, unserer
größten Auftraggeberin. seit einer langen Reihe von Fahren
in engem geschäftlichen Verkehr auf dem Boden gemeinsamer
Arbeit mit uns stehen. Ebenso wendet sich unser Mllkommens-
gruß an die Herren Angehörigen ausländischer Bahn-
gesellschaften, deren Erscheinen uns in hohem Maße ehrt. A)ir
hoffen, daß Sie eine angenehme Erinnerung an den heutigen
Fag bewahren und uns auch fernerhin die freundliche Ge-
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sinnung erhallen werden, der wir es verdanken, Sic heule
bei uns zu sehen. ::
Herr Lokomolivführer Geck-Lassel erklärte: (Es sei für den
verband deulscher Lokomolivsührer eine besondere Freude,
an dem Heuligen Feste leilnehmen zu können. Auch der
verband werde von dem Feste berührl, müssen doch die
Lokomolivsührer die Maschinen der Firma aus den eisernen
8trängen fahren. Zur Ehre der Firma müsse aber gesagl
werden, dast das von dieser gelieferte Maleria! vorzüglich
laufe. Redner streift nun kurz die mannigfachen Wohltaten,
die der verband von der Firma erhallen habe, zum Dank
hierfür sei beschlossen, Herrn Geheimen Kommerzienrat
Henschel zum Ehrenmitglieds des Verbandes zu ernennen.
(Lebhafter Beifall). Rednerüberreichl darauf ein enlsprechendes
Diplom und schlieft! mil dem Wunsche, daft reicher 8egen
auf das Haus Henschel niedergehen möge. Herr Geheimral
Henschel dankl den verlrelern des Verbandes für diese Ehrung.
Rach kurzer Pause führle dann Herr Geheimer Oberbaurat
Müller-Berlin folgendes aus: ::
Wenn mir die Ehre zuleil geworden ist, als erster der an-
wesenden Gäste das Wort zu ergreifen, so verdanke ich das
wohl hauplsächlich dem Umstande, daft ich als langjähriger
Referenl für die Konstruktion und die Beschaffung der Loko-
motiven am Eisenbahnministerium gewissermaften der Vertreter
der treuesten und ältesten Kundin der Firma Henschel bin, mit
der alljährlich gröftere Geschäftsabschlüsse seitens der Eisen-
bahnverwaltung erfolgen. Wie in allen Berufszweigen, hat
es auch im Lokomotivbau gute und schlechte Zeiten gegeben.
Die schlechten liegen gottlob weit zurück, am schlechtesten
waren sie in den achtziger Zähren des vorigen Zahrhunderts,
wo der Lokomotivbau sehr danieder lag. Als ich im Zahre
1890 das Lokomotivdezernat übernahm, wurde es besser.
Helle Freude war damals, als in diesem Jahre 450 Loko-
motiven beschafft wurden. Die Zahl stieg sodann auf 600,
800, 1000, 1400, sogar auf 1600. Dann trat eine kleine
Abschwächung ein. Die heutigen Lokomotiven sind aber
dafür auch wesentlich schwerer und teuerer. Der Aufschwung
im Lokomotivbau war dem allgemeinen Verkehrsaufschwung
zu danken. Um zu zeigen, welche Anschauungen früher
bestanden, erinnere ich an die Alorte König Ernst August's
von Hannover, als man bei ihm die Genehmigung zum Bau
der ersten Eisenbahn nachsuchte. Sic lauteten: „Ich will
keine Eisenbahnen in meinem Lande, ich will nicht, dah jeder
8chuster und 8chneider so rasch reisen kann, wie ich." Be-
trachtet man demgegenüber die heutigen Verhältnisse, so
möchte ich darauf hinweisen, dast die preuhisck-hessische 8taat§-
eifenbahnverwaltung gegenwärtig über 20000 Lokomotiven
verfügt, gegenüber einem Bestände von 10000 im Jahre 1890.
Die 8tückzahl hat sich somit in den letzten 20 Jahren verdoppelt.
Dabei ist zu berücksichtigen, dast die neuen Lokomotiven eine
wesentlich höhere Leistungsfähigkeit haben. Bei ihnen sind
sämtliche Errungenschaften der Neuzeit u. a. auch die von
Lasset ausgegangene Anwendung überhitzten Dampfes nutzbar
gemacht, so dast die Leistungen in Pferdestärken wohl mindestens
den dreifachen Alert wie im Jahre 1890 haben. Ich schätze
sie auf etwa 15 Millionen Pferdestärken. Aus diesen an-
geführten Zahlen ersieht man, wie recht der Kronprinz von
Preußen, der spätere König Friedrich Alilhelm IV., vor
72 Jahren bei der Einweihungsfahrt der Bahnlinie Berlin-
Potsdam hatte, als er, an der Lokomotive stehend, die
denkwürdigen Alorte sprach: „Diesen Karren, der durch die
Alelt rollt, hält kein Menschenarm mehr auf." In der
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3at ist biefes prophetische Wort zur Wahrheit geworben.
Möge auch bie Lokomotive mit ber Fabrik-Nummer herrschet
& Lohn 10000, bie wir heute ihrem Berufe übergeben haben,
at8 Legenbringer wirken unb bienen. Mit grohem gerecht-
fertigtem Ltolze können bie Firma, ihre Beamten unb An-
gestettten auf biefes (Ereignis sehen, basselbe mit Recht feiern,
ein Fest, an bem bie ganze technische Wett mit votier Freube
Anteil nimmt, unb wir alte, bie wir hier versammelt sinb,
nicht minber. «
Ein Rückblick auf bie Entwicklung ber henschel'schen Fabrik ist
zugleich ein Abschnitt ber Geschichte bes beutschen Lokomotiv-
baues. Die ersten beutschen Eisenbahnen muhten für ihre
ersten Betriebsjahre sich noch bie Lokomotiven von Englanb
holen. Leit nahezu 50 fahren aber werben nur noch beutsche
Lokomotiven vor beutsche Züge gespannt. Weithin ist unsere
beutsche Lokomotive gewanbert unb vorgebrungen, unb ihr
Ruhm ist brauhen ebenso fest begrünbet wie hier. Dafür
sinb Zeugen, bie vielen Bestellungen für bas Auslanb unb
bie fernsten Weltteile, an benen in ganz hervorragenber Weise
bie Firma herrsche! 8c Lohn beteiligt ist. Das banken wir
bem Umstanbe, bah Männer von reichstem technischen Wissen
unb Können biesen Zweig bes Maschinenbaues in bie hanb
genommen haben. Keine Lokomotive ist aus bem henschel-
schen Werke herausgegangen, bie nicht an Konstruktion,
Material unb Arbeit tabellos gewesen wäre, minbestens eben-
bürtig bem, was anbere Länber bieten, unb allezeit wirb es
so bleiben. Die Gewihheit bafür gibt uns bas Ltreben ber
beutschen Lokomotivbauer, bie vereint mit ben Konstrukteuren
ber Cisenbahnverwaltung bem Fortschritt hulbigen. ::
Der Firma henschel aber, bie ihre Werksanlagen in ben
letzten Zahrzehnten so mustergültig ausgestaltet, erweitert unb
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durch den Erwerb der henrichshülte ergänzt hat, ein Krästige8
Floxal crescat. Ihr, ihren Beamten und Angestellten ein
donnerndes hoch. ::
Herr Oberbürgermeister Müller gedachte in seinem Foast mit
warmen Worten der Tätigkeit von Frau 8ophie henschel,
der er einen glücklichen, gesegneten Lebensabend wünschte,
während Herr Dr. von Wild ein hoch auf die Gattin von
Herrn Karl henschel ausbrachte. Weitere Festreden würzten
das in allen Feilen gut verlaufene Festmahl, welches gegen
8 Uhr abends beendet war. ::
Die Festlichkeiten fanden abends ihren Abschluh in einem
Gartenfest, das im 8tecker'schen Hotel in Wilhelmshöhe ab-
gehalten wurde. An dem Fest, das den Beamten der Firma
galt, nahmen auch die hiesigen und auswärtigen Ehrengäste
zahlreich teil. Die von der henschel'schen 8änger-vereinigung
unter der Leitung von Herrn Musikdirektor hallwachs trefflich
vorgetragenen Gesänge, komische Umzüge, heitere Vorträge
und sonstige Belustigungen schufen eine fröhliche 8timmung
und trugen sehr zur Erhöhung der Festfreude bei. Auch
wurde hier ein vom Redakteur R. 8pangenberg verfahtes
reizendes Festspiel in Versen aufgeführt, betitelt: „Helden
der Arbeit". ::
Eine 8chmiede Vulkans im Habichtswald ist die 8zene.
Während ein Gnom über der Menschen Ungebühr schilt,
weih der Genius dem Vulkan gar viel von ihrer tüchtigen
Arbeit zu sagen, wie er sie z. B. in der henschelei geschaut,
die die t0000ste Lokomotive schon zustande gebracht. Der
Genius preist nun die Fatkrast und das Genie der Männer
im Hause henschel, die 100 Fahre so wackere Arbeit zum
Wähle der Menschheit leisteten. Vulkan ist überzeugt worden
von der Gröhe der Menschenarbeit und weist den unver-
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ständigen tadelnden Gnomen zurück. Das Spiel endet mit
dem Preis des Heidentums der Arbeit: ::
Loht nun der Arbeit Heldentum
Mit Lorbeer uns bekränzen.
Mög immerdar zu Deutschlands Ruhm
Der h e n s ch e l r Name glänzen!
Das Festspiel wurde von den Herren Ingenieur Kienast,
Kaufmann Barnbeck und Kaufmann Mihr sehr gut zur Geltung
gebracht. Ein lebendes Bild, die Bekränzung der Büsten
der henschels darstellend, bildete den Beschluh. Dröhnender
Beifall ertönte nach dem Fallen des Vorhanges, der sich
mehrmals heben muhte. Obwohl das Festspiel eine eigentliche
patriotische Note nicht enthält, stimmte die Festversammlung
nach Beendigung der Aufführung spontan das Lied „Deutsch-
land, Deutschland über alles" an und bis gegen Mitternacht
hielt die Feststimmung die Festteilnehmer in A)ilhe!mshöhe
zusammen. _____ ::
Die Inhaber der henschel'schen A)erke gedenken aber in
Dankbarkeit der treuen Mitarbeit der verstorbenen und
lebenden Beamten und Arbeiter. Nur durch treues Zu-
sammenarbeiten Iaht sich Grohes schaffen, und sie erwarten
von ihren Mitarbeitern, dah diese auch in Zukunst zum Hause
henschel halten werden. — „Liebe erweckt Gegenliebe"
hat unser Herr Zindel trefflich in seiner Rede ausgeführt, so
werden auch die Besitzer der henschel'schen A)erke in ihrem
Bestreben nicht aufhören, nach bestem 2vissen und Können
das A)ohl ihrer Beamten und Arbeiter, deren Familien und
Hinterbliebenen zu fördern. ::
Lasset, 8eptember 1910.
HENSCHEL & SOHN.
44
3. Juli 1978 3 0 1 27. Juni W1 L
1ZM-3E foge
0 9. Sep. 1988 3 st
5. OKt. 1988
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3. Juli 1978 3 0 » 27. Juni flSQ L
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