Frankfurth am 30ten Septbr 1814
Es geht mir hier recht närrisch, lieber Louis,
ich schwebe zwischen Furcht und Hoffnung über
mein künftiges Schicksal, bin aber dabeÿ doch
recht aufgeräumt. Du erwartest daher viel-
leicht von mir einen recht launigten Brief,
allein das Talent einen solchen zu schreiben
ist mir nun einmal versagt, das muß ich
erst von Dir lernen und erwarte nächstens
einen solchen von Dir, den Du nur in unser
Haus zur weiteren Besorgung geben darfst.
Meine Verhältnisse sind äusserst verwickelt,
doch hoffe ich, daß die Auflösung nicht mehr weit
entfernt ist.
Mit dem Baron v. L. reist ausser mir noch
ein gewisser [...], ein Mahler von
Haus aus, der sich 20 Jahre als Portraitmahler
silhiutteur u.s.w. in der Welt herumgetrieben
hat, und dessen Umgang daher sehr interessant
ist
ist. Er ist aus Wien gebürtig und so wie fast alle
Süddeutsche sehr lustig. Durch seine fröhliche
Launen, die er, ungeachtet er an der einen Hand,
welche er in der hiesigen Stadtbrauereÿ sehr
hart verbrannt hat, ausserordentliche Schmer-
zen aus steht, doch immer behält, werde auch ich
aufgeräumter als ich sonst gewöhnlich bin.
Wie steht es denn um Deine Correspondenz
mit August? Was macht Deine Platte? Ich hoffe
daß Deine Geduld nicht noch einmal, wie gesche-
hen, auf die Probe gestellt werden wird.
Den Jacob habe ich hier auf der Straße ge-
sprochen; er fing wieder von Patriotismus
oder vielmehr von dem Vorurtheil zu reden
an, lieber auf der Erdscholle, wo man gebo-
ren ist, kauernd zu hungern, als an irgend
einem andern Orte aufrecht stehend anständig
leben zu können. Du warest nicht dabeÿ als
er
er mir beÿm Abschiede deshalb eine harte Straf-
Predigt hielt. Ich habe gewiß viel Patriotismus
aber Deutschen und keinen Hessischen, und hasse
die Beschränktheit. Doch so etwas kann Dich einen
Künstler, der seiner Bestimmung nach Kosmo-
polit ist, nicht interessieren.
Ich muß manchmal selbst recht darüber
lachen, daß ich, der ich das Gegentheil alles dessen
was Künstler ist, bin, mich der Bekanntschaft
so vieler verdienter Künstler erfreue. Folgt
dies vielleicht aus dem Satz: daß die Extreme
sich berühren. –
Hier habe ich die Bekanntschaft eines Ori-
ginals von Kaufmann gemacht, den Karl
zuweilen zu kupiren sucht; der Mann setzt die
Worte ins Unendliche ab und spricht darauf
lachend alles noch einmal etwas besser hinter-
einander. Zum erstenmal als ich mit ihm
redete
sprach wurde mir ganz angst und bange, jetzt
helfe ich ihm nach. Es ist traurig, auch nur einen
Theil seiner Menschheit dem Mammon auf-
zuopfern; allein ich habe hier auch sehr geschickte
und wirklich beredte Kaufleute kennen ge-
lernt – denn hier giebt's nur Kaufleute.
Den lieben Wilhelm und die Lotte interes-
siert es vielleicht, daß ich in Hanau war und Stau-
ber gesprochen habe, der das Militair nach seinem
Ausserung sehr gern verließe, dem man aber
auf eine gute Art den Abschied verweigert. Er
interessiert sich noch sehr für alle Mitglieder
des Lesekränzchens. Die Marie von Dalwigk soll
sich jetzt besser befinden als sonst. Hanau hat
mir recht gut gefallen, es gibt darin wie über-
all was im Hessischen sehr große leere Plätze.
Ihr seÿd mir doch noch alle gut? Die Lotte
hatte wirklich Ursache beÿ unserer letzten Unter-
haltung auf Karl und mich etwas böse zu seÿn,
aber Karl war mehr daran schuld, als ich.
F.E.